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2020-7 Imported from YouTube, Invasive Beatmung bei Covid-19: Mehr Schaden als Nutzen? - MONITOR

Invasive Beatmung bei Covid-19: Mehr Schaden als Nutzen? - MONITOR

Atemnot, Lungenversagen.

In schweren Fällen wird es bei COVID-19 schnell lebensbedrohlich.

Für die Betroffenen ist eine invasive Beatmung dann oft die letzte Hoffnung.

Dabei werden die Patienten intubiert, bekommen also einen Schlauch

durch die Luftröhre, und die Maschine übernimmt das Atmen.

Das kann Leben retten.

Aber es ist auch eine gefährliche Prozedur,

die gerade COVID-19-Patienten oft nicht überleben.

Und diejenigen, die überleben, haben oft schwere Folgeschäden.

In Deutschland ist die Intubation bei schweren Verläufen die Regel.

Zu Recht, weil damit Leben gerettet werden?

Oder schadet sie bei COVID-19 in vielen Fällen mehr, als sie nutzt?

Darum geht es in diesem Film.

New York hat Corona besonders hart getroffen.

Die Bilder von überlasteten Intensivstationen

und provisorischen Kühlhäusern für die vielen Leichen gingen um die Welt.

Stefan Flores war mittendrin.

Als Notfallarzt in einem Krankenhaus in Manhattan kämpft er an vorderster Front

gegen das Virus und um das Leben seiner Patienten.

Wir haben während meiner Schicht

teilweise 5 oder 10 Patienten gleichzeitig intubiert.

Und natürlich sind während meiner Schicht auch viele Patienten verstorben.

Grundsätzlich komme ich damit zurecht,

das gehört eben zu den unangenehmen Seiten meines Berufs.

Aber in diesem Umfang und mit so vielen Toten in so wenigen Stunden,

das habe ich noch nie erlebt.

Und so ging es nicht nur Stefan Flores.

Auch andere Ärzte in New York berichten

von hohen Todesraten bei intubierten COVID-19-Patienten.

Viel höher als sonst bei invasiven Beatmungen.

Eine aktuelle Studie hat die Krankheitsverläufe

bei Tausenden New Yorker COVID-19-Patienten untersucht,

darunter auch viele, die invasiv beatmet wurden.

Die meisten von ihnen waren

bei der Veröffentlichung der Studie noch im Krankenhaus,

deshalb sind die Ergebnisse vorläufig.

Aber klar ist: Von den 320 invasiv beatmeten Patienten,

deren Therapie bereits abgeschlossen war, konnten nur 38 entlassen werden.

282 starben, über 88%.

Und auch andere Studien aus betroffenen Regionen deuten darauf hin,

dass viele COVID-19-Patienten eine invasive Beatmung nicht überleben.

In England kommt eine Beobachtung auf 66,3% der Patienten.

Frühe Studien aus China berichten von einer Sterblichkeit von bis zu 97%.

Und bei uns in Deutschland?

Hier ist invasive Beatmung bei besonders schweren Verläufen Standard.

3/4 der COVID-19-Intensivpatienten werden intubiert.

Zur Sterblichkeit gibt es aber noch keine verlässlichen Zahlen.

Erste Hinweise deuten darauf hin,

dass sie niedriger liegen dürfte als in anderen Ländern.

Aber auch bei uns sterben COVID-19-Patienten dabei.

Und das einsam.

Bei Familie Cati sind die Erinnerungen noch frisch.

Attila Eren, ein enger Freund der Familie, ist vor Kurzem an COVID-19 gestorben.

Er wurde 74 Jahre alt.

Das Virus erwischte ihn auf einer Kreuzfahrt.

Bis dahin sei sein Freund fit gewesen, erzählt Yasar Cati.

Im Krankenhaus sei es dann aber ganz schnell gegangen.

Also, es war ein Schock für mich.

Gleich da habe ich bemerkt,

dass ich einen sehr nahen Freund verloren.

Die letzte Nachricht von seinem Freund

hat Yasar Cati auf dem Anrufbeantworter gespeichert.

Es war das letzte Mal, dass er seine Stimme gehört hat.

Sie haben danach nicht mehr miteinander gesprochen?

Konnten wir nicht mehr.

Er wurde ja dann am Mittwoch unter künstliche Koma versetzt.

Das war sein letzter Anruf.

Am Ende starb Attila Eren allein.

Betäubt, angeschlossen an eine Beatmungsmaschine.

