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SWR2 Wissen, Immobilien als Ware – Wohnungsmärkte außer Kontrolle

Immobilien als Ware – Wohnungsmärkte außer Kontrolle

Atmo:

Falkertstraße

Autorin: Eine Straße wie in vielen deutschen Großstädten: Neun große Neubauten stechen aus einer Zeile mit sanierten Altbauten heraus. Schicke Sportwagen und SUVs fahren im Minutentakt über den Bürgersteig in die ebenerdige Garage ein und aus.

O-Ton Christian Holl: Was das Problem ist, ist, dass hier hochpreisiges Wohnen entstanden ist, das exklusiv ist und das nicht mehr denen zugutekommt, die die Stadt braucht, um als Stadt zu funktionieren und lebendig sein zu können.

Ansage: Immobilien als Ware – Wohnungsmärkte außer Kontrolle. Von Cordelia Marsch.

O-Ton Christian Holl/Autorin: Holl: Nein.

Autorin: Sind hier mittlere Einkommensschichten berücksichtigt worden?

Holl: Es ist ein rein privat finanziertes Projekt, das sich daran orientiert hat, was man hier an Gewinnen erzielen kann und hier ist keine Form von Förderung oder sonst irgendwas vorgesehen, insofern ist das hier wirklich ein Projekt für die oberen Einkommensklassen. Und zwar ausschließlich.

Autorin: Ich stehe mit Christian Holl vor 186 Luxus-Wohnungen in einem der dichtest besiedelten Wohngebiete in ganz Deutschland, dem Stuttgarter Westen. Mich treibt die Frage um, wieso Wohnen in vielen Gegenden Deutschlands kaum noch bezahlbar ist. Holl ist freier Architekturjournalist und beobachtet seit 1993 die Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt in Stuttgart. Er ist alarmiert.

O-Ton Christian Holl: Seit 2010 sind die Mieten in den Innenstadtbereichen bis zu 50 Prozent, also die Angebotsmieten, gestiegen. Die Realeinkommen sind beileibe nicht in dem Maße gestiegen. Das heißt Haushalte zahlen inzwischen 30, 40, 50 Prozent ihres Haushaltseinkommens für die Miete. Man sagt um die 30 Prozent ist so ein Verhältnis, das in Ordnung ist, aber alles was drüber ist, ist bedrohlich.

Autorin: Wenn ich mir auf „Immobilienscout24“ die ersten fünf Angebote anschaue, ploppen für Stuttgart Mieten zwischen 16 und 20 Euro 50 pro Quadratmeter auf. Das wird nur noch von Hamburg mit 28 Euro 50 und München mit knapp 37 Euro getoppt. Die teuren Mieten können sich immer weniger Menschen leisten und Sozialwohnungen werden von Jahr zu Jahr knapper, da die Bindungen auslaufen und lange Zeit keine neuen gebaut wurden. In Stuttgart stehen gut 4.560 Haushalte auf der Warteliste – bei gerade einmal 150 Sozialwohnungen, die 2020 neu gebaut oder langfristig gesichert werden konnten.

Atmo: Falkertstraße

Autorin: Christian Holl mustert die Luxusapartments, zeigt auf eine Sitzgruppe auf einem großen Balkon im Erdgeschoss und schüttelt traurig den Kopf.

O-Ton Christian Holl: Diese Möbel, die hier stehen, sehen nicht so aus, als ob sie regelmäßig benutzt werden, stehen mehr so da, um zu zeigen, es könnte benutzt werden. Und es gibt genug Personen, die sich so etwas leisten können und für die so eine Wohnung dazu dient, wenn sie mal in der Stadt sind oder die sie vorhalten für Fälle, die irgendwann mal kommen, aber sie sonst nicht so intensiv benutzten.

Autorin: Gäbe es Wohnungen im Überfluss, würden Luxusapartments und ungenutzte Zweitwohnungen nicht weiter auffallen oder stören. Aber Tausende Wohnungen fehlen, gerade in den sieben größten deutschen Städten: Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt am Main, Stuttgart und Düsseldorf. Was können Städte gegen ungenutzte Wohnungen tun, frage ich mich?

Atmo: Heusteigstr. – „Guten Morgen“

Autorin: Ich treffe die Leerstandsaktivistin Britta Mösinger im angesagten Stuttgarter Süden. Wir stehen vor einem prunkvollen Gründerzeitgebäude. Es ist dreckig. Die Erdgeschossfenster auf der rechten Seite liegen hinter Gitterstäben, die Scheiben sind mit einer dicken Staubschicht überzogen, auf der linken Seite ist der Rollladen heruntergelassen. Eine der Eingangstüren ist mit einer Spanplatte verbarrikadiert. Ein älteres Ehepaar nähert sich dem Haus.

O-Ton Ehepaar/Autorin: Autorin: Wohnen Sie hier:

Ehemann: Ja

Autorin: Sind alle Wohnungen besetzt bei Ihnen?

Ehemann: Nein, nix besetzt. Früher war alles besetzt, jetzt sind drei oder vier Familien hier, früher waren hier 20 Familien, jetzt alle umgezogen und weg, glaube unser Hausbesitzer wollte das ganze Haus renovieren, wegen dem er vermietet nichts.

Autorin: Nur drei, vier Familien wohnen noch hier. Den Leerstand hier hat Britta Mösinger seit Jahren auf ihrer Liste stehen. Mösinger hat den „Leerstandsmelder” in Stuttgart etabliert, macht beim Aktionsbündnis „Recht auf Wohnen“ mit. Dank ihres Engagements gibt es in Stuttgart seit 2016 wieder ein Zweckentfremdungsverbot von Wohnraum. Allerdings darf Leerstand nur geahndet werden, wenn er nach dem 1. Januar 2016 entstanden ist und seit mehr als einem halben Jahr besteht.

O-Ton Britta Mösinger: Es ist einfach ein zahnloser Papiertiger, man hat zwei Stellen geschaffen, von denen ist unseres Wissens in der Verwaltung beim Amt für Liegenschaften und Wohnen auch nur eine besetzt. Und wie soll diese Person, die paar hundert Meldungen auf dem Tisch liegen hat, das alles abarbeiten alleine?

Autorin: Noch immer gibt es nach Erhebungen der Stadt 1.220 leerstehende Wohnungen in Stuttgart.

O-Ton Britta Mösinger: Unsere Forderung vom Aktionsbündnis und vom Leerstandsmelder wäre, dass man mindestens 12 Stellen dafür schafft, und dann hat man vielleicht den Erfolg, den es in anderen Städten auch schon hat. In München sind zum Beispiel mittlerweile Bußgelder in Höhe von zwei Millionen aufgerufen worden, in Summe, für alle Fälle, die bekannt waren.

Autorin: Seit das Zweckentfremdungsverbot in Stuttgart in Kraft getreten ist, wurden in weniger als fünf Fällen Geldbußen wegen Leerstands verhängt, teilt die Stadt auf meine mehrfachen Nachfragen für SWR2 Wissen mit. Eine Summe will sie nicht nennen.

Atmo: Straßengeräusch

Autorin: Doch es geht noch schlimmer, etwa in Frankfurt am Main. Denn in Hessen wurde 2004 das Gesetz abgeschafft, das Zweckentfremdung von Wohnraum verbietet. Leerstand kann somit nicht belangt werden und darf auch nicht erhoben werden. Schätzungen gehen von 10.000 leerstehenden Wohnungen in der Main-Metropole aus, Wohnraum, der dringend gebraucht wird. Die hessische SPD hatte 2019 einen Gesetzentwurf für die Wiedereinführung des Zweckentfremdungsverbots vorgelegt – bisher ohne Erfolg.

O-Ton Mieter: Ich wohne hier, dritter Stock. Schauen Sie mal die obere, aber die Rahmen, die Fenster, schauen Sie mal, die bisschen streichen vor langen Jahren, habe ich selber gemacht. Aber wenn die Winterzeit kommt, kommt es kalt rein. Wenn der Winter kommt, kommt kalt. Wenn die Winter kommt, mache ich mit dem Nagel die Scheibe zu, damit der nicht aufmacht. Aber kein Problem…

Atmo: Im Haus

Autorin: Das wunderbare Gründerzeitgebäude in Stuttgart ist in erbärmlichem Zustand. Treppenhaus und Fenster: voller Taubenschiss. Eine Mieterin fegt ein Taubennest weg, als ich mit Britta Mösinger die Treppen hochlaufe. Gegen den Inhaber des Altbaus wurde Klage erhoben, hatte mir die Stadt geschrieben. Seit Jahren sei ein Rechtsstreit anhängig. Für den Eigentümer mache das Verzögern und Hinausschieben durchaus Sinn, erklärt mir Mösinger:

O-Ton Britta Mösinger: In dem Fall ist es ja jetzt so, der Denkmalschutz, da muss man natürlich auch nach gewissen Vorgaben renovieren, das kostet viel Geld. Man müsste erstmal investieren, tut aber auch niemandem weh, wenn man das nicht macht, denn man wird auch nicht bestraft. Man kann einfach abwarten, und im besten Fall kommt dann noch ein anderer Investor, kauft's einem fürs Doppelte nochmal ab. Und das sind dann einfach diese kapitalistischen Interessen, die auf dem Wohnungsmarkt am allerbesten funktionieren.

Atmo: Wilhelm-Raabe-Straße

Autorin: Das sehe ich auch einige Häuserblocks weiter in der Wilhelm-Raabe-Straße. Aus dem Fenster im ersten Stock ragt eine Überwachungskamera, laienhaft mit Tape und Kabelbindern befestigt. Vier der fünf Briefkästen sind mit schwarzem Panzertape zugeklebt, die Rollläden runtergelassen.

O-Ton Britta Mösinger: Das war so, dass die Wohnung im EG und im 2. Stock schon leer waren und es auch angekündigt war, dass die anderen Mieter*innen auch raus müssen, es laufen bis heute Verfahren, dass die letzte Familie, die noch da ist, das Haus verlassen soll.

Das wurde angestoßen, als das Haus an eine Eigentümerfamilie im Ausland verkauft wurde. Die dann nicht gesagt haben, wir lassen alles so, wie es ist, wir besitzen jetzt das Haus und nehmen die Mieten ein, so wie sie sind. Sondern die hier eine Modernisierung anstreben.

Autorin: Auf Nachfrage bei der Stadt erfahre ich per Mail:

Sprecher: Die unteren Geschosse sollen saniert werden. Die beantragte Baugenehmigung für die Ausbauten im Dachgeschoss wurde vor wenigen Tagen erteilt.

O-Ton Britta Mösinger/Autorin: Autorin: Was sind die Folgen der Genehmigung der Stadt?

Mösinger: Dass, ich hoffe, tatsächlich mal modernisiert wird, und dann aber natürlich zu dem Preis, der dann mit der vorherigen Miete gar nichts mehr zu tun hat, sondern plus die Modernisierungskosten, die ja auf die Mieterinnen und Mieter umgelegt werden, hier wieder jemand einzieht und das wird sich dann sicher jenseits von 1.000 Euro für eine ganz normale Wohnung abspielen.

Autorin: Immobilien für horrende Preise kaufen und Wohnungen luxuriös sanieren: Woher kommt all das Geld dafür? Ich frage Sebastian Fiedler, der nicht nur Vorsitzender beim Bund Deutscher Kriminalbeamter ist, sondern auch im Vorstand von Transparency Deutschland. Eine große Finanzquelle sei die Geldwäsche, sagt er.

