tagesschau 19.07.2021, 17:00 Uhr - Mehr als 160 Todesopfer nach Hochwasserkatastrophe, Schwere Hochwasserschäden im Land
Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit der tagesschau.
Diese Sendung wurde vom NDR live untertitelt (19.07.2021)
Heute im Studio: Claus-Erich Boetzkes
Guten Tag, willkommen zur tagesschau.
Die Bilder von der Unwetterkatastrophe
machen fassungslos.
Die Wucht der Wassermassen zerstörte Leben und Existenzen.
Weiterhin werden viele Menschen vermisst.
In Rheinland-Pfalz war der Landkreis Ahrweiler besonders betroffen.
Das Wasser der Ahr hatte mehrere Gemeinden weitgehend zerstört.
Ein Hubschrauber der Bundeswehr
im Anflug auf das Katastrophengebiet im Norden von Rheinland-Pfalz.
Der Helikopter bringt Trinkwasser.
Die Ortschaft Ahrbrück
ist immer noch weitgehend von der Außenwelt abgeschnitten.
Die Einwohner versuchen sich irgendwie selbst zu helfen.
Jakob Petermeier, dessen Haus stark beschädigt wurde,
hat einen Wassertank von Freunden bekommen.
Kochen wir natürlich ab, obwohl es Trinkwasser ist.
Zum Essen reicht es.
Obwohl, hier fahren auch Pizzabäcker aus dem anderen Ort.
Die kommen und bieten kostenlos Pizza an.
"Jungs, nehmt, was ihr Essen könnt."
Im von den Fluten schwer betroffenen Landkreis
suchen Einheiten der Polizei nach Vermissten und Toten.
Spezialisten aus Sachsen sind gekommen.
Die Behörden fürchten,
dass die Opferzahlen noch weiter steigen.
Dabei hat die Polizei auch mit Schaulustigen zu tun.
Die Einsatzkräfte klagen, ...
An einzelnen spektakulär aussehenden Schadensorten tauchen Personen auf,
die nur hinkommen, um zu gaffen.
Die ergötzen sich an dem Leid der anderen Menschen dort.
Die Aufräumarbeiten kommen voran.
In der Region Ahrweiler sind zahlreiche Brücken, Schienen
und auch Versorgungsleitungen schwer beschädigt.
Der Ausnahmezustand gilt weiter.
Innenminister Seehofer war heute im Landkreis Ahrweiler.
Vorher war er in Nordrhein-Westfalen.
Vor allem der Grenzbereich zwischen den Bundesländern
ist von der Flutkatastrophe betroffen.
In NRW galt eine Talsperre bei Euskirchen lange als instabil.
Miel war in einem der Orte, der evakuiert wurde.
In Erftstadt hatten die Fluten zahlreiche Häuser zerstört.
Ein bitteres Erwachen für Norbert Venedey.
Immerhin:
Ein Frühstück, ein Bett, jemand der zuhört.
Aber er und die anderen 25 Menschen in der Notunterkunft in Erftstadt
wissen nicht, was noch vor ihren Häusern übrig ist.
Ich wollte gar nicht hierhin.
Aber ich habe eingesehen:
Wir hatten kein Wasser, keinen Strom - nichts mehr.
Also musste ich raus.
Jetzt bin ich hier.
An der Steinbachtalsperre bei Euskirchen - Entwarnung.
Der Wasserstand ist gesunken und nicht mehr kritisch.
Die aus Sorge vor einem Dammbruch evakuierten Orte
sind wieder freigegeben.
Der Damm ist sicher.
Jetzt muss man die Menschen möglichst ohne Chaos
wieder zurück in die Orte bringen.
Dann schauen wir, wie die Zerstörung ist.
Miel ist es einer dieser Orte.
Hier dürfen sie zurück
und aufräumen, was ihnen das Wasser ließ.
Bei jedem Schritt kleben die Schuhe fest.
Autos liegen quer im Flussbett.
Viele Menschen helfen sich gegenseitig.
Die brauchen Geld, damit die sich
die wichtigsten Sachen der Daseinsvorsorge kaufen können.
Wir brauchen zweitens Hilfe
für die Kommunen und Privatleute zum Wiederaufbau.
Nach aller Erfahrung wird das in die Milliarden gehen.
Die finanzielle Hilfe - ein kleiner Lichtblick im Chaos.
Die Bundesregierung will am Mittwoch
die Soforthilfen und ein Wiederaufbauprogramm beschließen.
In Bayern haben die Aufräumarbeiten begonnen.
Im stark betroffenen Berchtesgadener Land
sinken die Pegelstände.
Zurück bleiben verschlammte Häuser und Straßen.
Wie hier in Schönau am Königssee,
wo durch den Starkregen ein Hang abgerutscht war.
Geologische Untersuchungen zur Überprüfung weiterer Hänge dauern an.
