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Youtube-Lektionen - April 2020, Binge-Eating-Störung - Wenn Essen krank macht: Wie man die Fressattacken in den

Binge-Eating-Störung - Wenn Essen krank macht: Wie man die Fressattacken in den

Ich habe auch diese ganzen Fertiggerichte hier kalt gegessen.

Du hast die Fertiggerichte kalt gegessen?

Ja, ich hab mir eine Gabel aus der Küche geklaut…

Weil der Magen gesagt hat ‚Ich möchte vollwerden‘?

Willenssehschwach, faul — übergewichtige Menschen werden häufig verurteilt — oft

sogar beschimpft.

Aber was, wenn Essen gar nicht mehr mit dem Willen kontrolliert werden kann?

Ich habe mir halt meinen Schutzpanzer angefressen.

Man macht damit immer was weg.

Oh, da die Erdbeere riecht.

Man überdeckt mit dem Essen.

Man kann immer noch den Übergewichtigen eine reinhauen, wenn man es bei den anderen aus

Political Correctness schon nicht mehr kann.

Darf es bei euch schon etwas zu trinken sein?

Ich hätte gerne ein Wasser, bitte.

Mit Kohlensäure.

Ich hätte gerne irgendeine Saftschorle.

Das ist Laura.

Wir treffen uns in ihrem Lieblingscafé am Biggesee in NRW.

Sie hat uns geschrieben, weil sie an der Binge Eating Störung leidet.

Das ist die häufigste aller Essstörungen und trotzdem kaum bekannt.

Circa 800.000 Menschen in Deutschland haben die Krankheit.

Viele wissen es gar nicht.

Vor der Kamera essen, möchte Laura nicht — also gehen wir lieber ne Runde spazieren.

Klar ist Essen wichtig — mir auch, aber bei Laura hat es lange Zeit fast das ganze

Leben bestimmt.

Mit 16 hat sie ihrem Tagebuch das hier geschrieben.

Ich habe einfach keine Kraft mehr so weiterzuleben, wie ich zurzeit lebe.

Und, ich habe immer wieder Rückfälle und Fressattacken.

Wenn ich so weiterlebe, sterbe ich mit 40.

Warum will ich mich so verstümmeln?

Pathetisch wie wir da stehen?

Vielleicht, aber das ist mir egal.

Erst durch ihr Tagebuch habe ich begriffen, wie hilflos sie sich gefühlt haben muss.

Binge Eating Disorder ist eine Essstörung in der man ganz große Mengen an Essen in

kürzester Zeit zu sich nimmt.

Bei mir waren es dann mehrere tausend Kalorien, die ich dann bei einer Fressattacke gegessen habe.

Binge bedeutet Gelage.

Wie ein Trinkgelage.

Übersetzt: „übermässig viel“

Essen hat mein komplettes Leben bestimmt.

Ich habe im Essen irgendwas gefunden, was ich anders nicht hätte finden können.

Ich hatte das Gefühl wie bei anderen, wenn sie Drogen nehmen.

Das Gefühl von Geborgenheit in dem Moment.

Und das hat mir einfach das Essen gegeben, auch wenn ich nicht wirklich was geschmeckt

habe.

Also, ich habe immer, dass es eine Fressattacke ist, wenn es nach dem vierten, fünften Bissen,

wenn es mir dann nicht mehr geschmeckt hat.

Als ob ich eine Marionette gewesen wäre, die von einem Puppenspieler gesteuert worden wäre

und quasi in das Geschäft geleitet worden wäre, um mir dann das Essen zu kaufen.

Zum ersten Mal hörte Laura von der Binge-Eating-Störung in ihrer Ausbildung zur Krankenpflegerin und

wusste sofort: Das habe ich — mit viel Info-Material bekam sie ihre Essanfälle alleine in den

Griff.

Wir haben viel überlegt, wie wir das zeigen können.

Die Massen, die Laura gegessen hat während ihren Anfällen.

Dann hat sie uns vorgeschlagen, wir könnten in den Supermarkt gehen.

Einen in dem sie früher auch selbst eingekauft hat.

Für mich ist der Wocheneinkauf langweilige Routine.

Nicht für Laura.

Der Supermarkt war für sie lange ein gefährlicher Ort.

Hier haben viele ihrer Heißhungerattacken angefangen oder aufgehört.

Du bist hier vor dem Mittagessen hingekommen, nach der Schule…

Ja.

…und hast dann gekauft?

Erzähl mal, dass ich verstehen kann, was das für Mengen sind.

Dann habe ich mir zum Beispiel diesen Nudelsalat geholt.

Dann habe ich mir diese zwei Stücke Fleisch geholt.

Dann habe ich mir noch so ein Eimerchen Pudding geholt.

Das konnte ich dann auch in einem essen.

Alles natürlich vor dem Mittagessen.

Also Kräuterbaguette habe ich zum Beispiel nie gegessen.

Das hätte ich unglaublich gerne gegessen, aber das muss man ja in den Backofen schieben

und so schmeckt's halt nicht.

Aber auch diese ganzen Fertiggerichte hier, habe ich kalt gegessen.

Du hast die Fertiggerichte kalt gegessen?

Ja, ich habe mir eine Gabel aus der Küche geklaut und dann habe ich das oben in meinem Zimmer

dann gegessen.

Solche Fertiggerichte dann komplett ohne Warmmachen?

Ja.

