×

Wir verwenden Cookies, um LingQ zu verbessern. Mit dem Besuch der Seite erklärst du dich einverstanden mit unseren Cookie-Richtlinien.


image

2021 Tagesschau, tagesthemen 16.08.2021, 22:31 Uhr - Taliban übernehmen die Macht in Afghanistan: Chaotische Zustände am Flughafen

tagesthemen 16.08.2021, 22:31 Uhr - Taliban übernehmen die Macht in Afghanistan: Chaotische Zustände am Flughafen

Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit den tagesthemen.

Diese Sendung wurde vom NDR live untertitelt (16.08.2021)

Die Entwicklungen der letzten Tage sind bitter.

Sie haben langfristige Folgen für die Region und für uns.

Es gibt nichts zu beschönigen.

Bundesregierung, Nachrichtendienste, die internationale Gemeinschaft,

wir haben die Lage falsch eingeschätzt.

Die bittere Bilanz nach 20 Jahren Einsatz am Hindukusch,

die der deutsche Außenminister Heiko Maas heute zog.

Willkommen zu den tagesthemen.

Angesichts der Berichte, die uns aus Afghanistan und speziell aus Kabul

und rund um den Flughafen dort erreichen:

Es bleibt auch nicht viel übrig, als die Lage derart zu beschreiben.

Menschen, die sich aus Furcht vor den Taliban an Flugzeuge klammern,

die verzweifelt zu fliehen versuchen, egal wie.

Währenddessen hat die deutsche Luftwaffe versucht,

eine Luftbrücke nach Kabul aufzubauen.

Wegen chaotischer Zustände am Flughafen dort

brach ein Militärtransporter den Landeversuch ab.

Oliver Mayer.

Vor wenigen Tagen haben wir Zalmai Ahmadi noch hier getroffen.

In einem "Safe House" in Kabul.

Das war bevor die Taliban Kabul einnahmen.

Heute haben er und die 100 ehemaligen Ortskräfte der Bundeswehr,

die hier untergebracht waren, das Safe House aufgelöst.

Ahmadi, der 13 Jahre lang für die Bundeswehr arbeitete,

versteckt sich bei einem Freund.

Ich habe keinen anderen Ausweg,

außer, dass ich mich hier aufhalten muss.

Alle sind weggegangen und viele Ortskräfte

haben ihren Arbeitsvertrag dabei gehabt.

Das ist natürlich sau gefährlich,

wenn die mit ihren Verträgen erwischt werden.

Das ist genau wie die Todesstrafe.

Ihm geht es wie vielen - sie wollen das Land schnellstmöglich verlassen.

Am Flughafen von Kabul Chaos.

Die Leute kletterten über Mauern und belagerten das Rollfeld.

Einige waren so verzweifelt, dass sie versuchten,

sich an eine US-Militärmaschine zu klammern.

Die Leute versuchen zu fliehen weil die Situation eine Katastrophe ist.

Alle versuchen zum Flughafen zu kommen aber wir haben auch gehört,

dass hier Menschen erschossen wurden.

Keiner weiß etwas darüber.

Aufgrund der unübersichtlichen Lage am Flughafen

mussten die Evakuierungsflüge ausgesetzt werden.

Eine Bundeswehrmaschine, die am Abend in Kabul ankommen sollte,

drehte stundenlang Kreise über Kabul und konnte nicht landen.

Man weiß nicht, ob sich kriminelle Elemente einmischen können.

Die Amerikaner stellen die Lage vor Ort wieder her.

Dennoch bleibt sowohl der Anflug wie auch das Groundhandling,

das Aufnehmen der zu evakuierenden Schutzpersonen, risikobehaftet.

Auf den Straßen Kabuls regieren seit heute die Taliban.

Während im Hintergrund Gespräche zu einer Machtübergabe laufen,

feiern die Taliban ihre Erfolge.

Ich möchte der Bevölkerung zu diesem Sieg gratulieren.

Insbesondere den Einwohnern Kabuls.

Das, was wir erreicht haben, ist einzigartig und besonders.

Es war nur mit der Hilfe Gottes möglich.

Wir werden nun aber nicht überheblich damit umgehen.

Seit gestern Abend lebt Zalmai Ahmadi in größter Angst.

Er erzählt, dass die Taliban bereits an Türen klopften,

um ehemalige Ortskräfte ausfindig zu machen.

Die deutschen Soldaten versprachen, ein Visum zu besorgen,

nun fühlt er sich im Stich gelassen.

Sie hätten uns vor einem Monat oder vor zwei Wochen sagen können,

dass wir euch nicht mitnehmen, oder dass wir euch nicht helfen.

Dass wir nach Pakistan oder nach Iran hätten fliehen können.

Irgendwohin, egal.

Aber im letzten Moment haben sie versagt und uns hier gelassen,

damit die Taliban uns töten.

Ahmadi hofft, dass er die nächsten Tage überlebt

und er irgendwie doch noch nach Deutschland kommt.

Und vor wenigen Minuten kam die Meldung,

dass eine der Bundeswehrmaschinen in Kabul gelandet ist.

Wie der Außenminister, versuchte auch die Kanzlerin gar nicht erst,

die Dinge schönzureden und stellte ernüchtert fest:

Die Bundesregierung

habe die Entwicklung in Afghanistan "falsch eingeschätzt".

Wer trägt also Verantwortung für dieses Debakel?

Hätte das Außenministerium

früher auf seine Botschaft in Kabul hören müssen?

Hätte das Verteidigungsministerium

sich früher auf Evakuierungen vorbereiten müssen?

Die Kritik an den Versäumnissen der Bundesregierung

seitens der Opposition ist massiv.

Es sieht aus wie ein normaler Tag im politischen Berlin.

Limousinen fahren vor, Abgeordnete verschwinden im Konrad-Adenauer-Haus.

Dann versucht die Verteidigungsministerin,

Ruhe auszustrahlen.

Wir werden in einem robusten Einsatz, einem Mandat,

solange es die Möglichkeiten vor Ort zulassen:

So viele Menschen wie möglich aus Kabul rausholen.

In diesem Auftrag sind die Männer und Frauen der Bundeswehr

seit dem Morgen unterwegs.

Doch jeder weiß:

Diese A400M-Maschinen, die deutsche und Ortskräfte ausfliegen sollen,

kommen womöglich nicht mehr rechtzeitig.

Der Auftrag wird von Stunde zu Stunde gefährlicher.

Die Bundesregierung hat vielleicht zu spät reagiert.

Wie kommt das?

Vor Wochen hatte die deutsche Botschaft in Kabul gewärmt.

Zeigen Recherchen des ARD-Hauptstadtstudios.

Der Ablauf der letzten Tage

muss von der Bundesregierung offengelegt werden.

Gab es tatsächlich Hinweise aus der Botschaft?

Falls ja, warum wurden diese nicht ernst genommen?

Es zeigt:

Es war fatal, wie das Auswärtige Amt und die Bundesregierung

die Augen vor der Realität verschlossen hat.

Wir hatten bereits vor Beginn der Sommerpause

im Deutschen Bundestag beantragt, Menschen zu evakuieren.

Es wurde nicht getan, man hat es negiert.

Die Reaktion der Regierung, macht den den Tag in Berlin besonders.

Erst gibt der Außenminister zu,

das Kabinett war nicht auf der Höhe der Zeit.

Es gibt nichts zu beschönigen.

Wir, die Bundesregierung, die Nachrichtendienste,

die internationale Gemeinschaft haben die Lage falsch eingeschätzt.

Die Geschwindigkeit, mit der sich die afghanischen Sicherheitskräfte

vor den Taliban zurückgezogen haben:

Die haben weder wir noch unsere Partner oder Experten vorhergesehen.

Danach tritt die Kanzlerin vor die Kameras.

Sie gibt zu, der Einsatz am Hindukusch

und die Idee der Demokratisierung Afghanistans seien gescheitert.

Wir waren fast 20 Jahren Afghanistan.

In dieser Zeit ist nicht gelungen.

Es war keine erfolgreiche Bemühung.

Daraus muss man Lehren ziehen.

Und seine Ziele auch ...

... kleiner fassen bei solchen Einsätzen.

Zu viel gewollt und gescheitert also -

ein historischer Satz der Kanzlerin.

Ihre eigene Partei macht sich seit dem Morgen Gedanken darüber,

dass zu viele Afghanen nach Deutschland flüchten könnten.

