×

Wir verwenden Cookies, um LingQ zu verbessern. Mit dem Besuch der Seite erklärst du dich einverstanden mit unseren Cookie-Richtlinien.

image

2020-7 Imported from YouTube, Provisorische Moral · René Descartes | Grundsätze

Provisorische Moral · René Descartes | Grundsätze

Philosophie, das ist die Liebe zur Weisheit.

Auch bekannt als Fach für allgemeine Fragen, wie: Was ist Weisheit?

Vorläufige Antwort: Weisheit ist ein tieferes Verständnis von Zusammenhängen aller Art.

Aber was ist der letzte Grad einer solchen Weisheit? Wann ist diese erreicht?

Darüber schreibt der Philosoph René Descartes im Zusammenhang mit seiner »provisorischen Moral«.

In diesem Beitrag geht's darum, was Descartes im 17. Jahrhundert damit gemeint hat,

warum die Idee dahinter heute noch gut zu gebrauchen ist, und was Werte, die letztlich allen

Moralvorstellungen zugrunde liegen, überhaupt sind.

Descartes war nicht nur ein Autor und Denker, sondern auch ein Forscher, der mit Licht experimentierte

und tote Tiere in Teile zerlegte, um zu sehen, wie das Leben so tickt. Ein Mann der Wissenschaft also,

die im 16. und 17. Jahrhundert erst so richtig ins Rollen kam. Wohin sie die Menschheit mal führen würde,

das stand (und steht ja noch) in den Sternen. Doch ohne Ziel keine Richtung, also was will

die Wissenschaft eigentlich, auf lange Sicht? Descartes schrieb:

Das Zitat stammt aus seinen »Prinzipien der Philosophie« (1644) und die Übersetzung

aus Dominik Perler Buch über Descartes, das eine Literaturgrundlage für diesen Beitrag hier war.

Wer Descartes' Werke mal in der berühmten französisch-lateinischen Gesamtausgabe von Adam & Tannery lesen oder auch nur durchblättern möchte, kann das im Internet Archive unter archive.org tun

– einfach »oeuvres de descartes« eingeben und zack, alle Bände stehen

zum Stöbern bereit. Unten gibt's einen Link zu der Seite.

Wir behalten hier und heute den Fokus auf der provisorischen Moral (im Original: morale par provision),

kein einzelnes Werk, sondern ein Thema bei Descartes. Um ihn Person geht's ein andermal.

Descartes sagt also, eine vollkommene Moral sei nicht ein Ziel von vielen, sondern das eine Ziel,

worauf alle Wissenschaften hinarbeiteten. Andersherum heißt das, was er sagt: Ohne Wissenschaften gibt es

keine vollkommene Moral. Da die Wissenschaften weder zu seiner noch zu unserer Zeit am Höhepunkt

oder Ziel angelangt sind, dürfen wir die genaue Beschreibung, wie eine solche vollkommene Moral

denn aussehen soll, von Descartes nicht erwarten.

Was er stattdessen bereitstellt, das ist eine provisorische Moral. Das Wort »provisorisch«

kommt vom lateinischen »providere«: voraussehen, in der Ferne sehen. Wenn wir etwas in der Ferne

erkennen können, jedoch voraussehen, dass es noch länger auf sich warten lässt, obwohl es durchaus

wichtig ist – dann brauchen wir eine vorläufige Lösung, bis dieses Etwas da ist.

»Provisorisch« meint also: vorläufig. Und Moral ist so eine Sache, auf die sich schlecht warten lässt.

Was ist Moral überhaupt? Moral ist ein innerer Kompass, dessen Nadel sich von einem Pol abgestoßen

und zum anderen hingezogen fühlt. Wenn dieser Kompass richtig eingestellt ist, dann fühlen wir uns

zum Guten hingezogen und vom Schlechten abgestoßen. Moral ist also ein Gefühl dafür,

was gut und was schlecht ist. Aber was sind schon Gefühle? Der Kopf würde auch gerne wissen,

was gut und schlecht und falsch und richtig ist. Nun, das lässt sich nicht so easy beantworten, aber vorläufig

weise ich darauf hin, dass wir in diesem und im nächsten Beitrag über Werte sprechen werden

– und dass danach bestenfalls klarer wird, was »gut« und was »schlecht« ist oder zumindest sein könnte.

Descartes beschreibt die provisorische Moral in seiner Abhandlung über die Methode von 1637.

Darin geht es, wie in späteren Werken Descartes', um dessen Projekt, die Wissenschaften quasi einzureißen

und auf ein neues Fundament aufbauen zu wollen – und schon in dieser Schrift, nicht erst in den

berühmten Meditationen, findet sich übrigens der Satz »Ich denke, also bin ich.«

Doch auch darum geht's ein andermal.

