Eine Woche nach der Flutkatastrophe: Wer hilft und wer nutzt die Not aus? | Y-Kollektiv (2)
Die das Dach wieder zumachen, weil jetzt am Wochenende soll es wieder regnen. Und wenn wir jetzt nicht noch mehr
irgendwie kaputtmachen.
Du hattest ja auch noch überhaupt keine Zeit, das irgendwie zu verarbeiten.
Nee, zum Glück nicht. Sonst glaube ich könnten wir auch nicht hier mithelfen und so. Ich meine, wir können ja nicht machen lassen.
Wir müssen ja hier sein.
Inklusive unserem Garten.
T'schuldige, da musste ich gerade fast ein bisschen lachen.
Ja, ich weiß.
Ich bin beeindruckt wie gefasst Mario ist, trotz allem was passiert ist. Gleichzeitig wird mir bei dieser Begegnung aber auch klar:
Mario ist mit seinem seelischen Leiden noch völlig allein gelassen.
So lernt man viele Nachbarn kennen, helfen sich alle gegenseitig, ja das war ein Träumchen.
Ob Mario und seine Freundin in dem Haus bleiben wollen, wissen Sie noch nicht. Klar ist aber auch: Was hier passiert ist,
könnte wieder passieren. Dieses Unwetter zeigt: Gegen die Gewalt der Natur, die wir selbst heraufbeschwören,
sind wir am Ende machtlos.
Mein Eindruck: Insgesamt läuft das Katastrophenmanagement in Altenburg gut, Freiwillige und Profis arbeiten zusammen.
Ich will mir woanders noch ein Bild von der Lage machen. Auch Bad Neuanahr ist besonders betroffen.
Die wunderschöne Altstadt ist mit Schlamm und Geröll verwüstet - doch wenn man genauer hinschaut, erzählt das was Übrig
geblieben ist ganz persönliche Geschichten. Von Menschen die hier lebten und Dingen, die ihnen wichtig waren.
Das gehört einfach irgendwem eigentlich.
Guck mal hier, ach ich will gar nicht. Guck mal, das hier ist der Weihnachtsschmuck von irgendwem. Das gehört einfach Leuten.
Das war mal irgendwo. Hier sind einfach irgendwelche Sachen. Das ist so krass.
Uns fällt in Bad Neuenahr auf: Die Stimmung hier ist anders, angespannt. Es liegt Frustration in der Luft.
Und mit unserer Kamera fallen wir nicht gerade positiv auf.
Wir treffen Mario. Er stellt sich als ehemaliger freiwilliger Feuerwehrmann aus Hamburg vor. Er hat Kaffee und Verpflegung
dabei, alles selbst finanziert. Sein T-Shirt macht klar: Von politicial correctness hält er nix. Kurz mal kluggeschissen:
Diese Haltung wird auch aus der rechten Ecke getragen um sich vom Gendermainstream zu distanzieren.
Da hab ich gesagt: Ich kann nicht zu Hause sitzen und mir das angucken im Urlaub. Ich muss hier her. Dann habe ich halt alles
raus geräumt, Sitze rausgebaut und alles vollgeschmissen. Und bin hier her gefahren. Ich hab hier mein Motto: Helfen statt Malle.
Daran sollten sich mal mehr Leute ein Beispiel nehmen, ganz ehrlich. Die feiern alle und haben Spaß. Und was hier abgeht,
das ist nicht normal. Es wird im Internet gesagt: Bleibt fern, ihr behindert hier die Profis. Ich sehe wenig Profis.
Ich war selber Profi, ich weiß was das heißt, bei uns war vorhin die freiwillige Feuerwehr hier essen, die haben selber auch nix.
Es ist hier reines Chaos.
Ach, die freiwillige Feuerwehr kamen zu Ihnen und..
Ja, die haben sich hier eine Wurst abgeholt und alles und wir sind halt privat.
Wir haben beim THW nachgefragt, warum der Eindruck entsteht, dass mancherorts zu wenig Hilfe ankommt. Man erklärt uns:
Bei so großen, unerwarteten Ereignissen gibt es immer erst so genannte Chaostage, an denen eine Infrastruktur für Hilfe
geschaffen werden muss. Mittlerweile sind allein vom THW aber 5.000 Personen im Einsatz.
Trotzdem kann auch eine Woche nach dem Hochwasser nicht überall geholfen werden.
Und das führt zu Frust: Wie uns Karen, eine Anwohnerin, erklärt.
