Subjektive Bedeutung der Modalverben | Deutsche Grammatik B2, C1
Hallihallo meine Lieben! Im heutigen Video geht es um die subjektive Bedeutung der
Modalverben. Ja, ich weiß, klingt super kompliziert,
aber dieses Thema ist vor allem für fortgeschrittene Lerner, also für euch,
sehr wichtig, da diese Strukturen in der deutschen Sprache sehr häufig vorkommen.
Wenn es euch also interessiert, dann holt euch ein Stift mit einem Heft und bleibt
auf jeden Fall dabei!
Und jetzt geht es richtig los! Die meisten Modalverben in der
subjektiven Bedeutung drücken eine Vermutung aus. Was ist eine Vermutung?
Wenn ich etwas vermuten, dann weiß ich etwas nicht genau, aber aufgrund
bestimmter Umstände oder Fakten kann ich mir vorstellen, dass etwas so und so ist.
Und deswegen vermute ich es. Aber jetzt wird es irgendwie zu abstrakt. Deswegen
schauen wir gleich auf die Beispiele. Wir schauen zunächst auf die Gegenwartsformen,
also Präsens. Um hier deinen Satz mit einem Modalverb im subjektiven
Gebrauch zu bilden, brauchst du natürlich zunächst dein
Modalverb, also zum Beispiel "müssen" und dieses Modalverb sollte entweder im
Präsens oder in der Konjunktiv II-Gegenwartsform stehen.
Warum es so ist, wirst du gleich sehen. Plus natürlich brauchst du deinen
Infinitiv. Und nun schauen wir auf verschiedene Modalverben. So wir beginnen mit
dem Verb "müssen". Mit diesem Verb kannst du wie gesagt in
der subjektiven Bedeutung deine Vermutung ausdrücken. Mit "müssen" drückst
du aber deine Gewissheit aus. Du bist dir also bei deiner Vermutung
sehr sicher, so zu 90 bis 99 Prozent. Das heißt, du hast bestimmte Fakten, durch
die du auch dir sicher sein kannst. Beispielsweise möchtest du mit deinen
Freunden zusammen einer anderen Freundin Sarah zum Geburtstag gratulieren und
eine Überraschung auf der Arbeit organisieren. Dann hast du mit dieser
Freundin telefoniert, ohne ihr etwas zu sagen und weißt, dass sie jetzt auf der
Arbeit ist und dann sagst du zu deinen Freunden:
So jetzt müssen wir los. Sie muss jetzt im Büro sein. Das hat sie mir gerade
gesagt. "Sie muss jetzt im Büro sein". Siehst du, das ist ein Satz mit einem
Modalverb im subjektiven Gebrauch. Das ist also deine Vermutung.
Du hast jetzt gerade mit ihr gesprochen und hast es vielleicht gehört oder sie
hat dir das gesagt. Das ist natürlich trotzdem deine Vermutung, weil du nicht
weißt, ob sie in fünf minuten immer noch dort im Büro ist. Deswegen benutzt du
nicht einfach Präsens "sie ist im Büro", sondern dein Modalverb "sie muss jetzt im
Büro sein" - also bist du dir sehr sicher und deshalb benutzt du hier das Verb
"müssen". Das nächste Verb, auf das wir schauen ist das Verb "müssen" in der
Konjunktiv-II-Gegenwartsform - also "müssten".
Mit diesem Modalverb drückst du deine Vermutung aus, wie gesagt sie drücken
fast alle eine Vermutung aus. Aber hier ist deine Vermutung im Vergleich zum
Verb "müssen" nicht so stark. Du bist dir also nicht mehr zu 95 Prozent sicher,
sondern so vielleicht zu 80 oder 70-75 %. Das heißt, du hast vielleicht nicht so
offensichtliche Fakten, dass du dir komplett sicher sein kannst.
Wir nehmen wieder unser Beispiel mit Sarah. Du möchtest ihr also mit deinen
Freunden auf der Arbeit gratulieren und jetzt wollt ihr los, um ihr eine
Überraschung zu machen. Aber diesmal hast du mit ihr nicht
telefoniert, aber du weißt ja, dass sie normalerweise zu dieser Uhrzeit im Büro ist.
Und dann sagst du: Lasst uns los! Sie müsste jetzt im Büro sein.
"Sie müsste jetzt im Büro sein". Siehst du, hier benutzt du "müsste",
weil du dir zwar sicher bist, aber du hast ja keine ganz genauen Fakten, du
hast nicht gerade mit ihr telefoniert. Vielleicht ist sie ja nicht im Büro,
sondern in der Kantine oder sonst wo. Deswegen benutzt du hier "müsste" und
nicht "muss". Das Signalwort für "müssten" ist sozusagen "sehr wahrscheinlich", aber
nicht sicher. Als Nächstes schauen wir auf "dürften". Hier haben wir die
Konjunktiv II-Gegenwartsform, weil im subjektiven Gebrauch kein "dürfen" gibt.
