heute journal vom 10.07.2023 - ZDFmediathek
Diese Untertitel sind live produziert.
Und jetzt das "heute journal", mit Marietta Slomka und Heinz Wolf.
Guten Abend, mit dem NATO-Gipfel im litauischen Vilnius
verbinden sich hohe Erwartungen, nicht nur auf Seiten der Ukraine.
Vor allem wird es darum gehen,
ein Zeichen der Stärke und Geschlossenheit
nach Moskau zu senden.
Die kleine Überraschung,
die der türkische Präsident heute aus dem Ärmel zauberte,
machte es nicht leichter.
Er wollte ja plötzlich die Aufnahme Schwedens in die NATO
mit dem Beitritt der Türkei in die EU koppeln.
Das Aufstöhnen in den Hauptstädten aller anderen NATO-Mitglieder
konnte man geradezu hören.
Wenn sich das Bündnis
noch nicht mal auf die Aufnahme Schwedens einigen kann,
weil einer querschießt -
wie will man der Ukraine glaubwürdige Sicherheitsgarantien geben?
Aber, so berichtet Florian Neuhann,
zumindest die Kuh wurde jetzt am Abend noch vom Eis geholt.
Das erste, was man bei Landung in Vilnius sieht:
Das Flugabwehrsystem Patriot.
Auf dem Flughafen der litauischen Hauptstadt,
hier kommen die Regierungschefs der NATO an.
Von hier sind es nur 170 Kilometer zur russischen Grenze.
Und von hier will die NATO eine Machtdemonstration aussenden.
Dafür müsste das Bündnis geschlossen auftreten.
Das ist seine Aufgabe.
Generalsekretär Stoltenberg zeichnet einen Wunsch-Gipfel.
Auf diesem NATO-Gipfel
werden wir unsere Abschreckung und Verteidigung stärken,
auch mit höheren Ausgaben.
Wir werden die Ukraine noch stärker unterstützen
und sie näher an die NATO heranbringen.
Doch gegen den Auftritt des türkischen Präsidenten
schützen auch Patriots nicht.
Mit der Ankunft Erdogans beginnt der Streit.
Er benutzt Schwedens Beitrittswunsch in die NATO
als politisches Faustpfand.
Schon vor Abflug provoziert er zuhause vor heimischer Presse.
Öffnet erst den Weg für den Beitritt der Türkei zur Europäischen Union,
und dann öffnen wir den Weg für Schweden in die NATO.
Bescheidener im Auftritt,
die Ankunft des schwedischen Regierungschefs.
Auch er kommt früher zum Gipfel, um sich hier mit Erdogan zu treffen.
Verhandlungen in letzter Minute.
Für die er vorher Rückendeckung erhält – aus Berlin.
Der Bundeskanzler macht deutlich,
dass er eine Verknüpfung des NATO-Beitritts Schwedens
mit einer türkischen EU-Perspektive ablehnt.
Die andere Frage ist eine, die damit nicht zusammenhängt.
Und deshalb sollte man dies
auch nicht als ein zusammenhängendes Thema verstehen.
Und dann kommt der Präsident, der alle in Atem hält.
Sie reichen sich die Hände.
Obwohl der NATO-Generalsekretär eigentlich die Faust ballen müsste.
Das Krisentreffen, das diesen Gipfel vor einer Blamage bewahren soll.
Und das Stoltenberg als Chance verkaufen will.
Eine positive Entscheidung hier in Vilnius ist immer noch möglich.
Wir haben keine Garantie.
Aber natürlich bietet der Gipfel eine große Chance.
Erdogan hatte noch eine Nachricht, die Unruhe auf den Gipfel bringt.
Seit seinem Treffen mit Präsidenten Selenskyj
trommelt auch er für einen Beitritt der Ukraine in die NATO.
Ein noch Mächtigerer erteilte dieser Diskussion eine Absage.
Ich glaube, die NATO ist sich nicht einig darüber,
die Ukraine jetzt in die NATO-Familie aufzunehmen.
