Eskalation in Russland! Und jetzt? | #analyse
Revolution in Russland.
Diesen Eindruck konnte man zumindest bekommen,
wenn man gestern in die sozialen Netzwerke geschaut hat.
Bei Twitter und Telegram gab es Beiträge, die behaupteten,
ein Staatsstreich in Russland wäre im Gange.
Auch heute, am Samstag, gibt es immer wieder Meldungen,
die besagen, in Russland herrsche das Chaos,
und Putin hätte die Situation nicht mehr unter Kontrolle.
Was ist da genau los in dem Land?
Was stimmt an den Behauptungen, dass es Chaos gebe,
dass es einen Putschversuch gebe?
Und was stimmt nicht?
In diesem Video gibt es eine Einordnung
und vor allem die Hintergründe zu dem, was in Russland passiert.
Untertitel im Auftrag des ZDF für funk, 2017
Bevor dieses Video richtig beginnt,
wie so oft an dieser Stelle ein wichtiger Hinweis.
Ich nehme das Video am frühen Samstagmittag auf.
Was in Russland passiert, ist eine dynamische Entwicklung.
Es kann sein, dass Dinge, die ich in dem Video sage, zur Veröffentlichung des Videos
schon nicht mehr ganz aktuell sind.
Deshalb hab ich euch unten in der Infobox und in den Kommentaren in einem angepintten Kommentar
einen Link zu einem Live-Blog verlinkt,
der euch auf dem Laufenden hält.
Hier versuche ich, die Hintergründe darzustellen
und euch zu zeigen, was da gerade in Russland los ist.
Und das mit gesicherten Informationen.
Das ist in so einer Situation auch immer ganz wichtig.
Wir starten wie immer mit der Frage, was passiert gerade?
In Russland eskaliert momentan ein Konflikt,
der schon seit einiger Zeit spielt.
Und zwar ein Konflikt zwischen einer Söldnergruppe,
der sogenannten Gruppe Wagner, angeführt von Evgeny Prigorjin,
und dem russischen Militär.
Und zwar angeführt von Gerasimov, das ist der Generalstabschef
und der Chef für den Angriff Russlands auf die Ukraine,
und Shoigu, das ist der russische Verteidigungsminister.
Diese beiden stehen contraire zu Evgeny Prigorjin.
Diesen Konflikt gibt es schon eine ganze Weile,
schon seit einigen Monaten.
In diesem Video hab ich auch schon darüber gesprochen.
Prigorjin wirft das Verteidigungsministerium
schon länger vor, nicht ausreichend Waffen zur Verfügung zu stellen,
die Leute zu verheizen, an die Front zu schicken,
ohne sie richtig auszubilden.
Er sagt auch, die Taktik in der Ukraine wäre eine falsche.
werden gleichzeitig das Verteidigungsministerium sagt, die Gruppe Wagner,
die offiziell an der Seite der russischen Armee kämpft,
würde immer wieder ausscheren und sich nicht an Anweisungen halten.
Und dieser Konflikt, der kocht jetzt richtig hoch.
Gestern hat Evgeny Prigorjin behauptet,
das Trainingslager der Gruppe Wagner sei angegriffen worden.
Angegriffen, nicht von der Ukraine, sondern von der russischen Armee,
von der offiziellen russischen Armee.
Das hat Prigorjin letztendlich auf die Palme gebracht.
Er hat gesagt, so geht es nicht weiter.
Das war eine Kriegserklärung gegen uns, jetzt räumen wir richtig auf.
Wir wollen den Generalstabschef
und den Verteidigungsminister absetzen.
Indirekt hat er sogar deren Tod gefordert.
Und Prigorjin hat außerdem sinngemäß gesagt,
in verschiedenen wütenden Audionachrichten und Videos,
solange diese beiden Männer den Befehl haben
für den russischen Krieg gegen die Ukraine,
werde man Widerstand leisten.
Er hat davon gesprochen, dass er über 25.000 Mann verfüge,
plus Reserve, mit denen man, wenn es sein müsse,
bis nach Moskau verrücken würde.
Und tatsächlich sind dem auch Taten gefolgt.