Wer eine Unterkunft einreißt, stellt Descartes jedenfalls fest, braucht eine Bleibe für die Zwischenzeit,

bis die neue Unterkunft steht.

Kurzum: Descartes will, während er nach der Wahrheit sucht, nicht in Untätigkeit gefangen sein.

Deshalb stellt er vier Grundsätze auf, die Maximen seiner provisorischen Moral sozusagen.

Diese vier Grundsätze lassen sich wie folgt zusammenfassen:

So weit, so vage – das sind die Grundsätze der provisorischen Moral, wie sie Descartes

im 17. Jahrhundert aufgestellt hat. Perler weist darauf hin, dass Descartes sich mit diesen Grundsätzen

(trotz seinem Hinweis zur Religion) nicht auf ein theologisches Fundament stütze, sondern auf

das Individuum. Damit grenze sich Descartes von einer mittelalterlichen Tradition ab, die das höchste Ziel

des Menschen in einem glücklichen Leben nach dem Tode sah – worauf auch das moralische Handeln

ausgerichtet sein sollte. Descartes hingegen nahm einen weltlichen Standpunkt ein:

An Prinzessin Elisabeth, mit der Descartes im Briefverkehr stand, schrieb er mal:

»Glück besteht in einer vollkommenen Zufriedenheit des Geistes und in einem inneren Wohlbefinden.«

Die Werte, die Descartes in seinen vier Grundsätzen vertritt, sind – ich sag' mal: – Folgsamkeit, Hingabe,

Selbstkontrolle und Wissbegier. Hier machen wir Halt und wollen versuchen, die Idee

einer provisorischen Moral in die Gegenwart zu holen – denn wie gesagt, die Wissenschaften sind ja

immer noch nicht fertig mit der Welterklärung. Wir haben einerseits so viele Fragen und so wenig Ahnung und sind

andererseits mitten ins Leben geworfen und müssen ja irgendwie klar-kommen und Dinge tun,

ohne sicher zu wissen, was richtig ist. Darum ist so eine provisorische Moral immer noch eine tolle Idee.

Obwohl Descartes' Grundsätze zwar so allgemein formuliert sind, dass sie sich heute wie damals

als Leitfaden anbieten, bleiben sie aber unbegründet und unbestimmt. Warum sollten wir uns danach richten

und was genau demzufolge tun? Das sind Fragen, die jede einzelne Person bzgl. ihrer Vorstellungen

dessen betreffen, wie sich Menschen verhalten müssten. Im vorherigen Beitrag habe ich etwa

einfach so vorausgesetzt, ein Mensch solle an sich selbst den Anspruch stellen, gerecht sein zu wollen.

Wozu sollte das gut sein? Wie lässt sich so ein Gefühl von Herzen mit dem Kopf begründen? Mal überlegen...

Mit der Gerechtigkeit ist das so 'ne Sache. Das Leben ist nicht gerecht, warum sollten wir es sein?

Eben, weil das Leben nicht gerecht ist. Und als kleine Zugabe aus demselben Grund,

warum manche Tiere ihre Genitalien lecken: Weil wir's können! Also das mit der Gerechtigkeit,

nicht das mit den Genitalien. Gemeint ist keine höhere, gottgegebene oder metaphysisch erhoffte Gerechtigkeit,

sondern eine philosophisch begründete Gerechtigkeit à la Habermas z. B. – Gerechtigkeit mit Blick

auf die »Kooperationsbereitschaft kommunikativ vergesellschafteter Subjekte«.

Das sind wir. Mag sein, dass du in einer Situation lebst, in der es dir egal sein kann, ob Gerechtigkeit herrscht.

Dir geht's gut. Aber du bist sicher klug genug, zu erkennen: Das kann sich ändern,

von einen Tag auf andern. Und dann, wenn du Hilfe brauchst, dann zahlt sich so eine Investition

in eine gerechte Gesellschaft plötzlich aus. Macht also auch aus egoistischer Sicht Sinn,

die Gerechtigkeit als Richtschnur im Leben. Wie eine Versicherung, in die du nicht mit Geld einzahlst,

sondern mit anderen Wertträgern. Aber was soll das überhaupt sein, ein Wert?

Der Philosoph Georg Simmel definiert einen Wert als ein Objekt, das von einem Subjekt – du, ich, andere –

als etwas erkannt wird, das in einiger Distanz und zugleich begehrenswert ist. Von Wert ist für dich

also etwas, das du haben willst, aber (aufgrund der Distanz) nicht haben kannst.

