Wie sinnvoll ist eine Grippeimpfung?
wir befinden uns mitten im Anfang der Grippesaison.
Die geht etwa von Oktober bis März.
Wer schon mal eine richtige Grippe hatte, weiß, das ist nicht schön,
aber muss man sich wirklich dagegen impfen lassen?
Im Gegensatz zu anderen Impfungen,
wie z.B. gegen Masern, Diphtherie, Tetanus,
wird die Grippeimpfung nicht allgemein offiziell empfohlen.
Heißt: Sie wird nicht von der STIKO empfohlen,
von der Ständigen Impfkommission,
die die Expertengrundlage liefert für öffentliche Impf-Empfehlungen.
Aber was bedeutet so eine STIKO-Empfehlung überhaupt?
Wie gefährlich ist die Grippe, wie gefährlich ist die Impfung?
Solltest du dich diese Saison noch impfen lassen? Das klären wir jetzt.
* Titelmelodie *
Untertitel: ARD Text im Auftrag von Funk (2019)
Fangen wir mit dem Wort Grippe an.
Die Grippe oder Influenza
wird oft mit einer Erkältung in einen Topf geworfen.
Schließlich wird eine Erkältung auch als Grippaler Infekt bezeichnet.
Durch diese namentliche Ähnlichkeit
wird eine Grippe oft als Erkältung missverstanden und unterschätzt.
Es gibt zwar ähnliche Symptome,
wie Husten, Schnupfen, Kopf- und Gliederschmerzen,
aber die Grippe ist eine ganz andere Liga.
Während eine Erkältung
meist ohne Fieber und mit nur schwachem Fieber daherkommt,
haut die Grippe einen mit sehr starkem Fieber um.
Auch der Verlauf ist anders:
Eine Erkältung fängt meist mit einem kleinen Halskratzen an,
die Symptome werden die nächsten 2-3 Tage schlimmer,
ebben aber wieder ab.
Eine Grippe überfährt einen so richtig von Anfang an
und kann im Krankenhaus oder, im schlimmsten Fall, gar tödlich enden.
Die Grippesaison 2017/18 war die stärkste und tödlichste
seit 30 Jahren:
Alleine in Deutschland starben 25.000 Menschen.
Die Zahl der Todesfälle für 2018/19 liegt noch nicht vor,
aber das Robert-Koch-Institut spricht von einer moderaten Grippesaison.
Die Grippe ist also von Jahr zu Jahr verschieden gefährlich.
Woran liegt das?
Es gibt leider nicht nur ein Grippevirus,
sondern eine ganze Influencer-Familie,
also Influenza-Familie.
Es gibt verschiedene Grippeviren-Typen.
Die Typen A und B sind die relevanten für uns.
Die sorgen jedes Jahr für die saisonale Grippe.
Von diesen Typen gibt es aber auch noch Untertypen, also Subtypen.
Die Subtypen des Typ A z.B. werden nach der HN-Bezeichnung benannt.
Namen wie H1N1 oder H3N2 habt ihr vielleicht schon mal gehört.
H und N beziehen sich dabei auf die genaue Zusammensetzung der Viren
bzw. auf die genaue Zusammensetzung ihrer Oberfläche.
Die Grippeviren könnt ihr euch vorstellen wie gemeine Kugeln,
deren Oberflächen mit kleinen Spikes versehen sind.
Jeder der Stacheln besteht aus Proteinen,
mit deren Hilfe die Viren in unsere Zellen eindringen
und sich darin vermehren.
H und N stehen jetzt für 2 verschiedene Oberflächenproteine:
Hämagglutinin und Neuraminidase.
Von H und N gibt es aber verschiedene Formen.
Und je nachdem,
welche Form auf der jeweiligen Virusoberfläche zu finden ist,
bekommt das Virus eine entsprechende Bezeichnung.
Es gibt also verschiedene Virustypen, die unterteilt werden in Subtypen,
die werden noch mal unterteilt in Stämme.
Es ist also eine Großfamilie. Und diese Familie hat es in sich.