2015 darf sich nicht wiederholen. Wir haben unsere Lektion gelernt.

2015 darf sich nicht wiederholen.

2015 darf sich nicht wiederholen.

Das klingt nach gewöhnlichem politischen Geschäft

an einem außergewöhnlichen Tag in Berlin.

Ich begrüße den CDU-Partei-Chef und Kanzlerkandidaten der Union,

Armin Laschet, heute Abend in Rostock.

Guten Abend, Herr Laschet. Guten Abend.

Da klammern sich Menschen an startende Flugzeuge,

und Ihre größte Sorge ist, dass sich 2015 nicht wiederholen dürfe.

Das haben Sie nicht richtig verstanden.

Ich habe gestern drei Vorschläge gemacht.

Dass wir sofort vor Ort sind, dass wir die Ortskräfte herausholen.

Wir sind unter schwierigen Bedingungen gelandet.

Wir müssen eine Luftbrücke einrichten.

Zweitens:

Es darf nicht nur die Ortskräfte betreffen, sondern gerade Frauen:

Künstlerinnen, Schriftstellerinnen, Menschenrechtsaktivistinnen.

Die müssen die Chance haben, das Land schnell zu verlassen.

Deutschland sollte so viele wie möglich aufnehmen.

Das Dritte ist, was wird in Folge geschehen,

wenn wir neue, große Flugbewegungen erleben.

Die Kanzlerin hat gesagt, eine Lehre aus 2015 ist,

rechtzeitig helfen in der Region der Herkunftsländer.

Damit dort mit dem UN-Flüchtlingskommissar

alles bereitgestellt wird,

dass Menschen in der Region bleiben können.

Diese Aussage habe ich heute getätigt.

Es muss europäisch abgestimmt sein.

Die Außenminister sollten sich kurzfristig treffen.

Das kann man ja alles auch machen.

Aber die Menschen, die sich verzweifelt am Flughafen drängeln

und an die Maschinen klammern, die hatten sich auf uns verlassen.

Die fühlen sich im Stich gelassen.

Müssten wir nicht mit den anderen europäischen Ländern

über afghanische Flüchtlingskontingente sprechen?

Ja, wir müssen diesen Prozess ordnen.

Das ist mein Vorschlag, aber er muss europäisch abgestimmt sein.

Erst mal müssen wir die, die sich auf uns verlassen haben,

aus dem Land bringen.

Die Frage ist, wie lange die Korridore noch offen sind.

US-Präsident Biden hat in diesen Minuten den Taliban gedroht:

Wenn sie amerikanische Soldaten angreifen würden,

würde dies Gegenmaßnahmen bedeuten.

Ich wünsche mir, dass wir jetzt Stunde um Stunde

so viele dieser Ortskräfte herausholen wie möglich.

Das sind Mitarbeiter, die für die Bundeswehr gearbeitet haben.

Aber auch Mitarbeiter der internationalen Zusammenarbeit,

aus Europa, die keine eigenen Streitkräfte vor Ort haben.

Das wird die größte Aufgabe der nächsten Stunden sein.

Es ist die Zeit der Rettung.

Das passiert derzeit in Afghanistan.

Wenn Sie und Ihre Parteimitglieder sagen,

2015 darf sich nicht wiederholen, wirkt es,

als sei der Innenpolitisches wichtiger als die Rettungsaktion.

Die deutsche Botschaft in Kabul hat schon vor Wochen

auf die Gefahr für Mitarbeiter und Ortskräfte hingewiesen.

Wie konnte es dazu kommen, dass die von Ihrer Partei geführte Regierung

die Ausreise der Ortskräfte immer wieder verzögert hat?

Und nun so überrumpelt wurde?

Erstmals zu Ihrer Einleitung:

Ich gehörte 2015 zu denen,

die den Kurs der Kanzlerin für richtig gehalten haben.

Das bleibt richtig.

Aber die Lehre war, dass ein solch unkoordinierter Zustand,

dass bis zu eine Millionen Menschen an österreichischen Grenzen waren:

Das darf es nicht mehr geben.

Wir müssen proaktiv helfen.

Aber jetzt ist es zu spät für viele Menschen in Afghanistan.

Nein, wir müssen alles tun, was noch geht.

Danach wird es weitere Bewegungen geben.

Und die besonders Schutzbedürftigen, die ich eben benannte,

ich will das mit Frauen betonen, sie sind die Hauptopfer der Taliban:

Sie brauchen unseren Schutz.

Der zweite Teil Ihrer Frage, ja, die Schuld ist eingestanden.

Der Bundesaußenminister hat es heute beschrieben.

Die Bundesregierung hat, wie alle internationalen Institutionen,

eine Fehlkalkulation gemacht.

Sie sprachen sich noch vor zwei Wochen

für Abschiebungen nach Afghanistan aus.

Da war der Taliban-Vormarsch schon absehbar.

Wollten Sie das nicht wahrhaben, was in dem Land gerade passiert?

Herr Zamperoni, das Auswärtige Amt gibt Lageberichte ab,

in welche Länder abgeschoben werden darf.

Es geht da um sehr schwere Fälle.

Wenn das Auswärtige Amt sagt, man könne abschieben,

dann wird das gemacht.

Vor wenigen Tagen hat das Amt seine Lageeinschätzung geändert.

Die Grünen wollten schon Ende Juni Ortskräfte aus dem Land holen.

Die CDU hat da noch dagegen gestimmt.

Wir können das jetzt so machen ...

Wir werden das alles aufarbeiten.

Es müssen auch Konsequenzen gezogen werden.

Aber jetzt sind wir mitten im Rettungseinsatz.

Die Grünen haben auch bei manchem Mandat nicht mehr mitbestimmt,

wo die Bundeswehr beauftragt war.

Aber in diesen Stunden, wo die Bundeswehr versucht,

Menschen zu retten:

Da sollten wir nicht ins parteipolitische Hickhack verfallen.

Es wird aufgeklärt.

Wir müssen Konsequenzen ziehen.

Wir müssen uns bei solchen Einsätzen besser überlegen, was ist das Ziel?

Wie geht man hinein und geordnet wieder hinaus?

Wie können Europäer selbst handlungsfähig werden.

Wir waren fast ausschließlich in diesem Fall

von den Amerikanern abhängig.

Das Bundestagsmandat ging noch bis 2022,

aber als die Amerikaner sagten, sie ziehen sich zurück:

Da ist die Bundeswehr nicht alleine der Lage,

in einem solchen Land zu bleiben.

Das muss schonungslos analysiert werden.

Ohne Rücksicht auf Parteien.

Aber im Moment steht der Rettungseinsatz im Mittelpunkt.

Darauf sollten wir uns konzentrieren.

Es ist eine der gefährlichsten Einsätze der Bundeswehr.

Ein robustes Mandat, da sollten wir in Deutschland nicht streiten,

während andere sich um das Leben von Ortskräften und anderen kümmern.

Was die Politik in Afghanistan falsch gemacht hat -

dazu Kristin Schwietzer aus unserem Hauptstadtstudio:

In der CDU haben heute einige den Schuldigen schnell gefunden.

Der Außenminister habe die Lage falsch eingeschätzt.

Heiko Maas räumt später Fehler ein,

sieht aber auch Versäumnisse bei der internationalen Gemeinschaft.

Wer ist wofür verantwortlich? Schuldzuweisungen.

In meinen Augen eine Scheindebatte.

Dabei stehen wir ratlos vor der Frage:

Warum wehren sich die Afghanen gegen die Taliban nicht?

Vielleicht, weil sie nicht wissen, wofür es sich zu kämpfen lohnt.

Für welches Land, für welche Ideale.

Wir haben es in 20 Jahren nicht geschafft,

den Afghanen das zu vermitteln.

Wir sind dorthin gegangen, auch um unsere Sicherheit zu verteidigen.

Das war richtig.

Wir haben geglaubt, die Afghanen wollen leben wie wir.

Eine Fehleinschätzung.

Jetzt müssen sich die Außenminister zusammensetzen.

Konferenzen werden einberufen.

Menschen sollen schnell in Sicherheit gebracht werden.

Die Nachbarstaaten sollen mehr eingebunden werden.

Pakistan etwa nimmt schon Flüchtlinge auf.

Das Problem soll weit wegbleiben.

All das kommt zu spät.

Das Vertrauen der Afghanen, dass wir, die internationale Gemeinschaft,

ihr Leben besser machen, ist zerstört.

Das können wir so schnell nicht korrigieren.