Ohne Kontakt zu Familie und Freunden.

Eine Art zu sterben, die sich wohl niemand wünscht.

Bei Patienten, die an COVID-19 sterben, ist es die traurige Regel.

Bei schweren Verläufen

sehen Ärzte die invasive Beatmung oft als letzte Chance, die bleibt.

Klar ist aber auch: Für den Körper ist es eine Tortur.

Die Lunge kann dabei stark geschädigt werden.

Außerdem drohen Infektionen.

Viele, besonders ältere Patienten, verkraften das nicht.

Wer überlebt, trägt oft Langzeitschäden davon.

Sie kennt solche Fälle. Nennen wir sie Clara.

Sie arbeitet als Krankenschwester.

Aus Angst vor Ärger mit Ärzten und Kollegen, möchte sie nicht erkannt werden.

Clara glaubt nicht, dass alle Intubationen bei COVID-19 sinnvoll sind.

Die Patienten, denen es sehr schlecht geht,

werden auf die Intensivstation verlegt, ohne groß nachzudenken,

ob das den Patienten nützt oder eher schadet.

Die werden dann intubiert und die werden sediert und beatmet.

Werden bei COVID-19 zu viele Patienten vorschnell intubiert?

Rolf Rossaint streitet das ab.

Er ist Präsident der

Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin, kurz DGAI.

Der Verband gilt als besonders einflussreich.

Rossaint betont, man folge einem abgestuften Verfahren.

Wenn ein Patient nur Sauerstoff braucht,

dann bekommt er auch nur Sauerstoff.

Braucht er eine zusätzliche Atemunterstützung,

weil er das selber nicht mehr schafft,

dann reicht erst mal eine nicht-invasive Beatmung.

Wenn aber dann die Erkrankung noch schwerer ist,

und das ist eben bei 75% der Intensivpatienten,

dann muss man aber auch zum richtigen Zeitpunkt die Intubation durchführen.

Aber wann ist der richtige Zeitpunkt?

Klar ist, je früher intubiert wird,

desto mehr Menschen werden auch intubiert.

So will es offenbar die DGAI.

In ihren Empfehlungen zur Behandlung von COVID-19-Patienten heißt es,

die Krankheit nehme oft einen raschen Verlauf, sodass eine:

Lieber früh intubieren also?

Das empfiehlt auch die Arbeitsgemeinschaft

der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften, kurz AWMF.

Es ist die Institution zur Erstellung von Behandlungsleitlinien in Deutschland.

Zu COVID-19 heißt es, bei Patienten mit schwerem Sauerstoffmangel:

Thomas Voshaar hält davon nichts.

Er ist Lungenarzt und hat schon mehr als 40 COVID-19-Patienten behandelt,

darunter auch Schwersterkrankte.

Intubiert hat er nur einen einzigen.

Voshaar hält eine grundsätzliche Empfehlung für frühes Intubieren

für falsch.

Dem stehe ich sehr kritisch gegenüber,

weil es dafür überhaupt keine Evidenz gibt.

Abgeleitet ist diese Empfehlung nach meiner Einschätzung

aus den Erfahrungen primär in China.

Und das war eine vollkommen andere Situation.

Wenn es plötzlich zu einem Massenanfall von Patienten kommt,

wenn es zu einer kompletten Überforderungen der Infrastruktur

kommt an den Krankenhäusern, dann muss man oft auch anders handeln.

Aber diese Erfahrungen sind nicht evident

und daher sind sie auch nicht übertragbar auf die Situation in Deutschland.

In China und anderswo musste alles plötzlich ganz schnell gehen.

Als Notfallmaßnahmen

seien frühere Intubationen hier vielleicht sinnvoll gewesen.

In Deutschland habe man aber mehr Zeit.

Pauschale Empfehlungen zur frühzeitigen Intubation könnten sogar gefährlich sein,

sagt Voshaar.

Dabei ist er nicht grundsätzlich gegen Intubation.

Auf der einen Seite kann man damit Leben retten,

sonst würde es das nicht über Jahrzehnte geben.

Auf der anderen Seite wissen wir, dass bei bestimmten Vorerkrankungen

es auch bei langer Beatmungsdauer auch ganz definitiv

zu "Beatmungsschäden" kommt.

Also sollte niemand an solche Maschinen angeschlossen werden,

wenn es noch eine andere Möglichkeit gibt.