Also nur "dürften". Mit diesem Modalverb drückst du wieder Überraschung deine
Vermutung aus, genau. Aber im Vergleich zu den ersten zwei Verben also "müssen" und
"müssten" bist du dir hier deutlich weniger
sicher, so zu 60 Prozent vielleicht. Die Signalwörter, die dir helfen können, das
zu erkennen, sind zum Beispiel "vielleicht", "möglicherweise", "etwas ist möglich". Wir
nehmen als Beispiel wieder unsere Geschichte mit Sarah, z. B. bist du mit
deinen Freunden schon im Gebäude, wo sie arbeitet, angekommen.
Und dann fragst du einen bekannten
Mitarbeiter: Weißt du zufällig, wo sie jetzt ist?
Und dann antwortet er: Sie dürfte jetzt im Büro sein, aber so genau weiß ich es
nicht. "Sie dürfte jetzt im Büro sein".
Siehst du, mit "dürfte" drückte er seine Vermutung aus, die aber ziemlich schwach
ist. Es zeigt uns, dass er zwar davon ausgeht,
dass sie an ihrem Arbeitsplatz ist, aber gleichzeitig sich gar nicht so
sicher ist. Vielleicht ist sie ja häufiger woanders.
Nummer vier ist das Verb "können" beziehungsweise "könnten". Dieses Verb oder
dieses Modalverb vor allem "könnten" (Übrigens ich finde, "können" wird ziemlich
selten benutzt) drückt wirklich die schwächste Vermutung von allen, die wir
heute besprochen haben, aus. Das heißt, hier hast du Ungewissheit,
du bist ja gar nicht sicher, das ist einfach deine Idee, deine Vermutung, die
allerdings auf keinen Fakten oder so beruht. Zum Beispiel kommen wir zurück zu
Sarahs Geschichte. Jetzt bist du zusammen mit deinen Freunden in ihrem Büro und
sie ist nicht da. Und dann sagst du: Vielleicht soll ich einen anderen
Mitarbeiter fragen? Und dann fragst du einen anderen Mitarbeiter im Flur,
ob er weiß, wo sie sein könnte. Und dann antwortet er:
Sie könnte jetzt beim Chef sein, aber eigentlich - keine Ahnung.
"Sie könnte jetzt beim Chef sein" - das ist also seine Vermutung, allerdings
weiß er das gar nicht. Das hat er einfach gesagt, um die eine
Idee zu liefern, wo du nach ihr suchen könntest. Aber - keine Fakten oder keine Gewissheit ist da. Das heißt, "könnte" ist das schwächste Verb, von denen, die wir
gerade besprochen haben. Um das Gesagte zusammenzufassen, würde ich gerne mit dir
zusammen diese Skala von 0 bis 100 anschauen. Also
wo sind hier unsere Verben? Das Verb "müssen" drückt die stärkste
Vermutung aus, also ungefähr hier haben wir "müssen". Was ist nun mit "müssten"?Das
ist das zweitstärkste Verb. Müssten ist ungefähr hier. Was ist mit "dürften"?
Dürften ist etwa hier und das Verk "könnten" bzw. "können" ist das schwächste
Verb von diesen, die eine Vermutung ausdrücken.
Deswegen haben wir das Verb "könnten" ungefähr in diesem Bereich - also hier. So
sieht es aus. Siehst du, müssen ist das stärkste,
dann - müssten, dann - dürften und dann - könnten.
Und jetzt wollen wir gemeinsam ein bisschen üben.
Ich werde gleich dir ein paar Situation vorstellen und ich bitte dich ein
bisschen mitzudenken und auch bestimmte Verben einzufügen.
Wir haben also "müssen" - wirklich, wenn du deine Gewissheit hast, "müssten" - wenn du
dir ein bisschen weniger sicher bist. Dann "dürften", wenn du so ja "vielleicht", oder "möglicherweise" einfügen könntest und dann "könnten", wenn du dir gar nicht
sicher bist, dass es nur so eine Idee von dir. Die erste Situation, die wir nehmen
ist, dass du nun auf dem Bahnhof stehst und auf jemanden wartest - der gleich
ankommt. Und dann stehst du auch mit jemandem anderen da und sagst: Er ... gleich
ankommen. Er hat mir gerade eine SMS geschrieben, dass
er gleich da ist. Was würdest du hier einfügen? Denke kurz drüber nach.
Genau, ich würde sagen, hier passt am besten das Verb "müssen".