Du hast hier, keine Ahnung, Hacksteak mit Kartoffelpüree aufgemacht, aus dem Kühlregal

und dann gegessen?

Ja, ohne das Aufwärmen.

Einfach nur, um Sachen in den Magen rein zu bekommen, weil der Magen gesagt hat, ‚Ich

möchte voll werden.‘

Genau.

Ich bin echt verwirrt: Kaltes Hacksteak, ungekochte Gnocchi, direkt aus der Packung.

Das ist für niemanden ein Genuss.

Diese extremen Essattacken — oder du nennst sie Fressattacken.

Genau, Fressattacken.

Aber warum, fressen machen Tiere?

Ja, aber ich finde das ist kein Essen.

Das war ich gemacht habe, hat das Wort ‚essen‘ nicht verdient, sondern, man kann schon sagen

‚fressen‘.

Weil ich habe ja nichts gegessen.

Ich hab nicht mit Genuss gegessen.

Ich hab einfach nur gefressen.

Also einfach nur, dass ich alles in kürzester Zeit in mich hinein schaufeln kann.

Auch jetzt muss sich Laura immer noch genau kontrollieren.

Also, ich muss mein Essen komplett durchplanen.

Ich muss am Vortag planen, was ich am nächsten Tag alles esse, und wie viel ich esse, damit

ich irgendwie klarkomme.

Wie ist das jetzt gerade mit dem Einkaufen?

Machst du jetzt Wocheneinkauf?

Geht das?

Oder wie ist jetzt gerade dein Einkaufsverhalten?

Nein, ich kann keinen Wocheneinkauf machen.

Ich gehe 2-3 mal am Tag, wenn's hochkommt einkaufen, weil ich mir immer nur das kaufe,

was ich gerade brauche.

Wenn ich zu viel Fleisch zum Beispiel habe, dann friere ich das ein und taue das dann

auf, wenn ich es gerade brauche, damit ich nicht mal eben schnell das Fleisch kochen

kann.

Laura ist immer noch übergewichtig.

Aber das wichtigste Ziel hat sie schon erreicht: Sie bestimmt wieder selbst über ihr Leben.

Du hast es im Griff?

Ja!

Super gut.

Seit wann ist das circa?

Ich schätze mal seit 2-3 Jahren habe ich es so weitestgehend im Griff, dass ich mich

selbst auch kontrollieren kann.

Dass ich nicht mehr weiter zugenommen habe.

Dass ich gefühlt die Kontrolle über mein Essen und mich habe.

Und du hast 20 Kilo abgenommen?

Ja.

Super.

Hier oben ist das ist das integrierte Forschungs- und Behandlungszentrum Adipositaserkrankungen

untergebracht…

Hier, das ist die Uniklinik in Leipzig.

Und das ist Professor Doktor Anja Hilbert.

Sie ist Deutschland's Koryphäe für die Binge Eating Störung und war eine der ersten

Forscherinnen überhaupt, die sich intensiv mit der Krankheit auseinander gesetzt hat.

Ich habe gehört, dass die Binge-Eating-Störung eigentlich die verbreitetste der Essstörungen

ist.

Warum kam das so spät?

Warum wird sich da so viel weniger mit beschäftigt?

Na, es war zwar bekannt, aber ich denke das hängt damit zusammen, dass man die Binge-Eating

Störung zunächst einmal gleichgesetzt hat mit der Adipositas, also mit Fettleibigkeit.

Es ist aber eine psychische Störung, die eine Überlappung mit der Adipositas hat,

aber auch drüber hinaus geht.

Auch Normalgewichtige betreffen kann.

Es ist also etwas anderes, also ich denke die meisten von uns kennen das, auf dem Sofa

zu liegen und YouTube zu schauen und dabei in die Chipstüte zu greifen und man hat das Gefühl,

man kann das nicht so richtig kontrollieren.

Das ist nicht einfach gemeint.

Das ist wirklich ein stärkeres Ausmaß an Kontrollverlust.

Wenn das wiederkehrend auftritt, also Essanfälle immer wieder auftreten.

Dann ist eigentlich eine erhöhte Gewichtszunahme vorprogrammiert.

Ist das dann wirklich, wie eine Sucht?

Ist das so, dass man dann richtigen Suchtdruck hat, zum Essen?

Ja, die Betreffenden schreiben das so.

Dass sie das Gefühl haben, sie sind süchtig nach Essen.

Sie können nicht anders.

Egal, was sie sich vornehmen, egal wie vernünftig sie sich versuchen zu essen.

Also zum Beispiel anfangen Diät zu halten, das Frühstück auszulassen.

Egal was sie tun, egal was sie versuchen, sie erleiden diese Essanfälle.

Haben einfach keine Kontrolle darüber.

Ob es jetzt eine Sucht ist, darüber streiten die Wissenschaftler, kann ich ihnen sagen.

Häufig beginnt die Krankheit schon in der Kindheit.

So war es auch bei Laura.

Ich denke mit vier Jahren habe ich angefangen, mit einem Essfehlverhalten, beziehungsweise,

ja, ein falsches Essverhalten, oder ja, kein normales Essverhalten zu entwickeln.

Und dann erinnere ich mich immer bruchstückartig an Erlebnisse in der Kindheit, wie ich zum

Beispiel… meine Mutter hat vorgekocht für meinen Vater und dann habe ich das komplette

Essen bis auf eine Tortellini gegessen — bis auf eine Tortellini.