O-Ton Sebastian Fiedler: Wenn man sich die Studie von Transparency anguckt, die sagt, dass mindestens 15 Prozent der kriminellen Erlöse am Ende in Immobilien wandern, und wenn wir dann daneben legen, dass eine der wenigen Studien von der Uni Halle davon ausgeht, dass wir über bis zu 100 Milliarden Euro pro Jahr rechnen, was Geldwäscheaktivitäten in Deutschland angeht, dann können Sie ungefähr hochrechnen, dass wir hier über keine Peanuts reden, sondern über veritable Größenordnungen, die ja auch was machen in der Wirtschaft. Das heißt, wenn solche Investments außerhalb der Legalwirtschaft passieren, dann kann das ja nicht gänzlich ohne Einfluss auf die Preisentwicklung sein. Das heißt, auf der einen Seite auf die Immobilienpreisentwicklung, und wenn ich das zu Ende denke, kann das auch nicht ohne Einfluss auf Mietpreisentwicklungen sein.

Autorin: Wer Geld schwarz erwirtschaftet, zahlt keine Steuern und hat in der Folge mehr Geld zur Verfügung, um es auszugeben. Für teure Immobilien etwa. Fiedler beklagt, dass der deutsche Staat zu wenig dagegen unternehme.

O-Ton Sebastian Fiedler: Wir haben keinerlei Begrenzungen bei Bargeldgeschäften im Unterschied zu vielen anderen europäischen Staaten. Wir haben bislang keine gute Transparenz bei der Frage: Wer ist denn wirklich Eigentümer, wirtschaftlich Berechtigter eines Unternehmens? Wir haben kein vernünftiges Register, das uns deutlich macht, wem in ganz Deutschland welche Immobilien gehören, das funktioniert nicht.

Autorin: Geldwäsche, Leerstand, Luxusapartments und Mieten in den Innenstädten, die kaum noch einer zahlen kann. Wie konnte es dazu kommen, dass Wohnungen zu derart lukrativen Geldanlagen geworden sind?

Mit dieser Frage wende ich mich an Stefan Rettich, Architekt und Professor für Städtebau, den ich in seinem Büro an der Uni Kassel treffe. Rettich sieht den Ursprung in den 70er-Jahren, als zu viele Wohnungen gebaut wurden und Sozialwohnungsbestände nicht mehr gebraucht wurden, weil die Menschen vermehrt in Einfamilienhäuser gezogen sind.

O-Ton Stefan Rettich: Und dann dachte man eigentlich, die Wohnungsfrage sei gelöst, so à la langue. Deswegen kam es dann 1990 zur Aufhebung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz, davor waren eigentlich alle Wohnungsgesellschaften der Kommunen Genossenschaften, die konnten also keinen Gewinn erwirtschaften und mussten sozusagen den Gewinn reinvestieren, entweder in neue Wohnungen oder in den Bestandserhalt. Und mit der Aufhebung dieses Gesetzes war es möglich, Wohnungen zu privatisieren.

Autorin: Viele Kommunen witterten eine Möglichkeit, Geld zu verdienen. Die Stadt Dresden hat 2006 beispielsweise ihren kompletten Bestand verkauft, 60.000 Wohnungen. In Freiburg war dasselbe geplant, dort konnten massive Proteste der Bevölkerung einen Verkauf verhindern.

Die in der jüngsten Vergangenheit größte Auswirkung auf die Preisexplosionen am Immobilienmarkt hatte aber die Finanzkrise 2008, als Aktienmärkte plötzlich unsicher wurden und Anleger begannen, in Immobilien zu investieren.

O-Ton Stefan Rettich: Also wenn sie ein Häuschen kaufen, dann nehmen Sie einen Kredit auf und dann dauert das 15 Jahre, bis er abgezahlt ist und dann können Sie sich überlegen, verkaufe ich weiter oder nicht? Und so war das eben sehr lange sehr regional geprägt, sehr bestandsorientierte Immobilienmärkte. Und jetzt kommen plötzlich große, kapitalstarke Unternehmen mit Milliarden im Hintergrund und gehen in einen Markt rein, kaufen und überlegen sich dann eben schon eine Exitstrategie, ab wann sie wiederverkaufen.

Autorin: Verstärkt wird die Preisspirale am Immobilienmarkt bis heute durch die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank. Sowohl Privatpersonen, die auf ihrem Sparbuch keine Zinsen mehr bekommen, als auch Versicherungen und Pensionsfonds investieren seit 2008 in Immobilien oder Immobilienfonds.

O-Ton Stefan Rettich: Das heißt, wenn Sie jetzt eigentlich nur eine Haftpflichtversicherung abschließen, also in eine Versicherung investieren, führt das im Umkehrschluss dazu, dass Ihre Miete vielleicht steigt.

Autorin: Und es gibt einen weiteren gewichtigen Grund für steigende Mieten und teure Immobilien, erfahre ich bei meinen Recherchen. Nämlich: die Bodenpreise. Das zeige sich vor allem in den teuren Städten, wo der Quadratmeter in Spitzenlagen 18.000 Euro und mehr kosten kann, erzählt mir Ricarda Pätzold vom Deutschen Institut für Urbanistik. Zu diesen Summen kommt es, weil der Boden ein knappes Gut ist. Man kann ihn nicht vermehren. Dass Grund und Boden zur Spekulationsware geworden sind, hält Ricarda Pätzold für höchstproblematisch. Denn:

O-Ton Ricarda Pätzold: Auf so teuren Flächen kann im Prinzip nur was gebaut werden, was ebenfalls eine sehr beachtliche Rendite bringt. Und das heißt Eigentumswohnungen, die dann wiederum 12.000 Euro pro Quadratmeter kosten im Penthaus. Aber das hat eben wenig mit breiten Schichten der Bevölkerung und der Stadtgesellschaft zu tun, die jetzt nicht zu den Hochvermögenden gehört.

Autorin: Eine Möglichkeit, die Bodenpreise wieder nach unten zu korrigieren, schlägt Stefan Rettich vor. Der Staat könnte eine Steuer auf die Wertsteigerung erheben.

O-Ton Stefan Rettich: Wenn man jetzt den Bodenwertzuwachs besteuern würde, dann wird es für viele Anleger nicht mehr attraktiv. Weil im Moment ist die Marge so hoch, weil der Gewinn nicht besteuert wird. Wenn der besteuert wird, gehen viele mit ihren Investments raus und suchen sich andere Anlagemöglichkeiten und dann kommt wieder Angebot und Nachfrage ins Spiel. Also wenn die Nachfrage nicht mehr so hoch ist, dann sinken auch die Preise wieder oder sie steigen nicht mehr so stark. Und dann können die Kommunen auch wieder besser erwerben.

Atmo: Roecklplatz

Autorin: Ich will die dramatischen Auswüchse am Immobilienmarkt selbst sehen und verabrede einen Spaziergang durch München. Mit Christian Stupka, Vorstand bei der genossenschaftlichen Wohnungsagentur in München. Stupka zeigt mir ein wunderschönes Häuserensemble aus der Gründerzeit am Roecklplatz – und erzählt zwei Geschichten, die unterschiedlicher nicht sein könnten.

O-Ton Christian Stupka: Das mittlere Haus, das ist im Jahr 2006 verkauft worden an einen Investor, der hat die Familie angelogen, der hat gesagt, das behalten wir und machen das langfristig als Mietwohnungen für die Mieter. Und kaum war die Tinte getrocknet unter dem notariell beglaubigten Kaufvertrag, hat der Druck auf die Mieter hier gemacht, hat eine grüne Plane vor das Haus gehängt und hat gesagt, jetzt wird hier erstmal richtig saniert. Und ist dann auf die Mieter zugegangen und hat gesagt: „Das werden Sie nicht erleben wollen, was jetzt hier passiert die nächsten Monate, und wollen Sie nicht gegen eine Abfindung ausziehen und den Mietvertrag beenden?“ Und der hat das leider geschafft.

Autorin: Zwei Jahre später hat der Investor die Wohnungen einzeln verkauft für 4.000 bis 4.700 Euro pro Quadratmeter. Gekauft hatte er den Quadratmeter für 2.000.

O-Ton Christian Stupka: So, und heute sind diese Wohnungen, und das ist jetzt eigentlich das nochmal Dramatischere an der Entwicklung, der Quadratmeterpreis ist auf 10.000 Euro und mehr hier gestiegen, oder wenn man es zusammenrechnet, seit 2006 um das Fünffache: von 2.000 auf 10.000 Euro. Und ein Beispiel, wie die Stadt schon seit längerem umsteuert, steht direkt daneben. Das ist jetzt ganz interessant, die sehen ja völlig baugleich aus…

Autorin: Das Haus nebenan gehört der Genossenschaft WOGENO, die Christian Stupka vor mehr als 25 Jahren mit Freunden gegründet hat.

O-Ton Christian Stupka: Das wurde von der Stadt im Vorkaufsrecht erworben, und die Stadt hatte damals eine ganz hervorragende Beschlusslage auf den Weg gebracht, dass nämlich dann, wenn Häuser wieder reprivatisiert werden, Genossenschaften bevorzugt werden, und zwar dann, wenn 75 Prozent der Mieter sich der Genossenschaft anschließen. Also haben wir dann von der Wogeno mit den Mietern diskutiert und hin und her, und die mussten ja Einlagen zeichnen, und wer das kann und wie das solidarisch jetzt alles geht.

Autorin: Fast alle Mieter haben zugesagt. So konnte die Wogeno das Haus 2007 schließlich kaufen, für einen Quadratmeterpreis von knapp 2.000 Euro.

O-Ton Christian Stupka: Und dann ist da ein tolles genossenschaftliches Leben in dem Haus entstanden, und heute wohnen da 50 Menschen, davon 20 Kinder. Also es gelingt dann auch wieder, die relativ großen und bequemen Wohnungen familienfreundlich zu belegen. Und die Miete ist unter zehn Euro netto kalt, und das ist ungefähr die Hälfte, was hier sonst mittlerweile gezahlt wird. Also so kann man dann Objekte in einen sicheren Hafen bringen und der Spekulation dauerhaft entziehen.

Autorin: Das Prinzip der Genossenschaften: Sie orientieren sich an der Kostenmiete. Gewinne werden nicht erwirtschaftet. Inzwischen gibt es in München fast 60 Genossenschaften, ihre Beliebtheit steigt. Trotzdem bekomme Deutschlands teuerste Stadt das Problem des zu wenigen und zu wenig bezahlbaren Wohnraums nicht in den Griff, beklagt Stupka.

O-Ton Christian Stupka: Man kann vielleicht auch umgekehrt sagen: Weil München eigentlich immer schon knappe Flächen hatte und Wohnungsmangel, war München so erfinderisch und stemmt sich mit verschiedenen Instrumenten gegen diese Entwicklungen, so gut sie kann, kommt aber diesem grundsätzlichen Problem nicht aus, solange halt der Grund und Boden weitgehend dem Markt überlassen ist, was ja eine Kommune auch gar nicht ausreichend eindämmen kann, dazu bräuchte es ja Bundesgesetze.

Autorin: Stupka erläutert mir die Bedeutung des Paragrafen 34 des Baugesetzbuchs. Dieser betrifft Innenstadtgebiete und besagt, dass in einer bereits bebauten Umgebung für eine noch freie oder wieder freiwerdende Fläche kein Bebauungsplan von der Stadt aufgestellt werden muss. Stupkas Einwand: Ohne neues Baurecht könne kein städtisches Innenentwicklungsmodell greifen, das Quoten für geförderten Wohnraum vorsieht. Damit haben Investoren freie Hand bei ihren Bauentscheidungen. Ein solches Ergebnis zeigt mir Stupka drei Minuten entfernt vom Roecklplatz, in einer riesigen Neubauanlage:

Atmo: Wohnanlage

O-Ton Christian Stupka: Hier sind Family-Offices und ähnliche gekommen, auch namenhafte Fußballspieler, und sagen, da nehme ich mal da drei Wohnungen und da oben das Penthaus nehme ich auch. Das war hier schon deutlich, dass das Anlageobjekte sind, wo Menschen, die ihr Geld einparken wollen, man redet ja auch von Betongold, kaufen sich ein, zwei, drei, vier, fünf oder auch zehn Wohnungen und vermieten die dann als Geldanlage.