Laut bestätigten Berichten ist die Gruppe Wagner
an der Grenze von der Ukraine zu Russland vorgerückt
und hat die Kontrolle übernommen über verschiedene Orte in Russland,
von denen aus der Krieg in der Ukraine gesteuert wird.
Und nicht nur die Kontrolle über den Ort,
sondern auch über verschiedene Kriegsgeräte,
habe man, und Prigorjin spricht sogar davon,
dass viele Soldaten und wohl einige Geheimdienstleute
übergelaufen seien zur Gruppe Wagner.
Das ist das, was Prigorjin sagt.
Gleichzeitig betont Russland, hier handele es sich um einen Terrorakt,
um einen Akt des Widerstands, der so nicht geduldet würde.
Wladimir Putin, der russische Präsident, hat sich
nachdem er lange geschwiegen hat zu diesem schwelenden Konflikt
zwischen der Gruppe Wagner und dem Oberbefehl
über den russischen Angriffskrieg in der Ukraine,
heute am Samstag zu Wort gemeldet und Folgendes formuliert. Unsere Maßnahmen zur Verteidigung des Vaterlandes gegen eine solche Bedrohung werden hart sein. All diejenigen, die bewusst den Weg des Verrats eingeschlagen haben, die einen bewaffneten Aufstand vorbereitet haben, die den Weg der Erpressung und der terroristischen Methoden eingeschlagen haben, werden die unvermeidliche Strafe erleiden, werden sich sowohl vor dem Gesetz als auch vor unserem Volk verantworten müssen.
Das heißt also, Wladimir Putin stellt sich zumindest offiziell
an die Seite seines Verteidigungsministers
und seines Generalstabschefs.
Und das, obwohl es gerade in der jüngsten Vergangenheit
immer wieder Spannungen gab zwischen Putin und Scholgu.
Und gleichzeitig ist Prigorjin, der Wagner-Chef,
eigentlich immer ein enger Verbündeter von Putin gewesen.
In seiner gesamten Rede wird Prigorjin von Putin nicht erwähnt.
Vielleicht, weil sich Putin eine Hintertür offenhalten will.
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Die russische Armee betont, die Wagner-Gruppe
könne die Waffen fallen lassen und könne sich der Armee anschließen.
Man werde die Leute nicht bestrafen.
Es wird versucht, den Leuten die Hand zu reichen
und Ruhe in diese Sache zu bringen.
Aber klar ist, momentan ist die Situation in Russland undurchsichtig.
Es gibt eben diese Wagner-Gruppe, angeführt von Prigorjin,
die den Befehl über den Krieg in der Ukraine haben möchte.
Und die es nicht mehr länger dulden möchte,
dass es in der russischen Armee Kräfte gibt,
die gegen die Interessen der Wagner-Gruppe handeln.
Ein offener Machtkampf.
An dieser Stelle müssen wir eine weitere Frage klären,
eine hintergründige Frage.
Wer ist die Gruppe Wagner?
Die Gruppe Wagner ist eine Söldnergruppe.
Das heißt also, eine Armee, die man mieten kann,
die man bezahlen kann dafür, dass sie irgendwo für einen kämpft
oder Dinge bewacht oder auch einen verdeckten Krieg führt,
zum Beispiel im Internet.
Die Gruppe Wagner ist extrem mächtig.
Vergründet wurde sie vor zehn Jahren
von einem ehemaligen Angehörigen der russischen Armee,
der selbst den Kampfnamen Wagner trägt.
Daher eben dieser Name.
Wagner deshalb, weil dieser Kämpfer ein großer Fan von Richard Wagner ist.
Und nicht nur das, er ist auch ein großer Fan von Adolf Hitler.
Große Teile der Gruppe Wagner gelten als rechts- bis rechtsextrem.
Das sind also, um es mal in Schwarz-Weiß-Bildern zu sagen,
nicht die Guten, sondern das sind Gruppen von Kämpfern,
die im In- und Ausland aktiv sind.
Viele davon sind Leute, die eigentlich in Straflagern waren,
in Gefängnissen, und von Prigorjin,
dem jetzigen Kopf dieser Gruppe, herausgeholt wurden
und die bezahlt werden, um zu kämpfen.