Bis auf eine Tortellini?

Bis auf eine Tortellini.

Weil ich mit 5-6 Jahren dachte, das würde halt nicht auffallen.

Das war das erste Mal, beziehungsweise eines der frühesten Ereignisse, wo ich mich daran

erinnern kann, dass ich heimlich angefangen habe zu essen.

Ja, meine Eltern werden es wohl irgendwo mitbekommen haben.

Aber die waren natürlich auch ratlos, warum das Kind immer dicker wird, obwohl es eigentlich

normale Portionen am Tisch isst.

Essattacken sind mehr als nur Heisshunger.

Sie haben auch körperliche Konsequenzen.

Ja, ich hab ganz zittrige Knie bekommen.

Meine Stimme wurde ganz zittrig.

Meine Gedanken haben sich nur noch ums Essen gekreist.

Und alles wurde weich.

Ich hatte das Gefühl ich bestand nur noch aus Pudding, aus Wackelpudding.

Und dann bin ich einfach, ähm, dann konnte ich mich nicht mehr kontrollieren.

Das war für mich das Zeichen, hier findet jetzt ein Kontrollverlust statt.

Und ja, dann war es eigentlich schon zu spät.

Also, wenn es so weit war, war es früher eigentlich schon zu spät.

Also, da konnte ich mich überhaupt nicht mehr kontrollieren.

Also, dick sein ist das Symptom und die Krankheit ist Esssucht?

Genau!

Laura hat ihre Krankheit mittlerweile im Griff.

Astrid hat diesen Weg noch vor sich.

Sie habe ich über Professor Hilbert kennen gelernt.

Es war gar nicht so leicht jemanden zu finden, der noch in Therapie ist und bereit ist sich

filmen zu lassen.

Und jetzt habe ich eigentlich stetig zugenommen und bin jetzt auf meinem Höchstmaß.

Also, man kann es ruhig sagen, ich bin jetzt bei 135 Kilo.

Und jetzt hoffe ich, dass ich mit der Hilfe von Therapien doch das wieder in Angriff nehmen

kann.

Die gute Nachricht ist eben auch.

Sie kann auch behandelt werden.

Sie kann auch geheilt werden.

Nicht bei allen, aber bei vielen. 50% der Patienten, die eine kognitive Verhaltenstherapie

aufsuchen, sind vollständig symptomfrei.

Ich darf bei zwei Therapiesitzungen von Astrid mit dabei sein — ausnahmsweise.

Es geht darum, dieses Nahrungsmittel genau zu betrachten und zu beschreiben.

Daran zu riechen und daran zu schmecken ohne es zu essen, denn wenn wir es essen, können

wir das Heißhungergefühl nicht mehr genau erfassen.

Diese Therapieform heisst Nahrungskonfrontation.

Essen anschauen, beschreiben, riechen — immer wieder.

Klingt erst einmal ganz simpel, erzeugt bei Astrid aber richtig Druck.

Gut, dann würde ich sie erst einmal darum bitten, anzuschauen eins von diesen Teilchen

und zu beschreiben, was Sie sehen.

Also, ich sehe sehr gut aufgegangen Blätterteig mit ganz viel Puderzucker bestreut.

Drinnen eine sehr leckere Vanillecremefütterung.

Und darauf, zum Anteil von Obst, sehr leckere Himbeeren, eine Heidelbeere und eine geteilte

Erdbeere.

Sehr gut.

Ihr Heißhunger oder Ihr Appetit, von 0-100, wo ist der im Moment?

Also, das würde ich sehr gerne schon jetzt essen wollen.

Also, 70 ist es definitiv schon.

Besonders wichtig ist, die Patientin muss komplett satt sein.

Sonst funktioniert die Therapie nicht.

Und wenn Sie es jetzt in die Hand nehmen und einmal dran riechen.

Was riechen Sie?

Klar.

Das Teilchen sieht super aus.

Ich hatte auch total Hunger — aber die Kontrolle verlieren, nein, das kann ich mir nicht vorstellen.

Die Himbeeren sind auch sehr fruchtig.

Ja, die Erdbeere riecht.

Und wenn Sie jetzt Ihren Appetit einschätzen würden, wo liegt der etwa?

Ja, jetzt würde ich sagen, ist er ein bisschen gestiegen.

Ja.

Sagen wir mal 85.

Tragen Sie das mal daneben ein.

Und jetzt würde ich Sie bitten, einmal davon zu kosten.

Also nicht richtig abbeißen, nur so um's zu schmecken.

Okay.

Was schmecken Sie?

Vanillecreme, Puderzucker.

Von den Früchten leider noch nichts. Da müsste man tatsächlich richtig abbeißen.

Ja, da können sie…

Wie ist denn Ihr Appetit darauf jetzt?

Na, definitiv nicht runter gegangen.

Ich würde sagen, na, mehr als 100 geht ja sowieso nicht.

Also ich würde sagen, wenn Sie jetzt rausgehen würden, würde ich es wahrscheinlich essen.

Das macht Astrid jetzt fast ne 3/4 Stunde lang.

Erst hat sie riesigen Appetit, aber irgendwann stellt sich Gewöhnung ein.

Ziel der Sitzung: Astrid soll keine Lust mehr auf das Teilchen haben.

Laut Professor Hilbert klappt das immer.

Hallo.

Hallo Herr Huber.

Hallo Frau Gauger.