Hier ist deine Vermutung sehr stark. Du weißt es eigentlich ganz genau, dass er
jetzt ankommen soll, weil er dir gerade eine SMS geschrieben
hat. Du hast also wirklich Fakten und weißt es nahezu genau. Die zweite
Situation, die wir nehmen können. ist zum Beispiel, dass du gerade etwas kochst und
alles nach dem Rezept machst. Und zum Beispiel hast du schon 30 Minuten
gekocht, wie es im Rezept steht und dann sagst du: Das Essen ... gleich fertig sein.
Du kannst dich schon hinsetzen. Welches Verb passt hier? Genau, "müssten" würde ich
auch sagen. Du hast hier zwar deine Gewissheit - dein Rezept, aber du weißt ja
nicht genau, ob es bei dir jetzt genauso wie im Rezept ist. Dafür müsstest du
vielleicht das Essen probieren. Deswegen bist du dir nicht zu 95 %
sicher, sondern vielleicht nur zu 85. Deswegen - "das Essen müsste gleich fertig sein".
Und die letzte Situation, die wir als Beispiel nehmen können, ist, dass dein
Handy beispielsweise nicht angeht oder komisch blinkt. Und dann fragst du einen
Freund, der sich damit auskennt, was mit deinem Handy so los ist. Und er sagt: Ohne
genau Untersuchungen kann ich dir das nicht sagen, aber es ... ein Virus sein.
Was denkst du, welches Modalverb in der subjektiven Bedeutung könnte hier passen?
Genau, ich denke auch "könnte", also er weiß es ja nicht, er hat eigentlich keine
Beweise, er hat ja das nicht untersucht oder sowas. Er sieht ja nur, dass das Handy
blinkt oder nicht angeht. Und seine Idee ist einfach "könnte" - also einfach eine
sehr schwache Vermutung. Als Letztes würde ich gerne noch dir erklären, was
passiert, wenn du über die Vergangenheit sprichst, also wenn du eine
Vermutung über etwas in der Vergangenheit ausdrückst. Wie bildest
du solche Sätze? Unsere Modalverben bleiben dieselben. Das heißt, du brauchst also dein Modalverb entweder im Präsens zum Beispiel
"müssen" oder in der Konjunktiv II Gegenwartsform - also "müssten", "könnten", "dürften" plus dein
dein Partizip 2 - nicht mehr deinen Infinitiv und dann das Hilfsverb "haben" oder "sein" - je nachdem, welches Hilfsverb genau mit diesem Partizip II benutzt wird.
Zum Beispiel war gestern eine Freundin von dir zu Besuch, die ziemlich viele
Erkältungssymptome hatte und nun wachst du heute auf und stellt fest, dass hustest
und dich nicht so gut fühlst und dann denkst du dir so: "sie muss mich
gestern angesteckt haben". Siehst du, wieder eine Vermutung, aber über
etwas in der Vergangenheit - gestern. Warum benutzt du hier "muss"? Weil du dir
sicher bist - sie war ja gestern da, sie war krank und
jetzt bist du krank - also ziemlich offensichtlich. Und hier kannst du auch
auf die Bildung schauen. Also wir haben das Verb "müssen" - konjugiert -
"sie muss". Dann hast du "angesteckt" - also das Partizip II 2 und dann "haben". Warum
"haben"? Weil das Verb "anstecken" das Hilfsverb "haben" im Perfekt hat. Und wie du siehst "haben" bleibt nicht konjugiert - einfach im Infinitiv.
So meine Lieben, das war's schon. Natürlich gibt es noch ein paar andere
Modalverben, die neben der direkten auch eine subjektive Bedeutung haben.
Die drücken aber nicht mehr diese Vermutung aus, sondern etwas anders.
Wenn es euch interessiert, dann schreibt es mir gerne
in die Kommentare, dann könnte ich vielleicht noch ein anderes Video dazu
drehen. Ich wollte euch noch sagen, dass dieses
Thema sehr subjektiv ist. Deswegen heißt es auch "Subjektive Bedeutung der
Modalverben". Warum? Weil wir manchmal einen und denselben Satz mit allen
diesen Verben bilden können und es wird richtig sein, weil es einfach um unsere
Wahrnehmung geht, wie wir es bewerten, wie wir es empfinden. Deshalb geht es bei
diesem Thema häufig um das Gefühl, um deine subjektive Wahrnehmung bestimmter
Situationen. Also wenn du magst, dann kannst du mir gerne ein paar
Beispielsätze in die Kommentare schreiben
und dann kann ich dir auch sagen, ob es ungefähr so stimmt. Aber dafür sollten sie
natürlich auch die Situation beschreiben, damit ich es auch bewerten kann.
Für jetzt bedanke ich mich natürlich fürs Zuschauen und wünsche dir wie immer
ganz viel Erfolg beim weiteren Deutschlernen.
Wir sehen uns beim nächsten Video. Tschüss!