Angela Merkel benannte es heute:

"Es sei vieles nicht geglückt, was wir uns vorgenommen haben."

Das ist bitter.

Man kann ein Land nicht an den Menschen vorbei befrieden.

Warum gehe ich dorthin und was kann ich bewirken?

Wir sollten diese Fragen beantworten,

bevor wir in einen Einsatz gehen oder einen beenden.

Das ist wichtiger als Schuldzuweisungen in Wahlkampfzeiten.

Die Meinung von Kristin Schwietzer.

Es sei an der Zeit, Amerikas längsten Krieg zu beenden.

US-Präsident Biden hatte im April mit Pathos

den Rückzug der US-Truppen aus Afghanistan angekündigt.

Doch statt als Friedensstifter dazustehen:

Dieses plötzliche Ende dieser Mission

wirft tiefe Schatten auf Bidens junge Präsidentschaft.

Denn auch wenn die USA

nicht alleinverantwortlich für das Debakel sind:

So waren es doch Entscheidungen aus Washington,

mit denen das Drama seinen Anfang nahm.

Entscheidungen,

für die Biden nun im Land scharf attackiert wird.

Früher als geplant

kam US-Präsident Biden von Camp David nach Washington zurück.

Die Kritik, er schweige angesichts des Afghanistan-Debakels, wog schwer.

Als Biden dann vor wenigen Minuten vor die Kameras tritt,

lässt er keinen Zweifel daran, er hält an dem beschlossenen Abzug fest.

Ich stehe voll und ganz hinter meiner Entscheidung.

Nach 20 Jahren musste ich es bitter lernen,

dass es nie einen guten Zeitpunkt gibt, Truppen abzuziehen.

Ich habe dem amerikanischen Volk immer versprochen, ehrlich zu sein.

Es stimmt, die Lage verschlimmerte sich schneller als erwartet.

Angefangen hat alles mit den Anschlägen vom 11. September.

Ex-Präsident Bush griff Afghanistan an,

um den Terroristen ihren Rückzugsort zu nehmen.

Ziel war, Osama bin Laden und seine Anhänger auszuschalten.

Doch es ging anfangs auch darum, eine Zivilgesellschaft aufzubauen,

eine Demokratie nach westlichem Vorbild.

Dafür wurde viel investiert.

Aber stattdessen

steckten die USA und ihre Verbündeten in einem blutigen Krieg.

Er kostete mehr als 2000 US-Soldaten das Leben

und fand immer weniger Rückhalt in der US-amerikanischen Bevölkerung.

Deshalb wird der Abzug nun auf allen Kanälen damit begründet,

man habe das angestrebte Ziel erreicht.

Vor 20 Jahren gingen wir nach Afghanistan,

um die zu erledigen, die uns am 11. September angegriffen haben.

Wir waren erfolgreich und haben erreicht,

dass sie uns nicht erneut angreifen können.

Die Verantwortung für den schnellen Abzug liege bei Trump.

Der bei Friedensverhandlungen mit den Taliban

den 1. Mai dafür festgelegt habe.

Das lassen die Republikaner nicht gelten.

Am chaotischen Abzug sei nur Biden schuld.

Die Wirkung sei verheerend.

Jeder Terrorist in der ganzen Welt, in Syrien, im Irak, im Jemen,

in Afrika:

Er bejubelt die Niederlage des US-Militärs

durch eine terroristische Organisation.

Es gibt keinen Zweifel, die Chinesen werden jetzt nach Afghanistan gehen

und sich Zugang zu Bodenschätzen, den Seltenen Erden, verschaffen.

V.a. international ist der Vertrauensverlust für Biden groß.

Dabei wollte er allen Partnern vermitteln,

mit mir könnt ihr euch wieder auf die USA verlassen.

Dazu begrüße ich

den Terrorismus-Experten am Londoner King's College:

Peter Neumann.

Guten Abend, Herr Neumann. Guten Abend.

Helfen Sie uns, das zu verstehen:

Wieso gelang es den Taliban so leicht,

die Macht in Afghanistan zurückzuerobern?

Das hatte unterschiedliche Gründe.

Erstens die Tatsache, dass die militärische Unterstützung

des Westens tatsächlich entscheidend war.

Und das Gleichgewicht der Kräfte in Afghanistan

lange aufrecht erhalten blieb.

Als man sich rausgezogen hatte,

hat es sich zugunsten der Taliban verändert.

Dann kamen dazu die Taliban selbst,

die eine effektive Kampagne durchgeführt haben.

Effektiver, als viele erwartet haben.

Und dann natürlich die afghanischen Streitkräfte.

Auf dem Papier gab es 3000,

aber die gab es wahrscheinlich nicht wirklich.

Und sie waren korrupt.

Sie haben sich dann eher den Taliban angeschlossen,

als die begannen zu gewinnen, und das ging schneller als erwartet.

Und das haben westliche Geheimdienste,

allen voran amerikanische, nicht kommen sehen?

Mir ist kein Experte bekannt, der das so vorausgesagt hätte,

dass Kabul Mitte August fällt.

Es war aber ab Mai voraussehbar,

dass die Taliban eine starke Offensive machen.

Und dass nach dem Rückzug der westlichen Kräfte

wahrscheinlich irgendwann der Staat an die Taliban fallen wird.

Das war voraussehbar, in der Geschwindigkeit wohl nicht.

Woher kommen eigentlich Geld und Unterstützung für die Taliban?

Die Unterstützung von der Bevölkerung war immer schon da.

Wir haben unterschätzt, dass es uns ganz gut gefallen hat,

die Taliban als eine Terrorgruppe darzustellen.

Aber die waren immer mehr.

Sie waren eine paschtunische Stammesgruppe.

Sie waren tief verankert, religiös und sozial,

in Teilen der Gesellschaft.

Sie haben sich zurückgehalten,

waren aber geschickt darin, Allianzen zu schmieden.

Das haben sie sich zunutze gemacht.

Viele sind in Pakistan gewesen und kamen jetzt zurück.

Was die Waffen angehen:

Afghanistan ist durch 30, 40 Jahre Bürgerkrieg

eines der waffenreichsten Länder der Welt.

Mit jedem Sieg gegen die afghanischen Streitkräfte

fielen den Taliban noch mehr Waffen in die Hand.

Zuletzt haben wir Bilder von Taliban-Delegationen in China,

bei den Russen gesehen.

Was sagt uns das?

Das sagt uns, dass bestimmte Nachbarländer bereit sind,

die Taliban anzuerkennen.

China, Pakistan, der Iran: Das wird in den nächsten Tagen passieren.

Die Taliban hoffen darauf, dass es eine Beziehung zu China geben wird.

Das ist interessant, denn China

geht mit seiner eigenen islamischen Minderheit sehr rabiat um.

Aber die Taliban hofft auf Beziehungen,

durch die sie sich finanzieren kann.

Der Westen hat also wohl weniger Druckmittel, als wir uns vorstellen.

Sind die Taliban von heute noch die von vor 20 Jahren?

Wie glaubhaft sind die Ankündigungen,

Frauen- oder Minderheitenrechte respektieren zu wollen?

Ich glaube, das ist eine der interessantesten Fragen,

mit denen ich mich gerade beschäftige.

Innerhalb der Taliban gibt es eine pragmatische Fraktion.

Die haben Doha mit den Amerikanern verhandelt.

Die sagen, wir haben aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt.

Die sagen, wir haben unsere Ideologie nicht aufgegeben,

aber wir sind vorsichtiger, sie umzusetzen.

Es gibt auf der anderen Seite die Ideologen noch.

Viele Kommandeure, die gekämpft haben,

die im Prinzip von Anfang an

das ganze ideologische Programm durchsetzen wollen.

Wer sich langfristig durchsetzt, das wird man beobachten müssen.

Was macht dieses Ende des NATO-Einsatzes in Afghanistan

für das Ansehen des Westens in der Welt?

Das ist eine absolute Niederlage.

Das schafft auch ein Glaubwürdigkeitsproblem.

Aber es war nicht unvorhersehbar.

Das ist auch ein Argument von Präsident Biden.

Wir haben uns lange einer Illusion hingegeben.

Im Prinzip war die Situation vor etwa zehn Jahren auch nicht anders.

Es gibt dieses Problem,

aber gleichzeitig war die Situation nicht rettbar.

Zumindest was die Ziele angeht des Westens,

eine Demokratie und eine stabile Gesellschaft zu schaffen.