Astrid nimmt auch bei einer Studie zu einer ganz neuen Therapieform teil: Dem Neurofeedback.

Elektroden am Kopf messen Astrids Hirnströme — und ich kann live am Bildschirm verfolgen,

was eine Essattacke in Astrids Gehirn auslöst.

Anschließend werde ich ihnen immer Bilder präsentieren, so wie dieses hier.

Und Sie sollen sich diese Nahrungsmittel dann möglichst lebhaft vorstellen.

Das heißt, sie können sich dann überlegen, wie das jetzt riechen würde.

Wie sich das im Mund anfühlen würde, wie sich der Geschmack so langsam verbreitet,

wenn Sie anfangen zu kauen.

Wichtig ist hier der linke Balken.

Der zeigt wie sehr Astrid gerade auf das Stück Torte vor ihrer Nase abfährt.

Sobald Astrid die Karte nicht mehr sieht, soll sie versuchen ihr Verlangen irgendwie

zu bekämpfen.

Dazu singt sie Lieder in ihren Gedanken.

Und prompt geht der Balken runter.

Die Störung kann erblich bedingt sein.

Häufig liegen die Gründe aber auch in der Vergangenheit der Patienten.

Warum mauert man sich denn so ein?

Warum nimmt man denn so viele Lebensmittel zu sich?

Vor was will man sich denn schützen?

Und da gibt es halt, wie gesagt, alles psychologische Ursachen.

Bei mir war es aus der Kindheit geprägt.

Ich hab mir halt meinen Schutzpanzer angefressen.

Das Essen ist ja im Prinzip nur ein Verdrängen des Schreis nach Liebe.

Des Schreis nach Aufmerksamkeit.

Oder halt, anderem halt.

Man macht immer was weg.

Man überdeckt, man übertüncht mit dem Essen.

Professor Hilbert erzählt mir, dass alle ihre Patienten enorm mit Stigmatisierung und

Hänseleien zu kämpfen haben.

Für die Heilungschancen ist das pures Gift.

Also man kann immer noch dem Übergewichtigen eine reinhauen, wenn man es bei den anderen

schon aus Political Correctness Gründen nicht mehr kann.

Wir wissen zum Beispiel aus einigen wenigen Studien, dass Menschen besser abnehmen können,

wenn sie sich besser annehmen können, wenn sie also nicht abgewertet werden.

Das bedeutet also Fatshaming funktioniert nicht nur nicht, sondern es ist kontraproduktiv.

Es ist absolut kontraproduktiv.

Das heisst, wenn man das Gegenteil macht, ist die Chance auf Heilung viel höher.

Richtig.

Manche Patienten beschreiben das auch, wenn sie versuchen, sich körperlich stärker zu

betätigen, joggen gehen, dass sie dann halt komisch angeschaut werden.

Das heißt, man kann nichts richtig machen.

Wenn man isst, wird man blöd angeguckt.

Wenn man Sport macht, wird man blöd angeguckt.

Genau.

Und man bekommt einfach immer nur eine drauf.

Ja.

Laura hat sich gegen die Krankheit und auch gegen blöde Kommentare durchgesetzt — ganz

ohne Therapie.

Letzten Herbst hat sie angefangen soziale Arbeit in Darmstadt zu studieren.

Ihrer Heimat und vor allem den Karneval zurück zu lassen, ist ihr nicht leicht gefallen.

In den letzten Jahren hat sie dort die aller kleinsten Tänzerinnen, das Miniballett, trainiert.

Bei ihrer Verabschiedung durften wir dabei sein — improvisierte Kostüme inklusive.

Weil unsere liebe Laura das Miniballett verlässt…

In ihrer eigenen Kindheit hatte Laura viel zu kämpfen.

Ich habe sie gefragt, was sie sich damals gerne selbst gesagt hätte.

Dass sie nicht selbst daran schuld ist, dass sie so übergewichtig ist.

Und, dass sie nicht selbst daran schuld ist, dass sie so viel Essen zu sich nimmt ohne

es kontrollieren zu können.

Sondern, dass es einfach eine Krankheit ist.

Eine Krankheit, wie jede andere somatische Krankheit auch, nur eben eine psychische Erkrankung.

Und, ich würde ihr einfach sagen, dass alles besser wird mit der Zeit.

Astrid und Laura haben beide gesagt, sie wollen ihre Geschichte erzählen, um anderen Mut

zu machen.

Zeigen, dass sie nicht alleine sind — und dass man die Krankheit besiegen kann.

Und was hab ich gelernt?

Außer, dass der Karneval im Sauerland wirklich super ist?

Dass wir häufiger mal versuchen sollten hinter die Fassade zu schauen, bevor wir uns ein

Urteil bilden.

Laura hat mir gesagt sie will nicht in Watte gepackt werden.

Zuhören und da sein, wenn es schwierig wird, aber bitte keine gut gemeinten Ratschläge.

Man könne doch über alles reden.

Für mich hört sich das nach einem guten Rezept an.

Das war unser Film über den Binge Eating Disorder.

Ich hoffe er hat euch gefallen.

Habt ihr schon einmal Erfahrungen mit der Krankheit gemacht?

Habt ihr irgendwelche Fragen?

Schreibt es in die Kommentare.

Und es gibt noch einen anderen Film, den ich euch empfehlen kann, über eine andere bekannte

Essstörung. Den findet ihr hier. Vielen Dank und bis zum nächsten Mal.


