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Nachrichten, Psychiater: Wenn Kinder nur wischen, haben sie einen Nachteil

Psychiater: Wenn Kinder nur wischen, haben sie einen Nachteil

Der Psychiater und Hochschullehrer Manfred Spitzer hat zu einem Rundumschlag gegen die digitale Nutzung im Kindesalter ausgeholt. Dass Tablets in Bildungseinrichtungen ausgegeben werden, sei ein Skandal, sagte Spitzer im Dlf.

Tobias Armbrüster: Digitalisierung – das Wort hören wir häufig in diesen Wochen und in diesen Tagen, vor allem im Zusammenhang mit der Schulbildung in Deutschland. Viele Politiker fordern inzwischen das digitale Klassenzimmer. Kinder sollten schon in der Schule, am besten schon in der Grundschule mit dem Programmieren von Computern vertraut gemacht werden. Das sagt zum Beispiel die neue Digitalministerin Dorothee Bär. WLan-Netze an Schulen – auch so eine Forderung –, die sollen auch ausgebaut werden. Insgesamt der Tenor: Wenn deutsche Schulen, wenn deutsche Klassenzimmer da nicht den Anschluss schaffen, dann gehen uns in den kommenden Jahrzehnten jede Menge Arbeitsplätze in diesem wichtigen Wirtschaftsbereich verloren.

Wir wollen das etwas genauer beleuchten, aus einer etwas anderen Perspektive. Am Telefon ist der Psychiater, Neurowissenschaftler und Buchautor Manfred Spitzer, Hochschullehrer an der Universität Ulm. Schönen guten Morgen, Herr Spitzer.

Manfred Spitzer: Ja, guten Morgen.

„In der Grundschule kann man nicht Programmieren lernen“

Armbrüster: Herr Spitzer, Programmieren lernen am besten schon in der Grundschule, ist das eine gute Idee?

Spitzer: Das ist überhaupt keine gute Idee. Das ist so wie „wir brauchen gute Mathematiker, also machen wir in der Grundschule jetzt schon Integrieren und Differenzieren.“ Das kann nicht funktionieren, weil man zum Programmieren bestimmte logische Prozesse verstanden haben muss, bestimmtes mathematisches Grundwissen haben muss, und das ist frühestens irgendwann in der Mittelstufe da. In der Oberstufe kann man Programmieren lernen, man kann vielleicht auch schon früher Programmieren lernen, in der Grundschule nicht. Da kann man irgendwelchen Quatsch auf Computern machen und niemand lernt dabei, sondern es wird nur eine Zeit vertan, und das sollte man definitiv nicht tun.

Armbrüster: Aber haben nicht alle Erwachsenen irgendwann mal diese Erfahrung gemacht, oder fast alle Erwachsenen, zumindest die, die manchmal mit Kindern zu tun haben, dass Kindern das alles mit Computern unglaublich leicht von der Hand geht und dass die so etwas wirklich spielerisch machen und dass die zu diesen Geräten einen völlig anderen Zugang haben als Erwachsene?

Spitzer: Das ist aber ganz einfach und eine völlig andere Sache. Keiner hockt an seinem Smartphone und programmiert. Es ist schlichtweg so, dass Kinder, egal was es ist, viel schneller lernen als Erwachsene. Da ist natürlich der Umgang mit einem Smartphone, welche Knöpfe ich drücke und wo ich nach wo wischen muss und so weiter, das lernt ein Kind natürlich viel leichter. Ein Kind lernt ja auch leichter sprechen und es lernt ganz schnell laufen, viel leichter als das Erwachsene lernen. Das ist lange bekannt und das ist nichts Besonderes und das hat auch mit Computern nichts zu tun.

Und noch was: Es hat nicht mal damit was zu tun, wie gut sich ein Kind entwickelt. Denn ein Kind braucht bestimmte Dinge, ich sage mal, als Input. Es muss die Dinge anfassen, es muss mit den Dingen umgehen lernen. Und wenn heute die Kinder an die Schule kommen und können keinen Griffel mehr halten, weil sie sich nur noch mit Wischen über eine Glasoberfläche beschäftigt haben und ihre Hand damit weder motorisch, noch sensorisch in irgendeiner Weise vernünftig trainiert haben, dann haben die einen Nachteil, und zwar einen großen Nachteil. Wir ziehen uns eine Generation von Behinderten heran, ich sage es mal drastisch. Je mehr Fingerspiele sie im Kindergarten machen, desto besser sind sie mit 20 in Mathematik, weil die Zahlen über die Finger und deren komplexen Gebrauch ins Hirn kommen. Wenn sie nur wischen als Kindergartenkind, endet ihre Karriere als Putzfachkraft. Das sollte man einfach nicht machen.

„Sie können nicht sagen, jetzt geh mal verantwortungsvoll damit um“

Armbrüster: Heißt das, was Sie da schildern, jetzt nicht genau das, dass man Kindern in der Schule das beibringen muss, wie man richtig mit diesen Geräten umgeht, auch wie man verantwortungsvoll möglicherweise mit ihnen umgeht? Das Ganze läuft ja immer unter dem Stichwort Digitalkompetenz.

Spitzer: Ja, das muss man auch mal relativieren. Sie können mit einem Dreijährigen nicht über Bonbons reden und sagen, hey, hier hast Du einen Stapel Bonbons, jetzt geh‘ mal verantwortungsvoll damit um. Das ist Nonsens. Sie können mit Pubertierenden, die gerade anfangen, in alle möglichen Dinge sich einzudenken und einzufühlen, nicht sagen, benutz‘ Dein Smartphone aber bitte nur in ganz verantwortlicher Weise. Vor 100.000 Jahren, wenn sich zwei hinterm Busch gebalgt oder gepaart haben, da hat jeder hingeguckt, „Monkey see, Monkey do“.

