Rapper Kex Kuhl über seine Depressionen, Panikattacken und "Rick and Morty"
Eine Depression zu haben, bedeutet nicht, sie zu bekämpfen sein Leben lang, es
bedeutet, damit klar zu kommen, dass man eine Depression hat, weil, du bist halt
ein depressiver Mensch, daran wird sich nichts ändern.
Hi, ich bin Taha, werde auch Kex Kuhl genannt – in gediegenen Fachkreisen.
Ich bin Rapper.
Ich habe Depressionen, Angststörungen und Panikattacken.
Ich wusste noch nicht sofort, dass es die Psyche ist, ich dachte einfach, mit mir
selber stimmt irgendetwas nicht. Irgendwas hat gefehlt, und ich dachte
immer ... So eine gewisse Leere war da, und ich dachte immer, okay, es ist die
Heimat und das sind die Freunde und die Familie, aber als ich dort war, war
diese Leere nicht gefüllt. Ich habe fast vier Jahre in diesem Zustand verbracht,
um danach von einem guten Freund drauf aufmerksam gemacht zu werden
dass doch vielleicht irgendetwas mit meiner Psyche sein könnte.
Ich hatte Panik und Schweißausbrüche und konnte nicht mehr Bahn fahren und
den ganzen Krempel, den jeder kennt, der das auch hat.
Das hat sehr viel mit meiner Identität gemacht. Ich hatte zu dem Zeitpunkt ein fertiges Album, das
ich komplett weggeschmissen habe, weil ich das nicht mehr war und irgendwie
versucht habe, auf mein Ego zu achten und nicht auf meinen seelischen Zustand oder
meinen psychischen Zustand. Eine Depression zu haben, bedeutet nicht, sie
zu bekämpfen sein Leben lang, es bedeutet, damit klarzukommen, dass man
eine Depression hat, weil, du bist halt ein depressiver Mensch, daran wird sich
nichts ändern. Man muss halt irgendwie damit klar kommen, und ich komme super
damit klar.
Ich bin 27 und leide unter Panikattacken.
Manchmal stehe ich im Supermarkt, und es überkommt mich einfach.
Die einzige Person, die mich da versteht, ist meine Freundin, die auch mal an Panikattacken
litt. Das Schlimmste dabei ist, dass all meine anderen Freunde nicht verstehen,
wie sich das anfühlt. In meinem Freundeskreis ist das ähnlich. Ein
Großteil meiner Freunde hat auch Panikattacken und Depressionen und
Ängste, aber ich habe auch ein sehr, sehr harten Teil meines Freundeskreises
so würde ich die jetzt mal nennen, der sich mit sowas überhaupt nicht auskennt.
Also so gar nicht. Die können das auch nicht nachvollziehen. Ich hatte
natürlich auch schon Panikattacken bei denen zu Hause, und die haben gesagt: "Was ist
mit dir?" Und ich so: "Hey, mir geht's nicht gut." Und der konnte es nicht nachvollziehen. Aber das
Wichtige ist, sich einfach nicht zu verstellen, weil, ich habe mal gelernt
dass man dann Panikattacken bekommt, wenn man nicht man selbst ist
Wenn du nicht du selbst bist, dann geht's dir schlecht. Meine erste richtige
Panikattacke, die hatte ich auf meiner Tour. Bei dem Freund zu Hause, da
dachte ich, ich sterbe.
Er hat das mitbekommen, dass
es mir nicht gut geht und ist rüber gekommen, hat mir einen Tee gemacht, hat mich
beruhigt und hat mir dann von seinen Panikattacken erzählt, und das hat mich
unfassbar beruhigt. Dann haben wir "Rick and Morty" geguckt. Also ich glaube ja, dass
die Leute eine Panikattacke echt besser verstehen können als eine Depression.
Du kannst sagen: "Eine Panikattacke ist ungefähr so: Dein Herz schlägt schnell, du
kriegst wenig Luft, es fühlt sich an wie ein Herzinfarkt, ist aber keiner.
Du stirbst nicht, aber alles in deinem Körper sagt dir, dass du stirbst."