Binge-Eating-Störung - Wenn Essen krank macht: Wie man die Fressattacken in den Binge Eating Disorder - When Eating Makes You Sick: How to Stop Binge Eating in the

Ich habe auch diese ganzen Fertiggerichte hier kalt gegessen.

Du hast die Fertiggerichte kalt gegessen?

Ja, ich hab mir eine Gabel aus der Küche geklaut…

Weil der Magen gesagt hat ‚Ich möchte vollwerden‘?

Willenssehschwach, faul — übergewichtige Menschen werden häufig verurteilt — oft

sogar beschimpft.

Aber was, wenn Essen gar nicht mehr mit dem Willen kontrolliert werden kann?

Ich habe mir halt meinen Schutzpanzer angefressen.

Man macht damit immer was weg.

Oh, da die Erdbeere riecht.

Man überdeckt mit dem Essen.

Man kann immer noch den Übergewichtigen eine reinhauen, wenn man es bei den anderen aus

Political Correctness schon nicht mehr kann.

Darf es bei euch schon etwas zu trinken sein?

Ich hätte gerne ein Wasser, bitte.

Mit Kohlensäure.

Ich hätte gerne irgendeine Saftschorle.

Das ist Laura.

Wir treffen uns in ihrem Lieblingscafé am Biggesee in NRW.

Sie hat uns geschrieben, weil sie an der Binge Eating Störung leidet.

Das ist die häufigste aller Essstörungen und trotzdem kaum bekannt.

Circa 800.000 Menschen in Deutschland haben die Krankheit.

Viele wissen es gar nicht.

Vor der Kamera essen, möchte Laura nicht — also gehen wir lieber ne Runde spazieren.

Klar ist Essen wichtig — mir auch, aber bei Laura hat es lange Zeit fast das ganze

Leben bestimmt.

Mit 16 hat sie ihrem Tagebuch das hier geschrieben.

Ich habe einfach keine Kraft mehr so weiterzuleben, wie ich zurzeit lebe.

Und, ich habe immer wieder Rückfälle und Fressattacken.

Wenn ich so weiterlebe, sterbe ich mit 40.

Warum will ich mich so verstümmeln?

Pathetisch wie wir da stehen?

Vielleicht, aber das ist mir egal.

Erst durch ihr Tagebuch habe ich begriffen, wie hilflos sie sich gefühlt haben muss.

Binge Eating Disorder ist eine Essstörung in der man ganz große Mengen an Essen in

kürzester Zeit zu sich nimmt.

Bei mir waren es dann mehrere tausend Kalorien, die ich dann bei einer Fressattacke gegessen habe.

Binge bedeutet Gelage.

Wie ein Trinkgelage.

Übersetzt: „übermässig viel“

Essen hat mein komplettes Leben bestimmt.

Ich habe im Essen irgendwas gefunden, was ich anders nicht hätte finden können.

Ich hatte das Gefühl wie bei anderen, wenn sie Drogen nehmen.

Das Gefühl von Geborgenheit in dem Moment.

Und das hat mir einfach das Essen gegeben, auch wenn ich nicht wirklich was geschmeckt

habe.

Also, ich habe immer, dass es eine Fressattacke ist, wenn es nach dem vierten, fünften Bissen,

wenn es mir dann nicht mehr geschmeckt hat.

Als ob ich eine Marionette gewesen wäre, die von einem Puppenspieler gesteuert worden wäre

und quasi in das Geschäft geleitet worden wäre, um mir dann das Essen zu kaufen.

Zum ersten Mal hörte Laura von der Binge-Eating-Störung in ihrer Ausbildung zur Krankenpflegerin und

wusste sofort: Das habe ich — mit viel Info-Material bekam sie ihre Essanfälle alleine in den

Griff.

Wir haben viel überlegt, wie wir das zeigen können.

Die Massen, die Laura gegessen hat während ihren Anfällen.

Dann hat sie uns vorgeschlagen, wir könnten in den Supermarkt gehen.

Einen in dem sie früher auch selbst eingekauft hat.

Für mich ist der Wocheneinkauf langweilige Routine.

Nicht für Laura.

Der Supermarkt war für sie lange ein gefährlicher Ort.

Hier haben viele ihrer Heißhungerattacken angefangen oder aufgehört.

Du bist hier vor dem Mittagessen hingekommen, nach der Schule…

Ja.

…und hast dann gekauft?

Erzähl mal, dass ich verstehen kann, was das für Mengen sind.

Dann habe ich mir zum Beispiel diesen Nudelsalat geholt.

Dann habe ich mir diese zwei Stücke Fleisch geholt.

Dann habe ich mir noch so ein Eimerchen Pudding geholt.

Das konnte ich dann auch in einem essen.

Alles natürlich vor dem Mittagessen.

Also Kräuterbaguette habe ich zum Beispiel nie gegessen.

Das hätte ich unglaublich gerne gegessen, aber das muss man ja in den Backofen schieben

und so schmeckt's halt nicht.

Aber auch diese ganzen Fertiggerichte hier, habe ich kalt gegessen.

Du hast die Fertiggerichte kalt gegessen?

Ja, ich habe mir eine Gabel aus der Küche geklaut und dann habe ich das oben in meinem Zimmer

dann gegessen.

Solche Fertiggerichte dann komplett ohne Warmmachen?

Ja.