Wir wissen doch, wie wir Menschen uns verhalten, und Sex and Crime ist nach wie vor der Hauptinhalt des Internet und natürlich dessen, was man im Smartphone mit dem Internet machen kann. Kein 14-Jähriger wird da nicht herangehen und hingucken wollen, weil die 14-Jährigen, die sich vor 100.000 Jahren schon für Sex and Crime nicht interessiert haben, von denen stammt keiner ab. 14-Jährige sind so, genauso wie Dreijährige was Süßes mögen, weil diejenigen, die vor 100.000 Jahren nichts Süßes gegessen haben, soviel es gab, die waren beim nächsten Hunger tot. Deswegen sind wir auch als Dreijährige unempfindlich gegenüber Süß, damit wir so viel essen können, wo es Erwachsenen schon schlecht wird.

Und man muss sich mal klarmachen: Das ist unsere Biologie, die ist so. Genauso wie aus dieser Biologie nicht folgt, dass Dreijährige so viel Süßes essen sollten, wie sie selber wollen, und dass sie, ich sage es mal salopp, kein Hirnschmalz haben, um das selber hinzukriegen, genauso sind Jugendliche auch vollkommen überfordert. Das zeigen übrigens auch die Studien. Eine große Blikk-Studie aus dem letzten Jahr, von deutschen Kinderärzten an 6000 Personen gemacht. Da kommt raus, dass die 13-Jährigen sich durch das Smartphone überfordert fühlen und dass sie die Kontrolle über das Smartphone verlieren, weil das Smartphone – das wissen wir auch – suchterzeugende Eigenschaften hat. In Korea gab es über 30 Prozent Süchtige, wir sind bei acht Prozent. Da können wir nicht sagen, geh‘ damit um!

„Steve Jobs hat gesagt, iPads sind nichts für Kinder“

Armbrüster: Herr Spitzer, ich muss zwischendurch doch mal eine Frage stellen. Heißt das jetzt, dass Computer grundsätzlich weg sollten aus der Schule, möglichst weit weg von den Schülern, und dass man auch den Eltern am besten sagt, haltet eure Kinder fern von diesen Geräten?

Spitzer: Wenn man die Studienlage dazu mal ganz ernsthaft sich anschaut, hat Herr Macron schlichtweg recht, wenn er sagt, wir verbieten die Smartphones an französischen Schulen ab Herbst 2018. Denn es gibt große Untersuchungen, die zeigen, dass wenn Sie das tun, werden die Schüler besser.

Es gibt weiterhin große Untersuchungen, die zeigen, dass wenn Sie WLan und Computer an Schulen einführen, dass die Schulleistungen der Schüler sinken, und zwar nach der neuesten Studie um 20 Prozent. Und wenn man sich das mal anschaut: Es gibt keine Studie, wirklich keine – und es wird immer behauptet; wenn man dann aber nachfragt, wo ist denn die Studie, dann ist die nicht da. Erst neulich hat die TU München eine große Studie vermeintlich publiziert. Da hat sich die FAZ und die NZZ drauf bezogen.

Ich habe dann, weil mich das sehr interessiert, nachgehakt: Die Studie gibt es nicht! Die ist noch gar nicht publiziert! Und wenn, dann würde ich sie mal sehr kritisch lesen wollen. Aber das kann man nicht, solange es sie nicht gibt. Aber die Zeitungen schreiben schon, die Digitalisierung ist gut für das Lernen der Kinder. Das ist ein Skandal erster Güte und ich kann nicht sehen, wie man sich hinstellen kann und sagen kann, wir brauchen mehr Tablets in den Grundschulen, wenn sogar der Chef von Apple sagt, Tablets sind nicht für meinen Neffen in der Schule. Steven Jobs hat gesagt, der Erfinder des iPads, die sind nichts für Kinder. Jetzt geben sie die schon in Kindergärten und in der Grundschule aus. Das ist wirklich ein Skandal, denn noch mal: Wir wissen, dass die dem Lernen schaden und nicht nützen.

„Smartphone macht einen hohen Blutdruck“

Armbrüster: Herr Spitzer, ich kann mir vorstellen, dass da jetzt viele Leute zuhören und sagen, das erinnert uns an das, was wir mal im Geschichtsunterricht gelernt haben, dass früher auch das Lesen in Schulen verteufelt wurde, oder überhaupt der Gebrauch von Büchern. Da hieß es dann im Mittelalter, das sei überhaupt nichts, weder für Kinder, noch für Erwachsene. Enthalten wir da nicht einfach unseren Kindern etwas Wichtiges vor, wenn wir Computer, PCs und Smartphones so verteufeln in der Schule?

Spitzer: Ich verteufle das ja gar nicht. Schauen Sie, ein Smartphone macht einen hohen Blutdruck, macht kurzsichtig, und zwar in Südkorea schon 95 Prozent der jungen Bevölkerung. Normal wären fünf Prozent höchstens. Smartphones bewirken Diabetes, Schlafstörungen, Depressionen. Mädchen, die mehr als drei Stunden in Facebook sind mit 13, haben die doppelte Wahrscheinlichkeit, mit 18 depressiv zu sein. Smartphones erzeugen Sucht. Social Medias, das ganze Wort ist hier eine Sprachverstellung.

Armbrüster: Aber diese Geräte gehören zu unserem Alltag. Sie gehören dazu, sie sind nicht mehr wegzukriegen.