Der Siegeszug der Taliban

hat auch Auswirkungen auf die Kräfteverhältnisse in Asien.

V.a. China könnte wirtschaftlich profitieren.

Weitere Nachrichten.

China hat die Taliban zur friedlichen Machtübernahme aufgefordert.

Man respektiere den Willen und die Entscheidung des afghanischen Volkes.

Markus Gürne, von der Frankfurter Börse.

China deutete in einer Erklärung freundliche Beziehungen

zu einer Taliban-Regierung an.

Der Grund: wirtschaftliche Interessen.

In Afghanistan sind viele Vorkommen wertvoller Rohstoffe.

Rohstoffe, auf die China bereits seit geraumer Zeit ein Auge geworfen hat.

Schätzwert der Bodenschätze: Ein bis drei Billionen US-Dollar.

Das Engagement Chinas mit der bisherigen Regierung in Kabul

lag v.a. darin:

Durch Förderung ziviler Projekte Zugriff auf Rohstoffe zu bekommen.

Nun festigt Peking mit dem neuen Kurs

seinen Zugriff auf Afghanistans Bodenschätze.

Nach dem schweren Erdbeben in Haiti

ist die Zahl der Todesopfer auf fast 1300 gestiegen.

Laut Zivilschutz sind Tausende obdachlos.

Helfer versuchen weiter, Verschüttete zu bergen.

Mehrere Länder entsandten Such- und Rettungsteams sowie Hilfsgüter.

Die Bergungsarbeiten

könnten durch den Tropensturm Grace erschwert werden.

Das US-Hurrikan-Zentrum warnte vor Überschwemmungen und Erdrutschen.

Unter freiem Himmel werden sie versorgt -

teils nur von Angehörigen.

Mehr Hilfe ist für diese Menschen derzeit in Les Cayes nicht da.

Dieser Ort ist am stärksten vom Erdbeben der Stärke 7,2 betroffen.

Es kommen sehr viele Menschen, es ist sehr hart.

Alle sind im Einsatz, aber es reicht nicht.

Die Zahl der Toten steigt stündlich.

Haiti braucht Hilfe, um die Katastrophe zu bewältigen.

Hilfsgüter mit Medikamenten und Lebensmitteln sind auf dem Weg.

Erste Rettungsteams sind vor Ort im Einsatz.

Alle Einsatzkräfte

suchen in den Trümmern nach Überlebenden und Opfern.

Ich habe die Würde der Menschen angesichts der Katastrophe bemerkt.

Sie sind traurig, leiden, aber sie sind standhaft.

Große Sorge bereitet Tropensturm Grace.

Er hat Haiti erreicht.

Er würde die Suche nach Überlebenden deutlich erschweren.

Und er würde diejenigen treffen, die bereits am stärksten leiden:

Diejenigen, die kein Dach mehr über dem Kopf haben.

Im Berliner Regierungsviertel haben Umweltschutzgruppen heute

mit ihren angekündigten Protestaktionen begonnen.

Hunderte Klimaaktivisten

demonstrierten rund um das Brandenburger Tor.

Die Polizei stellte ein Großaufgebot.

Beamte lösten Sitzblockaden auf

und trug Demonstrierende von der Fahrbahn.

Die Proteste verliefen meist friedlich.

Mehrere Klimaschutzorganisationen

haben für die ganze Woche Aktionen angekündigt.

Nun also doch:

Lange hatte sich die Ständige Impfkommission geweigert,

12- bis 17-Jährigen die Corona-Impfung zu empfehlen.

Die Studien seien noch nicht so belastbar.

Inzwischen hat sich die Datenlage offenbar verbessert.

Man sehe mehr Vorteile als Risiken, so das Expertengremium heute.

Es sprach die Impfempfehlung also auch für diese Altersgruppe aus.

Auch heute ist wieder der Wert gestiegen,

der seit Monaten DER Indikator für die Corona-Lage ist.

Die 7-Tage-Inzidenz - hier die aktuelle.

In Baden-Württemberg dieser Messwert nun ausgedient.

Die Sieben-Tage-Inzidenz.

Seit 18 Monaten ist sie die Fieberkurve dieses Landes,

ist Maßstab für Freiheiten und Einschränkungen.

Ein Maßstab,

der ab heute in Baden-Württemberg nicht mehr auschlaggebend ist.

Das erste Gefühl? Verunsicherung.

Das ist schon recht komisch.

Wenn die Inzidenz nicht mehr gilt, was gilt dann?

Es gelten die 3G-Regeln.

Ob beim Frisör oder hier im Stuttgarter Zoo Wilhelma:

Nur, wer geimpft, getestet oder genesen ist, darf hinein.

Dafür aber nach den neuen Regeln beliebig viele Menschen

und unabhängig von der derzeitigen Inzidenz.

Ist die also egal?

Nein, die Inzidenz ist natürlich nicht egal.

Sie spielt immer eine Rolle bei der Beurteilung der Lage.

Auf der Ministerpräsidentenkonferenz wurde beschlossen:

Neben der Inzidenz sollen künftig Faktoren wie die Impfquote, R-Wert

oder die Auslastung der Intensivstationen eine Rolle spielen.

Solange diese keine Überlastung des Gesundheitssystems anzeigen,

können alle sich frei bewegen in Baden-Württemberg.

Das Theaterhaus Stuttgart beispielsweise dürfte ab heute

auch seine Säle wieder voll besetzen.

Erstmals nach einer monatelangen Durststrecke.

Man muss aber bedenken, das Publikum muss da mitmachen.

Das ist die große Unbekannte, ob die Menschen dem vertrauen.

Eine weitere Unbekannte:

Wie gut schützen die 3G-Regeln bei steigenden Infektionszahlen?

Es hängt ein bisschen davon ab, wie das dritte G gestaltet ist.

Wenn das der reine Antigen-Schnelltest ist,

habe ich ein Problem damit, da wünsche ich mir einen PCR-Test.

Dieser ist ab heute nur in Diskotheken Eintritts-Voraussetzung.

Sehr zum Leidwesen der Klubbetreiber.

Die fürchten, dass Ungeimpfte fern bleiben,

wenn sie teure PCR-Tests selbst zahlen müssen.

Die Landesregierung hofft auf einen Impfschub.

Es geht darum, wer geimpft ist,

hat ein unkompliziertes Leben und das ist die Botschaft:

Lassen Sie sich impfen und alle Fragen um die Teste sind irrelevant.

Baden-Württemberg hat seine Corona-Verordnung geändert,

andere Bundesländer werden wohl nachziehen.

Die Inzidenz ist damit nicht mehr das, was sie einmal war:

Das Maß aller Dinge.

Der Blick aufs Wetter geht wieder mit einem Unwetter los, Karsten.

Es gibt gleich zwei Unwetter, die uns beschäftigt haben.

In Garmisch-Partenkirchen gab es ein Drama in der Höllentalklamm:

Hier gab es heute Sturzfluten nach Gewitter-Starkregen.

Acht Menschen wurden gerettet, zwei werden noch vermisst.

Es gab große Unterschiede auf kleinem Raum.

Blau eingezeichnet nur so 20-30 mm.

Im Zugspitzmassiv mehr als 50 mm pro Quadratmeter.

Auf einem Bild von gestern Nachmittag, vor dem Regen,

da sieht man das enge Felstal der Klamm.

Im Nordwesten Deutschlands gab es einen kräftigen Tornado.

Glücklicherweise gibt es keine Meldungen von Verletzten.

Aber es gibt viele Schäden.

Autos wurden durch die Gegend gewirbelt ...

Zum Wetter:

in der Nacht kräftige Schauer und Gewitter im Norden.

Es gibt Sturmböen.

Tagsüber zieht das Ganze nach Nordosten.

Tagsüber im Westen neue Bewölkung mit leichtem Regen.

Es ist grau, bewölkt und nass.

Mit vielen Wolken geht es weiter.

Etwas Regen.

Am Donnerstag mehr Sonne.

Danke, Karsten.

Das war's von uns.

Hier geht's weiter mit dem ersten Teil

der Reportagereihe HERstory - Geschichte aus weiblicher Sicht.

Heute zum Thema medizinische Forschung.

Dort ist noch immer der Mann Standard gesetzt.

Um 0.35 Uhr bringt Sie Constantin Schreiber

im nachtmagazin auf den neuesten Stand.

Bis morgen Abend.

Tschüss und bleiben Sie zuversichtlich.