Du hast hier, keine Ahnung, Hacksteak mit Kartoffelpüree aufgemacht, aus dem Kühlregal

und dann gegessen?

Ja, ohne das Aufwärmen.

Einfach nur, um Sachen in den Magen rein zu bekommen, weil der Magen gesagt hat, ‚Ich

möchte voll werden.‘

Genau.

Ich bin echt verwirrt: Kaltes Hacksteak, ungekochte Gnocchi, direkt aus der Packung.

Das ist für niemanden ein Genuss.

Diese extremen Essattacken — oder du nennst sie Fressattacken.

Genau, Fressattacken.

Aber warum, fressen machen Tiere?

Ja, aber ich finde das ist kein Essen.

Das war ich gemacht habe, hat das Wort ‚essen‘ nicht verdient, sondern, man kann schon sagen

‚fressen‘.

Weil ich habe ja nichts gegessen.

Ich hab nicht mit Genuss gegessen.

Ich hab einfach nur gefressen.

Also einfach nur, dass ich alles in kürzester Zeit in mich hinein schaufeln kann.

Auch jetzt muss sich Laura immer noch genau kontrollieren.

Also, ich muss mein Essen komplett durchplanen.

Ich muss am Vortag planen, was ich am nächsten Tag alles esse, und wie viel ich esse, damit

ich irgendwie klarkomme.

Wie ist das jetzt gerade mit dem Einkaufen?

Machst du jetzt Wocheneinkauf?

Geht das?

Oder wie ist jetzt gerade dein Einkaufsverhalten?

Nein, ich kann keinen Wocheneinkauf machen.

Ich gehe 2-3 mal am Tag, wenn's hochkommt einkaufen, weil ich mir immer nur das kaufe,

was ich gerade brauche.

Wenn ich zu viel Fleisch zum Beispiel habe, dann friere ich das ein und taue das dann

auf, wenn ich es gerade brauche, damit ich nicht mal eben schnell das Fleisch kochen

kann.

Laura ist immer noch übergewichtig.

Aber das wichtigste Ziel hat sie schon erreicht: Sie bestimmt wieder selbst über ihr Leben.

Du hast es im Griff?

Ja!

Super gut.

Seit wann ist das circa?

Ich schätze mal seit 2-3 Jahren habe ich es so weitestgehend im Griff, dass ich mich

selbst auch kontrollieren kann.

Dass ich nicht mehr weiter zugenommen habe.

Dass ich gefühlt die Kontrolle über mein Essen und mich habe.

Und du hast 20 Kilo abgenommen?

Ja.

Super.

Hier oben ist das ist das integrierte Forschungs- und Behandlungszentrum Adipositaserkrankungen

untergebracht…

Hier, das ist die Uniklinik in Leipzig.

Und das ist Professor Doktor Anja Hilbert.

Sie ist Deutschland's Koryphäe für die Binge Eating Störung und war eine der ersten

Forscherinnen überhaupt, die sich intensiv mit der Krankheit auseinander gesetzt hat.

Ich habe gehört, dass die Binge-Eating-Störung eigentlich die verbreitetste der Essstörungen

ist.

Warum kam das so spät?

Warum wird sich da so viel weniger mit beschäftigt?

Na, es war zwar bekannt, aber ich denke das hängt damit zusammen, dass man die Binge-Eating

Störung zunächst einmal gleichgesetzt hat mit der Adipositas, also mit Fettleibigkeit.

Es ist aber eine psychische Störung, die eine Überlappung mit der Adipositas hat,

aber auch drüber hinaus geht.

Auch Normalgewichtige betreffen kann.

Es ist also etwas anderes, also ich denke die meisten von uns kennen das, auf dem Sofa

zu liegen und YouTube zu schauen und dabei in die Chipstüte zu greifen und man hat das Gefühl,

man kann das nicht so richtig kontrollieren.

Das ist nicht einfach gemeint.

Das ist wirklich ein stärkeres Ausmaß an Kontrollverlust.

Wenn das wiederkehrend auftritt, also Essanfälle immer wieder auftreten.

Dann ist eigentlich eine erhöhte Gewichtszunahme vorprogrammiert.

Ist das dann wirklich, wie eine Sucht?

Ist das so, dass man dann richtigen Suchtdruck hat, zum Essen?

Ja, die Betreffenden schreiben das so.

Dass sie das Gefühl haben, sie sind süchtig nach Essen.

Sie können nicht anders.

Egal, was sie sich vornehmen, egal wie vernünftig sie sich versuchen zu essen.

Also zum Beispiel anfangen Diät zu halten, das Frühstück auszulassen.

Egal was sie tun, egal was sie versuchen, sie erleiden diese Essanfälle.

Haben einfach keine Kontrolle darüber.

Ob es jetzt eine Sucht ist, darüber streiten die Wissenschaftler, kann ich ihnen sagen.

Häufig beginnt die Krankheit schon in der Kindheit.

So war es auch bei Laura.

Ich denke mit vier Jahren habe ich angefangen, mit einem Essfehlverhalten, beziehungsweise,

ja, ein falsches Essverhalten, oder ja, kein normales Essverhalten zu entwickeln.

Und dann erinnere ich mich immer bruchstückartig an Erlebnisse in der Kindheit, wie ich zum

Beispiel… meine Mutter hat vorgekocht für meinen Vater und dann habe ich das komplette

Essen bis auf eine Tortellini gegessen — bis auf eine Tortellini.