So muss man es auch sehr präzise formulieren.

In den Empfehlungen der DGAI klingt es nicht so,

als sei die Intubation wirklich die allerletzte Option.

Stattdessen spielt die Sorge um das medizinische Personal eine wichtige Rolle.

Es heißt, nicht-invasive Beatmungsmethoden

wie die Sauerstoffgabe über Masken setzten:

Durch die Aerosole, also feinste Tröpfchen in der Luft,

könnte sich das Personal infizieren.

Dieses Risiko müsse minimiert werden.

Lungenarzt Voshaar hält das für den falschen Weg.

Weil man niemals eine Entscheidung treffen kann,

bei der sozusagen allein der Personalschutz im Vordergrund steht

und mit möglichen Nachteilen für den Patienten einhergeht.

Also, das ist meiner Ansicht nach eine völlig verquere,

völlig unhaltbare, ja, und dann traue ich mich jetzt noch mal, das zu sagen,

das ist auch eine unethische Entscheidung.

Voshaar glaubt, dass das Risiko fürs Personal

auch bei nicht-invasiven Behandlungen kontrollierbar wäre.

Durch persönliche Schutzkleidung.

Und wenn der Sauerstoff über spezielle Masken gegeben werde,

die den ganzen Kopf der Patienten umschließen.

So sieht man es auch in dieser Lungenklinik im Harz.

Hier hat das Ärzte-Team gerade 4 schwersterkrankte COVID-19-Patienten

aus Frankreich behandelt.

Die Franzosen hatten ja in den wenigen Tagen, wo sie da waren,

4 bis 8 Tage, dies alles gemacht.

Sie hatten Bauchlage, sie hatten die Beatmung in Narkose,

waren intubiert gewesen.

Und ich denke, man hätte erwartet, dass wir das genauso weitermachen.

Aber mit dem Eintreten in unsere Klinik haben wir die Strategie geändert.

Die Ärzte versuchten, die Patienten so schnell wie möglich

von der rein maschinellen Beatmung zu entwöhnen.

Das hat keine Nachteile mit sich gebracht,

sondern sie haben sich sehr zügig verbessert,

sodass sie schon sehr früh diese invasive Beatmung nicht mehr benötigt haben.

Die ersten Patienten konnten die Klinik inzwischen wieder verlassen.

Sie wurden zurück nach Frankreich geflogen.

Dieser Erfolg sei kein Zufall, glaubt man hier.

Die Ärzte versuchen bei COVID-19 grundsätzlich alles,

um ohne Intubation auszukommen.

Kein einziger der Patienten ist bislang gestorben.

Ich denke schon, dass man jetzt mehr sieht als früher,

dass die Intubation und Beatmung gefährlich ist.

Und dass man auf jeden Fall die Intubation vermeiden muss.

Da gibt es eine ganze Reihe an Techniken,

die wir in den letzten Jahren untersucht und entwickelt haben,

die das auch gelingen lassen.

Die ärztlichen Fachgesellschaften betonen,

invasive und nicht-invasive Beatmung seien keine Entweder-Oder-Konzepte.

Man behandele immer abgestimmt auf den jeweiligen Patienten.

An ihren Empfehlungen halten sie fest.

Matthias Thöns ist Palliativmediziner.

Er begleitet alte Menschen am Lebensende.

Thöns kritisiert schon lange, dass in Deutschland zu viel

und zu schnell Intensivmedizin betrieben werde.

Bei COVID-19 drohe das nun erst recht.

Patienten mit schweren Verläufen müssten oft lange beatmet werden.

Das Risiko zu sterben oder Folgeschäden zu erleiden, steige so deutlich an.

Die ethische Katastrophe ist doch, dass vor allen Dingen

hochaltrige Patienten schwer betroffen sind.

Und dass die in diesen intensiv- medizinischen Automatismus kommen.

Die kommen in die Klinik.

Wenn die schlecht werden, werden die intubiert.

Wenn die intubiert sind, werden die längere Zeit beatmet.

Das Therapieziel des Patienten und der Wille des Patienten

wird nicht richtig ermittelt.

Leben retten. Unnötige Qualen vermeiden.

Ob eine frühzeitige invasive Beatmung bei COVID-19-Patienten

dafür der richtige Weg ist?

Die Zweifel daran wachsen.