Spitzer: Moment! Das Argument, das akzeptiere ich gar nicht. Es hat immer bei jeder neuen Technik eine Technik-Folgenabschätzung gegeben. Irgendwann hat man radioaktive Strahlen erfunden und dann hat man überlegt, was machen wir mit denen und wie gehen wir vernünftig damit um. Als die Röntgen-Strahlen erfunden wurden, haben die sich in Berlin 1895 gegenseitig geröntgt. Heute greifen wir uns an den Kopf, was die sich alles für Schaden zugefügt haben. In den Kinderabteilungen der Schuhgeschäfte gab es tausende von Durchleuchtungsgeräten. Das ist das strahlenintensivste Verfahren in der Medizin, und die waren in den Kinderabteilungen bis in die 70er-Jahre, bis sie langsam ausgeführt wurden. Man hat zum Beispiel auch Asbest in den Häusern nicht einfach hingenommen und man sagt ja auch nicht, das ist halt da, wir gehen weniger rein. Nein, wir reißen die Häuser ab.

Und noch eines: Es gibt eine große Studie aus dem Jahr 2015 der Pisa-Studienleiter, und die haben folgendes untersucht: Wieviel wurde in Schüler in über 60 Ländern der Welt in Digitalisierung investiert und wie haben sich die Pisa-Leistungen verändert? Und da kommt raus: Je mehr in Digitalisierung in irgendwelchen Ländern, zum Beispiel Australien ganz viel, Finnland ganz viel investiert wurde, desto schlechter wurden die Pisa-Leistungen im Beobachtungszeitraum. Die Australier haben 2008 Computer eingeführt und 2016 wieder weggeräumt, weil sie so schlecht geworden sind in der Pisa-Studie. Wir tun den Schülern keinen Gefallen, was ihre Gesundheit und ihre Bildung anbelangt, wenn wir Bildungseinrichtungen digitalisieren. Darüber müssen wir uns klar sein. Alles andere ist postfaktische Bildungspolitik.

„WLan im Klassenzimmer macht die Leistung schlechter“

Armbrüster: Aber, Herr Spitzer, woher sollen denn dann die künftigen IT-Fachkräfte kommen, die künftigen Fachkräfte in diesem wichtigen Wirtschaftsbereich, wenn die alle erst nach der Schule Gelegenheit haben, sich damit zu beschäftigen?

Spitzer: Moment mal! Ich sage, dass die Bildung schlechter wird, wenn Sie in der Schule mit digitalen Medien lernen. WLan im Klassenzimmer macht die Leistung um 18 Prozent schlechter, weil die Kinder mehr abgelenkt sind. Wenn Sie abgelenkteren Unterricht machen, werden die Schüler nicht schlauer. Sie müssen aber schlau sein, da haben Sie völlig recht.

Noch ein Beispiel: Wenn Sie googeln, brauchen Sie keine Medienkompetenz. – Das ist Unsinn! Sie brauchen Vorwissen in dem Bereich, in dem Sie googeln. Dieses Vorwissen, das müssen Sie schon haben, und dann können Sie googeln.

Nun wissen wir seit 2012, dass Google für die Wissensvermittlung schlechter ist als Bücher, Zeitungen oder Zeitschriften. Wir wollen also in der Schule nicht googeln, weil wir da Wissen erwerben wollen, wirkliches Wissen, das wir hinterher gebrauchen können. Und wenn wir das wirklich ernst nehmen, dann können die Kinder hinterher auch sogar gut googeln, besser als wenn sie nichts wissen. Aber wenn Kinder hinterher gut googeln können sollen, dürfen sie in der Schule eines nicht: Googeln! Das ist eine Idee, die ist ganz klar und die ist nachweislich da. Das haben Harvard-Professoren herausgefunden, im Science Magazine publiziert, und ich kann nicht verstehen, wie sich unsere Politiker dieser Idee immer völlig verstellen. Die wollen das gar nicht hören. Die wollen das einfach nicht hören. Das ist kriminell!

„Über den Bildschirm flattert jeder Blödsinn“

Armbrüster: Herr Spitzer, das würde ganz konkret heißen, Schulen sagen dann ihren Schülern, Googeln macht ihr bitte nicht in der gesamten Schulzeit, Google dürft ihr benutzen, wenn ihr 18, 19 seid, wenn ihr die Schulzeit hinter euch habt, bis dahin lest ihr Bücher.

Spitzer: Moment einmal! So würde man es ja nie formulieren. Man würde einfach aufhören damit zu sagen, wenn ihr googelt oder wenn ihr mit PowerPoint ein Referat haltet, kriegt ihr eine Eins und sonst nur eine Zwei. So herum ist es ja gerade. Wir fordern ja ein Verhalten im Lernen, das auf Oberflächlichkeit hin ausgerichtet ist. Wir fordern genau nicht, sich tief zu beschäftigen. Im Übrigen kommt die neueste Studie, die man über Smartphones und Tablets gemacht hat, von Herrn Kamal. Dabei kam ganz klar heraus: Die Kinder sagen, sie sind sehr medienkompetent. Nur eins von 25 Kindern muss noch beigebracht kriegen, wie man mit Computer und Smartphone umgeht. Die anderen 24 können es. Wenn Sie jetzt Digitalunterricht flächendeckend an Schulen machen, machen Sie den für ein Kind in einer Klasse von 25 Kindern. Das hat eine große deutsche Studie erbracht. Zweitens hat sich gezeigt, dass je medienkompetenter ein Kind ist, desto eher liest es Bücher und nicht vom Bildschirm. Kalifornische Studenten: Wenn man die fragt, wovon lest ihr, sagen die auch Bücher. Ja warum? – Über den Bildschirm flattert jeder Blödsinn; bei Büchern bin ich mir halbwegs sicher, dass das stimmt, was da drinsteht.

Die Kinder haben das schon länger mitbekommen. Nur wir Erwachsenen sind jetzt noch wirklich so hinterher und so Retro, dass wir glauben, wir müssten jetzt Computer in die Schulen tun, damit die Kinder als Erwachsene besser mit denen umgehen können. Das ist falsch! Wenn man was weiß und denken gelernt hat, kann man auch mit Computern umgehen. Digitalexperten, Leute, die wirklich Programmieren beibringen, sind sich einig, dass man in der Grundschule nicht programmieren sollte.