Nun schreibt Simmel über Geld und Wert im Allgemeinen. Im Folgenden geht's um eine bestimmte

Art von Werten, nämlich persönliche und soziale Werte. Solche Werte will ich

als Eigenschaften definieren, als Merkmale, die wir Menschen zuschreiben.

Ein persönlicher oder sozialer Wert ist eine Eigenschaft, die wir haben wollen im Sinne von

»uns aneignen und dauerhaft verinnerlichen«, weil sie uns für uns selbst oder die Gesellschaft

nützlich, vorteilhaft, zuträglich erscheint. Persönliche Werte können Fleiß oder Wissbegier sein,

die für die einzelne Person vorteilhaft sind. Soziale Werte können Respekt oder Hilfsbereitschaft sein,

die sich für eine soziale Gemeinschaft als nützlich erweisen mögen.

Wenn ich Werte hier als »dauerhafte Eigenschaften« bezeichne, meine ich nicht, dass sich ein Mensch sowas

wie Fleiß nicht aneignen könne, wenn dieser Wert scheinbar (!) nicht gegeben ist.

Erstens sind Werte subjektiv, also für Andere ja etwas anderes als für mich. Zweitens würde ich sagen,

dass in jedem Menschen etliche Eigenschaften veranlagt sind, von denen einige zur Geltung kommen

und andere verdrängt oder vergessen werden – ähnlich wie bei den Fähigkeiten, um die es im Beitrag

über persönliche Stärken geht.

Um eine Fähigkeit zur Geltung zu bringen, gilt es, tätig zu sein und mit bestimmten Aktivitäten

diese Fähigkeit auszuüben. Um eine Eigenschaft zur Geltung zu bringen, genügt es, einfach nur zu sein,

auf eine bestimmte Weise.

Nun ist ein Mensch selten nie einfach nur, sondern macht meist irgendwas. Eigenschaften und Fähigkeiten

sind fest ineinander verwoben, genauso wie Werte und Taten.

Bei der Frage nach den Stärken steht das »was« im Fokus, bei den Werten das »warum«,

die Motivation, die von deinen Eigenschaften ausgeht. Warum handelst du auf diese oder jene Weise?

Das ist nur eine andere Art zu fragen: »Was sind deine Werte?«

Da ist gewiss auch viel Sprachakrobatik im Spiel,

für die du mich gerne schelten kannst, wenn dir bessere Bestimmungen vorschweben.

Auf diese Frage jedenfalls – Was sind deine Werte? – brauchst du eine Antwort, wenn du dich an eine

provisorische Moral halten willst, als Richtschnur für dein Handeln, solange der letzte Grad der Weisheit

noch nicht in Sicht ist. Im nächsten Beitrag geht es genau darum, wie sich gesellschaftliche Grundwerte

begründen und eigene Werte finden lassen. Wenn wir an das Vier-Säulen-Modell zurückdenken, aus dem Beitrag

»Ein Jahr, das dein Leben verändern kann«, dann kümmern wir uns gerade um den Bereich Soziales.

Dieser Bereich umfasst auch deine Privatsphäre, dieser mehr oder weniger geschützte, intime Bereich

für dich selbst. Trotzdem bist du ja nicht allein, mit deinem Recht auf eine solche Privatsphäre

– jeder Mensch um dich herum hat, in Abgrenzung zum gemeinsamen Raum, auch eine und ein Recht darauf.

Deshalb sind dein privates Leben und deine persönlichen Werte thematischer Bestandteil

unseres sozialen Miteinanders. Mehr dazu, wie gesagt, beim nächsten Mal. Ich sage danke und bis bald.

Learn languages from TV shows, movies, news, articles and more! Try LingQ for FREE

Provisorische Moral · René Descartes | Grundsätze Provisional||René|Descartes| 仮の||ルネ||原則 Provisional Morality - René Descartes | Principles Moral provisional - René Descartes | Principios Morale provvisoria - René Descartes | Principi 仮の道徳 - ルネ・デカルト|原理原則 Voorlopige moraal - René Descartes | Principes Временная мораль - Рене Декарт | Принципы

Philosophie, das ist die Liebe zur Weisheit. Filosofia é o amor pela sabedoria.

Auch bekannt als Fach für allgemeine Fragen, wie: Was ist Weisheit? Também conhecido como Assunto de Perguntas Gerais, como: O que é sabedoria?

Vorläufige Antwort: Weisheit ist ein tieferes Verständnis von Zusammenhängen aller Art. 仮の|||||||||| Preliminary answer: Wisdom is a deeper understanding of all kinds of connections. Resposta preliminar: a sabedoria é uma compreensão mais profunda de todos os tipos de conexões.