Autorin: Ich frage mich auch, was die Bauträger mit solchen Wohnungen erreichen wollen?

O-Ton Christian Stupka: Wenn mein Geschäft darin besteht, dass ich ein Grundstück kaufe, Wohnungen errichte und die dann abverkaufe als Eigentumswohnungen, dann habe ich ja weniger das Wohnen im Sinn, als dass ich mein Kapital verwerten möchte.

Autorin: München hat dem Treiben inzwischen einen Riegel vorgeschoben und vergibt seine Bauvorhaben nur noch ans beste Konzept und nicht mehr gegen Höchstgebot. Die Stadt fördert außerdem Genossenschaften und unterschiedliche Bauträger.

Grundstücke verkauft sie nicht mehr, sondern verpachtet sie nur noch auf Zeit – im Erbbaurecht. Sogenannte leistungslose Gewinne aus Bodenwertsteigerungen schöpft die Stadt immer stärker ab.

Ich lerne bei meinen Recherchen Wortungetüme wie „Milieuschutzsatzung“ kennen: Auch die Milieuschutzsatzung hat München nämlich vorangetrieben, nach der die soziale Zusammensetzung eines Viertels erhalten bleiben muss – egal ob neu gebaut wird oder die Inhaber einer Immobilie wechseln. Eine weitere Maßnahme ist es, die Bodenpreise einzufrieren, wie es gerade im Norden und Nordosten Münchens passiert. Die Berliner Stadtforscherin Ricarda Pätzold erklärt mir, warum sie das für ein wichtiges Instrument hält:

O-Ton Ricarda Pätzold: Die Bodenpreise werden ja eingefroren, um die spekulative Vorwegnahme von Zukunft zu verhindern, und das ist natürlich genau richtig. Denn wenn jetzt alle Blütenträume wachsen, dann bin ich schon wieder bei Bodenpreisen von 6.000 Euro und dann habe ich schon wieder das Problem. Insofern ist das die einzige Möglichkeit, da ein zukünftiges Quartier zu entwickeln, was diese ganzen Ansprüche von Stadt, sozialgerecht usw. aufnehmen kann.

Autorin:

Auch die Mietpreisbremse und der Mietendeckel, wie in Berlin praktiziert, sind Möglichkeiten für Städte und Kommunen, die Preisexplosion bei den Mieten einzudämmen.

Ebenfalls immer wieder im Gespräch: Enteignungen. Im September sollen die Berliner Bürger per Volksentscheid über die Vergesellschaftung von Immobilienfirmen abstimmen, die mehr als 3.000 Wohnungen besitzen. Angestoßen hatte das Verfahren die Initiative „Deutsche Wohnen und Co. Enteignen“. Überhaupt stellt sich mir immer stärker die Frage, warum Grund und Boden Privateigentum sein dürfen? Wo Wohnen doch zur Grundversorgung eines jeden Menschen gehört.

O-Ton Christian Stupka: Wenn ich sagen würde, das Wasser wird privatisiert, was ja zum menschlichen Leben auch eine Grundvoraussetzung ist, würde es einen Aufschrei geben. Oder wenn man sagen würde, die Luft wird privatisiert oder was, das wäre undenkbar. Und beim Boden ist es irgendwie ganz normal.

Autorin: Gemäß Artikel 15 des Grundgesetzes können Grund und Boden enteignet werden, um sie zu vergesellschaften. Das aber ist noch nie gemacht worden. Der deutsche Staat tut sich damit schwer aufgrund der Enteignungspraxis im Dritten Reich und in der DDR. Sowieso sind vor allem die Kommunen selbst aufgerufen, eine gute Bodenpolitik zu betreiben. Als Paradebeispiele gelten Ulm und Wien, die den Grund und Boden seit mehr als 100 Jahren der Spekulation entziehen.

O-Ton Ricarda Pätzold: Ulm ist ein Vorbild für die bodenpolitische lange Linie, weil Ulm ebenso wie Wien, im gesamten Wohnungsmarkt hat Ulm eine Bodenpolitik, von der sie seit über 100 Jahren nicht abgewichen sind. D.h. sie entwickeln Flächen nur, schaffen Baurecht nur, wenn das Land der Stadt gehört. Das versuchen inzwischen sehr viele Städte, auch zu implementieren.

Autorin: Die Österreicher sind schon einen Schritt weiter: Der Stadt Wien und ihren Genossenschaften gehören zusätzlich 60 Prozent der Mietwohnungen. Zum Vergleich: In Stuttgart sind sechs Prozent der Wohnungen im Besitz der städtischen Wohnungsbaugesellschaft und acht Prozent im Besitz von Genossenschaften, macht insgesamt 14 Prozent. Zu wenig, findet Ricarda Pätzold:

O-Ton Ricarda Pätzold: Wenn eine kommunale Gesellschaft, Genossenschaft unter 15 Prozent liegen, dann haben sie natürlich kaum diese Größe, dass sie auch in der Stadt wahrgenommen werden als Akteure und dass sie eine ausreichende Zahl von Menschen versorgen, die wiederum diesen Gedanken vielleicht auch in die Menschheit tragen.

Autorin: Je weniger Boden und Wohnungen Städte besitzen, desto weniger Einfluss haben sie auf die Mietpreise. Die Folge: Sie müssen jährlich Milliarden dafür aufwenden, um Menschen finanziell zu unterstützen, damit diese überhaupt ihre Miete zahlen können. Dabei müssen sie Quadratmeterpreise von 17 Euro und mehr akzeptieren. Insgesamt haben Städte, Länder und der Bund 2019 circa 17 Milliarden Euro für Wohngeldunterstützung ausgegeben.

O-Ton Ricarda Pätzold: Das ist eine ganze Menge. Und diese Summe ist in gewisser Weise stabil geblieben in den letzten Jahren, weil wir sehr starke Rückgänge an der Zahl der Bedarfsgemeinschaften hatten. Wenn wir uns jetzt also, Corona-Krise, vorstellen, dass die Arbeitslosigkeit perspektivisch steigen wird, dann schlagen natürlich diese gestiegenen Einzelmietkosten deutlich stärker durch.

Atmo: Olgäle

Autorin: Auch Stuttgart will wieder Kontrolle über den Immobilienmarkt gewinnen. Die Stadt stellt privaten Investoren einige städtische Grundstücke verbilligt zur Verfügung.

Dafür müssen sich diese verpflichten, dort mindestens 50 Prozent geförderte Wohnungen zu bauen. Die Stadt unterstützt dazu verschiedenste Einzelprojekte. Das „Olgäle“ auf dem Areal des ehemaligen Kinderkrankenhauses gehört dazu. Die Häuser wirken bunt und belebt, in den gemeinschaftlich genutzten Gärten zwischen den Häusern wachsen die verschiedensten Blumen. Was der städtebauliche Wettbewerb, der durchgeführt worden war, gebracht hat, erzählt mir Christian Holl:

O-Ton Christian Holl: Dass die Grundstücke parzelliert worden sind, dass sie einzeln per Konzeptvergabe zum Festpreis vergeben wurden, dass hier Baugenossenschaften, Investoren, Baugemeinschaften investiert haben, dass es hier also tatsächlich einen Mix gibt, dass sich die Zivilgesellschaft eingemischt hat, mit dem Verein Olgäle e.V., dass es hier wirklich ein Miteinander von Zivilgesellschaft und Stadt gab, dass verschiedene Bauträger zum Zug gekommen sind, dass es möglich wurde, dass verschiedene Einkommensgruppen hier Wohnraum finden. Also hier ist schon sehr viel richtig gemacht worden.

Autorin: Genau solche Projekte schaffen eine Form des Zusammenlebens, die wichtig ist für eine Stadt. Das findet auch Christina Simon-Philipp, die ich als letzte Expertin meiner Recherche befrage. Sie ist Professorin für Stadtplanung und Städtebau an der Hochschule für Technik in Stuttgart.

O-Ton Christina Simon-Philipp: Wohnungsbau ist nicht nur ein Wirtschaftsgut, sondern in erster Linie ein Sozialgut, und das war jahrelang eben in einem totalen Ungleichgewicht, bis man gemerkt hat, das Sozialgut kippt uns irgendwo hinten runter. Und klar, wir brauchen eine super mutige und durchsetzungsstarke Politik. Und deswegen meine ich, das muss zur Chefsache werden.

Autorin:

Aber die gewachsenen Strukturen sind starr – in Stuttgart, wie anderswo:

O-Ton Christina Simon-Philipp: Die ganzen Ämter, die zum Beispiel Baumaßnahmen umsetzen sollten, hier die Schulsanierungen z.B., die können ja gar nicht die Schulsanierungen umsetzten, weil die Ämter so minderbesetzt sind, dass die gar nicht die Genehmigungen fertigstellen können. Deswegen hinkt das alles hinterher, die Gelder können nicht abgerufen werden, das heißt, die Stadt hat, sage ich mal, auch in ihrem eigenen Laden so gespart, dass viel zu wenige Mitarbeiter da sind.

Autorin: Wohnen, das bleibt vorerst ein soziales Problem unserer Zeit.

O-Ton Christina Simon-Philipp: Das ist eine wahnsinnig lukrative Geldanlage, Immobilien in Deutschland zu kaufen, und das hätte man sicherlich früher verhindern können oder in den Griff bekommen können, aber das ist natürlich so eine komplexe Geschichte, da kann man nicht nur sagen, eine Stadt allein ist Schuld, sondern dann ist das das Land, der Bund, das greift alles ineinander, die gesamte Politik hat da falsche Prioritäten gesetzt oder da nicht früh genug eingegriffen.

Autorin: Damit Wohnen wieder für alle bezahlbar wird, fordern verschiedene politische Initiativen, ein Recht auf Wohnen im Grundgesetz zu verankern. Ein Gesetzentwurf der Partei DIE LINKE liegt dem Deutschen Bundestag bereits vor.

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Immobilien als Ware – Wohnungsmärkte außer Kontrolle real estate||goods|housing markets|except|control |||mercados de vivienda|| Real Estate as a Commodity - Housing Markets Out of Control La propiedad como mercancía: los mercados inmobiliarios fuera de control Vastgoed als handelswaar - huizenmarkten uit de hand gelopen

Atmo: Atmósfera:

Falkertstraße Falkert Street Falkertstraße Falkertstrasse

Autorin: Eine Straße wie in vielen deutschen Großstädten: Neun große Neubauten stechen aus einer Zeile mit sanierten Altbauten heraus. |||||||large cities|||new buildings|stand out|||||renovated|old buildings| ||||||||||nuevos edificios|destacan|||||renovados|edificios antiguos| Autor: Una calle como en muchas de las principales ciudades alemanas: Nueve grandes edificios nuevos se destacan entre una hilera de edificios antiguos renovados. Autore: Una strada come in molte grandi città tedesche: nove grandi edifici nuovi spiccano da una fila di vecchi edifici ristrutturati. Schicke Sportwagen und SUVs fahren im Minutentakt über den Bürgersteig in die ebenerdige Garage ein und aus. Send|sports cars||SUVs|||minute interval|||sidewalk|||ground-level|garage||| |deportivos||vehículos utilitarios deportivos|||cada minuto||||||a nivel de suelo|||| Auto sportive e SUV fantasiosi entrano ed escono dal garage al piano terra sul marciapiede ogni minuto.