Die Grippe ist eine Infektionskrankheit,
die prinzipiell durch Impfungen bekämpft werden kann.
Die Oberflächenproteine sind auch "Antigene".
D.h. in diesem Fall: Sie sind Angriffspunkt für unser Immunsystem.
Unser Immunsystem kann nämlich passend zu diesen Virus-Antigenen
Antikörper bilden.
Übersteht man die Krankheit, kann das Immunsystem dank der Antikörper
beim nächsten Virusangriff schnell reagieren und den Erreger zerstören.
Wie bei anderen Impfungen kann man auch bei der Grippeimpfung
den Körper auf so einen Angriff vorbereiten,
ohne dass man die echte Krankheit durch- und überstehen muss.
Bei einer Grippeimpfung verabreicht man z.B. abgeschwächte Virenversionen
oder auch nur Virenteile.
Die können die Grippe zwar nicht auslösen,
enthalten aber trotzdem die Antigene,
sodass unser Immunsystem die passenden Antikörper bilden kann.
Durch dieses "Immunsystem-Training"
kann es zu typischen Impf-Nebenwirkungen kommen,
wie z.B. Rötungen der Einstichstelle, Abgeschlagenheit, leichtes Fieber.
Doch diese Beschwerden vergehen nach ein paar Tagen.
Der Körper ist dann gewappnet,
wenn der echte, gefährliche Erreger angreift.
Nur, welcher ist der echte Erreger unter diesen vieren?
Bzw.: Welches ist der richtige Impfstoff?
Bei anderen Krankheiten muss man sich 1-2 Mal impfen lassen,
vielleicht ist noch mal eine Auffrischungsimpfung dabei,
aber man hat lebenslangen Schutz.
Bei der Grippe ist es anders,
da muss man sich jede Saison neu impfen lassen.
Die saisonale Grippe
wird von Grippeviren des Typs A und B verursacht.
Das kann man noch weiter konkretisieren:
Es gibt 4 verschiedene Grippevirengruppen,
von denen verschiedene Variationen weltweit ihr Unwesen treiben.
Es ist ein Riesenact.
Auf der ganzen Welt gibt es Labore,
die lassen sich Patientenproben zuschicken und untersuchen,
welche konkreten Grippeviren gerade umhergehen.
In Deutschland gibt es das Nationale Referenzzentrum für Influenza.
All die internationalen Labore
übermitteln ihre Daten an die Weltgesundheitsorganisation.
Die sagt jede Grippesaison an:
Passt auf, liebe Impfstoff-Entwickler,
die aktuellen Impfstoffe müssen die Antigene folgender Viren enthalten.
Das ist nicht so einfach,
denn so ein Impfstoff muss erst mal hergestellt werden.
Für uns, für die Nordhalbkugel,
wird schon im Februar schätzend vorausgesagt,
welche Grippeviren in der kommenden Saison im Umlauf sein werden,
damit man noch bis Herbst genügend Zeit hat,
um ausreichend Impfstoff herzustellen.
Deswegen kommt es durchaus vor,
dass der Impfstoff nicht genau zu den tatsächlichen Viren passt.
Das ist leider noch nicht alles.
Grippeviren sind sehr wandlungsfähige Viren.
Es gibt dabei 2 Wandlungsmechanismen:
Wenn Grippeviren sich vermehren, also bei ihrer Reproduktion,
kommt es immer wieder zu kleinen genetischen Veränderungen,
Kopierfehlerchen.
Die führen dazu, dass die Oberflächenproteine der Viren,
also die Antigene sich leicht verändern.
Sind die Veränderungen klein genug,
können die Antikörper unseres Immunsystems
die Viren immer noch erkennen.
Aber die Antigen-Drifts können sich mit der Zeit anhäufen,
bis die Veränderungen so groß sind,
dass unser Immunsystem das Virus nicht mehr erkennt.
Auch deswegen muss man jedes Jahr die Viren neu bestimmen,
die Impfstoffe anpassen.
Der 2.Mechanismus ist der Antigen-Shift.