Aber was ist der letzte Grad einer solchen Weisheit? Wann ist diese erreicht? Mas qual é o grau final dessa sabedoria? Quando isso é alcançado?

Darüber schreibt der Philosoph René Descartes im Zusammenhang mit seiner »provisorischen Moral«. ||||||||||仮の| O filósofo René Descartes escreve sobre isso em conexão com sua »moralidade provisória«.

In diesem Beitrag geht's darum, was Descartes im 17. Jahrhundert damit gemeint hat,

warum die Idee dahinter heute noch gut zu gebrauchen ist, und was Werte, die letztlich allen why the idea behind it is still useful today, and what values ultimately apply to everyone por que a ideia por trás disso ainda é útil hoje e quais valores, em última análise, se aplicam a todos

Moralvorstellungen zugrunde liegen, überhaupt sind. 道徳観念|基盤となる||| Moral concepts underlie, are at all. Conceitos morais subjacentes, são em tudo.

Descartes war nicht nur ein Autor und Denker, sondern auch ein Forscher, der mit Licht experimentierte |||||||思想家||||||||実験した

und tote Tiere in Teile zerlegte, um zu sehen, wie das Leben so tickt. Ein Mann der Wissenschaft also, |死んだ|||部分|分解した||||||||動く||||| and cut dead animals into pieces to see what makes life tick. So a man of science e cortar animais mortos em pedaços para ver o que faz a vida funcionar. Então, um homem de ciência

die im 16. und 17. Jahrhundert erst so richtig ins Rollen kam. Wohin sie die Menschheit mal führen würde, which really got going in the 16th and 17th centuries. Where it would lead humanity que realmente começou nos séculos 16 e 17. Onde isso levaria a humanidade

das stand (und steht ja noch) in den Sternen. Doch ohne Ziel keine Richtung, also was will ||||||||星々|||||||| that was (and still is) written in the stars. But without a destination there is no direction, so whatever you want

die Wissenschaft eigentlich, auf lange Sicht? Descartes schrieb: |||||||書いた

Das Zitat stammt aus seinen »Prinzipien der Philosophie« (1644) und die Übersetzung |||||原理|||||翻訳

aus Dominik Perler Buch über Descartes, das eine Literaturgrundlage für diesen Beitrag hier war. |Dominic|Perler||||||||||| |ドミニク|ペルラー||||||文献基盤|||||

Wer Descartes' Werke mal in der berühmten französisch-lateinischen Gesamtausgabe von Adam & Tannery lesen ||||||||||||Tannery| ||著作||||||ラテン語の|全集|||タネリー| Se você ler as obras de Descartes na famosa edição completa franco-latina de Adam & Tannery oder auch nur durchblättern möchte, kann das im Internet Archive unter archive.org tun |||||||||archive||archive|| |||ページをめくる||||||アーカイブ|||アーカイブ| ou apenas deseja folhear, você pode fazer isso no Internet Archive em archive.org

– einfach »oeuvres de descartes« eingeben und zack, alle Bände stehen |作品|||入力する||はい||巻| - just type in "oeuvres de descartes" and zack, all volumes are up - basta digitar "oeuvres de descartes" e zack, todos os volumes estão acima

zum Stöbern bereit. Unten gibt's einen Link zu der Seite. |browse|||||||| pronto para navegar. Existe um link para a página abaixo.

Wir behalten hier und heute den Fokus auf der provisorischen Moral (im Original: morale par provision), |||||||||||||moral|for provision| ||||||||||||原文|道徳|par(1)|仮の Aqui e agora, mantemos o foco na moralidade provisória (no original: moral por provisão),

kein einzelnes Werk, sondern ein Thema bei Descartes. Um ihn Person geht's ein andermal. |||but|||||||||| |個別の||||||||||||別の時 not a single work, but a theme for Descartes. It’s about him person another time.

Descartes sagt also, eine vollkommene Moral sei nicht ein Ziel von vielen, sondern das eine Ziel, ||||完全な||||||||||| Descartes diz, portanto, que uma moralidade perfeita não é um objetivo de muitos, mas um objetivo,

worauf alle Wissenschaften hinarbeiteten. Andersherum heißt das, was er sagt: Ohne Wissenschaften gibt es |||努力する|逆に||||||||| para o qual todas as ciências trabalharam O contrário é o que ele diz: Sem ciência, há

keine vollkommene Moral. Da die Wissenschaften weder zu seiner noch zu unserer Zeit am Höhepunkt ||||||||||||||頂点 não é uma moralidade perfeita. Já que as ciências estão no auge, nem em sua época nem em nossa época

oder Ziel angelangt sind, dürfen wir die genaue Beschreibung, wie eine solche vollkommene Moral |||||||正確な|||||| ou meta alcançada, é-nos permitida a descrição exata de como essa moralidade perfeita

denn aussehen soll, von Descartes nicht erwarten.