O-Ton Christian Holl: Was das Problem ist, ist, dass hier hochpreisiges Wohnen entstanden ist, das exklusiv ist und das nicht mehr denen zugutekommt, die die Stadt braucht, um als Stadt zu funktionieren und lebendig sein zu können. |||Holl||||||||high-priced|housing|created|||exclusive|||||||benefits|||||||||||alive||| |||Holl||||||||caro||||||||||||beneficia a|||||||||||||| O-Ton Christian Holl: Il problema è che qui è nata una vita a caro prezzo che è esclusiva e che non avvantaggia più coloro di cui la città ha bisogno per funzionare come una città e per essere in grado di essere viva.

Ansage: Immobilien als Ware – Wohnungsmärkte außer Kontrolle. |real estate||goods|housing markets|| Von Cordelia Marsch. |Cordelia| |Cordelia|

O-Ton Christian Holl/Autorin: Holl: Nein.

Autorin: Sind hier mittlere Einkommensschichten berücksichtigt worden? |||middle|income brackets|considered| ||||clases de ingresos|tenido en cuenta|han sido considerados Autore: i gruppi di reddito medio sono stati presi in considerazione qui?

Holl: Es ist ein rein privat finanziertes Projekt, das sich daran orientiert hat, was man hier an Gewinnen erzielen kann und hier ist keine Form von Förderung oder sonst irgendwas vorgesehen, insofern ist das hier wirklich ein Projekt für die oberen Einkommensklassen. |||||private|financed|||||oriented|||||||achieve||||||||funding||or anything else||intended|in this respect|||||||||upper|income classes |||||||||||basado en||||||||||||||||||||||||||||||clases de ingresos Und zwar ausschließlich. |namely|exclusively Ed esclusivamente.

Autorin: Ich stehe mit Christian Holl vor 186 Luxus-Wohnungen in einem der dichtest besiedelten Wohngebiete in ganz Deutschland, dem Stuttgarter Westen. ||||Christian||||||||densest|populated|residential areas|||||| ||||||||||||más densamente|poblados|barrios residenciales|||||Stuttgart| Mich treibt die Frage um, wieso Wohnen in vielen Gegenden Deutschlands kaum noch bezahlbar ist. |drives||||||||||||affordable| Mi interessa la domanda sul perché la vita sia difficilmente abbordabile in molte zone della Germania. Holl ist freier Architekturjournalist und beobachtet seit 1993 die Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt in Stuttgart. ||free|architecture journalist|||||developments|||housing market|| |||periodista de arquitectura||||||||mercado de vivienda|| Er ist alarmiert. ||alert

O-Ton Christian Holl: Seit 2010 sind die Mieten in den Innenstadtbereichen bis zu 50 Prozent, also die Angebotsmieten, gestiegen. |||||||rents|||city center areas||||||offer rents|risen ||||||||||en las zonas del centro de la ciudad||||||alquileres de oferta| O-Ton Christian Holl: Dal 2010 gli affitti nei centri urbani sono aumentati fino al 50 percento, ovvero gli affitti richiesti. Die Realeinkommen sind beileibe nicht in dem Maße gestiegen. |real incomes||by no means||||measure| |ingresos reales||ni mucho menos||||| I redditi reali non sono affatto aumentati nella stessa misura. Das heißt Haushalte zahlen inzwischen 30, 40, 50 Prozent ihres Haushaltseinkommens für die Miete. ||households||now|||household income|||rent ||hogares|||||ingresos del hogar||| Man sagt um die 30 Prozent ist so ein Verhältnis, das in Ordnung ist, aber alles was drüber ist, ist bedrohlich. |says|||||||ratio|||order|||everything||over|||threatening Dicono che circa il 30 percento è un rapporto che va bene, ma tutto ciò che è al di sopra è minaccioso.

Autorin: Wenn ich mir auf „Immobilienscout24“ die ersten fünf Angebote anschaue, ploppen für Stuttgart Mieten zwischen 16 und 20 Euro 50 pro Quadratmeter auf. |||||real estate||||||pop||||||||| |||||Inmobilienscout||||||aparecen||||||||| Das wird nur noch von Hamburg mit 28 Euro 50 und München mit knapp 37 Euro getoppt. |||||||||||||topped |||||||||||||superado por Superato solo da Amburgo con 28 euro 50 e Monaco con poco meno di 37 euro. Die teuren Mieten können sich immer weniger Menschen leisten und Sozialwohnungen werden von Jahr zu Jahr knapper, da die Bindungen auslaufen und lange Zeit keine neuen gebaut wurden. |expensive|||||||afford||social housing||||||scarcer|||bindings|run out|and|||||| ||||||||||viviendas sociales||||||más escasas|||restricciones de alquiler|expiran||||||| In Stuttgart stehen gut 4.560 Haushalte auf der Warteliste – bei gerade einmal 150 Sozialwohnungen, die 2020 neu gebaut oder langfristig gesichert werden konnten. |Stuttgart|||households|||waiting list|||just||||||long-term|secured|| ||||hogares|||lista de espera|||||||||||| A Stoccarda, ben 4.560 famiglie sono in lista d'attesa, con solo 150 alloggi sociali che potrebbero essere di nuova costruzione nel 2020 o assicurati a lungo termine.

Atmo: Falkertstraße |Falkert Street

Autorin: Christian Holl mustert die Luxusapartments, zeigt auf eine Sitzgruppe auf einem großen Balkon im Erdgeschoss und schüttelt traurig den Kopf. |||examines||luxury apartments||||seating group||||balcony||ground floor||shakes||| |||||apartamentos de lujo||||sofá||||||||||| Autore: Christian Holl esamina gli appartamenti di lusso, indica un gruppo di posti a sedere su un ampio balcone al piano terra e scuote tristemente la testa.

O-Ton Christian Holl: Diese Möbel, die hier stehen, sehen nicht so aus, als ob sie regelmäßig benutzt werden, stehen mehr so da, um zu zeigen, es könnte benutzt werden. |||||furniture|||||||||||regularly|||stand||so|||to||||| Und es gibt genug Personen, die sich so etwas leisten können und für die so eine Wohnung dazu dient, wenn sie mal in der Stadt sind oder die sie vorhalten für Fälle, die irgendwann mal kommen, aber sie sonst nicht so intensiv benutzten. ||||||||||||||||||serves|||||||||||hold||cases||||||||||| |||||||||||||||||||||||||||||reservar para|||||||||||||

Autorin: Gäbe es Wohnungen im Überfluss, würden Luxusapartments und ungenutzte Zweitwohnungen nicht weiter auffallen oder stören. |||||abundance||luxury apartments||unused|second homes|||stand out||bother |||||abundancia||||sin usar|segundas residencias||||| Autore: Se ci fosse abbondanza di appartamenti, appartamenti di lusso e seconde case inutilizzate non si distinguerebbero né darebbero fastidio. Aber Tausende Wohnungen fehlen, gerade in den sieben größten deutschen Städten: Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt am Main, Stuttgart und Düsseldorf. ||||just|||||||||||||Main||| Was können Städte gegen ungenutzte Wohnungen tun, frage ich mich? ||||unused|||||

Atmo: Heusteigstr. |Heusteig Street |Heusteigstr(1) – „Guten Morgen“

Autorin: Ich treffe die Leerstandsaktivistin Britta Mösinger im angesagten Stuttgarter Süden. ||meet||vacancy activist|Britta|||trendy|| ||||Activista contra desocupación|Britta|Mösinger||de moda|| Autore: incontro l'attivista per i posti vacanti Britta Mösinger nel sud alla moda di Stoccarda. Wir stehen vor einem prunkvollen Gründerzeitgebäude. ||||ornate|founder's era building ||||suntuoso|edificio de época Es ist dreckig. ||dirty Die Erdgeschossfenster auf der rechten Seite liegen hinter Gitterstäben, die Scheiben sind mit einer dicken Staubschicht überzogen, auf der linken Seite ist der Rollladen heruntergelassen. |ground floor windows|||||||grid bars||windows|||||dust layer|covered|||||||roller shutter|down |ventana del suelo|||||||Barras de hierro||ventanas|||||capa de polvo||||||||persiana bajada|bajado Eine der Eingangstüren ist mit einer Spanplatte verbarrikadiert. ||entrance doors||||particle board|barricaded ||puertas de entrada||||tablero de partículas|bloqueada con tablón Ein älteres Ehepaar nähert sich dem Haus. |older|couple|approaches||| |viejo||se acerca a|||

O-Ton Ehepaar/Autorin: Autorin: Wohnen Sie hier:

Ehemann: Ja

Autorin: Sind alle Wohnungen besetzt bei Ihnen? ||||occupied||

Ehemann: Nein, nix besetzt. ||nothing|occupied Früher war alles besetzt, jetzt sind drei oder vier Familien hier, früher waren hier 20 Familien, jetzt alle umgezogen und weg, glaube unser Hausbesitzer wollte das ganze Haus renovieren, wegen dem er vermietet nichts. |||occupied||||||||||||||moved|||||house owner|||||renovate||||rents| |||||||||||||||||||||||||||||||vermietete|

Autorin: Nur drei, vier Familien wohnen noch hier. Den Leerstand hier hat Britta Mösinger seit Jahren auf ihrer Liste stehen. |vacancy|||||||||| |vacante|||||||||| Mösinger hat den „Leerstandsmelder” in Stuttgart etabliert, macht beim Aktionsbündnis „Recht auf Wohnen“ mit. |||vacancy reporter|||established|||action alliance|||| |||Detector de vacantes||||||coalición de acción|||| Dank ihres Engagements gibt es in Stuttgart seit 2016 wieder ein Zweckentfremdungsverbot von Wohnraum. ||engagements||||||||purpose misuse ban||living space ||compromiso||||||||Prohibición de desvío|| Allerdings darf Leerstand nur geahndet werden, wenn er nach dem 1. ||||penalized||||| ||||sancionado||||| Januar 2016 entstanden ist und seit mehr als einem halben Jahr besteht. |arisen||||||||| enero de 2016||||||||||

O-Ton Britta Mösinger: Es ist einfach ein zahnloser Papiertiger, man hat zwei Stellen geschaffen, von denen ist unseres Wissens in der Verwaltung beim Amt für Liegenschaften und Wohnen auch nur eine besetzt. ||||||||toothless|paper tiger||||positions|created|||||knowledge|||administration||||properties|||||| ||||||||sin dientes|Tigre de papel|||||||||||||||||Propiedades inmobiliarias|||||| Und wie soll diese Person, die paar hundert Meldungen auf dem Tisch liegen hat, das alles abarbeiten alleine? ||||||||reports||||||||work through| ||||||||informes||||||||completar|

Autorin: Noch immer gibt es nach Erhebungen der Stadt 1.220 leerstehende Wohnungen in Stuttgart. ||||||surveys|||empty||| ||||||encuestas|||vacías|||

O-Ton Britta Mösinger: Unsere Forderung vom Aktionsbündnis und vom Leerstandsmelder wäre, dass man mindestens 12 Stellen dafür schafft, und dann hat man vielleicht den Erfolg, den es in anderen Städten auch schon hat. |||||demand||action alliance|||vacancy reporter|||||||||||||||||||||| |||||||coalición de acción|||Detector de vacantes|||||||||||||||||||||| In München sind zum Beispiel mittlerweile Bußgelder in Höhe von zwei Millionen aufgerufen worden, in Summe, für alle Fälle, die bekannt waren. |||||now|fines||amount||||called||||||||| ||||||Multas administrativas|||||||||||||||