Copyright Untertitel: NDR 2021


tagesthemen 16.08.2021, 22:31 Uhr - Taliban übernehmen die Macht in Afghanistan: Chaotische Zustände am Flughafen tagesthemen 16.08.2021, 22:31 Uhr - Taliban take power in Afghanistan: chaotic conditions at the airport tagesthemen 16.08.2021, 22:31 - Os talibãs tomam o poder no Afeganistão: situação caótica no aeroporto

Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit den tagesthemen.

Diese Sendung wurde vom NDR live untertitelt (16.08.2021)

Die Entwicklungen der letzten Tage sind bitter.

Sie haben langfristige Folgen für die Region und für uns.

Es gibt nichts zu beschönigen.

Bundesregierung, Nachrichtendienste, die internationale Gemeinschaft,

wir haben die Lage falsch eingeschätzt.

Die bittere Bilanz nach 20 Jahren Einsatz am Hindukusch,

die der deutsche Außenminister Heiko Maas heute zog.

Willkommen zu den tagesthemen.

Angesichts der Berichte, die uns aus Afghanistan und speziell aus Kabul

und rund um den Flughafen dort erreichen:

Es bleibt auch nicht viel übrig, als die Lage derart zu beschreiben.

Menschen, die sich aus Furcht vor den Taliban an Flugzeuge klammern,

die verzweifelt zu fliehen versuchen, egal wie.

Währenddessen hat die deutsche Luftwaffe versucht,

eine Luftbrücke nach Kabul aufzubauen.

Wegen chaotischer Zustände am Flughafen dort

brach ein Militärtransporter den Landeversuch ab.

Oliver Mayer.

Vor wenigen Tagen haben wir Zalmai Ahmadi noch hier getroffen.

In einem "Safe House" in Kabul.

Das war bevor die Taliban Kabul einnahmen.

Heute haben er und die 100 ehemaligen Ortskräfte der Bundeswehr,

die hier untergebracht waren, das Safe House aufgelöst.

Ahmadi, der 13 Jahre lang für die Bundeswehr arbeitete,

versteckt sich bei einem Freund.

Ich habe keinen anderen Ausweg,

außer, dass ich mich hier aufhalten muss.

Alle sind weggegangen und viele Ortskräfte

haben ihren Arbeitsvertrag dabei gehabt.

Das ist natürlich sau gefährlich,

wenn die mit ihren Verträgen erwischt werden.

Das ist genau wie die Todesstrafe.

Ihm geht es wie vielen - sie wollen das Land schnellstmöglich verlassen.

Am Flughafen von Kabul Chaos.

Die Leute kletterten über Mauern und belagerten das Rollfeld.

Einige waren so verzweifelt, dass sie versuchten,

sich an eine US-Militärmaschine zu klammern.

Die Leute versuchen zu fliehen weil die Situation eine Katastrophe ist.

Alle versuchen zum Flughafen zu kommen aber wir haben auch gehört,

dass hier Menschen erschossen wurden.

Keiner weiß etwas darüber.

Aufgrund der unübersichtlichen Lage am Flughafen

mussten die Evakuierungsflüge ausgesetzt werden.

Eine Bundeswehrmaschine, die am Abend in Kabul ankommen sollte,

drehte stundenlang Kreise über Kabul und konnte nicht landen.

Man weiß nicht, ob sich kriminelle Elemente einmischen können.

Die Amerikaner stellen die Lage vor Ort wieder her.

Dennoch bleibt sowohl der Anflug wie auch das Groundhandling,

das Aufnehmen der zu evakuierenden Schutzpersonen, risikobehaftet.

Auf den Straßen Kabuls regieren seit heute die Taliban.

Während im Hintergrund Gespräche zu einer Machtübergabe laufen,

feiern die Taliban ihre Erfolge.

Ich möchte der Bevölkerung zu diesem Sieg gratulieren.

Insbesondere den Einwohnern Kabuls.

Das, was wir erreicht haben, ist einzigartig und besonders.

Es war nur mit der Hilfe Gottes möglich.

Wir werden nun aber nicht überheblich damit umgehen.

Seit gestern Abend lebt Zalmai Ahmadi in größter Angst.

Er erzählt, dass die Taliban bereits an Türen klopften,

um ehemalige Ortskräfte ausfindig zu machen.

Die deutschen Soldaten versprachen, ein Visum zu besorgen,

nun fühlt er sich im Stich gelassen.

Sie hätten uns vor einem Monat oder vor zwei Wochen sagen können,

dass wir euch nicht mitnehmen, oder dass wir euch nicht helfen.

Dass wir nach Pakistan oder nach Iran hätten fliehen können.

Irgendwohin, egal.

Aber im letzten Moment haben sie versagt und uns hier gelassen,

damit die Taliban uns töten.

Ahmadi hofft, dass er die nächsten Tage überlebt

und er irgendwie doch noch nach Deutschland kommt.

Und vor wenigen Minuten kam die Meldung,

dass eine der Bundeswehrmaschinen in Kabul gelandet ist.

Wie der Außenminister, versuchte auch die Kanzlerin gar nicht erst,

die Dinge schönzureden und stellte ernüchtert fest:

Die Bundesregierung

habe die Entwicklung in Afghanistan "falsch eingeschätzt".

Wer trägt also Verantwortung für dieses Debakel?

Hätte das Außenministerium

früher auf seine Botschaft in Kabul hören müssen?

Hätte das Verteidigungsministerium

sich früher auf Evakuierungen vorbereiten müssen?

Die Kritik an den Versäumnissen der Bundesregierung

seitens der Opposition ist massiv.

Es sieht aus wie ein normaler Tag im politischen Berlin.

Limousinen fahren vor, Abgeordnete verschwinden im Konrad-Adenauer-Haus.

Dann versucht die Verteidigungsministerin,

Ruhe auszustrahlen.

Wir werden in einem robusten Einsatz, einem Mandat,

solange es die Möglichkeiten vor Ort zulassen:

So viele Menschen wie möglich aus Kabul rausholen.

In diesem Auftrag sind die Männer und Frauen der Bundeswehr

seit dem Morgen unterwegs.

Doch jeder weiß:

Diese A400M-Maschinen, die deutsche und Ortskräfte ausfliegen sollen,

kommen womöglich nicht mehr rechtzeitig.

Der Auftrag wird von Stunde zu Stunde gefährlicher.

Die Bundesregierung hat vielleicht zu spät reagiert.

Wie kommt das?

Vor Wochen hatte die deutsche Botschaft in Kabul gewärmt.

Zeigen Recherchen des ARD-Hauptstadtstudios.

Der Ablauf der letzten Tage

muss von der Bundesregierung offengelegt werden.

Gab es tatsächlich Hinweise aus der Botschaft?

Falls ja, warum wurden diese nicht ernst genommen?

Es zeigt:

Es war fatal, wie das Auswärtige Amt und die Bundesregierung

die Augen vor der Realität verschlossen hat.

Wir hatten bereits vor Beginn der Sommerpause

im Deutschen Bundestag beantragt, Menschen zu evakuieren.

Es wurde nicht getan, man hat es negiert.

Die Reaktion der Regierung, macht den den Tag in Berlin besonders.

Erst gibt der Außenminister zu,

das Kabinett war nicht auf der Höhe der Zeit.

Es gibt nichts zu beschönigen.

Wir, die Bundesregierung, die Nachrichtendienste,

die internationale Gemeinschaft haben die Lage falsch eingeschätzt.

Die Geschwindigkeit, mit der sich die afghanischen Sicherheitskräfte

vor den Taliban zurückgezogen haben:

Die haben weder wir noch unsere Partner oder Experten vorhergesehen.

Danach tritt die Kanzlerin vor die Kameras.

Sie gibt zu, der Einsatz am Hindukusch

und die Idee der Demokratisierung Afghanistans seien gescheitert.

Wir waren fast 20 Jahren Afghanistan.

In dieser Zeit ist nicht gelungen.

Es war keine erfolgreiche Bemühung.

Daraus muss man Lehren ziehen.

Und seine Ziele auch ...

... kleiner fassen bei solchen Einsätzen.

Zu viel gewollt und gescheitert also -

ein historischer Satz der Kanzlerin.

Ihre eigene Partei macht sich seit dem Morgen Gedanken darüber,

dass zu viele Afghanen nach Deutschland flüchten könnten.

2015 darf sich nicht wiederholen. Wir haben unsere Lektion gelernt.