Was er stattdessen bereitstellt, das ist eine provisorische Moral. Das Wort »provisorisch« |||提供する||||||||仮の Em vez disso, o que ele oferece é uma moralidade improvisada. A palavra "provisório"

kommt vom lateinischen »providere«: voraussehen, in der Ferne sehen. Wenn wir etwas in der Ferne |||provide||||||||||| |||見る|予見する|||||||||| vem do latim "providere": prever, ver à distância. Quando temos algo à distância

erkennen können, jedoch voraussehen, dass es noch länger auf sich warten lässt, obwohl es durchaus pode ver, mas prevejo que vai demorar muito, embora vá

wichtig ist – dann brauchen wir eine vorläufige Lösung, bis dieses Etwas da ist.

»Provisorisch« meint also: vorläufig. Und Moral ist so eine Sache, auf die sich schlecht warten lässt. |||一時的に|||||||||||| “Provisório” significa, portanto: provisório. E a moralidade é uma daquelas coisas difíceis de esperar.

Was ist Moral überhaupt? Moral ist ein innerer Kompass, dessen Nadel sich von einem Pol abgestoßen ||||||||コンパス||針||||極|反発する What is morality anyway? Morality is an internal compass whose needle is pushed off a pole Afinal, o que é moralidade? A moralidade é uma bússola interna cuja agulha é empurrada de um poste

und zum anderen hingezogen fühlt. Wenn dieser Kompass richtig eingestellt ist, dann fühlen wir uns |||引かれる||||||調整されている||||| e se sente atraído pelo outro. Quando esta bússola está configurada corretamente, então sentimos

zum Guten hingezogen und vom Schlechten abgestoßen. Moral ist also ein Gefühl dafür,

was gut und was schlecht ist. Aber was sind schon Gefühle? Der Kopf würde auch gerne wissen,

was gut und schlecht und falsch und richtig ist. Nun, das lässt sich nicht so easy beantworten, aber vorläufig |||||||||||||||easily||| |||||||||||||||簡単に|||

weise ich darauf hin, dass wir in diesem und im nächsten Beitrag über Werte sprechen werden Destaco que falaremos sobre valores neste e no próximo post

– und dass danach bestenfalls klarer wird, was »gut« und was »schlecht« ist oder zumindest sein könnte. - e que depois, na melhor das hipóteses, fica mais claro o que é ou pelo menos poderia ser “bom” e o que é “ruim”.

Descartes beschreibt die provisorische Moral in seiner Abhandlung über die Methode von 1637. Descartes descreve a moralidade provisória em seu tratado sobre o método de 1637.

Darin geht es, wie in späteren Werken Descartes', um dessen Projekt, die Wissenschaften quasi einzureißen |||||後の|著作||||||||破壊すること

und auf ein neues Fundament aufbauen zu wollen – und schon in dieser Schrift, nicht erst in den ||||||||||||文書||||

berühmten Meditationen, findet sich übrigens der Satz »Ich denke, also bin ich.« famosas meditações, existe a frase "Penso, logo existo".

Doch auch darum geht's ein andermal. Mas também é sobre isso em outro momento.

Wer eine Unterkunft einreißt, stellt Descartes jedenfalls fest, braucht eine Bleibe für die Zwischenzeit, ||宿泊施設|壊す||||||||||その間 Qualquer um que destrua uma acomodação, Descartes descobre, precisa de um lugar para ficar enquanto isso,

bis die neue Unterkunft steht.

Kurzum: Descartes will, während er nach der Wahrheit sucht, nicht in Untätigkeit gefangen sein. 要するに|||||||||||無為|囚われ|

Deshalb stellt er vier Grundsätze auf, die Maximen seiner provisorischen Moral sozusagen. |||||||格言|||| Portanto, ele estabelece quatro princípios, as máximas de sua moralidade provisória, por assim dizer.