Autorin: Seit das Zweckentfremdungsverbot in Stuttgart in Kraft getreten ist, wurden in weniger als fünf Fällen Geldbußen wegen Leerstands verhängt, teilt die Stadt auf meine mehrfachen Nachfragen für SWR2 Wissen mit. |||purpose misuse ban||||force|taken||||||||money fines||vacancy|imposed|shares|||||multiple|inquiries|||knowledge| ||||||||entró en vigor||||||||multas||vacantes||||||||consultas repetidas|||| Autore: Da quando è entrato in vigore il divieto di appropriazione indebita a Stoccarda, sono state inflitte multe per posti vacanti in meno di cinque casi, ha detto la città in risposta alle mie molteplici domande su SWR2 Wissen. Eine Summe will sie nicht nennen. |||||name

Atmo: Straßengeräusch |street noise Ruido ambiental|ruido de calle

Autorin: Doch es geht noch schlimmer, etwa in Frankfurt am Main. ||||||for example|||| Denn in Hessen wurde 2004 das Gesetz abgeschafft, das Zweckentfremdung von Wohnraum verbietet. ||Hesse||||abolished||purposeful misuse||living space|prohibits ||||||||uso indebido||| Leerstand kann somit nicht belangt werden und darf auch nicht erhoben werden. vacancy||thus||be penalized||||||raised| ||||sancionado||||||recogido| I posti vacanti non possono quindi essere perseguiti e non possono essere addebitati. Schätzungen gehen von 10.000 leerstehenden Wohnungen in der Main-Metropole aus, Wohnraum, der dringend gebraucht wird. estimates|||empty||||||||||| ||||||||||||urgentemente necesario|| Die hessische SPD hatte 2019 einen Gesetzentwurf für die Wiedereinführung des Zweckentfremdungsverbots vorgelegt – bisher ohne Erfolg. |Hessian||||bill|||reintroduction||purpose misuse ban|presented|so far|| ||||||||reintroducción||prohibición de uso indebido||||

O-Ton Mieter: Ich wohne hier, dritter Stock. |||||||floor ||Inquilino||||| Schauen Sie mal die obere, aber die Rahmen, die Fenster, schauen Sie mal, die bisschen streichen vor langen Jahren, habe ich selber gemacht. look||||upper|||frame|||||||a little|paint||||||| Aber wenn die Winterzeit kommt, kommt es kalt rein. |||winter time||||| |||tiempo de invierno||||| Wenn der Winter kommt, kommt kalt. Wenn die Winter kommt, mache ich mit dem Nagel die Scheibe zu, damit der nicht aufmacht. ||||||||nail||window|||||opens ||||||||clavo||||||| Aber kein Problem…

Atmo: Im Haus

Autorin: Das wunderbare Gründerzeitgebäude in Stuttgart ist in erbärmlichem Zustand. ||||||||terrible|condition ||||||||lamentable| Treppenhaus und Fenster: voller Taubenschiss. staircase||||pigeon droppings ||||excremento de paloma Scala e finestra: piene di merda di piccione. Eine Mieterin fegt ein Taubennest weg, als ich mit Britta Mösinger die Treppen hochlaufe. |tenant|sweeps||pigeon nest||||||||stairs|run up |inquilina|barre||nido de palomas||||||||| Un inquilino sta spazzando via un nido di piccioni quando corro su per le scale con Britta Mösinger. Gegen den Inhaber des Altbaus wurde Klage erhoben, hatte mir die Stadt geschrieben. ||owner||old building|was|lawsuit|raised||me||| ||propietario||edificio antiguo|||||||| Seit Jahren sei ein Rechtsstreit anhängig. ||||legal dispute|pending ||||litigio pendiente|pendiente Für den Eigentümer mache das Verzögern und Hinausschieben durchaus Sinn, erklärt mir Mösinger: ||owner|||delay||pushing out|absolutely|sense|||

O-Ton Britta Mösinger: In dem Fall ist es ja jetzt so, der Denkmalschutz, da muss man natürlich auch nach gewissen Vorgaben renovieren, das kostet viel Geld. ||Britta|||||||||||historic preservation|||||||certain|guidelines|||costs|| |||||||||||||protección del patrimonio||||||||||||| Man müsste erstmal investieren, tut aber auch niemandem weh, wenn man das nicht macht, denn man wird auch nicht bestraft. |||||||anyone|hurt|||||||||||punished |||||||a nadie|||||||||||| Man kann einfach abwarten, und im besten Fall kommt dann noch ein anderer Investor, kauft's einem fürs Doppelte nochmal ab. |||wait||||||||||investor|buys it|||double|| |||esperar y ver|||||||||||lo compra|||el doble|| Und das sind dann einfach diese kapitalistischen Interessen, die auf dem Wohnungsmarkt am allerbesten funktionieren. ||||||capitalist|||||||best| |||||||||||||mejor de todo|

Atmo: Wilhelm-Raabe-Straße ||Raabe| ||Raabe|

Autorin: Das sehe ich auch einige Häuserblocks weiter in der Wilhelm-Raabe-Straße. ||||||house blocks|||||| ||||||manzanas|||||| Aus dem Fenster im ersten Stock ragt eine Überwachungskamera, laienhaft mit Tape und Kabelbindern befestigt. ||||||protrudes||surveillance camera|amateurishly||tape||cable ties|attached ||||||||cámara de vigilancia|de manera amateur||cinta||bridas| Vier der fünf Briefkästen sind mit schwarzem Panzertape zugeklebt, die Rollläden runtergelassen. |||mailboxes||||duct tape|sealed||roller shutters|down |||buzones||con|negro|cinta adhesiva negra|||persianas|bajados

O-Ton Britta Mösinger: Das war so, dass die Wohnung im EG und im 2. |||||||||||ground floor|| |||||||||||planta baja|| Stock schon leer waren und es auch angekündigt war, dass die anderen Mieter*innen auch raus müssen, es laufen bis heute Verfahren, dass die letzte Familie, die noch da ist, das Haus verlassen soll. |||||||announced||||||||||||||proceedings|||||||||||| |||||||anunciado|||||Inquilinos|||||||||procedimientos legales||||||||||||

Das wurde angestoßen, als das Haus an eine Eigentümerfamilie im Ausland verkauft wurde. ||initiated||||||owner family|||| ||iniciado||||||familia propietaria|||| Die dann nicht gesagt haben, wir lassen alles so, wie es ist, wir besitzen jetzt das Haus und nehmen die Mieten ein, so wie sie sind. |||||||||||||own|||||||||||| Sondern die hier eine Modernisierung anstreben. ||||modernization|strive

Autorin: Auf Nachfrage bei der Stadt erfahre ich per Mail: ||inquiry||||learn|||

Sprecher: Die unteren Geschosse sollen saniert werden. |||||renovated| |||pisos||renovados| Die beantragte Baugenehmigung für die Ausbauten im Dachgeschoss wurde vor wenigen Tagen erteilt. |requested|building permit|||extensions||attic|||||granted |solicitada|permiso de construcción|||ampliaciones||Ático|||||concedida

O-Ton Britta Mösinger/Autorin: Autorin: Was sind die Folgen der Genehmigung der Stadt?

Mösinger: Dass, ich hoffe, tatsächlich mal modernisiert wird, und dann aber natürlich zu dem Preis, der dann mit der vorherigen Miete gar nichts mehr zu tun hat, sondern plus die Modernisierungskosten, die ja auf die Mieterinnen und Mieter umgelegt werden, hier wieder jemand einzieht und das wird sich dann sicher jenseits von 1.000 Euro für eine ganz normale Wohnung abspielen. |||||once|modernized|||||||||||||previous|||||||||||modernization costs|||||female tenants|||converted|||||moves in|||||||||||||||play |||||||||||||||||||anterior alquiler|||||||||||costos de modernización|||||inquilinas|||repercutidos en|||||se mude|||||||||||||||

Autorin: Immobilien für horrende Preise kaufen und Wohnungen luxuriös sanieren: Woher kommt all das Geld dafür? |||horrendous|||||luxuriously||||||| |||||||||sanar|||||| Ich frage Sebastian Fiedler, der nicht nur Vorsitzender beim Bund Deutscher Kriminalbeamter ist, sondern auch im Vorstand von Transparency Deutschland. |||Fiedler||||chairman||||criminal investigators|||||board||Transparency| |||||||||Federación||Kriminalbeamter|||||||Transparencia| Chiedo a Sebastian Fiedler, che non è solo presidente del Bund Deutscher Kriminalbeamter, ma anche del consiglio di amministrazione di Transparency Germany. Eine große Finanzquelle sei die Geldwäsche, sagt er. ||financial source|||money laundering|| ||fuente de financiación|||lavado de dinero|| Il riciclaggio di denaro è una delle principali fonti di finanziamento, afferma.

O-Ton Sebastian Fiedler: Wenn man sich die Studie von Transparency anguckt, die sagt, dass mindestens 15 Prozent der kriminellen Erlöse am Ende in Immobilien wandern, und wenn wir dann daneben legen, dass eine der wenigen Studien von der Uni Halle davon ausgeht, dass wir über bis zu 100 Milliarden Euro pro Jahr rechnen, was Geldwäscheaktivitäten in Deutschland angeht, dann können Sie ungefähr hochrechnen, dass wir hier über keine Peanuts reden, sondern über veritable Größenordnungen, die ja auch was machen in der Wirtschaft. |||||||||||||||||||proceeds||||||||||||||||study||||Halle||goes out||||||||||||money laundering activities||||||||project||||||Peanuts||||veritable|orders of magnitude||||was|||| |||||||||||||||||||Ingresos delictivos||||||||||||||||||||||||||||||||||actividades de lavado de dinero||||||||||||||Peanuts||||veritable|magnitudes considerables||||||||economía Suono originale Sebastian Fiedler: Se si guarda allo studio di Transparency, che dice che almeno il 15 per cento dei proventi criminali finisce nel settore immobiliare, e se poi si ignora il fatto che uno dei pochi studi dell'Università di Halle presuppone che calcoliamo fino a 100 miliardi di euro all'anno in termini di attività di riciclaggio di denaro in Germania, quindi puoi estrapolare approssimativamente che qui non stiamo parlando di noccioline, ma di veri e propri ordini di grandezza, che stanno facendo qualcosa anche nell'economia. Das heißt, wenn solche Investments außerhalb der Legalwirtschaft passieren, dann kann das ja nicht gänzlich ohne Einfluss auf die Preisentwicklung sein. ||||investments|outside of||legal economy|||can||||completely|||||price development| ||||inversiones|||economía legal||||||||||||desarrollo de precios| Das heißt, auf der einen Seite auf die Immobilienpreisentwicklung, und wenn ich das zu Ende denke, kann das auch nicht ohne Einfluss auf Mietpreisentwicklungen sein. ||||||||real estate price development|||||||||||||||rental price developments| |||||||||||||||||||||||desarrollo de los precios de alquiler|

Autorin: Wer Geld schwarz erwirtschaftet, zahlt keine Steuern und hat in der Folge mehr Geld zur Verfügung, um es auszugeben. ||||generates|||taxes|||||||||available|||to spend ||||gana ilegalmente|||impuestos|||||||||||| Für teure Immobilien etwa. Fiedler beklagt, dass der deutsche Staat zu wenig dagegen unternehme. |||||||||undertakes |se queja de||||||||haga

O-Ton Sebastian Fiedler: Wir haben keinerlei Begrenzungen bei Bargeldgeschäften im Unterschied zu vielen anderen europäischen Staaten. |||Fiedler|||none|limitations||cash transactions||||||| |||||||||transacciones en efectivo||||||| Wir haben bislang keine gute Transparenz bei der Frage: Wer ist denn wirklich Eigentümer, wirtschaftlich Berechtigter eines Unternehmens? |||||transparency||||||||owner||entitled|| |||||||||||||||Beneficiario efectivo|| Wir haben kein vernünftiges Register, das uns deutlich macht, wem in ganz Deutschland welche Immobilien gehören, das funktioniert nicht. |||reasonable|register|||||||||||||| |||razonable|||||||||||||||

Autorin: Geldwäsche, Leerstand, Luxusapartments und Mieten in den Innenstädten, die kaum noch einer zahlen kann. |money laundering|vacancy||and||||city centers|||||| ||||||||centros de ciudades|||||| Wie konnte es dazu kommen, dass Wohnungen zu derart lukrativen Geldanlagen geworden sind? ||||||||such|lucrative|investments|| |||||||||lucrativas|inversiones financieras inmobiliarias|| Come mai gli appartamenti sono diventati investimenti così redditizi?