2015 darf sich nicht wiederholen.

2015 darf sich nicht wiederholen.

Das klingt nach gewöhnlichem politischen Geschäft

an einem außergewöhnlichen Tag in Berlin.

Ich begrüße den CDU-Partei-Chef und Kanzlerkandidaten der Union,

Armin Laschet, heute Abend in Rostock.

Guten Abend, Herr Laschet. Guten Abend.

Da klammern sich Menschen an startende Flugzeuge,

und Ihre größte Sorge ist, dass sich 2015 nicht wiederholen dürfe.

Das haben Sie nicht richtig verstanden.

Ich habe gestern drei Vorschläge gemacht.

Dass wir sofort vor Ort sind, dass wir die Ortskräfte herausholen.

Wir sind unter schwierigen Bedingungen gelandet.

Wir müssen eine Luftbrücke einrichten.

Zweitens:

Es darf nicht nur die Ortskräfte betreffen, sondern gerade Frauen:

Künstlerinnen, Schriftstellerinnen, Menschenrechtsaktivistinnen.

Die müssen die Chance haben, das Land schnell zu verlassen.

Deutschland sollte so viele wie möglich aufnehmen.

Das Dritte ist, was wird in Folge geschehen,

wenn wir neue, große Flugbewegungen erleben.

Die Kanzlerin hat gesagt, eine Lehre aus 2015 ist,

rechtzeitig helfen in der Region der Herkunftsländer.

Damit dort mit dem UN-Flüchtlingskommissar

alles bereitgestellt wird,

dass Menschen in der Region bleiben können.

Diese Aussage habe ich heute getätigt.

Es muss europäisch abgestimmt sein.

Die Außenminister sollten sich kurzfristig treffen.

Das kann man ja alles auch machen.

Aber die Menschen, die sich verzweifelt am Flughafen drängeln

und an die Maschinen klammern, die hatten sich auf uns verlassen.

Die fühlen sich im Stich gelassen.

Müssten wir nicht mit den anderen europäischen Ländern

über afghanische Flüchtlingskontingente sprechen?

Ja, wir müssen diesen Prozess ordnen.

Das ist mein Vorschlag, aber er muss europäisch abgestimmt sein.

Erst mal müssen wir die, die sich auf uns verlassen haben,

aus dem Land bringen.

Die Frage ist, wie lange die Korridore noch offen sind.

US-Präsident Biden hat in diesen Minuten den Taliban gedroht:

Wenn sie amerikanische Soldaten angreifen würden,

würde dies Gegenmaßnahmen bedeuten.

Ich wünsche mir, dass wir jetzt Stunde um Stunde

so viele dieser Ortskräfte herausholen wie möglich.

Das sind Mitarbeiter, die für die Bundeswehr gearbeitet haben.

Aber auch Mitarbeiter der internationalen Zusammenarbeit,

aus Europa, die keine eigenen Streitkräfte vor Ort haben.

Das wird die größte Aufgabe der nächsten Stunden sein.

Es ist die Zeit der Rettung.

Das passiert derzeit in Afghanistan.

Wenn Sie und Ihre Parteimitglieder sagen,

2015 darf sich nicht wiederholen, wirkt es,

als sei der Innenpolitisches wichtiger als die Rettungsaktion.

Die deutsche Botschaft in Kabul hat schon vor Wochen

auf die Gefahr für Mitarbeiter und Ortskräfte hingewiesen.

Wie konnte es dazu kommen, dass die von Ihrer Partei geführte Regierung

die Ausreise der Ortskräfte immer wieder verzögert hat?

Und nun so überrumpelt wurde?

Erstmals zu Ihrer Einleitung:

Ich gehörte 2015 zu denen,

die den Kurs der Kanzlerin für richtig gehalten haben.

Das bleibt richtig.

Aber die Lehre war, dass ein solch unkoordinierter Zustand,

dass bis zu eine Millionen Menschen an österreichischen Grenzen waren:

Das darf es nicht mehr geben.

Wir müssen proaktiv helfen.

Aber jetzt ist es zu spät für viele Menschen in Afghanistan.

Nein, wir müssen alles tun, was noch geht.

Danach wird es weitere Bewegungen geben.

Und die besonders Schutzbedürftigen, die ich eben benannte,

ich will das mit Frauen betonen, sie sind die Hauptopfer der Taliban:

Sie brauchen unseren Schutz.

Der zweite Teil Ihrer Frage, ja, die Schuld ist eingestanden.

Der Bundesaußenminister hat es heute beschrieben.

Die Bundesregierung hat, wie alle internationalen Institutionen,

eine Fehlkalkulation gemacht.

Sie sprachen sich noch vor zwei Wochen

für Abschiebungen nach Afghanistan aus.

Da war der Taliban-Vormarsch schon absehbar.

Wollten Sie das nicht wahrhaben, was in dem Land gerade passiert?

Herr Zamperoni, das Auswärtige Amt gibt Lageberichte ab,

in welche Länder abgeschoben werden darf.

Es geht da um sehr schwere Fälle.

Wenn das Auswärtige Amt sagt, man könne abschieben,

dann wird das gemacht.

Vor wenigen Tagen hat das Amt seine Lageeinschätzung geändert.

Die Grünen wollten schon Ende Juni Ortskräfte aus dem Land holen.

Die CDU hat da noch dagegen gestimmt.

Wir können das jetzt so machen ...

Wir werden das alles aufarbeiten.

Es müssen auch Konsequenzen gezogen werden.

Aber jetzt sind wir mitten im Rettungseinsatz.

Die Grünen haben auch bei manchem Mandat nicht mehr mitbestimmt,

wo die Bundeswehr beauftragt war.

Aber in diesen Stunden, wo die Bundeswehr versucht,

Menschen zu retten:

Da sollten wir nicht ins parteipolitische Hickhack verfallen.

Es wird aufgeklärt.

Wir müssen Konsequenzen ziehen.

Wir müssen uns bei solchen Einsätzen besser überlegen, was ist das Ziel?

Wie geht man hinein und geordnet wieder hinaus?

Wie können Europäer selbst handlungsfähig werden.

Wir waren fast ausschließlich in diesem Fall

von den Amerikanern abhängig.

Das Bundestagsmandat ging noch bis 2022,

aber als die Amerikaner sagten, sie ziehen sich zurück:

Da ist die Bundeswehr nicht alleine der Lage,

in einem solchen Land zu bleiben.

Das muss schonungslos analysiert werden.

Ohne Rücksicht auf Parteien.

Aber im Moment steht der Rettungseinsatz im Mittelpunkt.

Darauf sollten wir uns konzentrieren.

Es ist eine der gefährlichsten Einsätze der Bundeswehr.

Ein robustes Mandat, da sollten wir in Deutschland nicht streiten,

während andere sich um das Leben von Ortskräften und anderen kümmern.

Was die Politik in Afghanistan falsch gemacht hat -

dazu Kristin Schwietzer aus unserem Hauptstadtstudio:

In der CDU haben heute einige den Schuldigen schnell gefunden.

Der Außenminister habe die Lage falsch eingeschätzt.

Heiko Maas räumt später Fehler ein,

sieht aber auch Versäumnisse bei der internationalen Gemeinschaft.

Wer ist wofür verantwortlich? Schuldzuweisungen.

In meinen Augen eine Scheindebatte.

Dabei stehen wir ratlos vor der Frage:

Warum wehren sich die Afghanen gegen die Taliban nicht?

Vielleicht, weil sie nicht wissen, wofür es sich zu kämpfen lohnt.

Für welches Land, für welche Ideale.

Wir haben es in 20 Jahren nicht geschafft,

den Afghanen das zu vermitteln.

Wir sind dorthin gegangen, auch um unsere Sicherheit zu verteidigen.

Das war richtig.

Wir haben geglaubt, die Afghanen wollen leben wie wir.

Eine Fehleinschätzung.

Jetzt müssen sich die Außenminister zusammensetzen.

Konferenzen werden einberufen.

Menschen sollen schnell in Sicherheit gebracht werden.

Die Nachbarstaaten sollen mehr eingebunden werden.

Pakistan etwa nimmt schon Flüchtlinge auf.

Das Problem soll weit wegbleiben.

All das kommt zu spät.

Das Vertrauen der Afghanen, dass wir, die internationale Gemeinschaft,

ihr Leben besser machen, ist zerstört.

Das können wir so schnell nicht korrigieren.