Diese vier Grundsätze lassen sich wie folgt zusammenfassen: |||||||要約する Esses quatro princípios podem ser resumidos da seguinte forma:

So weit, so vage – das sind die Grundsätze der provisorischen Moral, wie sie Descartes |||あいまい||||||||||

im 17. Jahrhundert aufgestellt hat. Perler weist darauf hin, dass Descartes sich mit diesen Grundsätzen |||||||||||||原則 estabelecido no século 17. Perler aponta que Descartes aceitou esses princípios

(trotz seinem Hinweis zur Religion) nicht auf ein theologisches Fundament stütze, sondern auf ||||宗教||||神学的な||基づく|| (despite his reference to religion) not based on a theological foundation, but on it (apesar de sua referência à religião) não com base em um fundamento teológico, mas nele

das Individuum. Damit grenze sich Descartes von einer mittelalterlichen Tradition ab, die das höchste Ziel |individual||||||||||||| ||||||||中世の|||||最高の| o indivíduo. Desta forma, Descartes se distanciou de uma tradição medieval, que era o objetivo final

des Menschen in einem glücklichen Leben nach dem Tode sah – worauf auch das moralische Handeln ||||幸せな||||死後|||||道徳的な| do homem em uma vida feliz após a morte - sobre a qual também ação moral

ausgerichtet sein sollte. Descartes hingegen nahm einen weltlichen Standpunkt ein: |||||||世俗的な|| deve estar alinhado. Descartes, por outro lado, assumiu uma posição secular:

An Prinzessin Elisabeth, mit der Descartes im Briefverkehr stand, schrieb er mal: |エリザベート王女|エリザベート|||||文通|||| Certa vez, ele escreveu para a princesa Elisabeth, com quem Descartes mantinha correspondência:

»Glück besteht in einer vollkommenen Zufriedenheit des Geistes und in einem inneren Wohlbefinden.« ||||完全な|満足|||||||

Die Werte, die Descartes in seinen vier Grundsätzen vertritt, sind – ich sag' mal: – Folgsamkeit, Hingabe, ||||||||||||||dedication |||||||||||||従順さ|献身 Os valores que Descartes representa em seus quatro princípios são - deixe-me colocar desta forma: - obediência, devoção,

Selbstkontrolle und Wissbegier. Hier machen wir Halt und wollen versuchen, die Idee ||知識欲||||||||| Autocontrole e curiosidade. Aqui paramos e queremos experimentar a ideia

einer provisorischen Moral in die Gegenwart zu holen – denn wie gesagt, die Wissenschaften sind ja |||||present||||||||| |||||現在|||||||||

immer noch nicht fertig mit der Welterklärung. Wir haben einerseits so viele Fragen und so wenig Ahnung und sind ||||||世界の説明|||||||||||| ainda não terminou com a declaração mundial. Por um lado, temos tantas perguntas e tão pouca ideia e estamos

andererseits mitten ins Leben geworfen und müssen ja irgendwie klar-kommen und Dinge tun, ||||投げ込まれた||||||||| por outro lado, jogado no meio da vida e de alguma forma tem que se dar bem e fazer as coisas

ohne sicher zu wissen, was richtig ist. Darum ist so eine provisorische Moral immer noch eine tolle Idee.

Obwohl Descartes' Grundsätze zwar so allgemein formuliert sind, dass sie sich heute wie damals

als Leitfaden anbieten, bleiben sie aber unbegründet und unbestimmt. Warum sollten wir uns danach richten |ガイドライン|||||根拠がない||不明確|||||| como um guia, eles permanecem infundados e indefinidos. Por que devemos agir de acordo

und was genau demzufolge tun? Das sind Fragen, die jede einzelne Person bzgl. ihrer Vorstellungen ||||||||||||regarding|| |||その結果||||||||人|||考え e o que fazer exatamente como resultado? Estas são perguntas que cada pessoa tem em relação às suas ideias

dessen betreffen, wie sich Menschen verhalten müssten. Im vorherigen Beitrag habe ich etwa |関係する|||||||前の|||| preocupação como as pessoas deveriam se comportar. Na postagem anterior eu tenho sobre

einfach so vorausgesetzt, ein Mensch solle an sich selbst den Anspruch stellen, gerecht sein zu wollen. ||前提として||||||||||公正|||

Wozu sollte das gut sein? Wie lässt sich so ein Gefühl von Herzen mit dem Kopf begründen? Mal überlegen... Isso é bom para quê? Como você pode justificar tal sentimento do coração com a cabeça? Deixe-me pensar...