Invasive Beatmung bei Covid-19: Mehr Schaden als Nutzen? - MONITOR Invasive ventilation in covid-19: more harm than good? - MONITOR Ventilation invasive pour Covid-19 : plus de mal que de bien ? - MONITEUR Ventilação invasiva para a Covid-19: mais mal do que bem? - MONITOR Инвазивная вентиляция при Covid-19: больше вреда, чем пользы? - МОНИТОР Covid-19 için invaziv ventilasyon: yarardan çok zarar mı? - MONİTÖR

Atemnot, Lungenversagen.

In schweren Fällen wird es bei COVID-19 schnell lebensbedrohlich.

Für die Betroffenen ist eine invasive Beatmung dann oft die letzte Hoffnung.

Dabei werden die Patienten intubiert, bekommen also einen Schlauch

durch die Luftröhre, und die Maschine übernimmt das Atmen.

Das kann Leben retten.

Aber es ist auch eine gefährliche Prozedur,

die gerade COVID-19-Patienten oft nicht überleben.

Und diejenigen, die überleben, haben oft schwere Folgeschäden.

In Deutschland ist die Intubation bei schweren Verläufen die Regel.

Zu Recht, weil damit Leben gerettet werden?

Oder schadet sie bei COVID-19 in vielen Fällen mehr, als sie nutzt?

Darum geht es in diesem Film.

New York hat Corona besonders hart getroffen.

Die Bilder von überlasteten Intensivstationen

und provisorischen Kühlhäusern für die vielen Leichen gingen um die Welt.

Stefan Flores war mittendrin.

Als Notfallarzt in einem Krankenhaus in Manhattan kämpft er an vorderster Front

gegen das Virus und um das Leben seiner Patienten.

Wir haben während meiner Schicht

teilweise 5 oder 10 Patienten gleichzeitig intubiert.

Und natürlich sind während meiner Schicht auch viele Patienten verstorben.

Grundsätzlich komme ich damit zurecht,

das gehört eben zu den unangenehmen Seiten meines Berufs.

Aber in diesem Umfang und mit so vielen Toten in so wenigen Stunden,

das habe ich noch nie erlebt.

Und so ging es nicht nur Stefan Flores.

Auch andere Ärzte in New York berichten

von hohen Todesraten bei intubierten COVID-19-Patienten.

Viel höher als sonst bei invasiven Beatmungen.

Eine aktuelle Studie hat die Krankheitsverläufe

bei Tausenden New Yorker COVID-19-Patienten untersucht,

darunter auch viele, die invasiv beatmet wurden.

Die meisten von ihnen waren

bei der Veröffentlichung der Studie noch im Krankenhaus,

deshalb sind die Ergebnisse vorläufig.

Aber klar ist: Von den 320 invasiv beatmeten Patienten,

deren Therapie bereits abgeschlossen war, konnten nur 38 entlassen werden.

282 starben, über 88%.

Und auch andere Studien aus betroffenen Regionen deuten darauf hin,

dass viele COVID-19-Patienten eine invasive Beatmung nicht überleben.

In England kommt eine Beobachtung auf 66,3% der Patienten.

Frühe Studien aus China berichten von einer Sterblichkeit von bis zu 97%.

Und bei uns in Deutschland?

Hier ist invasive Beatmung bei besonders schweren Verläufen Standard.

3/4 der COVID-19-Intensivpatienten werden intubiert.

Zur Sterblichkeit gibt es aber noch keine verlässlichen Zahlen.

Erste Hinweise deuten darauf hin,

dass sie niedriger liegen dürfte als in anderen Ländern.

Aber auch bei uns sterben COVID-19-Patienten dabei.

Und das einsam.

Bei Familie Cati sind die Erinnerungen noch frisch.

Attila Eren, ein enger Freund der Familie, ist vor Kurzem an COVID-19 gestorben.

Er wurde 74 Jahre alt.

Das Virus erwischte ihn auf einer Kreuzfahrt.

Bis dahin sei sein Freund fit gewesen, erzählt Yasar Cati.

Im Krankenhaus sei es dann aber ganz schnell gegangen.

Also, es war ein Schock für mich.

Gleich da habe ich bemerkt,

dass ich einen sehr nahen Freund verloren.

Die letzte Nachricht von seinem Freund

hat Yasar Cati auf dem Anrufbeantworter gespeichert.

Es war das letzte Mal, dass er seine Stimme gehört hat.

Sie haben danach nicht mehr miteinander gesprochen?

Konnten wir nicht mehr.

Er wurde ja dann am Mittwoch unter künstliche Koma versetzt.