Armbrüster: Eine etwas andere Sicht auf das digitale Klassenzimmer – das war hier live in den „Informationen am Morgen“ der Ulmer Psychiater, Neurowissenschaftler und Hochschullehrer Professor Manfred Spitzer. Vielen Dank, Herr Spitzer, für Ihre Zeit heute Morgen.

Spitzer: Ich danke Ihnen!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

*In der ursprünglichen Fassung haben wir in der Überschrift eine Aussage des Interviewpartners Manfred Spitzer stark verkürzt und als direktes Zitat ausgewiesen. Das war falsch. Wir haben die Überschrift entsprechend geändert.


Psychiater: Wenn Kinder nur wischen, haben sie einen Nachteil Psychiatrist: If children only wipe, they have a disadvantage Psiquiatra: si los niños sólo se limpian, están en desventaja

Der Psychiater und Hochschullehrer Manfred Spitzer hat zu einem Rundumschlag gegen die digitale Nutzung im Kindesalter ausgeholt. The psychiatrist and university professor Manfred Spitzer has launched a sweeping attack against digital use in childhood. Dass Tablets in Bildungseinrichtungen ausgegeben werden, sei ein Skandal, sagte Spitzer im Dlf. The fact that tablets are given out in educational institutions is a scandal, said Spitzer in the Dlf.

Tobias Armbrüster: Digitalisierung – das Wort hören wir häufig in diesen Wochen und in diesen Tagen, vor allem im Zusammenhang mit der Schulbildung in Deutschland. Tobias Armbrüster: Digitization - we hear that word a lot these weeks and these days, especially in connection with schooling in Germany. Viele Politiker fordern inzwischen das digitale Klassenzimmer. Many politicians are now calling for the digital classroom. Kinder sollten schon in der Schule, am besten schon in der Grundschule mit dem Programmieren von Computern vertraut gemacht werden. Children should be familiarized with programming computers in school, preferably in elementary school. Das sagt zum Beispiel die neue Digitalministerin Dorothee Bär. This is what the new digital minister Dorothee Bär says, for example. WLan-Netze an Schulen – auch so eine Forderung –, die sollen auch ausgebaut werden. WiFi networks in schools - another requirement - that should also be expanded. Insgesamt der Tenor: Wenn deutsche Schulen, wenn deutsche Klassenzimmer da nicht den Anschluss schaffen, dann gehen uns in den kommenden Jahrzehnten jede Menge Arbeitsplätze in diesem wichtigen Wirtschaftsbereich verloren. Overall, the tenor: if German schools, if German classrooms don't make the connection, then we will lose a lot of jobs in this important economic sector in the coming decades.

Wir wollen das etwas genauer beleuchten, aus einer etwas anderen Perspektive. We want to shed some light on that, from a slightly different perspective. Am Telefon ist der Psychiater, Neurowissenschaftler und Buchautor Manfred Spitzer, Hochschullehrer an der Universität Ulm. Schönen guten Morgen, Herr Spitzer.

Manfred Spitzer: Ja, guten Morgen.

„In der Grundschule kann man nicht Programmieren lernen“ "You can't learn programming in elementary school"

Armbrüster: Herr Spitzer, Programmieren lernen am besten schon in der Grundschule, ist das eine gute Idee? Armbrüster: Mr. Spitzer, it's best to learn programming in elementary school, is that a good idea?

Spitzer: Das ist überhaupt keine gute Idee. Spitzer: That's not a good idea at all. Das ist so wie „wir brauchen gute Mathematiker, also machen wir in der Grundschule jetzt schon Integrieren und Differenzieren.“ Das kann nicht funktionieren, weil man zum Programmieren bestimmte logische Prozesse verstanden haben muss, bestimmtes mathematisches Grundwissen haben muss, und das ist frühestens irgendwann in der Mittelstufe da. It's like “we need good mathematicians, so we are already doing integration and differentiation in elementary school.” That cannot work because programming requires understanding certain logical processes, certain basic mathematical knowledge, and that is at some point at the earliest in middle school there. In der Oberstufe kann man Programmieren lernen, man kann vielleicht auch schon früher Programmieren lernen, in der Grundschule nicht. You can learn to program in upper school, you can perhaps learn to program earlier, but not in elementary school. Da kann man irgendwelchen Quatsch auf Computern machen und niemand lernt dabei, sondern es wird nur eine Zeit vertan, und das sollte man definitiv nicht tun. You can do some nonsense on computers and no one learns from it, it just wastes some time and you definitely shouldn't do that.

Armbrüster: Aber haben nicht alle Erwachsenen irgendwann mal diese Erfahrung gemacht, oder fast alle Erwachsenen, zumindest die, die manchmal mit Kindern zu tun haben, dass Kindern das alles mit Computern unglaublich leicht von der Hand geht und dass die so etwas wirklich spielerisch machen und dass die zu diesen Geräten einen völlig anderen Zugang haben als Erwachsene? Armbrüster: But not all adults have had this experience at some point, or almost all adults, at least those who sometimes have to do with children, that children can do all this with computers incredibly easily and that they make things really playful and that they have completely different access to these devices than adults?

Spitzer: Das ist aber ganz einfach und eine völlig andere Sache. Spitzer: But that is very simple and a completely different matter. Keiner hockt an seinem Smartphone und programmiert. Nobody is sitting at their smartphone and programming. Es ist schlichtweg so, dass Kinder, egal was es ist, viel schneller lernen als Erwachsene. The simple fact is that whatever it is, children learn much faster than adults. Da ist natürlich der Umgang mit einem Smartphone, welche Knöpfe ich drücke und wo ich nach wo wischen muss und so weiter, das lernt ein Kind natürlich viel leichter. There is of course how to use a smartphone, which buttons I press and where to swipe and so on, a child naturally learns that much easier. Ein Kind lernt ja auch leichter sprechen und es lernt ganz schnell laufen, viel leichter als das Erwachsene lernen. A child also learns to speak more easily and it learns to walk very quickly, much more easily than adults learn. Das ist lange bekannt und das ist nichts Besonderes und das hat auch mit Computern nichts zu tun. It's been known for a long time and it's nothing special and it has nothing to do with computers either.