Bis auf eine Tortellini?

Bis auf eine Tortellini.

Weil ich mit 5-6 Jahren dachte, das würde halt nicht auffallen.

Das war das erste Mal, beziehungsweise eines der frühesten Ereignisse, wo ich mich daran

erinnern kann, dass ich heimlich angefangen habe zu essen.

Ja, meine Eltern werden es wohl irgendwo mitbekommen haben.

Aber die waren natürlich auch ratlos, warum das Kind immer dicker wird, obwohl es eigentlich

normale Portionen am Tisch isst.

Essattacken sind mehr als nur Heisshunger.

Sie haben auch körperliche Konsequenzen.

Ja, ich hab ganz zittrige Knie bekommen.

Meine Stimme wurde ganz zittrig.

Meine Gedanken haben sich nur noch ums Essen gekreist.

Und alles wurde weich.

Ich hatte das Gefühl ich bestand nur noch aus Pudding, aus Wackelpudding.

Und dann bin ich einfach, ähm, dann konnte ich mich nicht mehr kontrollieren.

Das war für mich das Zeichen, hier findet jetzt ein Kontrollverlust statt.

Und ja, dann war es eigentlich schon zu spät.

Also, wenn es so weit war, war es früher eigentlich schon zu spät.

Also, da konnte ich mich überhaupt nicht mehr kontrollieren.

Also, dick sein ist das Symptom und die Krankheit ist Esssucht?

Genau!

Laura hat ihre Krankheit mittlerweile im Griff.

Astrid hat diesen Weg noch vor sich.

Sie habe ich über Professor Hilbert kennen gelernt.

Es war gar nicht so leicht jemanden zu finden, der noch in Therapie ist und bereit ist sich

filmen zu lassen.

Und jetzt habe ich eigentlich stetig zugenommen und bin jetzt auf meinem Höchstmaß.

Also, man kann es ruhig sagen, ich bin jetzt bei 135 Kilo.

Und jetzt hoffe ich, dass ich mit der Hilfe von Therapien doch das wieder in Angriff nehmen

kann.

Die gute Nachricht ist eben auch.

Sie kann auch behandelt werden.

Sie kann auch geheilt werden.

Nicht bei allen, aber bei vielen. 50% der Patienten, die eine kognitive Verhaltenstherapie

aufsuchen, sind vollständig symptomfrei.

Ich darf bei zwei Therapiesitzungen von Astrid mit dabei sein — ausnahmsweise.

Es geht darum, dieses Nahrungsmittel genau zu betrachten und zu beschreiben.

Daran zu riechen und daran zu schmecken ohne es zu essen, denn wenn wir es essen, können

wir das Heißhungergefühl nicht mehr genau erfassen.

Diese Therapieform heisst Nahrungskonfrontation.

Essen anschauen, beschreiben, riechen — immer wieder.

Klingt erst einmal ganz simpel, erzeugt bei Astrid aber richtig Druck.

Gut, dann würde ich sie erst einmal darum bitten, anzuschauen eins von diesen Teilchen

und zu beschreiben, was Sie sehen.

Also, ich sehe sehr gut aufgegangen Blätterteig mit ganz viel Puderzucker bestreut.

Drinnen eine sehr leckere Vanillecremefütterung.

Und darauf, zum Anteil von Obst, sehr leckere Himbeeren, eine Heidelbeere und eine geteilte

Erdbeere.

Sehr gut.

Ihr Heißhunger oder Ihr Appetit, von 0-100, wo ist der im Moment?

Also, das würde ich sehr gerne schon jetzt essen wollen.

Also, 70 ist es definitiv schon.

Besonders wichtig ist, die Patientin muss komplett satt sein.

Sonst funktioniert die Therapie nicht.

Und wenn Sie es jetzt in die Hand nehmen und einmal dran riechen.

Was riechen Sie?

Klar.

Das Teilchen sieht super aus.

Ich hatte auch total Hunger — aber die Kontrolle verlieren, nein, das kann ich mir nicht vorstellen.

Die Himbeeren sind auch sehr fruchtig.

Ja, die Erdbeere riecht.

Und wenn Sie jetzt Ihren Appetit einschätzen würden, wo liegt der etwa?

Ja, jetzt würde ich sagen, ist er ein bisschen gestiegen.

Ja.

Sagen wir mal 85.

Tragen Sie das mal daneben ein.

Und jetzt würde ich Sie bitten, einmal davon zu kosten.

Also nicht richtig abbeißen, nur so um's zu schmecken.

Okay.

Was schmecken Sie?

Vanillecreme, Puderzucker.

Von den Früchten leider noch nichts. Da müsste man tatsächlich richtig abbeißen.

Ja, da können sie…

Wie ist denn Ihr Appetit darauf jetzt?

Na, definitiv nicht runter gegangen.

Ich würde sagen, na, mehr als 100 geht ja sowieso nicht.

Also ich würde sagen, wenn Sie jetzt rausgehen würden, würde ich es wahrscheinlich essen.

Das macht Astrid jetzt fast ne 3/4 Stunde lang.

Erst hat sie riesigen Appetit, aber irgendwann stellt sich Gewöhnung ein.

Ziel der Sitzung: Astrid soll keine Lust mehr auf das Teilchen haben.

Laut Professor Hilbert klappt das immer.

Hallo.

Hallo Herr Huber.

Hallo Frau Gauger.