Das war sein letzter Anruf.

Am Ende starb Attila Eren allein.

Betäubt, angeschlossen an eine Beatmungsmaschine.

Ohne Kontakt zu Familie und Freunden.

Eine Art zu sterben, die sich wohl niemand wünscht.

Bei Patienten, die an COVID-19 sterben, ist es die traurige Regel.

Bei schweren Verläufen

sehen Ärzte die invasive Beatmung oft als letzte Chance, die bleibt.

Klar ist aber auch: Für den Körper ist es eine Tortur.

Die Lunge kann dabei stark geschädigt werden.

Außerdem drohen Infektionen.

Viele, besonders ältere Patienten, verkraften das nicht.

Wer überlebt, trägt oft Langzeitschäden davon.

Sie kennt solche Fälle. Nennen wir sie Clara.

Sie arbeitet als Krankenschwester.

Aus Angst vor Ärger mit Ärzten und Kollegen, möchte sie nicht erkannt werden.

Clara glaubt nicht, dass alle Intubationen bei COVID-19 sinnvoll sind.

Die Patienten, denen es sehr schlecht geht,

werden auf die Intensivstation verlegt, ohne groß nachzudenken,

ob das den Patienten nützt oder eher schadet.

Die werden dann intubiert und die werden sediert und beatmet.

Werden bei COVID-19 zu viele Patienten vorschnell intubiert?

Rolf Rossaint streitet das ab.

Er ist Präsident der

Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin, kurz DGAI.

Der Verband gilt als besonders einflussreich.

Rossaint betont, man folge einem abgestuften Verfahren.

Wenn ein Patient nur Sauerstoff braucht,

dann bekommt er auch nur Sauerstoff.

Braucht er eine zusätzliche Atemunterstützung,

weil er das selber nicht mehr schafft,

dann reicht erst mal eine nicht-invasive Beatmung.

Wenn aber dann die Erkrankung noch schwerer ist,

und das ist eben bei 75% der Intensivpatienten,

dann muss man aber auch zum richtigen Zeitpunkt die Intubation durchführen.

Aber wann ist der richtige Zeitpunkt?

Klar ist, je früher intubiert wird,

desto mehr Menschen werden auch intubiert.

So will es offenbar die DGAI.

In ihren Empfehlungen zur Behandlung von COVID-19-Patienten heißt es,

die Krankheit nehme oft einen raschen Verlauf, sodass eine:

Lieber früh intubieren also?

Das empfiehlt auch die Arbeitsgemeinschaft

der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften, kurz AWMF.

Es ist die Institution zur Erstellung von Behandlungsleitlinien in Deutschland.

Zu COVID-19 heißt es, bei Patienten mit schwerem Sauerstoffmangel:

Thomas Voshaar hält davon nichts.

Er ist Lungenarzt und hat schon mehr als 40 COVID-19-Patienten behandelt,

darunter auch Schwersterkrankte.

Intubiert hat er nur einen einzigen.

Voshaar hält eine grundsätzliche Empfehlung für frühes Intubieren

für falsch.

Dem stehe ich sehr kritisch gegenüber,

weil es dafür überhaupt keine Evidenz gibt.

Abgeleitet ist diese Empfehlung nach meiner Einschätzung

aus den Erfahrungen primär in China.

Und das war eine vollkommen andere Situation.

Wenn es plötzlich zu einem Massenanfall von Patienten kommt,

wenn es zu einer kompletten Überforderungen der Infrastruktur

kommt an den Krankenhäusern, dann muss man oft auch anders handeln.

Aber diese Erfahrungen sind nicht evident

und daher sind sie auch nicht übertragbar auf die Situation in Deutschland.

In China und anderswo musste alles plötzlich ganz schnell gehen.

Als Notfallmaßnahmen

seien frühere Intubationen hier vielleicht sinnvoll gewesen.

In Deutschland habe man aber mehr Zeit.

Pauschale Empfehlungen zur frühzeitigen Intubation könnten sogar gefährlich sein,

sagt Voshaar.

Dabei ist er nicht grundsätzlich gegen Intubation.

Auf der einen Seite kann man damit Leben retten,

sonst würde es das nicht über Jahrzehnte geben.

Auf der anderen Seite wissen wir, dass bei bestimmten Vorerkrankungen

es auch bei langer Beatmungsdauer auch ganz definitiv

zu "Beatmungsschäden" kommt.