Und noch was: Es hat nicht mal damit was zu tun, wie gut sich ein Kind entwickelt. And one more thing: It doesn't even have anything to do with how well a child is developing. Denn ein Kind braucht bestimmte Dinge, ich sage mal, als Input. Because a child needs certain things, I will say, as input. Es muss die Dinge anfassen, es muss mit den Dingen umgehen lernen. It has to touch things, it has to learn to deal with things. Und wenn heute die Kinder an die Schule kommen und können keinen Griffel mehr halten, weil sie sich nur noch mit Wischen über eine Glasoberfläche beschäftigt haben und ihre Hand damit weder motorisch, noch sensorisch in irgendeiner Weise vernünftig trainiert haben, dann haben die einen Nachteil, und zwar einen großen Nachteil. And if today the children come to school and can no longer hold a pen because they have only been busy wiping over a glass surface and have not properly trained their hands in any way, either motor or sensory, then they have a disadvantage, and a major disadvantage. Wir ziehen uns eine Generation von Behinderten heran, ich sage es mal drastisch. We are bringing up a generation of disabled people, I'll put it drastically. Je mehr Fingerspiele sie im Kindergarten machen, desto besser sind sie mit 20 in Mathematik, weil die Zahlen über die Finger und deren komplexen Gebrauch ins Hirn kommen. The more finger games they do in kindergarten, the better they are at 20 at math, because the numbers come into the brain through the fingers and their complex use. Wenn sie nur wischen als Kindergartenkind, endet ihre Karriere als Putzfachkraft. If you just mop up as a kindergarten child, your career as a cleaning specialist ends. Das sollte man einfach nicht machen. You just shouldn't do that.

„Sie können nicht sagen, jetzt geh mal verantwortungsvoll damit um“ "You can't say, now handle it responsibly"

Armbrüster: Heißt das, was Sie da schildern, jetzt nicht genau das, dass man Kindern in der Schule das beibringen muss, wie man richtig mit diesen Geräten umgeht, auch wie man verantwortungsvoll möglicherweise mit ihnen umgeht? Armbrüster: Doesn't what you are describing mean exactly that you have to teach children in school how to use these devices correctly, including how to use them responsibly? Das Ganze läuft ja immer unter dem Stichwort Digitalkompetenz. The whole thing always runs under the keyword digital competence.

Spitzer: Ja, das muss man auch mal relativieren. Spitzer: Yes, you have to put that into perspective. Sie können mit einem Dreijährigen nicht über Bonbons reden und sagen, hey, hier hast Du einen Stapel Bonbons, jetzt geh‘ mal verantwortungsvoll damit um. You can't talk to a three-year-old about candy and say, hey, here is a pile of candy, now handle it responsibly. Das ist Nonsens. Sie können mit Pubertierenden, die gerade anfangen, in alle möglichen Dinge sich einzudenken und einzufühlen, nicht sagen, benutz‘ Dein Smartphone aber bitte nur in ganz verantwortlicher Weise. You cannot say to adolescents who are just beginning to empathize with all kinds of things, but please only use your smartphone responsibly. Vor 100.000 Jahren, wenn sich zwei hinterm Busch gebalgt oder gepaart haben, da hat jeder hingeguckt, „Monkey see, Monkey do“. 100,000 years ago, when two people huddled or mated behind the bush, everyone looked at it, “Monkey see, Monkey do”.

Wir wissen doch, wie wir Menschen uns verhalten, und Sex and Crime ist nach wie vor der Hauptinhalt des Internet und natürlich dessen, was man im Smartphone mit dem Internet machen kann. We know how we humans behave, and sex and crime is still the main content of the Internet and of course what you can do with the Internet on your smartphone. Kein 14-Jähriger wird da nicht herangehen und hingucken wollen, weil die 14-Jährigen, die sich vor 100.000 Jahren schon für Sex and Crime nicht interessiert haben, von denen stammt keiner ab. No 14-year-old will not approach it and look, because the 14-year-olds, who 100,000 years ago were not interested in sex and crime, none of them come from. 14-Jährige sind so, genauso wie Dreijährige was Süßes mögen, weil diejenigen, die vor 100.000 Jahren nichts Süßes gegessen haben, soviel es gab, die waren beim nächsten Hunger tot. 14-year-olds are like that, just like three-year-olds like something sweet, because those who didn't eat anything sweet 100,000 years ago were dead when they were hungry again. Deswegen sind wir auch als Dreijährige unempfindlich gegenüber Süß, damit wir so viel essen können, wo es Erwachsenen schon schlecht wird. That is why, even as three-year-olds, we are insensitive to sweet, so that we can eat as much as adults can.

Und man muss sich mal klarmachen: Das ist unsere Biologie, die ist so. And you have to realize: this is our biology, it is like that. Genauso wie aus dieser Biologie nicht folgt, dass Dreijährige so viel Süßes essen sollten, wie sie selber wollen, und dass sie, ich sage es mal salopp, kein Hirnschmalz haben, um das selber hinzukriegen, genauso sind Jugendliche auch vollkommen überfordert. Just as it does not follow from this biology that three-year-olds should eat as much sweets as they want themselves and that they, let me put it casually, have no brains to do it themselves, just as young people are completely overwhelmed. Das zeigen übrigens auch die Studien. The studies also show that, by the way. Eine große Blikk-Studie aus dem letzten Jahr, von deutschen Kinderärzten an 6000 Personen gemacht. A large Blikk study from last year, carried out by German paediatricians on 6000 people. Da kommt raus, dass die 13-Jährigen sich durch das Smartphone überfordert fühlen und dass sie die Kontrolle über das Smartphone verlieren, weil das Smartphone – das wissen wir auch – suchterzeugende Eigenschaften hat. The result is that the 13-year-olds feel overwhelmed by the smartphone and that they lose control of the smartphone because the smartphone - we also know this - has addictive properties. In Korea gab es über 30 Prozent Süchtige, wir sind bei acht Prozent. In Korea, there were over 30 percent addicts, we're eight percent. Da können wir nicht sagen, geh‘ damit um! We can't say deal with it!