Astrid nimmt auch bei einer Studie zu einer ganz neuen Therapieform teil: Dem Neurofeedback.

Elektroden am Kopf messen Astrids Hirnströme — und ich kann live am Bildschirm verfolgen,

was eine Essattacke in Astrids Gehirn auslöst.

Anschließend werde ich ihnen immer Bilder präsentieren, so wie dieses hier.

Und Sie sollen sich diese Nahrungsmittel dann möglichst lebhaft vorstellen.

Das heißt, sie können sich dann überlegen, wie das jetzt riechen würde.

Wie sich das im Mund anfühlen würde, wie sich der Geschmack so langsam verbreitet,

wenn Sie anfangen zu kauen.

Wichtig ist hier der linke Balken.

Der zeigt wie sehr Astrid gerade auf das Stück Torte vor ihrer Nase abfährt.

Sobald Astrid die Karte nicht mehr sieht, soll sie versuchen ihr Verlangen irgendwie

zu bekämpfen.

Dazu singt sie Lieder in ihren Gedanken.

Und prompt geht der Balken runter.

Die Störung kann erblich bedingt sein.

Häufig liegen die Gründe aber auch in der Vergangenheit der Patienten.

Warum mauert man sich denn so ein?

Warum nimmt man denn so viele Lebensmittel zu sich?

Vor was will man sich denn schützen?

Und da gibt es halt, wie gesagt, alles psychologische Ursachen.

Bei mir war es aus der Kindheit geprägt.

Ich hab mir halt meinen Schutzpanzer angefressen.

Das Essen ist ja im Prinzip nur ein Verdrängen des Schreis nach Liebe.

Des Schreis nach Aufmerksamkeit.

Oder halt, anderem halt.

Man macht immer was weg.

Man überdeckt, man übertüncht mit dem Essen.

Professor Hilbert erzählt mir, dass alle ihre Patienten enorm mit Stigmatisierung und

Hänseleien zu kämpfen haben.

Für die Heilungschancen ist das pures Gift.

Also man kann immer noch dem Übergewichtigen eine reinhauen, wenn man es bei den anderen

schon aus Political Correctness Gründen nicht mehr kann.

Wir wissen zum Beispiel aus einigen wenigen Studien, dass Menschen besser abnehmen können,

wenn sie sich besser annehmen können, wenn sie also nicht abgewertet werden.

Das bedeutet also Fatshaming funktioniert nicht nur nicht, sondern es ist kontraproduktiv.

Es ist absolut kontraproduktiv.

Das heisst, wenn man das Gegenteil macht, ist die Chance auf Heilung viel höher.

Richtig.

Manche Patienten beschreiben das auch, wenn sie versuchen, sich körperlich stärker zu

betätigen, joggen gehen, dass sie dann halt komisch angeschaut werden.

Das heißt, man kann nichts richtig machen.

Wenn man isst, wird man blöd angeguckt.

Wenn man Sport macht, wird man blöd angeguckt.

Genau.

Und man bekommt einfach immer nur eine drauf.

Ja.

Laura hat sich gegen die Krankheit und auch gegen blöde Kommentare durchgesetzt — ganz

ohne Therapie.

Letzten Herbst hat sie angefangen soziale Arbeit in Darmstadt zu studieren.

Ihrer Heimat und vor allem den Karneval zurück zu lassen, ist ihr nicht leicht gefallen.

In den letzten Jahren hat sie dort die aller kleinsten Tänzerinnen, das Miniballett, trainiert.

Bei ihrer Verabschiedung durften wir dabei sein — improvisierte Kostüme inklusive.

Weil unsere liebe Laura das Miniballett verlässt…

In ihrer eigenen Kindheit hatte Laura viel zu kämpfen.

Ich habe sie gefragt, was sie sich damals gerne selbst gesagt hätte.

Dass sie nicht selbst daran schuld ist, dass sie so übergewichtig ist.

Und, dass sie nicht selbst daran schuld ist, dass sie so viel Essen zu sich nimmt ohne

es kontrollieren zu können.

Sondern, dass es einfach eine Krankheit ist.

Eine Krankheit, wie jede andere somatische Krankheit auch, nur eben eine psychische Erkrankung.

Und, ich würde ihr einfach sagen, dass alles besser wird mit der Zeit.

Astrid und Laura haben beide gesagt, sie wollen ihre Geschichte erzählen, um anderen Mut

zu machen.

Zeigen, dass sie nicht alleine sind — und dass man die Krankheit besiegen kann.

Und was hab ich gelernt?

Außer, dass der Karneval im Sauerland wirklich super ist?

Dass wir häufiger mal versuchen sollten hinter die Fassade zu schauen, bevor wir uns ein

Urteil bilden.

Laura hat mir gesagt sie will nicht in Watte gepackt werden.

Zuhören und da sein, wenn es schwierig wird, aber bitte keine gut gemeinten Ratschläge.

Man könne doch über alles reden.

Für mich hört sich das nach einem guten Rezept an.

Das war unser Film über den Binge Eating Disorder.

Ich hoffe er hat euch gefallen.

Habt ihr schon einmal Erfahrungen mit der Krankheit gemacht?

Habt ihr irgendwelche Fragen?

Schreibt es in die Kommentare.

Und es gibt noch einen anderen Film, den ich euch empfehlen kann, über eine andere bekannte

Essstörung. Den findet ihr hier. Vielen Dank und bis zum nächsten Mal.