Mit der Gerechtigkeit ist das so 'ne Sache. Das Leben ist nicht gerecht, warum sollten wir es sein? ||正義|||||||||||||||

Eben, weil das Leben nicht gerecht ist. Und als kleine Zugabe aus demselben Grund, ||||||||||おまけとして||同じ|

warum manche Tiere ihre Genitalien lecken: Weil wir's können! Also das mit der Gerechtigkeit, ||||生殖器|舐める|||||||| なぜいくつかの動物が自分の性器を舐めるのか: できるからです!つまり、公正についてのことです、 por que alguns animais lambem seus órgãos genitais: Porque nós podemos! Para que com justiça

nicht das mit den Genitalien. Gemeint ist keine höhere, gottgegebene oder metaphysisch erhoffte Gerechtigkeit, ||||||||||||hoped| ||||||||高い|神から与えられた||形而上学的|期待された| 性器のことではありません。言いたいのは、より高い、神によって与えられた、公正であるとか、形而上学的に期待される公正ではありません、 não os genitais. Não se entende por justiça superior, dada por Deus ou metafisicamente esperada

sondern eine philosophisch begründete Gerechtigkeit à la Habermas z. B. – Gerechtigkeit mit Blick |||||||Habermas||||| ||哲学的に|根拠のある||における||ハーバーマス||||| むしろ、例えばハーバーマスのような哲学的に根拠づけられた公正についてです – 見通しを持った公正

auf die »Kooperationsbereitschaft kommunikativ vergesellschafteter Subjekte«. ||協力意欲|コミュニケーション能力|社会的に結びついた|主体 na »vontade de cooperar entre sujeitos comunicativamente socializados«.

Das sind wir. Mag sein, dass du in einer Situation lebst, in der es dir egal sein kann, ob Gerechtigkeit herrscht. ||||||||||生きている|||||||||| Estes somos nós. Você pode se encontrar em uma situação em que não se importa se há justiça.

Dir geht's gut. Aber du bist sicher klug genug, zu erkennen: Das kann sich ändern, |||||||賢い|||||||

von einen Tag auf andern. Und dann, wenn du Hilfe brauchst, dann zahlt sich so eine Investition ||||他の日||||||||||||投資

in eine gerechte Gesellschaft plötzlich aus. Macht also auch aus egoistischer Sicht Sinn, ||公正な||||||||利己的な||

die Gerechtigkeit als Richtschnur im Leben. Wie eine Versicherung, in die du nicht mit Geld einzahlst, |||指針|||||保険|||||||入金する a justiça como fio condutor da vida. Como seguro para o qual você não paga

sondern mit anderen Wertträgern. Aber was soll das überhaupt sein, ein Wert? |||価値のあるもの||||||||

Der Philosoph Georg Simmel definiert einen Wert als ein Objekt, das von einem Subjekt – du, ich, andere – |||Simmel||||||||||||| ||ゲオルク|ジンメル||||||||||主体||| O filósofo Georg Simmel define um valor como um objeto que um sujeito - você, eu, outros -

als etwas erkannt wird, das in einiger Distanz und zugleich begehrenswert ist. Von Wert ist für dich ||||||||||魅力的な|||||| é reconhecida como algo distante e ao mesmo tempo desejável. Tem valor para você

also etwas, das du haben willst, aber (aufgrund der Distanz) nicht haben kannst. |||||||||距離|||

Nun schreibt Simmel über Geld und Wert im Allgemeinen. Im Folgenden geht's um eine bestimmte

Art von Werten, nämlich persönliche und soziale Werte. Solche Werte will ich

als Eigenschaften definieren, als Merkmale, die wir Menschen zuschreiben. |特性|||||||

Ein persönlicher oder sozialer Wert ist eine Eigenschaft, die wir haben wollen im Sinne von |個人的な||社会的な||||特性|||||||

»uns aneignen und dauerhaft verinnerlichen«, weil sie uns für uns selbst oder die Gesellschaft |習得する||持続的に|内面化する|||||||||

nützlich, vorteilhaft, zuträglich erscheint. Persönliche Werte können Fleiß oder Wissbegier sein, ||有益な|||||勤勉||| parece útil, benéfico, benéfico. Os valores pessoais podem ser diligência ou curiosidade,

die für die einzelne Person vorteilhaft sind. Soziale Werte können Respekt oder Hilfsbereitschaft sein, ||||||||||||助け合いの精神| que são benéficos para o indivíduo. Os valores sociais podem ser respeito ou ajuda,

die sich für eine soziale Gemeinschaft als nützlich erweisen mögen. ||||||||役立つかもしれない| que pode ser útil para uma comunidade social.

Wenn ich Werte hier als »dauerhafte Eigenschaften« bezeichne, meine ich nicht, dass sich ein Mensch sowas |||||持続的な||呼ぶ|||||||| Quando me refiro a valores aqui como "propriedades permanentes", não quero dizer que uma pessoa tenha algo assim

wie Fleiß nicht aneignen könne, wenn dieser Wert scheinbar (!) nicht gegeben ist. how diligence cannot be acquired if this value is apparently (!) not given. como a diligência não pode ser adquirida se este valor aparentemente (!) não for fornecido.