Dann können die sich ein bisschen ein Bild davon machen und denken
sich, Angst hatte ich ja auch schon mal, als ich Riesenrad fahren wollte oder
irgendwie mal einen großen Hund gesehen habe und habe mich
erschreckt. Das kannst du nehmen, diese Angst. Die nimmst du dann mal 100
ungefähr, vielleicht ein bisschen mehr und streckst das auf eine halbe Stunde.
Das ist eine Panikattacke. Ja ich habe es auch schon mal geschafft, mich selbst zu
triggern, also die Panik selber zu triggern. Normalerweise kommt das von
außen, wenn ich zu grellem Licht ausgesetzt bin, oder – jetzt
zum Beispiel nicht, hier fühle ich mich wohl. Aber wenn ich zum Beispiel in der U-Bahn sitze
dann passiert das von außen. Aber manchmal schaffe ich es
auch, mich selbst zu triggern, wie zum Beispiel, wenn ich Songs darüber
schreibe, was ich ja sehr gerne mache. Und neulich habe ich einen Song über
genau den Zustand geschrieben, wie es ist, sich mit jemandem zu unterhalten und der
andere merkt nicht, dass man ganz unauffällig seinen Puls misst, mit der
Hand und unter dem Ärmel. Und das hat mich selber sehr getriggert.
Ich habe einfach eine Panikattacke während des Textschreibens alleine zu Hause bekommen.
Aber das war auch wieder eine Panikattacke, die in Ordnung war
Weil ich wusste, dass ich eine habe. Es war keine, wo ich dachte: "Okay ich sterbe
jetzt", sondern ich wusste, das ist eine Panikattacke, in einer halben Stunde geht es
um, danach bin ich müde, und mehr war es auch nicht. Meine Arbeitskollegen und
meine Familie können die Krankheit einfach nicht nachvollziehen.
Oft kann ich nicht mal mehr Auto fahren. Das wissen viele aus meinem Umfeld, lassen
mich aber trotzdem ins Auto steigen und erwarten, dass ich funktioniere.
Der Grund, wieso ich lache, ist, weil ich es kenne. Ich kenne es. Ich kenne es
einfach. Vor allem das mit dem Autofahren war bei mir ein Problem, und
manche haben einfach erwartet, dass ich dann halt Auto fahre. Aber es stimmt schon
dass die meisten nicht verstehen, dass es eine Krankheit ist. Also die meisten
denken, das ist was mit der Psyche, also wird sich das entweder ausgedacht, oder
es wird hoch geschaukelt, oder es ist gar nicht so schlimm, wie es scheint, aber dem
ist nicht so. Meistens ist es sogar noch schlimmer, als man es zeigen möchte. Ich
habe schon ziemlich oft die Erfahrung gemacht, dass Leute Depressionen und
Angststörungen vor allem als charakterschwach sehen.
Das hat es mir anfangs auch ein bisschen schwierig gemacht, zu sagen, ich
mache jetzt komplett neue Musik und Musik mit dem Schwerpunkt auf mich und
meine Gefühle und darüber zu sprechen. Vor allem im Hip-Hop, da wirst du auch
gleich direkt damit konfrontiert. "Heul doch nicht rum".
Ich würde gerne mal nicht heulen. Das Wichtigste ist, mit jemandem darüber zu reden.
Das klingt immer so banal, aber es ist so unfassbar
wichtig, weil man dann einfach nicht mehr mit diesen Gedanken alleine ist.
Und man kann sich das nicht wirklich vorstellen, aber der Verstand bist ja
nicht du selbst. Ich habe so lange gebraucht, um das zu verstehen.
Aber du bist nicht dein Verstand. Du bist nicht das, was dein Verstand dir einredet
Das ist für mich einfach nur ein weiteres Ding in meinem Körper.
Das muss man lernen, zu unterscheiden, also sich selbst von seinem Verstand oder
von seinen Gedanken zu unterscheiden und das kann man alleine nicht. Also
zumindest am Anfang nicht. "Ein Mann Mitte 30, der in die Klapse muss.
Das hört sich einfach so sehr nach gescheiterter Existenz an."
Also für mich klingt das nach jemandem, der was macht und der was unternimmt
Also das ist glaube ich das Schlimmste, was du machen kannst. Dir selber in
der schwierigen Zeit noch mehr Steine in den Weg zu legen.