Also sollte niemand an solche Maschinen angeschlossen werden,

wenn es noch eine andere Möglichkeit gibt.

So muss man es auch sehr präzise formulieren.

In den Empfehlungen der DGAI klingt es nicht so,

als sei die Intubation wirklich die allerletzte Option.

Stattdessen spielt die Sorge um das medizinische Personal eine wichtige Rolle.

Es heißt, nicht-invasive Beatmungsmethoden

wie die Sauerstoffgabe über Masken setzten:

Durch die Aerosole, also feinste Tröpfchen in der Luft,

könnte sich das Personal infizieren.

Dieses Risiko müsse minimiert werden.

Lungenarzt Voshaar hält das für den falschen Weg.

Weil man niemals eine Entscheidung treffen kann,

bei der sozusagen allein der Personalschutz im Vordergrund steht

und mit möglichen Nachteilen für den Patienten einhergeht.

Also, das ist meiner Ansicht nach eine völlig verquere,

völlig unhaltbare, ja, und dann traue ich mich jetzt noch mal, das zu sagen,

das ist auch eine unethische Entscheidung.

Voshaar glaubt, dass das Risiko fürs Personal

auch bei nicht-invasiven Behandlungen kontrollierbar wäre.

Durch persönliche Schutzkleidung.

Und wenn der Sauerstoff über spezielle Masken gegeben werde,

die den ganzen Kopf der Patienten umschließen.

So sieht man es auch in dieser Lungenklinik im Harz.

Hier hat das Ärzte-Team gerade 4 schwersterkrankte COVID-19-Patienten

aus Frankreich behandelt.

Die Franzosen hatten ja in den wenigen Tagen, wo sie da waren,

4 bis 8 Tage, dies alles gemacht.

Sie hatten Bauchlage, sie hatten die Beatmung in Narkose,

waren intubiert gewesen.

Und ich denke, man hätte erwartet, dass wir das genauso weitermachen.

Aber mit dem Eintreten in unsere Klinik haben wir die Strategie geändert.

Die Ärzte versuchten, die Patienten so schnell wie möglich

von der rein maschinellen Beatmung zu entwöhnen.

Das hat keine Nachteile mit sich gebracht,

sondern sie haben sich sehr zügig verbessert,

sodass sie schon sehr früh diese invasive Beatmung nicht mehr benötigt haben.

Die ersten Patienten konnten die Klinik inzwischen wieder verlassen.

Sie wurden zurück nach Frankreich geflogen.

Dieser Erfolg sei kein Zufall, glaubt man hier.

Die Ärzte versuchen bei COVID-19 grundsätzlich alles,

um ohne Intubation auszukommen.

Kein einziger der Patienten ist bislang gestorben.

Ich denke schon, dass man jetzt mehr sieht als früher,

dass die Intubation und Beatmung gefährlich ist.

Und dass man auf jeden Fall die Intubation vermeiden muss.

Da gibt es eine ganze Reihe an Techniken,

die wir in den letzten Jahren untersucht und entwickelt haben,

die das auch gelingen lassen.

Die ärztlichen Fachgesellschaften betonen,

invasive und nicht-invasive Beatmung seien keine Entweder-Oder-Konzepte.

Man behandele immer abgestimmt auf den jeweiligen Patienten.

An ihren Empfehlungen halten sie fest.

Matthias Thöns ist Palliativmediziner.

Er begleitet alte Menschen am Lebensende.

Thöns kritisiert schon lange, dass in Deutschland zu viel

und zu schnell Intensivmedizin betrieben werde.

Bei COVID-19 drohe das nun erst recht.

Patienten mit schweren Verläufen müssten oft lange beatmet werden.

Das Risiko zu sterben oder Folgeschäden zu erleiden, steige so deutlich an.

Die ethische Katastrophe ist doch, dass vor allen Dingen

hochaltrige Patienten schwer betroffen sind.

Und dass die in diesen intensiv- medizinischen Automatismus kommen.

Die kommen in die Klinik.

Wenn die schlecht werden, werden die intubiert.

Wenn die intubiert sind, werden die längere Zeit beatmet.

Das Therapieziel des Patienten und der Wille des Patienten

wird nicht richtig ermittelt.

Leben retten. Unnötige Qualen vermeiden.

Ob eine frühzeitige invasive Beatmung bei COVID-19-Patienten

dafür der richtige Weg ist?

Die Zweifel daran wachsen.