Wir haben bis jetzt keine Offiziellen gesehen. Jetzt kommen halt schon diese Hilfsorganisationen auch rein.
Jetzt wird ja auch langsam rausgefahren. Die ersten Tage: Nur untereinander. Nur hier zum Beispiel ein lokaler Gartenbauer,
der hatte noch so eine Maschine, da hat er wirklich erstmal die Straße überhaupt befahrbar gemacht. Weil am Anfang klaffte
ein Riesenloch in der Straße, da wär überhaupt keiner reingekommen. Wenn der das nicht gemacht hätte,
wär das Loch immer noch da und wir wären komplett abgeschnitten.
Karen sieht die Sache nüchtern: Der Versuch Ordnung in das Chaos zu bringen, scheitert nicht am Willen,
sondern am Ausmaß der Katastrophe.
Ich würde jetzt auch nie hingehen und absoluten Hass schüren und sagen: Die da, die lassen uns Im Stich,
die da wissen genauso wenig was Sie machen sollen.
Und obwohl auch Karen die Lage kritisiert, möchte Sie auf keinen Fall mit anderen Kritikern in einen Topf geschmissen werden,
die um die Ecke hausten.
Da ist die Ahrweiler Grundschule, da wo sich auch die Querdenker breit gemacht haben.
Obwohl vielleicht haben Sie die auch endlich rausgeschmissen.
Ich glaube sie haben Sie rausgeschmissen.
Karen erzählt mir, dass ihr vor kurzem ein Polizeiauto aufgefallen sei. Bei genauerem Hinsehen sei ihr klargeworden, dass es sich nur
um ein polizeiähnliches Auto mit der Aufschrift PEACE handelte, welches man mit Querdenkern in Verbindung bringt.
Laut Tweet der Polizei Koblenz wurde aus diesem selbsternannten “Friedensfahrzeug” über Lautsprecher die Falschmeldung
verbreitet, dass Polizei und Rettungskräfte die Anzahl der Einsätze reduziere.
"Wer ist das? Querdenker! Ich hau denen auf den Kopf!". Dann sind die abgezogen, da war die Strasse auch wieder frei.
Also das ist das letzte was wir jetzt brauchen, solche Spacken. Sich dann halt zu Helfern hoch sterilisieren. Also okay, da sind Leute,
die haben mit angepackt.
Genau, wenn sie helfen ist es ja in Ordnung.
Aber da muss ich mir nicht noch die goldene Krone.. Abartig, widerlich, nicht zu beschreiben.
Die Not der Menschen dann auch noch ausnutzen.
An der besagten Schule treffen wir niemanden mehr an. Das THW berichtet uns aber, dass in der Altstadt die eigenen Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen von Querdenkern mit Steinen beworfen wurden.
Wir wollen jemandem sprechen, der mit den Querdenkern vor Ort in Verbindung gebracht wird. Auch Nikolai Nerling hat in der Schule
sein Lager aufgeschlagen, hier Videos von ihm. Er ist verurteilter Holocaustleugner, Rechtsextremer und Coronaleugner.
Seit Tagen ist er in den betroffenen Regionen unterwegs.
"Scheint so als wollten Sie jetzt hier ein Coronaschwerpunktgebiet ausrufen und man kann sich halt retten,
indem man sich hier impft. Das wollen wir nicht."
Er inszeniert sich selbst als Helfer im Krisengebiet, berichtet, dass der staatliche Katastrophenschutz versagen würde oder nicht vor
Ort sei. Die Hauptarbeit werde von der selbstorganisierten Retterschaft gemacht, vom Landvolk.
Ziel solcher Erzählungen ist es, das Vertrauen in Politik und Staat zu schwächen.
"Was wir nicht sehen: THW, Feuerwehr, Polizei, die hier koordiniert vorgehen. Bundeswehr, nichts da gleichen."
"Fire and Rescue, das sieht nicht unbedingt nach deutscher Feuerwehr aus. Es fehlt hier einfach an Volkskraft."
Dabei sieht man in Nerlings Videos im Hintergrund Personen und Wagen von THW, Polizei und Bundeswehr.
Ich treffe Nerling bei der Sommerrodelbahn in Ahrweiler, wo eine Art Basislager für verschiedene Helfergruppen eingerichtet wurde.
Moin!
Schnell wird klar: Nicht jedem passt, dass er sich dort aufhält.
Sofort vom Gelände. Einmal bitte mit mir begleiten vom Gelände.