„Steve Jobs hat gesagt, iPads sind nichts für Kinder“ "Steve Jobs said iPads are not for kids"

Armbrüster: Herr Spitzer, ich muss zwischendurch doch mal eine Frage stellen. Armbrüster: Mr. Spitzer, I have to ask a question every now and then. Heißt das jetzt, dass Computer grundsätzlich weg sollten aus der Schule, möglichst weit weg von den Schülern, und dass man auch den Eltern am besten sagt, haltet eure Kinder fern von diesen Geräten? Does that mean that computers should be kept away from school as a matter of principle, as far away from the students as possible, and that parents should also be told to keep your children away from these devices?

Spitzer: Wenn man die Studienlage dazu mal ganz ernsthaft sich anschaut, hat Herr Macron schlichtweg recht, wenn er sagt, wir verbieten die Smartphones an französischen Schulen ab Herbst 2018. Spitzer: If you take a very serious look at the study situation, Mr. Macron is simply right when he says that we will ban smartphones in French schools from autumn 2018. Denn es gibt große Untersuchungen, die zeigen, dass wenn Sie das tun, werden die Schüler besser. Because there is great research out there that shows that when you do this, students get better.

Es gibt weiterhin große Untersuchungen, die zeigen, dass wenn Sie WLan und Computer an Schulen einführen, dass die Schulleistungen der Schüler sinken, und zwar nach der neuesten Studie um 20 Prozent. There is still a lot of research showing that when you introduce WiFi and computers in schools, student performance drops by 20 percent, according to the latest study. Und wenn man sich das mal anschaut: Es gibt keine Studie, wirklich keine – und es wird immer behauptet; wenn man dann aber nachfragt, wo ist denn die Studie, dann ist die nicht da. And if you look at it: There is no study, really none - and it is always said; but if you then ask where the study is, then it is not there. Erst neulich hat die TU München eine große Studie vermeintlich publiziert. Just recently, the Technical University of Munich supposedly published a large study. Da hat sich die FAZ und die NZZ drauf bezogen. The FAZ and the NZZ referred to it.

Ich habe dann, weil mich das sehr interessiert, nachgehakt: Die Studie gibt es nicht! Because I was very interested in that, I followed up: The study does not exist! Die ist noch gar nicht publiziert! It's not even published yet! Und wenn, dann würde ich sie mal sehr kritisch lesen wollen. And if I did, I would want to read it very critically. Aber das kann man nicht, solange es sie nicht gibt. But you can't do that as long as it doesn't exist. Aber die Zeitungen schreiben schon, die Digitalisierung ist gut für das Lernen der Kinder. But the newspapers are already saying that digitization is good for children's learning. Das ist ein Skandal erster Güte und ich kann nicht sehen, wie man sich hinstellen kann und sagen kann, wir brauchen mehr Tablets in den Grundschulen, wenn sogar der Chef von Apple sagt, Tablets sind nicht für meinen Neffen in der Schule. This is a first rate scandal and I can't see how anyone can stand up and say we need more tablets in elementary schools when even the boss of Apple says tablets are not for my nephew in school. Steven Jobs hat gesagt, der Erfinder des iPads, die sind nichts für Kinder. Steven Jobs said the inventor of the iPad is not for children. Jetzt geben sie die schon in Kindergärten und in der Grundschule aus. Now they are already giving them out in kindergartens and elementary school. Das ist wirklich ein Skandal, denn noch mal: Wir wissen, dass die dem Lernen schaden und nicht nützen. This is really a scandal, because again: We know that they harm learning and not good.

„Smartphone macht einen hohen Blutdruck“ "Smartphone makes high blood pressure"

Armbrüster: Herr Spitzer, ich kann mir vorstellen, dass da jetzt viele Leute zuhören und sagen, das erinnert uns an das, was wir mal im Geschichtsunterricht gelernt haben, dass früher auch das Lesen in Schulen verteufelt wurde, oder überhaupt der Gebrauch von Büchern. Armbrüster: Mr. Spitzer, I can imagine that now a lot of people are listening and saying that it reminds us of what we once learned in history class, that in the past even reading in schools was demonized, or the use of books in general. Da hieß es dann im Mittelalter, das sei überhaupt nichts, weder für Kinder, noch für Erwachsene. In the Middle Ages it was said that it was nothing at all, neither for children nor for adults. Enthalten wir da nicht einfach unseren Kindern etwas Wichtiges vor, wenn wir Computer, PCs und Smartphones so verteufeln in der Schule? Are we not simply depriving our children of something important when we demonize computers, PCs and smartphones in school?

Spitzer: Ich verteufle das ja gar nicht. Spitzer: I'm not demonizing that at all. Schauen Sie, ein Smartphone macht einen hohen Blutdruck, macht kurzsichtig, und zwar in Südkorea schon 95 Prozent der jungen Bevölkerung. Look, a smartphone causes high blood pressure, makes you nearsighted, and in South Korea it is 95 percent of the young population. Normal wären fünf Prozent höchstens. Normal would be five percent at most. Smartphones bewirken Diabetes, Schlafstörungen, Depressionen. Smartphones cause diabetes, insomnia and depression. Mädchen, die mehr als drei Stunden in Facebook sind mit 13, haben die doppelte Wahrscheinlichkeit, mit 18 depressiv zu sein. Girls who have been on Facebook for more than three hours at 13 are twice as likely to be depressed by 18. Smartphones erzeugen Sucht. Smartphones create addiction. Social Medias, das ganze Wort ist hier eine Sprachverstellung. Social Medias, the whole word here is a language adjustment.