Der Katastrophenfall gelte weiter, so die Behörden.
Wir wollen die Sirene zurückhaben:
Als Konsequenz der Überschwemmungen fordert dies der Chef
vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Schuster.
Seine Behörde und der Innenminister stehen in der Kritik.
Warnungen der Meteorologen vor dem Starkregen
seien bei vielen nicht angekommen, heißt es.
Seehofer verweist auf die gemeinsame Zuständigkeit
von Bund, Ländern und Gemeinden - eine Reform sei in Arbeit.
ARD Extra um 20.15 Uhr in DGS auf tagesschau24
Meteorologen können errechnen, wann es zu Hochwasser kommt.
Ihre Informationen geben sie
an die Hochwasserzentralen der Länder weiter.
Von dort aus sollen Kreise und Kommunen informiert werden.
Die Genauigkeit der Vorhersage hänge von der Größe
der betroffenen Region ab - so der Deutsche Wetterdienst.
Je größer der betroffene Bereich,
desto eher sind Computermodelle in der Lage, das früh zu erfassen.
In diesem Fall konnten wir das schon Tage vorher absehen.
Warum kamen die Warnungen bei vielen Menschen nicht an?
Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe
habe zahlreiche Warnungen veröffentlicht.
Scharfe Kritik kommt von der FDP und der Linken.
Mindestens 150 Menschen mussten das Scheitern
dieser Bundesbehörde mit ihrem Leben bezahlen.
Horst Seehofer trägt dafür die politische Verantwortung.
Aus Respekt vor den Opfern sollte er zurücktreten.
Für Innenminister Seehofer der falsche Ton.
Manches, was ich höre,
muss ich leider einer billigen Wahlkampfrhetorik zuordnen.
Das ist fast schäbig, denn dafür ist jetzt nicht die Stunde.
Ich habe großes Interesse, die Dinge gemeinsam zu besprechen.
Jetzt hat die Bevölkerung
ein Interesse an Hilfe und Solidarität.
Die Aufarbeitung, warum Menschen nicht gewarnt wurden,
hat gerade erst begonnen.
Wer auch immer Fehler machte -
die Schäden durch den Starkregen sind da.
Jetzt müssen viele Versicherungen einspringen.
Deren Aktien stehen heute unter Druck.
Allen voran die Papiere der Münchner Rückversicherung.
Stefan Wolff, wie schwierig könnte das für die Branche werden?
Es ist eine riesige Summe,
die auf die Versicherungsbranche zukommt.
Man kann jetzt nicht sagen, wie hoch die ausfällt.
Es wird gerade eifrig gerechnet und geguckt,
wer eine Versicherung hat und wer nicht.
Man zieht Analogien zum Jahr 2002.
Da führte das Elbe Hochwasser zu
Schäden für die Versicherungsbranche in Höhe von elf Milliarden Euro.
Die Versicherungsaktien sind unter Druck.
Ebenso der Deutsche Aktienindex.
Die Sorge um eine erneute Ausbreitung der Pandemie belastet.
"Wenn nicht jetzt, wann dann?"
Mit diesen Worten begründete der britische Gesundheitsminister Javid
die Entscheidung, fast alle Corona-Einschränkungen aufzuheben.
Hintergrund ist die erfolgreiche Impfkampagne.
Die Lockerungen sind riskant:
Wegen der Delta-Variante wurden in Großbritannien
so viele Neuinfektionen registriert wie zuletzt im Januar.
Ab heute sollten die Briten, laut Boris Johnson,
ihre neue Freiheit ohne Maske feiern.
Freedom Day.
Aber bislang feiert kaum einer.
Bei einer Infektionsrate von über 50.000 Fällen pro Tag
ist die neue Freiheit vielen nicht geheuer.
Das Ende der Maskenpflicht macht viele nervös.
Es ist nicht gut, die Masken jetzt abzulegen.
Ich hoffe, die Leute sind trotzdem weiter vorsichtig.
Boris Johnson möchte
die Verantwortung an die Briten selbst abgeben.
Für viele ist das schwer vereinbar mit übervollen Nachtclubs,
die bereits heute um Mitternacht öffneten.
Virologen erklärten das Ende aller Restriktionen für unverantwortlich.
Wir werden wohl neue Varianten bekommen.
Boris Johnson weist solche Bedenken zurück,
die Impfquote sei hoch genug, um die neue Freiheit zu riskieren.
Aber auch er rechnet mit Infektionsraten
bis zu 100.000 pro Tag für die nächsten Wochen.
In Deutschland bleiben die Corona-Zahlen niedrig,
steigen aber weiter an.
Dem RKI wurden innerhalb eines Tages 546 neue Corona-Fälle gemeldet -
rund 220 mehr als vor einer Woche.
Die 7-Tage-Inzidenz liegt bei 10,3.