Der ist richtig scarry.
Bei einem Shift
kombinieren sich genetische Eigenschaften verschiedener Viren,
wobei eine so wesentliche und abrupte genetische Veränderung auftritt,
dass ein ganz neues Virus entsteht.
Solche neuen Viren können extrem gefährlich sein,
weil unser Immunsystem das nicht kennt, nichts damit anfangen kann
und wir sehr anfällig sind für diese Viren.
Sowas kann passieren, wenn Viren, die normalerweise Tiere befallen,
z.B. Vögel oder Schweine,
die Fähigkeit gewinnen Menschen zu infizieren.
Beispiel: 2006 machte die Vogelgrippe Schlagzeilen,
weil ein H5N1-Virus, das eigentlich nur für Vögel gefährlich war,
doch Menschen infizierte.
Das Virus war für Menschen zum Glück generell wenig ansteckend.
Also weltweit infizierten sich weniger als 900 Menschen.
Aber mehr als die Hälfte dieser Menschen verstarb.
Also das Virus war extrem tödlich.
2009 gab es dann Panik wegen der Mexikanischen Schweinegrippe.
Diese Schweinegrippe war hoch ansteckend.
Weltweit infizierten sich rund 200 Mio.Menschen, eine Pandemie.
Doch wir hatten Glück.
Das hoch ansteckende Virus führte nicht zu einem Massensterben
wie etwa bei der Spanischen Grippe, die 20-50 Mio.Menschenleben forderte.
Es starben an der Schweinegrippe weltweit weniger als 20.000 Menschen,
also nur ein Bruchteil der 200 Mio.Infizierten.
Aber: Das Schweinegrippe-Virus bleibt eine drohende Gefahr,
weil es sich auch in Vögeln aufhalten kann.
Und wir wollen uns nicht ausmalen, was passiert,
wenn da ein Virus entstehen sollte,
dass so ansteckend ist wie die Schweinegrippe,
aber so tödlich wie die Vogelgrippe.
Noch mal: Virenveränderungen, die durch antigenen Drift entstehen,
passieren graduell.
Man kann das beobachten
und durch die Entwicklung von Impfstoffen entsprechend reagieren.
Bei plötzlichen Veränderungen durch antigenen Shift
können wir nur hoffen, dass die ExpertInnen es rechtzeitig schaffen,
ein Gegenmittel rauszuhauen.
Oder wir können nur beten, dass es so glimpflich ausgeht wie letztes Mal.
Kommen wir zurück zum täglichen Geschäft, bzw. zum jährlichen.
Die wichtige Frage ist:
Wir wissen, dass Grippeviren
ein bisschen arschiger sind als manch andere Viren,
weil es so viele davon gibt, weil sie sich ständig verändern.
Man kann mit den Impfstoffen
die tatsächlichen Grippeviren knapp verfehlen.
Bedeutet: Selbst wenn ich gegen Grippe geimpft bin,
kann ich immer noch eine Grippe bekommen.
Es gibt auch bei den klassischen Impfungen Fälle,
wo zum Beispiel Menschen
Antikörper gegen bestimmte Erreger nicht ausbilden
und so dann keinen Impfstoff haben, aber das ist selten.
Runtergebrochen kann man sagen:
Die klassischen Impfungen, die auch von der STIKO empfohlen werden,
bieten einen sicheren Schutz, die Grippeimpfung nicht.
Allerdings ist eine Grippeimpfung, die leicht daneben ist,
oft besser als gar keine.
D.h.: Man kann sich trotzdem anstecken,
aber dafür leidet man kürzer unter der Grippe, die Symptome sind milder,
man landet weniger oft im Krankenhaus, senkt das Sterberisiko.
Ich habe mich dieses Jahr gegen Grippe impfen lassen,
weil ich als Schwangere zu den Risikogruppen gehöre,
für die die STIKO die Grippeimpfung empfiehlt.
Dazu zählen u.a. auch ältere Menschen über 60 Jahre,
Menschen mit chronischen Krankheiten wie z.B. Diabetes
oder mit chronischen Atemwegserkrankungen wie Asthma.