Angela Merkel benannte es heute:

"Es sei vieles nicht geglückt, was wir uns vorgenommen haben."

Das ist bitter.

Man kann ein Land nicht an den Menschen vorbei befrieden.

Warum gehe ich dorthin und was kann ich bewirken?

Wir sollten diese Fragen beantworten,

bevor wir in einen Einsatz gehen oder einen beenden.

Das ist wichtiger als Schuldzuweisungen in Wahlkampfzeiten.

Die Meinung von Kristin Schwietzer.

Es sei an der Zeit, Amerikas längsten Krieg zu beenden.

US-Präsident Biden hatte im April mit Pathos

den Rückzug der US-Truppen aus Afghanistan angekündigt.

Doch statt als Friedensstifter dazustehen:

Dieses plötzliche Ende dieser Mission

wirft tiefe Schatten auf Bidens junge Präsidentschaft.

Denn auch wenn die USA

nicht alleinverantwortlich für das Debakel sind:

So waren es doch Entscheidungen aus Washington,

mit denen das Drama seinen Anfang nahm.

Entscheidungen,

für die Biden nun im Land scharf attackiert wird.

Früher als geplant

kam US-Präsident Biden von Camp David nach Washington zurück.

Die Kritik, er schweige angesichts des Afghanistan-Debakels, wog schwer.

Als Biden dann vor wenigen Minuten vor die Kameras tritt,

lässt er keinen Zweifel daran, er hält an dem beschlossenen Abzug fest.

Ich stehe voll und ganz hinter meiner Entscheidung.

Nach 20 Jahren musste ich es bitter lernen,

dass es nie einen guten Zeitpunkt gibt, Truppen abzuziehen.

Ich habe dem amerikanischen Volk immer versprochen, ehrlich zu sein.

Es stimmt, die Lage verschlimmerte sich schneller als erwartet.

Angefangen hat alles mit den Anschlägen vom 11. September.

Ex-Präsident Bush griff Afghanistan an,

um den Terroristen ihren Rückzugsort zu nehmen.

Ziel war, Osama bin Laden und seine Anhänger auszuschalten.

Doch es ging anfangs auch darum, eine Zivilgesellschaft aufzubauen,

eine Demokratie nach westlichem Vorbild.

Dafür wurde viel investiert.

Aber stattdessen

steckten die USA und ihre Verbündeten in einem blutigen Krieg.

Er kostete mehr als 2000 US-Soldaten das Leben

und fand immer weniger Rückhalt in der US-amerikanischen Bevölkerung.

Deshalb wird der Abzug nun auf allen Kanälen damit begründet,

man habe das angestrebte Ziel erreicht.

Vor 20 Jahren gingen wir nach Afghanistan,

um die zu erledigen, die uns am 11. September angegriffen haben.

Wir waren erfolgreich und haben erreicht,

dass sie uns nicht erneut angreifen können.

Die Verantwortung für den schnellen Abzug liege bei Trump.

Der bei Friedensverhandlungen mit den Taliban

den 1. Mai dafür festgelegt habe.

Das lassen die Republikaner nicht gelten.

Am chaotischen Abzug sei nur Biden schuld.

Die Wirkung sei verheerend.

Jeder Terrorist in der ganzen Welt, in Syrien, im Irak, im Jemen,

in Afrika:

Er bejubelt die Niederlage des US-Militärs

durch eine terroristische Organisation.

Es gibt keinen Zweifel, die Chinesen werden jetzt nach Afghanistan gehen

und sich Zugang zu Bodenschätzen, den Seltenen Erden, verschaffen.

V.a. international ist der Vertrauensverlust für Biden groß.

Dabei wollte er allen Partnern vermitteln,

mit mir könnt ihr euch wieder auf die USA verlassen.

Dazu begrüße ich

den Terrorismus-Experten am Londoner King's College:

Peter Neumann.

Guten Abend, Herr Neumann. Guten Abend.

Helfen Sie uns, das zu verstehen:

Wieso gelang es den Taliban so leicht,

die Macht in Afghanistan zurückzuerobern?

Das hatte unterschiedliche Gründe.

Erstens die Tatsache, dass die militärische Unterstützung

des Westens tatsächlich entscheidend war.

Und das Gleichgewicht der Kräfte in Afghanistan

lange aufrecht erhalten blieb.

Als man sich rausgezogen hatte,

hat es sich zugunsten der Taliban verändert.

Dann kamen dazu die Taliban selbst,

die eine effektive Kampagne durchgeführt haben.

Effektiver, als viele erwartet haben.

Und dann natürlich die afghanischen Streitkräfte.

Auf dem Papier gab es 3000,

aber die gab es wahrscheinlich nicht wirklich.

Und sie waren korrupt.

Sie haben sich dann eher den Taliban angeschlossen,

als die begannen zu gewinnen, und das ging schneller als erwartet.

Und das haben westliche Geheimdienste,

allen voran amerikanische, nicht kommen sehen?

Mir ist kein Experte bekannt, der das so vorausgesagt hätte,

dass Kabul Mitte August fällt.

Es war aber ab Mai voraussehbar,

dass die Taliban eine starke Offensive machen.

Und dass nach dem Rückzug der westlichen Kräfte

wahrscheinlich irgendwann der Staat an die Taliban fallen wird.

Das war voraussehbar, in der Geschwindigkeit wohl nicht.

Woher kommen eigentlich Geld und Unterstützung für die Taliban?

Die Unterstützung von der Bevölkerung war immer schon da.

Wir haben unterschätzt, dass es uns ganz gut gefallen hat,

die Taliban als eine Terrorgruppe darzustellen.

Aber die waren immer mehr.

Sie waren eine paschtunische Stammesgruppe.

Sie waren tief verankert, religiös und sozial,

in Teilen der Gesellschaft.

Sie haben sich zurückgehalten,

waren aber geschickt darin, Allianzen zu schmieden.

Das haben sie sich zunutze gemacht.

Viele sind in Pakistan gewesen und kamen jetzt zurück.

Was die Waffen angehen:

Afghanistan ist durch 30, 40 Jahre Bürgerkrieg

eines der waffenreichsten Länder der Welt.

Mit jedem Sieg gegen die afghanischen Streitkräfte

fielen den Taliban noch mehr Waffen in die Hand.

Zuletzt haben wir Bilder von Taliban-Delegationen in China,

bei den Russen gesehen.

Was sagt uns das?

Das sagt uns, dass bestimmte Nachbarländer bereit sind,

die Taliban anzuerkennen.

China, Pakistan, der Iran: Das wird in den nächsten Tagen passieren.

Die Taliban hoffen darauf, dass es eine Beziehung zu China geben wird.

Das ist interessant, denn China

geht mit seiner eigenen islamischen Minderheit sehr rabiat um.

Aber die Taliban hofft auf Beziehungen,

durch die sie sich finanzieren kann.

Der Westen hat also wohl weniger Druckmittel, als wir uns vorstellen.

Sind die Taliban von heute noch die von vor 20 Jahren?

Wie glaubhaft sind die Ankündigungen,

Frauen- oder Minderheitenrechte respektieren zu wollen?

Ich glaube, das ist eine der interessantesten Fragen,

mit denen ich mich gerade beschäftige.

Innerhalb der Taliban gibt es eine pragmatische Fraktion.

Die haben Doha mit den Amerikanern verhandelt.

Die sagen, wir haben aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt.

Die sagen, wir haben unsere Ideologie nicht aufgegeben,

aber wir sind vorsichtiger, sie umzusetzen.

Es gibt auf der anderen Seite die Ideologen noch.

Viele Kommandeure, die gekämpft haben,

die im Prinzip von Anfang an

das ganze ideologische Programm durchsetzen wollen.

Wer sich langfristig durchsetzt, das wird man beobachten müssen.

Was macht dieses Ende des NATO-Einsatzes in Afghanistan

für das Ansehen des Westens in der Welt?

Das ist eine absolute Niederlage.

Das schafft auch ein Glaubwürdigkeitsproblem.

Aber es war nicht unvorhersehbar.

Das ist auch ein Argument von Präsident Biden.

Wir haben uns lange einer Illusion hingegeben.

Im Prinzip war die Situation vor etwa zehn Jahren auch nicht anders.

Es gibt dieses Problem,

aber gleichzeitig war die Situation nicht rettbar.

Zumindest was die Ziele angeht des Westens,

eine Demokratie und eine stabile Gesellschaft zu schaffen.