Der Wert hat sich in nicht einmal zwei Wochen verdoppelt.
Die Empörung ist groß
über das weltweite Ausspähen von Oppositionellen und Journalisten.
Aufgedeckt wurde das durch ein internationales Recherche-Netzwerk
mit Beteiligung von NDR, WDR, Zeit und Süddeutscher Zeitung.
Journalistenverbände fordern Klarheit,
ob auch Kollegen hierzulande betroffen sein könnten.
Klar ist:
Auf Handys aserbeidschanischer Journalisten
wurden Spuren der Spionage-Software Pegasus entdeckt.
Die soll eigentlich zur Abwehr von Kriminalität und Terror dienen.
Ihre Berichte waren der aserbaidschanischen Regierung
offenbar unbequem.
Die Journalistin Selinc Vaqifqizi
recherchiert über möglichen Wahlbetrug in ihrer Heimat.
Ihr Handy -
monatelang Ziel der Spähsoftware Pegasus.
Es war schrecklich, davon zu erfahren.
Ich hätte nie gedacht, dass sie diese Technologie
gegen mich und andere Journalisten einsetzen, um uns zu beobachten.
Nicht das einzige Opfer.
Das zeigen Recherchen eines internationalen Journalistenteams.
Über 180 Reporter und Hunderte Menschenrechtsaktivisten
standen auf der Liste - mögliche Ausspähziele.
Auch ungarische Journalisten sollen Opfer geworden sein.
Die EU-Kommission fordert Aufklärung.
Pressefreiheit ist ein europäischer Grundwert.
Wenn das stimmt, ist das inakzeptabel.
Pegasus-Entwickler NSO betont,
die Software werde nur an Regierungen verkauft.
Mit ihr solle Kriminalität bekämpft werden.
In der Praxis fehle die Kontrolle, so Reporter ohne Grenzen.
Wir brauchen globales Sanktionsregime.
Das muss den Export solcher Technik in autoritäre Länder verbieten.
Solche Technik ist pressefreiheitsfeindlich
und gefährdet Menschenleben.
Vaqifqizi will weiter kritisch berichten.
Aserbaidschan äußerte sich nicht zu den Vorwürfen.
680 Mio. hat es gekostet.
Bisher sorgte das Berliner Humboldt Forum vor allem für Streit:
Über Raubkunst, Imperialismus und Kolonialdenken.
Ab morgen will sich das Veranstaltungszentrum
als Ort der Kultur und des Austausches etablieren.
Dann öffnet das Forum
im renovierten Berliner Stadtschloss seine Türen.
Zu sehen sind sechs Ausstellungen, etwa über Elfenbein und übers Sitzen.
Nach acht Jahren Bauzeit und Pandemie-bedingter Verzögerung
ist es so weit:
Im teilrekonstruieren Berliner Schloss
eröffnet das Humboldt Forum.
Wo einst Könige und Kaiser residierten,
sollen Kunst, Kultur und Wissenschaft modern präsentiert werden.
Wir haben Ausstellungen und Museumsangebote.
Genauso wichtig sind die Bildungs- und Vermittlungsprogramme.
Aber auch die vielen kulturellen Veranstaltungen.
Das geht im August mit einem Festival im Schlüterhof los.
Die Ausstellung "Berlin global" zeigt,
wie Berlin die Welt beeinflusst hat und umgekehrt.
Gestaltet vom Stadtmuseum und freien Kulturprojekten -
möglichst interaktiv.
Wir fragen die Leute als Besucher:
Wie stehen Sie zu diesen Themen, die heute wichtig sind?
Das ist Nachhaltigkeit, aber auch Rassismus und Kolonialismus.
Ein Thema, für das das Humboldt Forum in der Kritik steht.
Denn das ethnologische Museum zeigt auch Kunstwerke afrikanischer Lände,
die aus Plünderungen der Kolonialzeit stammen.
Dieser Teil wird jedoch erst später eröffnet.
Morgen geht es mit sechs anderen Ausstellungen los.
An den ersten 100 Tagen ist der Eintritt frei.
Im Süden ist morgen oft sonnig,
im Norden und Osten gibt es mehr Wolken.
Unsere Wettervorhersage:
Im südlichen Bayern in der Nacht teils kräftige Schauer oder Gewitter.
Sonst im Südwesten meist klar.
Im Norden und Osten teils dichte Wolken,
an den Küsten Schauer.
Am Tag vom Südwesten bis in die Mitte oft sonnig,
im Norden und Osten bewölkt, aber weitgehend trocken.
Das war unsere tagesschau um fünf.
Jetzt folgt Brisant und um 20 Uhr die nächste tagesschau.
Einen schönen Abend noch.
ARD Extra um 20.15 Uhr in DGS auf tagesschau24
Copyright Untertitel: NDR 2021