Armbrüster: Aber diese Geräte gehören zu unserem Alltag. Armbrüster: But these devices are part of our everyday life. Sie gehören dazu, sie sind nicht mehr wegzukriegen. They are part of it, they cannot be removed.

Spitzer: Moment! Das Argument, das akzeptiere ich gar nicht. I don't accept the argument at all. Es hat immer bei jeder neuen Technik eine Technik-Folgenabschätzung gegeben. There has always been a technology impact assessment for every new technology. Irgendwann hat man radioaktive Strahlen erfunden und dann hat man überlegt, was machen wir mit denen und wie gehen wir vernünftig damit um. At some point you invented radioactive rays and then you thought about what we do with them and how do we deal with them sensibly. Als die Röntgen-Strahlen erfunden wurden, haben die sich in Berlin 1895 gegenseitig geröntgt. When X-rays were invented, they X-rayed each other in Berlin in 1895. Heute greifen wir uns an den Kopf, was die sich alles für Schaden zugefügt haben. Today we attack each other, what damage they have done to each other. In den Kinderabteilungen der Schuhgeschäfte gab es tausende von Durchleuchtungsgeräten. There were thousands of fluoroscopic devices in the children's sections of the shoe stores. Das ist das strahlenintensivste Verfahren in der Medizin, und die waren in den Kinderabteilungen bis in die 70er-Jahre, bis sie langsam ausgeführt wurden. This is the most radiation-intensive procedure in medicine, and it was in children's wards until the 1970s, when it was slowly carried out. Man hat zum Beispiel auch Asbest in den Häusern nicht einfach hingenommen und man sagt ja auch nicht, das ist halt da, wir gehen weniger rein. For example, people didn't just accept asbestos in the houses and they didn't say, that's just there, we don't go in as often. Nein, wir reißen die Häuser ab. No, we're tearing down the houses.

Und noch eines: Es gibt eine große Studie aus dem Jahr 2015 der Pisa-Studienleiter, und die haben folgendes untersucht: Wieviel wurde in Schüler in über 60 Ländern der Welt in Digitalisierung investiert und wie haben sich die Pisa-Leistungen verändert? And one more thing: There is a large study from 2015 by the Pisa study directors, and they examined the following: How much has students in over 60 countries around the world invested in digitization and how have Pisa performance changed? Und da kommt raus: Je mehr in Digitalisierung in irgendwelchen Ländern, zum Beispiel Australien ganz viel, Finnland ganz viel investiert wurde, desto schlechter wurden die Pisa-Leistungen im Beobachtungszeitraum. And the result: the more a lot has been invested in digitization in some countries, for example a lot in Australia and a lot in Finland, the worse the Pisa performance became during the observation period. Die Australier haben 2008 Computer eingeführt und 2016 wieder weggeräumt, weil sie so schlecht geworden sind in der Pisa-Studie. The Australians introduced computers in 2008 and put them away again in 2016 because they got so bad in the Pisa study. Wir tun den Schülern keinen Gefallen, was ihre Gesundheit und ihre Bildung anbelangt, wenn wir Bildungseinrichtungen digitalisieren. We're doing the students' health and education a disservice by digitizing educational institutions. Darüber müssen wir uns klar sein. We have to be clear about that. Alles andere ist postfaktische Bildungspolitik. Everything else is post-truth education policy.

„WLan im Klassenzimmer macht die Leistung schlechter“ "WiFi in the classroom makes the performance worse"

Armbrüster: Aber, Herr Spitzer, woher sollen denn dann die künftigen IT-Fachkräfte kommen, die künftigen Fachkräfte in diesem wichtigen Wirtschaftsbereich, wenn die alle erst nach der Schule Gelegenheit haben, sich damit zu beschäftigen? Armbrüster: But, Mr. Spitzer, where will the future IT specialists come from, the future specialists in this important economic area, if they all only have the opportunity to deal with it after school?

Spitzer: Moment mal! Spitzer: Wait a minute! Ich sage, dass die Bildung schlechter wird, wenn Sie in der Schule mit digitalen Medien lernen. I am saying that if you study using digital media in school, the education will get worse. WLan im Klassenzimmer macht die Leistung um 18 Prozent schlechter, weil die Kinder mehr abgelenkt sind. WiFi in the classroom makes performance 18 percent worse because the children are more distracted. Wenn Sie abgelenkteren Unterricht machen, werden die Schüler nicht schlauer. If you do more distracted lessons, students won't get smarter. Sie müssen aber schlau sein, da haben Sie völlig recht. But you have to be smart, you are absolutely right.

Noch ein Beispiel: Wenn Sie googeln, brauchen Sie keine Medienkompetenz. Another example: If you google you don't need media literacy. – Das ist Unsinn! - This is nonsense! Sie brauchen Vorwissen in dem Bereich, in dem Sie googeln. You need prior knowledge in the area in which you google. Dieses Vorwissen, das müssen Sie schon haben, und dann können Sie googeln. You have to have this prior knowledge and then you can google it.