In der Ukraine, aber auch in anderen Ländern,
in Afrika und Asien, ist immer wieder die Gruppe Wagner aktiv.
Offiziell für Russland, bekommt Geld von Russland,
um dort dann zum Beispiel Gebäude zu bewachen
oder andere Dinge zu machen.
Dinge, die die russische Armee so nicht machen darf,
aber Söldner können das eben erledigen.
Man könnte sagen, die Gruppe Wagner erledigt für die russische Regierung
die Drecksarbeit.
Es gibt einen engen Draht zwischen Putin, dem russischen Präsidenten,
und Prigogen, der ein Oligarch ist, ein Gastronom,
der unglaublich viel Geld hat
und der das einzige Restaurant im Kreml betreiben darf
und der eigentlich lange abgestritten hat,
der Kopf der Gruppe zu sein.
Inzwischen macht Prigogen keinen Hehl mehr daraus,
dass er das Sagen hat in der Gruppe Wagner,
nicht zuletzt auch wegen seines Geldes.
Im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine
spielt die Gruppe Wagner eine entscheidende Rolle.
Und das schon seit 2014, als zunächst einmal verschleierte Truppen
den Donbass in der Ukraine angegriffen haben.
Darunter waren viele Wagner-Kämpfer.
Inzwischen kämpft die Gruppe Wagner Seite an Seite
mit der offiziellen russischen Armee in der Ukraine.
Wobei man sagen muss, kämpfte,
denn jetzt gibt es ja gerade diesen offen ausgetragenen Konflikt.
Die Gruppe Wagner wurde und wird versorgt von der russischen Armee
mit Waffen und anderen Dingen.
Und gleichzeitig leistet sie treue Dienste.
Die Gruppe Wagner soll verantwortlich sein
für etliche Kriegsverbrechen in der Ukraine, brutale Morde.
Alles das zeigt das Bild einer Gruppe, die brutal ist,
aber im Sinne der russischen Führung auch effizient.
Denn die Gruppe Wagner wird immer dann eingesetzt,
wenn es irgendwo besonders haarig wird,
wenn man eine Stadt verteidigen muss oder erobern muss.
Direkt daran angeschlossen die nächste Frage,
die sicher viele von euch haben.
Wie kam es zu diesem Konflikt zwischen Wagner und Militärführung?
Das hängt vor allem damit zusammen,
dass Prigorjin in den vergangenen Monaten
immer unzufriedener damit wurde,
wie Russland den Krieg in der Ukraine kämpft.
Prigorjin wirft der russischen Armeeführung vor,
die falschen Taktiken anzuwenden.
Außerdem sagt er, es seien Todeszahlen verschleiert worden.
Eigentlich seien die Verluste Russlands in der Ukraine
viel höher, als es offiziell kommuniziert würde.
Nicht nur das, Prigorjin hat jetzt in einer seiner jüngsten Reden gesagt,
einer der wichtigsten Angriffsgründe für Wladimir Putin
gegen die Ukraine sei komplett falsch.
Die NATO oder die Ukraine hätten Russland gar nicht bedroht.
Also ein offener Angriff gegen Wladimir Putin,
den Prigorjin in jüngster Vergangenheit
sogar einmal, Zitat, Arschgeige genannt hat.
Also, Prigorjin ist ein Choleriker,
ein Mann, der einfach nicht zufrieden ist damit,
wie es für seine Truppen läuft.
Und der, das muss man auch ganz klar sagen,
die Ukraine effizienter bekämpfen möchte.
Denn es ist nicht so, dass Prigorjin,
wenn er jetzt tatsächlich die Macht über das gesamte Militär
in der Ukraine hätte,
diesen Krieg beenden würde.
Sondern Prigorjin würde diesen Krieg aus seiner Sicht effizienter führen wollen.
Er hat eine andere Idee
und möchte dementsprechend mehr Macht haben in der Ukraine.
Ja jetzt haben wir schon sehr viel über die Ukraine gesprochen
und den russischen Angriffskrieg dort.
Da liegt die Frage nahe, was bedeutet der Konflikt für die Ukraine?