Mit dieser Frage wende ich mich an Stefan Rettich, Architekt und Professor für Städtebau, den ich in seinem Büro an der Uni Kassel treffe. |||turn|||||Rettich|architect||||urban planning|||||||||Kassel| ||||||||Rettich|||||urbanismo|||||||||Kassel| Rettich sieht den Ursprung in den 70er-Jahren, als zu viele Wohnungen gebaut wurden und Sozialwohnungsbestände nicht mehr gebraucht wurden, weil die Menschen vermehrt in Einfamilienhäuser gezogen sind. |||origin||||||||||||social housing stocks||||||||increasingly||single-family houses|| rábano blanco|||||||||||||||viviendas sociales existentes||||||||||casas unifamiliares|| Radich vede l'origine negli anni '70, quando furono costruiti troppi appartamenti e gli stock di alloggi sociali non erano più necessari perché le persone si trasferivano sempre più in case unifamiliari.

O-Ton Stefan Rettich: Und dann dachte man eigentlich, die Wohnungsfrage sei gelöst, so à la langue. ||||||||||housing question||solved||||language ||||||||||cuestión de vivienda||||||lengua Deswegen kam es dann 1990 zur Aufhebung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz, davor waren eigentlich alle Wohnungsgesellschaften der Kommunen Genossenschaften, die konnten also keinen Gewinn erwirtschaften und mussten sozusagen den Gewinn reinvestieren, entweder in neue Wohnungen oder in den Bestandserhalt. |||||repeal||housing non-profit law|||||housing companies||municipalities|cooperatives||||||earn||||||reinvesting||||||||maintenance |||||||Ley de vivienda|||||Compañías de vivienda||municipios|cooperativas de vivienda||||||||||||reinvertir||||||||Mantenimiento del inventario Ecco perché nel 1990 è stata abrogata la legge sulla casa senza scopo di lucro; prima di allora, tutte le cooperative edilizie dei comuni erano in realtà cooperative, quindi non potevano realizzare un profitto e dovevano reinvestire il profitto, per così dire, o in nuovi appartamenti o nella manutenzione di immobili esistenti. Und mit der Aufhebung dieses Gesetzes war es möglich, Wohnungen zu privatisieren. |||||law||||||privatize |||||||||||privatizar

Autorin: Viele Kommunen witterten eine Möglichkeit, Geld zu verdienen. |||sensed||||| ||municipios|olieron a||||| Die Stadt Dresden hat 2006 beispielsweise ihren kompletten Bestand verkauft, 60.000 Wohnungen. ||Dresden||||complete||sold| |||||||inventario|| In Freiburg war dasselbe geplant, dort konnten massive Proteste der Bevölkerung einen Verkauf verhindern. |Freiburg||the same|||||||||| ||||planeado|||||||||

Die in der jüngsten Vergangenheit größte Auswirkung auf die Preisexplosionen am Immobilienmarkt hatte aber die Finanzkrise 2008, als Aktienmärkte plötzlich unsicher wurden und Anleger begannen, in Immobilien zu investieren. |||||||||price explosions||real estate market||||||stock markets|||||investors|began|||| |||||||||explosiones de precios||||||||los mercados de acciones|||||inversores|||||

O-Ton Stefan Rettich: Also wenn sie ein Häuschen kaufen, dann nehmen Sie einen Kredit auf und dann dauert das 15 Jahre, bis er abgezahlt ist und dann können Sie sich überlegen, verkaufe ich weiter oder nicht? ||||||||little house|||||||||||||||paid off||||||||sell||||not |||||||||||||||||||||||pagado||||||||vendo|||| Und so war das eben sehr lange sehr regional geprägt, sehr bestandsorientierte Immobilienmärkte. |||||||||||inventory-oriented|real estate markets |||||||||||orientadas a los stocks|mercados inmobiliarios Und jetzt kommen plötzlich große, kapitalstarke Unternehmen mit Milliarden im Hintergrund und gehen in einen Markt rein, kaufen und überlegen sich dann eben schon eine Exitstrategie, ab wann sie wiederverkaufen. |||||capital-strong||||||||||market||||consider||||||exit strategy||||resell |||||fuertemente capitalizados||||||||||||||||||||estrategia de salida||||reventa

Autorin: Verstärkt wird die Preisspirale am Immobilienmarkt bis heute durch die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank. ||||price spiral||real estate market|||||low interest rate policy|||central bank |||||||||||política de bajos tipos|||Banco Central Sowohl Privatpersonen, die auf ihrem Sparbuch keine Zinsen mehr bekommen, als auch Versicherungen und Pensionsfonds investieren seit 2008 in Immobilien oder Immobilienfonds. |private individuals||||savings book||interest|||||insurances||pension funds||||||real estate funds |Particulares||||libreta de ahorros||intereses|||||||fondos de pensiones||||||fondos inmobiliarios

O-Ton Stefan Rettich: Das heißt, wenn Sie jetzt eigentlich nur eine Haftpflichtversicherung abschließen, also in eine Versicherung investieren, führt das im Umkehrschluss dazu, dass Ihre Miete vielleicht steigt. ||||||||||||liability insurance|take out||||insurance|||||reverse conclusion|||||| ||||||||||||Seguro de responsabilidad||||||||||Conclusión inversa||||||

Autorin: Und es gibt einen weiteren gewichtigen Grund für steigende Mieten und teure Immobilien, erfahre ich bei meinen Recherchen. ||||||significant||||||||learn||||research Nämlich: die Bodenpreise. namely|| ||Precios del suelo Das zeige sich vor allem in den teuren Städten, wo der Quadratmeter in Spitzenlagen 18.000 Euro und mehr kosten kann, erzählt mir Ricarda Pätzold vom Deutschen Institut für Urbanistik. |||||||||||||prime locations||||||||Ricarda|Pätzold|||||urban studies |||||||||||||zonas exclusivas||||||||Ricarda|Pätzold|||||Urbanismo Zu diesen Summen kommt es, weil der Boden ein knappes Gut ist. ||sums|||||||scarce|| |||||||||escaso|| Man kann ihn nicht vermehren. Dass Grund und Boden zur Spekulationsware geworden sind, hält Ricarda Pätzold für höchstproblematisch. |||||speculative goods|||||||highly problematic |||||mercancía de especulación|||||||altamente problemático Denn:

O-Ton Ricarda Pätzold: Auf so teuren Flächen kann im Prinzip nur was gebaut werden, was ebenfalls eine sehr beachtliche Rendite bringt. |||||||areas||||||||||||considerable|return| |||||||||||||||||||rendimiento considerable|rendimiento financiero| Und das heißt Eigentumswohnungen, die dann wiederum 12.000 Euro pro Quadratmeter kosten im Penthaus. |||condominiums|||||||||penthouse |||apartamentos de propiedad|||||||||ático Aber das hat eben wenig mit breiten Schichten der Bevölkerung und der Stadtgesellschaft zu tun, die jetzt nicht zu den Hochvermögenden gehört. ||||||broad|layers|||||city society||||||||wealthy| ||||||||||||sociedad urbana||||||||altamente ricos|

Autorin: Eine Möglichkeit, die Bodenpreise wieder nach unten zu korrigieren, schlägt Stefan Rettich vor. ||||land prices||||||||| Der Staat könnte eine Steuer auf die Wertsteigerung erheben. |state|||tax|||appreciation|levy |||||||plusvalía|

O-Ton Stefan Rettich: Wenn man jetzt den Bodenwertzuwachs besteuern würde, dann wird es für viele Anleger nicht mehr attraktiv. ||||||||land value increase|tax|||||||investors||more|attractive ||||||||aumento del valor del suelo||||||||||| Weil im Moment ist die Marge so hoch, weil der Gewinn nicht besteuert wird. because|||||margin|||||||taxed| |||||margen|||||||| Wenn der besteuert wird, gehen viele mit ihren Investments raus und suchen sich andere Anlagemöglichkeiten und dann kommt wieder Angebot und Nachfrage ins Spiel. ||taxed||||||||||||investment opportunities||||||||| ||||||||||||||opciones de inversión||||||||| Also wenn die Nachfrage nicht mehr so hoch ist, dann sinken auch die Preise wieder oder sie steigen nicht mehr so stark. Und dann können die Kommunen auch wieder besser erwerben. ||||municipalities||||acquire

Atmo: Roecklplatz |Roecklplatz |Roecklplatz

Autorin: Ich will die dramatischen Auswüchse am Immobilienmarkt selbst sehen und verabrede einen Spaziergang durch München. ||||dramatic|excesses||real estate market||||arrange|||| ||||dramáticos|||||||acuerdo para|||| Mit Christian Stupka, Vorstand bei der genossenschaftlichen Wohnungsagentur in München. ||Stupka||||cooperative|housing agency|| ||Stupka||||cooperativa de viviendas|agencia de viviendas|| Stupka zeigt mir ein wunderschönes Häuserensemble aus der Gründerzeit am Roecklplatz – und erzählt zwei Geschichten, die unterschiedlicher nicht sein könnten. ||||beautiful|ensemble of houses|||founding||||||||more different||| ||||hermoso|conjunto de casas|||época de fundación|||||||||||

O-Ton Christian Stupka: Das mittlere Haus, das ist im Jahr 2006 verkauft worden an einen Investor, der hat die Familie angelogen, der hat gesagt, das behalten wir und machen das langfristig als Mietwohnungen für die Mieter. ||||||||||||||||||||lied||||||||||||rental||| ||||||||||||||||||||engañado a||||||||||||alquiler||| O-Ton Christian Stupka: La casa mediana, fue vendida en el año 2006 a un inversor, quien engañó a la familia, les dijo que iban a mantenerla y convertirla a largo plazo en viviendas de alquiler para los inquilinos. Und kaum war die Tinte getrocknet unter dem notariell beglaubigten Kaufvertrag, hat der Druck auf die Mieter hier gemacht, hat eine grüne Plane vor das Haus gehängt und hat gesagt, jetzt wird hier erstmal richtig saniert. ||||ink|dried|||notarized|certified|purchase agreement||||||||||||tarpaulin||||hung||||||||| ||||||||notarial|certificado notarialmente|contrato de compraventa||||||||||||lona verde||||||||||||| Y apenas se secó la tinta bajo el contrato de compra notarialmente certificado, empezó a presionar a los inquilinos aquí, colgó una lona verde frente a la casa y dijo que ahora se iban a hacer importantes reformas. Und ist dann auf die Mieter zugegangen und hat gesagt: „Das werden Sie nicht erleben wollen, was jetzt hier passiert die nächsten Monate, und wollen Sie nicht gegen eine Abfindung ausziehen und den Mietvertrag beenden?“ Und der hat das leider geschafft. ||||||approached|||||||||||||||||||||||compensation|move out|||rental agreement||||||| |||||||||||||||||||||||||||||Indemnización||||||||||| Luego se acercó a los inquilinos y les dijo: "No van a querer ver lo que sucederá aquí en los próximos meses, ¿no prefieren mudarse con una compensación y terminar el contrato de alquiler?" Y desafortunadamente lo logró.