Einmal vom Gelände. Ich bin Privatmann, das ist mein Gelände. Sie verlassen das Gelände.
Am Ende können wir doch vor Ort bleiben und das Interview mit Nerling machen. Er selbst betont vor unserer Kamera
nur zum Helfen hier zu sein.
Wenn du hierhin kommst und sagst, wir dürfen die Altstadt nicht den Globalisten überlassen.
Dann ist das für mich..
Hab ich das so gesagt?
Ja, das hast du in einem deiner Videos gesagt.
Mag sein, ja.
"Dass das nicht den Globalisten geopfert wird. Dass das nicht, in fremde Hände gerät."
Wir können auch deinen Kollegen nehmen, Bodo Schiffmann. Der hat in einem seiner Telegram Videos gesagt, dass er
Spendengelder eben nur für mobile Toiletten benutzen würde, wo die Betreiber eben einverstanden wären,
dass man da auch Querdenker-Plakate dran macht. Das ist doch dann eindeutig eine Instrumentalisierung..
..das wäre eine Instrumentalisierung. Aber Bodo Schiffman ist nicht mein Kollege. Bodo Schiffmann ist in meiner Wahrnehmung
ein Feind des deutschen Volkes und ich bin ein Freund des deutschen Volkes.
Ich möchte, dass das deutsche Volk eben wieder stark und selbstbestimmend ist.
Mir kommt's hoch bei diesem völkischem Gerede. Allgemein finde ich die Vorstellung, dass ein Holocaustleugner hier rum läuft,
gruselig. Natürlich ist jede Art von Hilfe wichtig, jeder und jede kann hier helfen. Problematisch wird es,
wenn Hilfe mit einer politischen und teils rechtsextremen Botschaft gekoppelt ist.
Mich macht das nachdenklich: Klar, wenn die eigene Heimat zerstört wurde, hilft das Gefühl von Gemeinschaft
und Zusammenhalt. Dass diese Stimmung ausgenutzt werden könnte - egal von wem - ist befremdlich.
Das wird auch im Gespräch mit Claudia deutlich, einer Betroffenen, die auch direkt an der Ahr wohnt.
Wir kommen hier hin, für mich ist das gerade eine Art Kriegsgebiet, Krisengebiet. Für sie ist das Heimat. Was macht das mit einem?
Das hier nichts mehr so ist, wie es war?
Das ist jetzt die schwierigste Frage, die ihr stellen könnt.
Wir haben die Fahnen rausgehängt. Ich wohne 40 Jahre hier.
Das ist unser Sportplatz, unser Spielplatz, wo wir groß geworden sind. Was uns Mut macht, ist dass die Mauer steht,
die Stadtmauer steht, dass die Kirche steht. Das ist so unser Herz.
Das macht uns Mut und es hält die Moral oben. Unsere Großeltern haben die Stadt aufgebaut, vor 75 Jahren sind wir hier ausgebombt
worden, am letzten Kriegstag. Da haben unsere Großeltern es aufgebaut und jetzt bauen wir es wieder auf.
Die Menschen, die hier leben, haben alles verloren. Ihr Haus, einige sogar Familienmitglieder oder Freunde, manche die Hoffnung.
Ihnen sollte alle Aufmerksamkeit gehören.
Und vor Ort wird weiter Hilfe gebraucht werden - das geht am Besten wenn Freiwillige und Profis Hand in Hand arbeiten.
Ich habe bevor wir angefangen haben zu drehen, stand ich im Hotelzimmer und hab mich so voll darüber geärgert, dass meine
Fingernägel nicht richtig, also dass die Maniküre nicht richtig ist, ehe ich halt vor die Kamera gehe.
Und jetzt wo wir zwei Tage einfach hier gedreht haben und gesehen haben wie es den Leuten geht, schäme ich mich einfach voll für
diesen Gedanken. Als würde sich hier irgendwer um meine Fingernägel jucken oder als wären meine Fingernägel gerade
irgendwie wichtig so. Ich glaub aber einfach das zeigt in was für einer Parallelwelt man eigentlich lebt und wie unfassbar weit Leid
und Katastrophen von einem weg sind, dass man dann erst mal checkt mit was für einer Scheiße man sich eigentlich beschäftigt.
Machen euch solche Katastrophen Angst vor der Zukunft? Wenn euch das Video gefallen hat, lasst ein Abo da und ein Like.
Und schaut euch auch unbedingt das Video von DieDaOben an, die haben den diesjährigen Wahlkampf unter die Lupe genommen.