Für die Ukraine bedeutet das zunächst einmal etwas Entlastung.
Denn wenn sich das russische Militär und Wagnerkämpfer
untereinander bekriegen, dann sorgt das dafür,
dass man sich nicht mehr konzentrieren kann
auf den Angriffskrieg.
Und dadurch kann es natürlich hier und da zu einer Schwächung kommen.
Das ist jetzt auch in den vergangenen Stunden immer wieder genannt worden
aus der Ukraine.
Man schaute mit einer gewissen Genugtuung auf die Situation,
macht sich lustig über das, was in Russland passiert,
und man hofft, dass die Lage immer weiter eskaliert.
Sodass Russland so abgelenkt ist,
dass man den Krieg in der Ukraine nicht mehr richtig führen kann.
Und dass gleichzeitig die russische Offensive in der Ukraine endgültig zum Stocken kommt und
endgültig zurückgetrieben wird.
Denn es gibt ja schon länger eine Gegenoffensive der Ukraine,
die könnte dadurch noch erfolgreicher sein.
Aber ihr merkt, ich verwende immer wieder den Konjunktiv,
denn vieles ist eben momentan noch in der Entwicklung.
Vieles ist noch nicht klar, das werden erst die nächsten Stunden,
Tage und Wochen zeigen, wie es dort weitergeht.
Aber für den Moment ist klar, wenn sich Russland intern bekriegt,
kann man sich nicht so sehr auf den Angriffskrieg in der Ukraine
konzentrieren.
Eine Sache ist dabei aber ganz klar, egal, wer den Konflikt am Ende gewinnt,
ob die russische Militärführung oder Prigogine,
der Krieg in der Ukraine wird weitergehen.
Prigogine hat betont, man würde zurück an die Front kehren,
wenn diese Sache erledigt sei.
Er möchte weiter kämpfen.
Für die Ukraine bedeutet das erst einmal kein Ende des Krieges,
aber natürlich könnte diese Entwicklung dafür sorgen,
dass Russland geschwächt ist.
Und dass man sich längerfristig gesehen doch zurückzieht.
Aber auch das wäre ein ziemlich fataler Blick in die Glaskugel,
das weiß man momentan noch nicht.
Dazu verweise ich auf den Live-Blog, den ich in den Kommentaren verlinkt habe.
Das heißt also, in Russland erleben wir gerade
einen offen ausgetragenen Konflikt
zwischen einerseits der russischen Militärführung
und andererseits den Wagner-Söldnern,
bei denen Putin versucht hat, für Ordnung zu sorgen.
Wozu das führt, wird man in nächster Zeit sehen.
Aber etwas Entlastung für die Ukraine bedeutet diese Situation
in Russland definitiv.
Ein Staatsstreich oder eine Revolution ist das noch nicht,
aber natürlich könnte daraus noch ein Staatsstreich werden.
Nämlich dann, wenn Prigogin merkt,
er muss die russische Regierung insgesamt beseitigen,
um seine Ziele komplett erfüllen zu können.
Aber ob er dazu die Macht hat und die Kraft mit 25.000 Mann
oder vielleicht auch mit 40.000, 50.000 Mann,
so ganz ist das nicht klar, das steht in Frage.
Das gelingt nur dann, wenn sich weitere Teile der russischen Armee
und der russischen Geheimdienste, auch das ist wichtig,
Prigogin anschließen.
Ob das gelingt, das wird sich auch noch zeigen.
Aber mit Vorsicht genießen und vor allem das, was ihr im Netz findet,
immer einordnen und prüfen, woher kommt die Information.
Kann ich dieser Information vertrauen?
Gibt es eine zweite, davon unabhängige Quelle?
Wenn nicht, dann im besten Fall erst mal beiseitelegen.
Danke fürs Zuschauen.
Neben mir findet ihr ein Video über die Kriegsziele von Putin.
Direkt darunter ein Video darüber, was passiert,
wenn Wladimir Putin weg ist, also wenn er nicht mehr an der Regierung ist.
Schaut da auch gerne mal rein.
Danke fürs Zuschauen. Bis zum nächsten Mal.