Autorin: Zwei Jahre später hat der Investor die Wohnungen einzeln verkauft für 4.000 bis 4.700 Euro pro Quadratmeter. |||||||||individually|||||| Gekauft hatte er den Quadratmeter für 2.000.

O-Ton Christian Stupka: So, und heute sind diese Wohnungen, und das ist jetzt eigentlich das nochmal Dramatischere an der Entwicklung, der Quadratmeterpreis ist auf 10.000 Euro und mehr hier gestiegen, oder wenn man es zusammenrechnet, seit 2006 um das Fünffache: von 2.000 auf 10.000 Euro. |||||||||||||||||more dramatic|||||price per square meter||||||||||||calculates||||fivefold||| |||||||||||||||||más dramático|||||precio por metro cuadrado||||||||||||calculando||||quintuplicado||| Und ein Beispiel, wie die Stadt schon seit längerem umsteuert, steht direkt daneben. |||||||||steers||| |||||||||cambia de rumbo||| Das ist jetzt ganz interessant, die sehen ja völlig baugleich aus… |||||||||identical| |||||||||idénticos|

Autorin: Das Haus nebenan gehört der Genossenschaft WOGENO, die Christian Stupka vor mehr als 25 Jahren mit Freunden gegründet hat. author|||next door|||cooperative|||||||||||| ||||||cooperativa|WOGENO|||||||||||

O-Ton Christian Stupka: Das wurde von der Stadt im Vorkaufsrecht erworben, und die Stadt hatte damals eine ganz hervorragende Beschlusslage auf den Weg gebracht, dass nämlich dann, wenn Häuser wieder reprivatisiert werden, Genossenschaften bevorzugt werden, und zwar dann, wenn 75 Prozent der Mieter sich der Genossenschaft anschließen. ||||||||||preemptive right|acquired||||||||outstanding|decision-making|||||||||||reprivatized||cooperatives|preferred|||indeed||||||||cooperative|join ||||||||||Derecho de preferencia||||||||||decisión oficial|||||||||||reprivatizados||||||||||||||cooperativa| Also haben wir dann von der Wogeno mit den Mietern diskutiert und hin und her, und die mussten ja Einlagen zeichnen, und wer das kann und wie das solidarisch jetzt alles geht. |||||||||tenants||||||||||deposits|||||||||solidarily||| ||||||Wogeno|||inquilinos||||||||||aportaciones de capital||||||||||||

Autorin: Fast alle Mieter haben zugesagt. |||||agreed |||||aceptado So konnte die Wogeno das Haus 2007 schließlich kaufen, für einen Quadratmeterpreis von knapp 2.000 Euro. ||||||finally||||price per square meter||| ||||||||||precio por metro cuadrado|||

O-Ton Christian Stupka: Und dann ist da ein tolles genossenschaftliches Leben in dem Haus entstanden, und heute wohnen da 50 Menschen, davon 20 Kinder. ||||||||||cooperative|||||emerged||||||| ||||||||||cooperativo|||||||||||| Also es gelingt dann auch wieder, die relativ großen und bequemen Wohnungen familienfreundlich zu belegen. ||succeeds||||||||||family-friendly|| ||tiene éxito||||||||||familiar|| Und die Miete ist unter zehn Euro netto kalt, und das ist ungefähr die Hälfte, was hier sonst mittlerweile gezahlt wird. ||rent|||ten||net||||||||||||| Also so kann man dann Objekte in einen sicheren Hafen bringen und der Spekulation dauerhaft entziehen. |||||||||harbor||||speculation|permanently|withdraw ||||||||||||||permanentemente|

Autorin: Das Prinzip der Genossenschaften: Sie orientieren sich an der Kostenmiete. ||||cooperatives||orient|||| ||||||se basan en||||alquiler de costos Gewinne werden nicht erwirtschaftet. |||generated |||no se generan Inzwischen gibt es in München fast 60 Genossenschaften, ihre Beliebtheit steigt. Meanwhile||||||||popularity| ||||||cooperativas||popularidad| Trotzdem bekomme Deutschlands teuerste Stadt das Problem des zu wenigen und zu wenig bezahlbaren Wohnraums nicht in den Griff, beklagt Stupka. ||||||||||||too little||living space||||grip|complains| |||||||||||||asequible|espacio habitable|||||| Sin embargo, la ciudad más cara de Alemania no logra resolver el problema de la escasez de vivienda asequible, según Stupka.

O-Ton Christian Stupka: Man kann vielleicht auch umgekehrt sagen: Weil München eigentlich immer schon knappe Flächen hatte und Wohnungsmangel, war München so erfinderisch und stemmt sich mit verschiedenen Instrumenten gegen diese Entwicklungen, so gut sie kann, kommt aber diesem grundsätzlichen Problem nicht aus, solange halt der Grund und Boden weitgehend dem Markt überlassen ist, was ja eine Kommune auch gar nicht ausreichend eindämmen kann, dazu bräuchte es ja Bundesgesetze. ||||||||||||||||spaces|||housing shortage||||inventive||propels|itself|||instruments|||||||||but||fundamental|||||halt|||||largely|||leave|||||municipality||||sufficiently|contain|||||too|federal laws ||||||||al revés|||||||||||Escasez de viviendas||||ingeniosa||resiste||||Instrumentos|||||||||||||||||||||||||||||||||suficientemente|echar atrás||||||leyes federales Declaración de Christian Stupka: Se podría decir también al revés: porque Múnich siempre ha tenido escasez de espacio y carencia de viviendas, Múnich ha sido tan ingeniosa y ha luchado contra estas tendencias con diferentes instrumentos lo mejor que ha podido, pero no ha podido resolver este problema fundamental, mientras que la tierra siga mayoritariamente en manos del mercado, algo que un municipio no puede controlar suficientemente, ya que necesitaría leyes federales para hacerlo.

Autorin: Stupka erläutert mir die Bedeutung des Paragrafen 34 des Baugesetzbuchs. ||explains|||||paragraph||building code ||explica|||||parágrafo||Código de Construcción Autora: Stupka me explica la importancia del artículo 34 de la Ley de Construcción. Dieser betrifft Innenstadtgebiete und besagt, dass in einer bereits bebauten Umgebung für eine noch freie oder wieder freiwerdende Fläche kein Bebauungsplan von der Stadt aufgestellt werden muss. |concerns|city center areas||states|||||built|surroundings|||||||becoming free|area||development plan||||drawn up|| ||áreas del centro de la ciudad||||||||||||||||||plan de urbanismo|||||| Stupkas Einwand: Ohne neues Baurecht könne kein städtisches Innenentwicklungsmodell greifen, das Quoten für geförderten Wohnraum vorsieht. Stupkas|objection|||building rights||||inner development model|||quotas||subsidized||foresees Stupkas|objeción|||derecho de construcción|||urbano|modelo de desarrollo interno|||cuotas de||vivienda subvencionada||prevé Damit haben Investoren freie Hand bei ihren Bauentscheidungen. ||investors|||||construction decisions ||inversores|||||decisiones de construcción Ein solches Ergebnis zeigt mir Stupka drei Minuten entfernt vom Roecklplatz, in einer riesigen Neubauanlage: |such a|||||||||||||new building complex ||||||||||||||edificio de nueva construcción

Atmo: Wohnanlage |residential complex |complejo residencial

O-Ton Christian Stupka: Hier sind Family-Offices und ähnliche gekommen, auch namenhafte Fußballspieler, und sagen, da nehme ich mal da drei Wohnungen und da oben das Penthaus nehme ich auch. ||||||||||||renowned|||||||||||||||||| ||||||Family|oficinas|||||famosos|futbolistas||||||||||||||||| Das war hier schon deutlich, dass das Anlageobjekte sind, wo Menschen, die ihr Geld einparken wollen, man redet ja auch von Betongold, kaufen sich ein, zwei, drei, vier, fünf oder auch zehn Wohnungen und vermieten die dann als Geldanlage. |||||||investment properties|||||||park|||||||concrete gold|||||||||||||to rent||||investment |||||||activos de inversión|||||||aparcar dinero|||||||Oro inmobiliario|||||||||||||alquilar||||inversión

Autorin: Ich frage mich auch, was die Bauträger mit solchen Wohnungen erreichen wollen? |||||||property developers||||| |||||||Promotores inmobiliarios|||||

O-Ton Christian Stupka: Wenn mein Geschäft darin besteht, dass ich ein Grundstück kaufe, Wohnungen errichte und die dann abverkaufe als Eigentumswohnungen, dann habe ich ja weniger das Wohnen im Sinn, als dass ich mein Kapital verwerten möchte. ||||||||||||plot of land|||erect||||sell off||condominiums|||||||||||||||utilize| ||||||||||||terreno|||construyo||||liquido||||||||||||||||||

Autorin: München hat dem Treiben inzwischen einen Riegel vorgeschoben und vergibt seine Bauvorhaben nur noch ans beste Konzept und nicht mehr gegen Höchstgebot. ||||activities|||bar|pushed||||||||||||||highest bid ||||actividad desenfrenada|||obstáculo|puesto fin a|||||||||mejor propuesta|||||oferta más alta Die Stadt fördert außerdem Genossenschaften und unterschiedliche Bauträger.

Grundstücke verkauft sie nicht mehr, sondern verpachtet sie nur noch auf Zeit – im Erbbaurecht. properties||||||leases|||||||hereditary building right terrenos||||||arrienda|||||||Derecho de superficie Sogenannte leistungslose Gewinne aus Bodenwertsteigerungen schöpft die Stadt immer stärker ab. |non-performing|||land value increases|draws||||| |ganancias no productivas|||aumentos del valor del suelo|aprovecha|||||

Ich lerne bei meinen Recherchen Wortungetüme wie „Milieuschutzsatzung“ kennen: Auch die Milieuschutzsatzung hat München nämlich vorangetrieben, nach der die soziale Zusammensetzung eines Viertels erhalten bleiben muss – egal ob neu gebaut wird oder die Inhaber einer Immobilie wechseln. |||||word monstrosities||neighborhood protection statute||||neighborhood protection statute||||advanced|||||composition||quarter|||||||||||||property| |||||Palabras monstruosas||Norma de conservación||||Norma de conservación||||impulsado por|||||composición social||barrio|||||||||||||| Eine weitere Maßnahme ist es, die Bodenpreise einzufrieren, wie es gerade im Norden und Nordosten Münchens passiert. |||||||to freeze||||||||| ||medida|||||congelar||||||||de Múnich| Die Berliner Stadtforscherin Ricarda Pätzold erklärt mir, warum sie das für ein wichtiges Instrument hält: ||city researcher|||||||||||| ||investigadora urbana||||||||||||

O-Ton Ricarda Pätzold: Die Bodenpreise werden ja eingefroren, um die spekulative Vorwegnahme von Zukunft zu verhindern, und das ist natürlich genau richtig. ||||||||frozen|||speculative|anticipation|||||||||| ||||||||congelados||||anticipación|||||||||| Denn wenn jetzt alle Blütenträume wachsen, dann bin ich schon wieder bei Bodenpreisen von 6.000 Euro und dann habe ich schon wieder das Problem. ||||flower dreams||||||||floor prices|||||||||| ||||Sueños florales||||||||precios del suelo|||||||||| Insofern ist das die einzige Möglichkeit, da ein zukünftiges Quartier zu entwickeln, was diese ganzen Ansprüche von Stadt, sozialgerecht usw. ||||||||future|quarter|||||||||socially just|etc. En ese sentido|||||||||||desarrollar|||||||justo social| aufnehmen kann. to take in|

Autorin:

Auch die Mietpreisbremse und der Mietendeckel, wie in Berlin praktiziert, sind Möglichkeiten für Städte und Kommunen, die Preisexplosion bei den Mieten einzudämmen. ||rent control|||rent cap||||practiced||||||municipalities||price explosion||||to curb |||||tope de alquileres||||||||||||explosión de precios||||

Ebenfalls immer wieder im Gespräch: Enteignungen. |||||expropriations |||||Expropiaciones Im September sollen die Berliner Bürger per Volksentscheid über die Vergesellschaftung von Immobilienfirmen abstimmen, die mehr als 3.000 Wohnungen besitzen. |September||||||referendum|||socialization||real estate companies|vote|||||own |||||||referéndum popular|||socialización||inmobiliarias|||||| Angestoßen hatte das Verfahren die Initiative „Deutsche Wohnen und Co. kicked off||||||||| Iniciado por|||proceso|||||| Enteignen“. expropriate Überhaupt stellt sich mir immer stärker die Frage, warum Grund und Boden Privateigentum sein dürfen? ||||||||||||private property|| Wo Wohnen doch zur Grundversorgung eines jeden Menschen gehört. ||||basic provision|||| ||||suministro básico||||

O-Ton Christian Stupka: Wenn ich sagen würde, das Wasser wird privatisiert, was ja zum menschlichen Leben auch eine Grundvoraussetzung ist, würde es einen Aufschrei geben. |||||||||||privatized||||||||basic requirement|||||outcry| |||||||||||privatizado||||||||condición fundamental|||||| Oder wenn man sagen würde, die Luft wird privatisiert oder was, das wäre undenkbar. ||||||||privatized|||||unthinkable Und beim Boden ist es irgendwie ganz normal. |||||somehow||normal

Autorin: Gemäß Artikel 15 des Grundgesetzes können Grund und Boden enteignet werden, um sie zu vergesellschaften. |According to|||basic law||||||||||socialize ||||constitución||||||||||socializar Das aber ist noch nie gemacht worden. Der deutsche Staat tut sich damit schwer aufgrund der Enteignungspraxis im Dritten Reich und in der DDR. |||||||||expropriation practices||||||| |||||||||práctica de expropiación||||||| Sowieso sind vor allem die Kommunen selbst aufgerufen, eine gute Bodenpolitik zu betreiben. De todas formas||||||||||política de suelo|| Als Paradebeispiele gelten Ulm und Wien, die den Grund und Boden seit mehr als 100 Jahren der Spekulation entziehen. |parade examples|count as||||||||||||||| |ejemplos de referencia||Ulm||||||||||||||

O-Ton Ricarda Pätzold: Ulm ist ein Vorbild für die bodenpolitische lange Linie, weil Ulm ebenso wie Wien, im gesamten Wohnungsmarkt hat Ulm eine Bodenpolitik, von der sie seit über 100 Jahren nicht abgewichen sind. |||||||model|||land policy||line||||||||||||||||||||deviated| ||||||||||||||||||||||||||||||||ha desviado| D.h. sie entwickeln Flächen nur, schaffen Baurecht nur, wenn das Land der Stadt gehört. they|||||||||||| Das versuchen inzwischen sehr viele Städte, auch zu implementieren. ||||||||implement ||||||||implementar

Autorin: Die Österreicher sind schon einen Schritt weiter: Der Stadt Wien und ihren Genossenschaften gehören zusätzlich 60 Prozent der Mietwohnungen. |||||||||||||cooperatives|||||rental apartments Zum Vergleich: In Stuttgart sind sechs Prozent der Wohnungen im Besitz der städtischen Wohnungsbaugesellschaft und acht Prozent im Besitz von Genossenschaften, macht insgesamt 14 Prozent. ||||||||||possession||municipal|housing construction company|||||||||| |||||||||||||empresa de vivienda|||||||||en total| Zu wenig, findet Ricarda Pätzold:

O-Ton Ricarda Pätzold: Wenn eine kommunale Gesellschaft, Genossenschaft unter 15 Prozent liegen, dann haben sie natürlich kaum diese Größe, dass sie auch in der Stadt wahrgenommen werden als Akteure und dass sie eine ausreichende Zahl von Menschen versorgen, die wiederum diesen Gedanken vielleicht auch in die Menschheit tragen. ||||||municipal|||||||||||||||||||||||||||sufficient|||||||||||||humanity| ||||||municipal|||||||||||||||||||||||||||suficiente||||abastecer||||||||||

Autorin: Je weniger Boden und Wohnungen Städte besitzen, desto weniger Einfluss haben sie auf die Mietpreise. |||||||||||||||rental prices |||||||||||||||precios de alquiler Die Folge: Sie müssen jährlich Milliarden dafür aufwenden, um Menschen finanziell zu unterstützen, damit diese überhaupt ihre Miete zahlen können. |||||||spend|||||||||||| ||||||||||financieramente||||||||| Dabei müssen sie Quadratmeterpreise von 17 Euro und mehr akzeptieren. |||square meter prices||||| |||precios por metro cuadrado||||| Insgesamt haben Städte, Länder und der Bund 2019 circa 17 Milliarden Euro für Wohngeldunterstützung ausgegeben. |||||||approximately||||housing allowance| ||||||gobierno federal|||||subsidio de vivienda|

O-Ton Ricarda Pätzold: Das ist eine ganze Menge. Und diese Summe ist in gewisser Weise stabil geblieben in den letzten Jahren, weil wir sehr starke Rückgänge an der Zahl der Bedarfsgemeinschaften hatten. |||||certain||||||||||||declines|||||households in need| |||||||||||||||||disminuciones significativas|||||Unidades familiares beneficiarias| Wenn wir uns jetzt also, Corona-Krise, vorstellen, dass die Arbeitslosigkeit perspektivisch steigen wird, dann schlagen natürlich diese gestiegenen Einzelmietkosten deutlich stärker durch. ||||||||||unemployment|perspectively|||||||risen|individual rental costs||| |||||||||||a largo plazo|||||||aumentados|costos de alquiler individual|||

Atmo: Olgäle |Olgäle |Olgäle

Autorin: Auch Stuttgart will wieder Kontrolle über den Immobilienmarkt gewinnen. Die Stadt stellt privaten Investoren einige städtische Grundstücke verbilligt zur Verfügung. ||||||urban||at a reduced price|| ||||inversores|||terrenos|a precio reducido||

Dafür müssen sich diese verpflichten, dort mindestens 50 Prozent geförderte Wohnungen zu bauen. ||||commit||||subsidized||| ||||||||subvencionadas||| Die Stadt unterstützt dazu verschiedenste Einzelprojekte. ||||various|individual projects |||||proyectos individuales Das „Olgäle“ auf dem Areal des ehemaligen Kinderkrankenhauses gehört dazu. |||||||children's hospital|| |||||||hospital infantil|| Die Häuser wirken bunt und belebt, in den gemeinschaftlich genutzten Gärten zwischen den Häusern wachsen die verschiedensten Blumen. |||colorful|||||communal|used|gardens|||houses|||various| Was der städtebauliche Wettbewerb, der durchgeführt worden war, gebracht hat, erzählt mir Christian Holl: ||urban planning|competition||conducted|||||||| ||urbano|||||||||||

O-Ton Christian Holl: Dass die Grundstücke parzelliert worden sind, dass sie einzeln per Konzeptvergabe zum Festpreis vergeben wurden, dass hier Baugenossenschaften, Investoren, Baugemeinschaften investiert haben, dass es hier also tatsächlich einen Mix gibt, dass sich die Zivilgesellschaft eingemischt hat, mit dem Verein Olgäle e.V., dass es hier wirklich ein Miteinander von Zivilgesellschaft und Stadt gab, dass verschiedene Bauträger zum Zug gekommen sind, dass es möglich wurde, dass verschiedene Einkommensgruppen hier Wohnraum finden. |||||||parcelled|||||individually||concept allocation||fixed price|allocated||||building cooperatives||building communities|investors||||||||Mix|||||civil society|mixed||||||||||||||||||||||||||||||||income groups||| ||||||terrenos|parcelados|||||||adjudicación conceptual||precio fijo|||||Cooperativas de construcción|inversores|Grupos de construcción|||||||||||||||mezclado|||||Olgäle||||||||||||||||Promotores inmobiliarios|||||||||||grupos de ingresos||| Also hier ist schon sehr viel richtig gemacht worden.

Autorin: Genau solche Projekte schaffen eine Form des Zusammenlebens, die wichtig ist für eine Stadt. ||||||||cohabitation|||||| ||||||||convivencia|||||| Das findet auch Christina Simon-Philipp, die ich als letzte Expertin meiner Recherche befrage. |||Christina|||||||expert|||interview Sie ist Professorin für Stadtplanung und Städtebau an der Hochschule für Technik in Stuttgart. ||||urban planning||||||||| ||||planificación urbana|||||escuela superior||||

O-Ton Christina Simon-Philipp: Wohnungsbau ist nicht nur ein Wirtschaftsgut, sondern in erster Linie ein Sozialgut, und das war jahrelang eben in einem totalen Ungleichgewicht, bis man gemerkt hat, das Sozialgut kippt uns irgendwo hinten runter. |||||housing construction|||||economic good||||first||social good||||||||total|imbalance||||||social good|tilts|||| ||||||||||bien económico|||||||||||||||||||||bien social|se nos cae|||| Und klar, wir brauchen eine super mutige und durchsetzungsstarke Politik. ||||||brave||assertive| ||||||||decidida| Und deswegen meine ich, das muss zur Chefsache werden. |||||||asunto prioritario|

Autorin:

Aber die gewachsenen Strukturen sind starr – in Stuttgart, wie anderswo: ||grown||||||| ||crecidas|Estructuras establecidas||||||

O-Ton Christina Simon-Philipp: Die ganzen Ämter, die zum Beispiel Baumaßnahmen umsetzen sollten, hier die Schulsanierungen z.B., die können ja gar nicht die Schulsanierungen umsetzten, weil die Ämter so minderbesetzt sind, dass die gar nicht die Genehmigungen fertigstellen können. |||||||||||construction measures|||||school renovations|||||||||school renovations|implement|||||understaffed|||||||approvals|complete| |||||||||||obras|||||renovaciones escolares|||||||||reformas escolares||||||Con poco personal||||||||| Deswegen hinkt das alles hinterher, die Gelder können nicht abgerufen werden, das heißt, die Stadt hat, sage ich mal, auch in ihrem eigenen Laden so gespart, dass viel zu wenige Mitarbeiter da sind. |limps|||||funds|||withdrawn||||||||||||||||||||||| |cojea|||a la zaga||fondos monetarios|||solicitados||||||||||||||negocio propio|||||||||

Autorin: Wohnen, das bleibt vorerst ein soziales Problem unserer Zeit. ||||por ahora|||||

O-Ton Christina Simon-Philipp: Das ist eine wahnsinnig lukrative Geldanlage, Immobilien in Deutschland zu kaufen, und das hätte man sicherlich früher verhindern können oder in den Griff bekommen können, aber das ist natürlich so eine komplexe Geschichte, da kann man nicht nur sagen, eine Stadt allein ist Schuld, sondern dann ist das das Land, der Bund, das greift alles ineinander, die gesamte Politik hat da falsche Prioritäten gesetzt oder da nicht früh genug eingegriffen. |||||||||lucrative|||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||into each other|||||||priorities|||||||

Autorin: Damit Wohnen wieder für alle bezahlbar wird, fordern verschiedene politische Initiativen, ein Recht auf Wohnen im Grundgesetz zu verankern. |||||||||||initiatives||||||basic law||anchor |||||||||||||||||constitución|| Ein Gesetzentwurf der Partei DIE LINKE liegt dem Deutschen Bundestag bereits vor. |||||||||Parlamento alemán||