Der Siegeszug der Taliban

hat auch Auswirkungen auf die Kräfteverhältnisse in Asien.

V.a. China könnte wirtschaftlich profitieren.

Weitere Nachrichten.

China hat die Taliban zur friedlichen Machtübernahme aufgefordert.

Man respektiere den Willen und die Entscheidung des afghanischen Volkes.

Markus Gürne, von der Frankfurter Börse.

China deutete in einer Erklärung freundliche Beziehungen

zu einer Taliban-Regierung an.

Der Grund: wirtschaftliche Interessen.

In Afghanistan sind viele Vorkommen wertvoller Rohstoffe.

Rohstoffe, auf die China bereits seit geraumer Zeit ein Auge geworfen hat.

Schätzwert der Bodenschätze: Ein bis drei Billionen US-Dollar.

Das Engagement Chinas mit der bisherigen Regierung in Kabul

lag v.a. darin:

Durch Förderung ziviler Projekte Zugriff auf Rohstoffe zu bekommen.

Nun festigt Peking mit dem neuen Kurs

seinen Zugriff auf Afghanistans Bodenschätze.

Nach dem schweren Erdbeben in Haiti

ist die Zahl der Todesopfer auf fast 1300 gestiegen.

Laut Zivilschutz sind Tausende obdachlos.

Helfer versuchen weiter, Verschüttete zu bergen.

Mehrere Länder entsandten Such- und Rettungsteams sowie Hilfsgüter.

Die Bergungsarbeiten

könnten durch den Tropensturm Grace erschwert werden.

Das US-Hurrikan-Zentrum warnte vor Überschwemmungen und Erdrutschen.

Unter freiem Himmel werden sie versorgt -

teils nur von Angehörigen.

Mehr Hilfe ist für diese Menschen derzeit in Les Cayes nicht da.

Dieser Ort ist am stärksten vom Erdbeben der Stärke 7,2 betroffen.

Es kommen sehr viele Menschen, es ist sehr hart.

Alle sind im Einsatz, aber es reicht nicht.

Die Zahl der Toten steigt stündlich.

Haiti braucht Hilfe, um die Katastrophe zu bewältigen.

Hilfsgüter mit Medikamenten und Lebensmitteln sind auf dem Weg.

Erste Rettungsteams sind vor Ort im Einsatz.

Alle Einsatzkräfte

suchen in den Trümmern nach Überlebenden und Opfern.

Ich habe die Würde der Menschen angesichts der Katastrophe bemerkt.

Sie sind traurig, leiden, aber sie sind standhaft.

Große Sorge bereitet Tropensturm Grace.

Er hat Haiti erreicht.

Er würde die Suche nach Überlebenden deutlich erschweren.

Und er würde diejenigen treffen, die bereits am stärksten leiden:

Diejenigen, die kein Dach mehr über dem Kopf haben.

Im Berliner Regierungsviertel haben Umweltschutzgruppen heute

mit ihren angekündigten Protestaktionen begonnen.

Hunderte Klimaaktivisten

demonstrierten rund um das Brandenburger Tor.

Die Polizei stellte ein Großaufgebot.

Beamte lösten Sitzblockaden auf

und trug Demonstrierende von der Fahrbahn.

Die Proteste verliefen meist friedlich.

Mehrere Klimaschutzorganisationen

haben für die ganze Woche Aktionen angekündigt.

Nun also doch:

Lange hatte sich die Ständige Impfkommission geweigert,

12- bis 17-Jährigen die Corona-Impfung zu empfehlen.

Die Studien seien noch nicht so belastbar.

Inzwischen hat sich die Datenlage offenbar verbessert.

Man sehe mehr Vorteile als Risiken, so das Expertengremium heute.

Es sprach die Impfempfehlung also auch für diese Altersgruppe aus.

Auch heute ist wieder der Wert gestiegen,

der seit Monaten DER Indikator für die Corona-Lage ist.

Die 7-Tage-Inzidenz - hier die aktuelle.

In Baden-Württemberg dieser Messwert nun ausgedient.

Die Sieben-Tage-Inzidenz.

Seit 18 Monaten ist sie die Fieberkurve dieses Landes,

ist Maßstab für Freiheiten und Einschränkungen.

Ein Maßstab,

der ab heute in Baden-Württemberg nicht mehr auschlaggebend ist.

Das erste Gefühl? Verunsicherung.

Das ist schon recht komisch.

Wenn die Inzidenz nicht mehr gilt, was gilt dann?

Es gelten die 3G-Regeln.

Ob beim Frisör oder hier im Stuttgarter Zoo Wilhelma:

Nur, wer geimpft, getestet oder genesen ist, darf hinein.

Dafür aber nach den neuen Regeln beliebig viele Menschen

und unabhängig von der derzeitigen Inzidenz.

Ist die also egal?

Nein, die Inzidenz ist natürlich nicht egal.

Sie spielt immer eine Rolle bei der Beurteilung der Lage.

Auf der Ministerpräsidentenkonferenz wurde beschlossen:

Neben der Inzidenz sollen künftig Faktoren wie die Impfquote, R-Wert

oder die Auslastung der Intensivstationen eine Rolle spielen.

Solange diese keine Überlastung des Gesundheitssystems anzeigen,

können alle sich frei bewegen in Baden-Württemberg.

Das Theaterhaus Stuttgart beispielsweise dürfte ab heute

auch seine Säle wieder voll besetzen.

Erstmals nach einer monatelangen Durststrecke.

Man muss aber bedenken, das Publikum muss da mitmachen.

Das ist die große Unbekannte, ob die Menschen dem vertrauen.

Eine weitere Unbekannte:

Wie gut schützen die 3G-Regeln bei steigenden Infektionszahlen?

Es hängt ein bisschen davon ab, wie das dritte G gestaltet ist.

Wenn das der reine Antigen-Schnelltest ist,

habe ich ein Problem damit, da wünsche ich mir einen PCR-Test.

Dieser ist ab heute nur in Diskotheken Eintritts-Voraussetzung.

Sehr zum Leidwesen der Klubbetreiber.

Die fürchten, dass Ungeimpfte fern bleiben,

wenn sie teure PCR-Tests selbst zahlen müssen.

Die Landesregierung hofft auf einen Impfschub.

Es geht darum, wer geimpft ist,

hat ein unkompliziertes Leben und das ist die Botschaft:

Lassen Sie sich impfen und alle Fragen um die Teste sind irrelevant.

Baden-Württemberg hat seine Corona-Verordnung geändert,

andere Bundesländer werden wohl nachziehen.

Die Inzidenz ist damit nicht mehr das, was sie einmal war:

Das Maß aller Dinge.

Der Blick aufs Wetter geht wieder mit einem Unwetter los, Karsten.

Es gibt gleich zwei Unwetter, die uns beschäftigt haben.

In Garmisch-Partenkirchen gab es ein Drama in der Höllentalklamm:

Hier gab es heute Sturzfluten nach Gewitter-Starkregen.

Acht Menschen wurden gerettet, zwei werden noch vermisst.

Es gab große Unterschiede auf kleinem Raum.

Blau eingezeichnet nur so 20-30 mm.

Im Zugspitzmassiv mehr als 50 mm pro Quadratmeter.

Auf einem Bild von gestern Nachmittag, vor dem Regen,

da sieht man das enge Felstal der Klamm.

Im Nordwesten Deutschlands gab es einen kräftigen Tornado.

Glücklicherweise gibt es keine Meldungen von Verletzten.

Aber es gibt viele Schäden.

Autos wurden durch die Gegend gewirbelt ...

Zum Wetter:

in der Nacht kräftige Schauer und Gewitter im Norden.

Es gibt Sturmböen.

Tagsüber zieht das Ganze nach Nordosten.

Tagsüber im Westen neue Bewölkung mit leichtem Regen.

Es ist grau, bewölkt und nass.

Mit vielen Wolken geht es weiter.

Etwas Regen.

Am Donnerstag mehr Sonne.

Danke, Karsten.

Das war's von uns.

Hier geht's weiter mit dem ersten Teil

der Reportagereihe HERstory - Geschichte aus weiblicher Sicht.

Heute zum Thema medizinische Forschung.

Dort ist noch immer der Mann Standard gesetzt.

Um 0.35 Uhr bringt Sie Constantin Schreiber

im nachtmagazin auf den neuesten Stand.

Bis morgen Abend.

Tschüss und bleiben Sie zuversichtlich.

Copyright Untertitel: NDR 2021