Erstens sind Werte subjektiv, also für Andere ja etwas anderes als für mich. Zweitens würde ich sagen, |||主観的||||||||||||| Em primeiro lugar, os valores são subjetivos, então para os outros eles são diferentes do que para mim. Segundo eu diria

dass in jedem Menschen etliche Eigenschaften veranlagt sind, von denen einige zur Geltung kommen ||||several||||||||| ||||||備わっている||||||発揮される| que em cada pessoa há uma série de características, algumas das quais entram em jogo

und andere verdrängt oder vergessen werden – ähnlich wie bei den Fähigkeiten, um die es im Beitrag ||排除される|||||||||||||

über persönliche Stärken geht. ||強み|

Um eine Fähigkeit zur Geltung zu bringen, gilt es, tätig zu sein und mit bestimmten Aktivitäten |||||||||||||||活動 Para trazer a habilidade de suportar, é necessário ser ativo e com certas atividades

diese Fähigkeit auszuüben. Um eine Eigenschaft zur Geltung zu bringen, genügt es, einfach nur zu sein, ||行使する||||||||十分である||||| para exercer essa habilidade. Para trazer à tona uma qualidade, basta ser

auf eine bestimmte Weise. de certa forma.

Nun ist ein Mensch selten nie einfach nur, sondern macht meist irgendwas. Eigenschaften und Fähigkeiten Agora uma pessoa raramente nunca é justa, mas principalmente faz algo. Qualidades e habilidades

sind fest ineinander verwoben, genauso wie Werte und Taten. ||互いに|結びついている||||| estão intimamente entrelaçados, assim como valores e ações.

Bei der Frage nach den Stärken steht das »was« im Fokus, bei den Werten das »warum«, Quando questionados sobre os pontos fortes, o foco está no "o quê", com os valores no "porquê",

die Motivation, die von deinen Eigenschaften ausgeht. Warum handelst du auf diese oder jene Weise? |動機|||||出る||行動する|||||| a motivação que vem de suas características. Por que você age desta ou daquela maneira?

Das ist nur eine andere Art zu fragen: »Was sind deine Werte?«

Da ist gewiss auch viel Sprachakrobatik im Spiel, |||||言語の妙技|| Certamente há muitas acrobacias linguísticas envolvidas

für die du mich gerne schelten kannst, wenn dir bessere Bestimmungen vorschweben. |||||scold|||||| |||||叱る|||||規定|思い浮かぶ Pelo que você pode me repreender se tiver regulamentos melhores em mente.

Auf diese Frage jedenfalls – Was sind deine Werte? – brauchst du eine Antwort, wenn du dich an eine

provisorische Moral halten willst, als Richtschnur für dein Handeln, solange der letzte Grad der Weisheit |||||||||最後の知恵の段階||||| deseja manter a moral provisória como um guia para suas ações, desde que o último grau de sabedoria

noch nicht in Sicht ist. Im nächsten Beitrag geht es genau darum, wie sich gesellschaftliche Grundwerte ||||||||||||||社会的な|基本的価値 ainda não está à vista. A próxima postagem é sobre exatamente como os valores sociais básicos são

begründen und eigene Werte finden lassen. Wenn wir an das Vier-Säulen-Modell zurückdenken, aus dem Beitrag |||||||||||四つの柱||振り返る||| justifique e encontre seus próprios valores. Quando pensamos no modelo de quatro pilares, do artigo

»Ein Jahr, das dein Leben verändern kann«, dann kümmern wir uns gerade um den Bereich Soziales. ||||||||関心を持つ|||||||社会的な

Dieser Bereich umfasst auch deine Privatsphäre, dieser mehr oder weniger geschützte, intime Bereich ||含まれる||||||||保護された|親密な|

für dich selbst. Trotzdem bist du ja nicht allein, mit deinem Recht auf eine solche Privatsphäre

– jeder Mensch um dich herum hat, in Abgrenzung zum gemeinsamen Raum, auch eine und ein Recht darauf. |||||||||共通の||||||| - Cada pessoa ao seu redor, ao contrário do espaço comum, também tem um e direito a ele.

Deshalb sind dein privates Leben und deine persönlichen Werte thematischer Bestandteil |||私的な||と||||テーマ的な|テーマの一部

unseres sozialen Miteinanders. Mehr dazu, wie gesagt, beim nächsten Mal. Ich sage danke und bis bald. ||社会的な相互作用||||||||||||| nossa união social. Mais sobre isso, como eu disse, da próxima vez. Agradeço e vejo você em breve.