Für uns kann eine Grippe deutlich stärker ausfallen
und deutlich gefährlicher ausgehen.
Werdende Mütter geben ihre Antikörper übrigens auch über die Plazenta
an das Baby weiter. Das wird somit auch geschützt.
Die Grippeschutzimpfung wird auch für einige Berufsgruppen empfohlen,
z.B. für medizinisches Personal,
um sich selbst, aber auch die Patienten zu schützen.
2018 ließ ich mich auch impfen,
im Rahmen einer Quarks-Reportage über die Grippeimpfung.
Da ich letzten Winter echt viel Arbeit hatte,
evtl. erinnert ihr euch an mein Burn-out-Video, kam mir das gelegen.
So konnte ich das Risiko reduzieren, durch eine Grippe auszufallen.
Aber für mich als gesunde,
erwachsene Frau ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch,
eine Grippe problemlos zu überstehen.
Deswegen gab es für mich 2018 keinen besonderen medizinischen Bedarf.
Deswegen empfiehlt die STIKO
auch für gesunde Erwachsene die Grippeimpfung nicht.
Aber ich wusste auch,
dass ich mir mit einer Grippeimpfung nichts Schlimmes antue.
Entgegen mancher Gerüchte
kann man durch eine Grippeimpfung keine Grippe bekommen.
Die Teile der Viren, so wie sie bei der Grippeimpfung gespritzt werden,
sind dazu nicht in der Lage.
Dieses Missverständnis kann aber entstehen,
wenn man nach einer Grippeimpfung eine normale Erkältung bekommt,
gegen die man ja nicht geimpft ist,
die man aber mit einer Grippe verwechselt.
Oder, das kann auch passieren:
Wenn man sich kurz vor oder nach der Impfung mit der Grippe ansteckt,
kommt die Impfung quasi zu spät,
weil es 1-2 Wochen dauert, bis der Impfschutz aufgebaut ist.
Deswegen ist es wichtig zu verstehen,
nur weil die STIKO eine Impfung nicht empfiehlt,
heißt es nicht, dass sie davon abrät.
Das betont das Robert-Koch-Institut hier noch mal ausdrücklich.
Wie bei allen Impfungen gilt:
Impfung ist immer auch ein Schutz unserer Mitmenschen.
Wenn ihr jemanden in der Familie habt, der gefährdet ist,
aber aus irgendeinem Grund nicht geimpft werden kann,
könnt ihr durch eure Impfung Schutz bieten.
Noch mal: Die Grippeimpfung kann vor Grippe schützen,
ist aber weniger effizient als andere Impfungen,
weil Grippeviren Arschlöcher sind.
Die Grippeimpfung muss jedes Jahr neu gemacht werden,
weil Grippeviren Arschlöcher.
Selbst wenn man sich, trotz Impfung, ansteckt,
können die Symptome deutlich milder ausfallen.
Menschen mit erhöhtem Risiko
sollten sich unbedingt jedes Jahr impfen lassen.
Denn die Grippe ist eine ernstzunehmende Krankheit,
die tödlich sein kann.
Menschen außerhalb der Risikogruppen müssen sich nicht impfen lassen.
Sie können sich aber dazu entscheiden,
wenn sie andere schützen wollen oder keinen Bock auf eine Grippe haben.
Die meisten maiLab-Zuschauer gehören nicht zu einer Risikogruppe,
aber wollt ihr euch trotzdem impfen lassen,
könnt ihr euch erkundigen,
ob die Krankenkasse das bezahlt oder euer Arbeitgeber.
Immer mehr Arbeitgeber machen das,
weil sie kein Interesse an eurem Ausfall haben.
Teilt das Video gerne mit euren Eltern,
wenn die schon 60 sein sollten, Großeltern, schwangeren Freunden usw.
Ansonsten: Kommt gut durch den Winter,
bzw. wir sehen uns ja wieder nächste Woche. Bis dahin, bleibt sicher.