Eine Krankheit legt dir schon genug Steine in den Weg. Du kannst eh schon so
viele Sachen nicht machen – oder nicht mit ruhigem Gewissen machen. Wieso solltest
du dann auch noch dich selber verleugnen und auf dein supermännliches
Ego achten und denken, wenn ich eine Depression habe, bin ich kein Mann mehr. Das ist
größter Schwachsinn. Ich habe schon schon sehr früh angefangen, die Musik zum
Beispiel von Casper zu hören. Ich dachte mir schon ab und an, ich würde auch
voll gern mal so ein bisschen ehrlicher sein in Songs, oder zumindest Songs über
mich selbst machen. Zu der Zeit, in der ich dann anerkannt hatte, dass ich so
eine Depression hatte, habe ich ja auch versucht, alles Schlechte zu vermeiden,
was auch Nachrichten, aber auch Musik anging. Das heißt, ich habe auch keine
traurigen Songs oder wütende Songs gehört. Ich habe ein Jahr fast nur Bob
Dylan gehört, und der hat auch sehr viel über sich selbst gesprochen
und ich fand das eigentlich ganz geil. "Ich bin 17 und habe Angst, dass ich nie
aus diesem Kreislauf rauskomme. Ich war schon mehrmals in Behandlung
wegen meiner Depression und habe Angstattacken.
Ich habe zwei Therapien hinter mir und gehe mittlerweile jede Woche zum
Psychologen. Aber was, wenn es einfach nie aufhört."
Das Ding ist halt, es wird besser. Das ist schon mal das Erste, was
ich sagen kann, also zumindest aus eigener Erfahrung.
Es wird hundertprozentig besser. So schlimm, wie es in deinem schlimmsten
Moment ist, wird es nie wieder. Vor allem, wenn du die Diagnose hast, dann hat
man immer ein Stückchen Sicherheit. Ein sehr schönes Bild, was mir sehr geholfen
hat, war, mir wurde mal gesagt, das ist wie ein kleiner Raum, wie so ein Kellerraum.
Da ist auf der linken Seite eine Tür und auf der rechten Seite ein kleines
Fenster. Und dieses Fenster bricht durch die Angst durch und der Raum füllt sich
mit Wasser. Entweder kannst du die Tür aufmachen und das Wasser durchfließen
lassen, oder du lässt die Tür zu und sie platzt so
oder so irgendwann. Also die Tür geht so oder so kaputt und die Angst kommt so
oder so dadurch. In konkreten Momenten, wo ich richtig Angst hatte, hat mir das als
allererstes sehr geholfen. 478 Atembande hat mir sehr geholfen, das ist die Gang.
4-7-8 ist diese Atemtechnik mit vier Sekunden einatmen, sieben anhalten und
acht rauslassen. Das bringt auch sehr, sehr viel, weil, es
beruhigt dich einfach. Das ist einfach eine Reaktion deines Körpers. Du musst
dann entspannen, dein Körper muss entspannen. Also es gibt echt sehr, sehr viel
und ich bin mir ziemlich sicher, dass das irgendwann besser wird. Ich meine, die
Person ist 17. Mit 17 Depressionen und Angstattacken ist eine krasse Nummer,
muss man sagen. Und dein Hirn ist noch nicht ausgewachsen
Da entwickelt sich noch so viel, die Persönlichkeit wird noch
entwickelt, und man findet sich erstmal noch selbst, da ist noch nicht mal die
Pubertät vorbei, also da ist noch so viel Zeit, um das zu überwinden.
Deswegen, finde ich, ist die Angst an dieser Stelle nicht berechtigt, dass man
aus diesem Kreislauf nicht rauskommt. Und das habe ich zum Glück auch hinbekommen. Und
stehe jetzt oder beziehungsweise sitze ich jetzt da, wo ich sitze und kann behaupten:
Mir geht es gut, und ich kann mit den öffentlichen Verkehrsmitteln in
der überfüllten U-Bahn in Berlin-Mitte ... von hier aus kann ich nach Hause fahren, ohne
Angst zu haben