Die Stadt von morgen
Wie sieht die Stadt der Zukunft, die „Smart City“ aus? Wissenschaftler, Architekten und Stadtplaner arbeiten an Konzepten – auch mit Blick auf zunehmende Infrastrukturprobleme und zunehmenden Energiebedarf.
Städte üben weltweit eine Sogwirkung auf Menschen aus: Vier Milliarden Stadtbewohner gibt es heute schon. Im Jahr 2030 werden es nach Schätzungen der Vereinten Nationen 5,5, Milliarden sein. Den größten Andrang, so die Prognosen, werden die kleineren und mittelgroßen Städte mit bis zu fünf Millionen Einwohnern erleben. Nur: Wie wollen die Städte alle diese Menschen versorgen? Schon heute kämpfen sie mit infrastrukturellen Problemen – angefangen von mangelhafter bis fehlender Wasser- und Abwasserversorgung und überlasteten Verkehrswegen bis hin zur Umweltverschmutzung. Basis einer Entwicklung ist daher laut Eva Dick, Soziologin und Raumplanerin des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE):
„Die gesamte Infrastruktur, die notwendig sein wird, um die Menschen, die zusätzlich in Städten leben werden, zu versorgen, dass das meiste dieser Infrastruktur erst noch gebaut werden muss.“
Investitionen in eine Erneuerung beziehungsweise einen Ausbau der Infrastruktur wären grundsätzlich erst mal etwas Gutes. Millionen neuer Arbeitsplätze würden geschaffen. Die Schattenseite: Wegen der neuen Arbeitsplätze kämen weitere Menschen in die Städte. Eine Art Teufelskreis. Außerdem stellt sich die Frage der Finanzierung. Die meisten Städte können nicht über die Steuereinnahmen verfügen, denn diese werden vom Staat verwaltet, nicht von der Stadt selbst. Internationale Raumplaner wie Wolfgang Scholz von der TU Dortmund sehen die Möglichkeit, dass Privatinvestoren die Aufgabe übernehmen:
„Kapital ist da, und es sucht eine Investition, die langfristig Geld bringt. Da ist natürlich Infrastruktur sehr dankbar, weil die Leute auf die Infrastruktur angewiesen sind, und wenn sie ein Wassernetz betreiben, dann haben sie auch nicht die Konkurrenz, dass jemand ein zweites Wassernetz aufbaut. Das heißt also, wir schaffen Monopole.“
Kapital, so Wolfgang Scholz, ist da, private Investoren verfügen über genug Geld, um in den Ausbau der Infrastruktur zu investieren. Für sie selbst hätte es auch einen Nutzen, es wäre dankbar. Allerdings warnt Wolfgang Scholz vor den Gefahren einer Liberalisierung, eines Abbaus öffentlicher Leistungen: Es könnten Monopole entstehen und dann würde die gesamte Kontrolle von Leistungen in der Hand eines privaten Anbieters liegen. Das birgt Probleme, sagt Scholz, und nennt dafür ein Beispiel:
„Die Liberalisierungen zum Beispiel im Wassermarkt in den 1990er Jahren – vorgeschlagen von der Weltbank in einigen afrikanischen und asiatischen Städten – hat eher zu einer Verschlechterung der Versorgung geführt, und die Wassernetze mussten dann für sehr viel Geld wieder vom Staat zurückgekauft werden.“
Dass Regierungen und Stadtverwaltungen trotzdem ein Eigeninteresse an einer nachhaltigen Stadtentwicklung haben sollten, liegt auf der Hand. Bereits heute verursachen Städte rund drei Viertel der weltweiten Schadstoffemissionen. 80 Prozent des weltweiten Bruttonationaleinkommens werden zwar in den Städten erwirtschaftet, doch ähnlich hoch ist auch ihr Ressourcenverbrauch. Will sich eine Stadt also nachhaltig aufstellen, muss sie technologisch fortschrittlicher, sozial inklusiver – so dass sie alle Bevölkerungsschichten im Blick hat –, und umweltfreundlicher werden, kurzum: sich zu einer „Smart City“ entwickeln. Für Eva Dick spielt das Thema Technologie bei der nachhaltigen Stadtentwicklung eine wichtige, aber nicht alles entscheidende Rolle:
„Nachhaltigkeit lässt sich sicher nicht nur mit Technologie erreichen. Aber ich denke schon, Technologie, also Informations- und Kommunikationstechnologien, können dazu beitragen, nachhaltige Stadtentwicklung zu befördern.“
In einer nachhaltigen Stadt, so das Ziel, sind autonom fahrende Autos unterwegs, die keine Schadstoffe mehr ausstoßen und keinen Lärm produzieren. Intelligente Verkehrsleitsysteme sorgen dafür, dass keine Staus entstehen. Deutschland steht beim Thema „Smart City“ noch am Anfang. Allerdings arbeiten Forscher auch hier schon an der Vision einer Stadt, in der der Energie- und Ressourcenverbrauch durch den Einsatz modernster Technik intelligent gesteuert wird. Zu diesen Forschern gehört auch Christof Wittwer vom Fraunhofer Institut für solare Energiesysteme in Freiburg. Er erläutert, womit er sich vorrangig beschäftigt:
„Wir haben die Möglichkeit gehabt, genau die aktuell diskutierten Technologien der Energieversorgung für typische Einfamilienhäuser aufzubauen und beschäftigen uns mit der Frage: ‚Wie können wir Stromverbrauch, Stromerzeugung, thermisch und elektrisch, optimiert im Energienetz von morgen betreiben.“
Ein „smart grid“, ein intelligentes Stromnetz der Zukunft, von morgen, ist eines, in dem erneuerbare Energien, also Energie aus Wasser, Wind, Sonne, eine wichtige Rolle spielen. Statt Strom von großen Kraftwerken zu beziehen, deckt jeder Haushalt seinen Strombedarf vor Ort selbst, beispielsweise durch Nutzung von Erdwärme, von thermischer Energie. Länder wie etwa Saudi Arabien und die Mongolei haben noch größere Visionen. So soll am Roten Meer die Stadt „Neom“ entstehen – mit eigenen Gesetzen und genug Arbeitsplätzen für gut ausgebildete Frauen und Männer. Roboter sollen niedere Tätigkeiten übernehmen. Der Kölner Architekt und Stadtplaner Stefan Schmitz weist allerdings auf die Nachteile einer solchen Stadt hin:
„Das sehe ich nicht als 'ne nachhaltige Alternative an, weil das fast 'n Ghetto ist, wo dann wirklich nur die Leute, die [sich] so was leisten können, unter sich sind, sich absichern vor dem normalen Volk, und das ist keine nachhaltige Stadtentwicklung.“
Nach Ansicht von Stefan Schmitz wird so das Gegenteil von dem erreicht, was man eigentlich will. Denn das normale Volk, also diejenigen, die nicht reich sind, keine gute Ausbildung haben, wird ausgeschlossen. Sie bleiben weiter unter sich, leben in abgesonderten Wohnvierteln. Es findet eine Ghettobildung statt. Deshalb sieht seine Planung für Maidar City in der Mongolei, mit der er beauftragt wurde, anders aus. Das fängt schon bei der Auswahl und Beauftragung von Investoren an:
„Man kann nicht einfach 'n Grundstück kaufen und machen, was man will. Da gibt es ganz bestimmte Regeln, auch in Hinsicht von ökologischem Bauen, Einsatz erneuerbarer Energie und so weiter, die in diesem Kaufvertrag eben festgelegt werden müssen.“
Maidar City, auch Maidar Eco City genannt, soll etwa 50 Kilometer von der Hauptstadt Ulan Bator entstehen und diese entlasten. In dieser Stadt sollen strenge ökologische Kriterien gelten, an die sich Grundstückskäufer halten müssen. Stefan Schmitz' Vision geht jedoch weit über die ökologische Nachhaltigkeit hinaus. So soll Maidar City nicht nur ein Zentrum haben, sondern aus vielen gleichberechtigten Stadtteilen, die ihren Bewohnern sowohl Arbeitsplätze als auch Wohnraum, Kulturangebote und öffentliche Dienstleistungen bieten, bestehen. So sollen lebenswerte, funktionale, zweckmäßige, Viertel für alle entstehen – und keine Luxus-Ghettos für Wohlhabende. Denn, davon ist der Architekt überzeugt:
„Nachhaltig ist nur das, was sozial und funktional gemischt ist.“