Nun wissen wir seit 2012, dass Google für die Wissensvermittlung schlechter ist als Bücher, Zeitungen oder Zeitschriften. We have known since 2012 that Google is worse than books, newspapers or magazines for conveying knowledge. Wir wollen also in der Schule nicht googeln, weil wir da Wissen erwerben wollen, wirkliches Wissen, das wir hinterher gebrauchen können. So we don't want to google at school because we want to acquire knowledge there, real knowledge that we can use afterwards. Und wenn wir das wirklich ernst nehmen, dann können die Kinder hinterher auch sogar gut googeln, besser als wenn sie nichts wissen. And if we take it really seriously, the children can even google well afterwards, better than if they don't know anything. Aber wenn Kinder hinterher gut googeln können sollen, dürfen sie in der Schule eines nicht: Googeln! But if children should be able to google well afterwards, there is one thing they are not allowed to do at school: googling! Das ist eine Idee, die ist ganz klar und die ist nachweislich da. That is an idea that is very clear and that is demonstrably there. Das haben Harvard-Professoren herausgefunden, im Science Magazine publiziert, und ich kann nicht verstehen, wie sich unsere Politiker dieser Idee immer völlig verstellen. That's what Harvard professors found out, published in Science Magazine, and I can't understand how our politicians always completely disguise this idea. Die wollen das gar nicht hören. They don't even want to hear that. Die wollen das einfach nicht hören. They just don't want to hear that. Das ist kriminell! This is criminal!

„Über den Bildschirm flattert jeder Blödsinn“ "Every nonsense flutters across the screen"

Armbrüster: Herr Spitzer, das würde ganz konkret heißen, Schulen sagen dann ihren Schülern, Googeln macht ihr bitte nicht in der gesamten Schulzeit, Google dürft ihr benutzen, wenn ihr 18, 19 seid, wenn ihr die Schulzeit hinter euch habt, bis dahin lest ihr Bücher. Armbrüster: Mr. Spitzer, that would mean specifically, schools would then tell their students, please do not google your entire school time, you can use Google if you are 18, 19, if you have finished school, read until then you books.

Spitzer: Moment einmal! Spitzer: Wait a minute! So würde man es ja nie formulieren. You would never put it that way. Man würde einfach aufhören damit zu sagen, wenn ihr googelt oder wenn ihr mit PowerPoint ein Referat haltet, kriegt ihr eine Eins und sonst nur eine Zwei. You would just stop saying if you googled or if you give a presentation with PowerPoint, you get a one and otherwise only a two. So herum ist es ja gerade. That's the way it is right now. Wir fordern ja ein Verhalten im Lernen, das auf Oberflächlichkeit hin ausgerichtet ist. We demand behavior in learning that is oriented towards superficiality. Wir fordern genau nicht, sich tief zu beschäftigen. We are precisely not asking to delve deeply. Im Übrigen kommt die neueste Studie, die man über Smartphones und Tablets gemacht hat, von Herrn Kamal. Incidentally, the latest study that was done on smartphones and tablets comes from Mr Kamal. Dabei kam ganz klar heraus: Die Kinder sagen, sie sind sehr medienkompetent. It came out very clearly: the children say they are very media-literate. Nur eins von 25 Kindern muss noch beigebracht kriegen, wie man mit Computer und Smartphone umgeht. Only one in 25 children has yet to be taught how to use computers and smartphones. Die anderen 24 können es. The other 24 can. Wenn Sie jetzt Digitalunterricht flächendeckend an Schulen machen, machen Sie den für ein Kind in einer Klasse von 25 Kindern. If you now do digital lessons in schools across the board, do it for one child in a class of 25 children. Das hat eine große deutsche Studie erbracht. That was the result of a large German study. Zweitens hat sich gezeigt, dass je medienkompetenter ein Kind ist, desto eher liest es Bücher und nicht vom Bildschirm. Second, it has been shown that the more media literate a child is, the more likely they are to read books and not from the screen. Kalifornische Studenten: Wenn man die fragt, wovon lest ihr, sagen die auch Bücher. California students: If you ask them what do you read, they say books too. Ja warum? – Über den Bildschirm flattert jeder Blödsinn; bei Büchern bin ich mir halbwegs sicher, dass das stimmt, was da drinsteht. - Every nonsense flutters across the screen; When it comes to books, I'm halfway sure that what's in them is correct.

Die Kinder haben das schon länger mitbekommen. The children have noticed this for a long time. Nur wir Erwachsenen sind jetzt noch wirklich so hinterher und so Retro, dass wir glauben, wir müssten jetzt Computer in die Schulen tun, damit die Kinder als Erwachsene besser mit denen umgehen können. Only we adults are really so behind and so retro that we believe we need to put computers in schools so that the children as adults can deal with them better. Das ist falsch! Wenn man was weiß und denken gelernt hat, kann man auch mit Computern umgehen. If you know something and have learned to think, you can also use computers. Digitalexperten, Leute, die wirklich Programmieren beibringen, sind sich einig, dass man in der Grundschule nicht programmieren sollte. Digital experts, people who really teach programming, agree that you shouldn't code in elementary school.

Armbrüster: Eine etwas andere Sicht auf das digitale Klassenzimmer – das war hier live in den „Informationen am Morgen“ der Ulmer Psychiater, Neurowissenschaftler und Hochschullehrer Professor Manfred Spitzer. Armbrüster: A slightly different view of the digital classroom - that was here live in the "Informations am Morgen" from Ulm psychiatrist, neuroscientist and university professor Professor Manfred Spitzer. Vielen Dank, Herr Spitzer, für Ihre Zeit heute Morgen. Thank you, Mr Spitzer, for your time this morning.

Spitzer: Ich danke Ihnen!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Statements by our interlocutors reflect their own views. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen. Deutschlandfunk does not adopt statements made by its interlocutors in interviews and discussions.

*In der ursprünglichen Fassung haben wir in der Überschrift eine Aussage des Interviewpartners Manfred Spitzer stark verkürzt und als direktes Zitat ausgewiesen. * In the original version, we have shortened a statement by interview partner Manfred Spitzer in the heading and shown it as a direct quote. Das war falsch. That was wrong. Wir haben die Überschrift entsprechend geändert. We have changed the heading accordingly.