In diesem Moment, wo ein Krieg herrscht.
Vor wenigen Minuten dann verkündet Stoltenberg
die überraschende Wende: die Türkei lenkt doch noch ein.
Florian Neuhann in Vilnius, Wie ist es denn gelungen,
Erdogan da doch noch einzufangen?
Das war ein irrer Tag heute, sah nicht nach Einigung aus.
Vor wenigen Minuten dann die Pressekonferenz,
mit einer überraschenden Einigung.
Plötzlich spielt die europäische Beitrittsperspektive
offenbar keine Rolle mehr.
Der NATO-Generalsekretär hatte ein sieben Punkte Papier vorgestellt,
eine Einigung zwischen Schweden und der Türkei.
Schweden verpflichtet sich zu einer nochmals stärkeren Verschärfung
des Kampfes gegen den Terror,
die NATO wiederum will einen eigenen Anti Terrorbeauftragten einrichten,
und es soll einen Sicherheitspaket geben zwischen Schweden
und der Türkei, wie auch immer der aussehen soll.
Mein Eindruck ist, dass vor allem der Druck der anderen NATO-Staaten
so vehement und enorm war,
dass Erdogan sich diesem Druck offenbar beugen musste.
Er hat zugestimmt, die Ratifizierung so schnell wie möglich einzuleiten.
Dann würde nur noch die Ratifizierung Ungarns fehlen,
Ungarn hat angekündigt, sich der Türkei anzuschließen.
Es könnte sein, dass die Kuh vom Eis ist,
ich glaube das aber erst wirklich,
wenn die Schweden tatsächlich aufgenommen sind.
Bereits vor einem Jahr haben wir in Madrid schon
von einem Durchbruch berichtet, der keiner war.
Dann fragen wir aber auch nochmal nach
bei unserem Türkei-Korrespondenten Jörg Brase.
Was hat sich Erdogan denn von diesem Manöver versprochen?
Man kann sich natürlich vorstellen,
dass er auf der Zielgeraden die Zustimmung der Türkei
zum NATO-Beitritt Schwedens noch mal hochtreiben wollte,
und ich denke, dass er auch nach innen zu seinem Volk noch mal
die Nachricht senden wollte,
dass die Türkei ein mächtiger Spieler auf der
internationalen Bühne ist.
Am Rande der Gespräche soll es auch Treffen gegeben haben
mit EU-Ratspräsident Michel, nachdem Erdogan nochmals forderte,
dass die EU sich auch bewegt.
Michel hatte nach dem Wahlsieg Erdogan das Verhältnis zwischen
der Türkei und Europa neu beleben wollen.
Erdogan hat die Wahl auch damit gewinnen können,
dass er herausstellte,
dass die Türkei ein wichtiger Spieler
auf internationaler Ebene ist.
Es gab diese Diskussionen heute,
d. h., dass Erdogan auch den eigenen Medien einen Erfolg
präsentieren kann.
Ich denke, dieser sieben Punkteplan wird die Grundlage dessen sein,
was er morgen erklären wird.
Er hat vorgeschlagen,
dass das türkische Parlament zügig über den Beitritt
Schwedens abstimmen wird.
Wir gehen davon aus, dass er empfehlen wird,
diesen Beitritt zuzustimmen.
Glauben kann man das erst, wenn das türkische Parlament
es tatsächlich getan hat.
Das erhöht die Chance, dass sich die NATO auf andere Themen konzentriert.
Die NATO steht jedenfalls vor einem Dilemma.
Einerseits soll die Ukraine Sicherheitszusagen bekommen,
um Russland abzuschrecken.
Andererseits fürchten einige NATO-Länder,
darunter Deutschland, dass das Risiko,
direkt in den Krieg hineingezogen zu werden,
höher werde als dies über Waffenlieferungen
eh schon der Fall ist.
Aber selbst über die Frage,
wie schnell die Ukraine nach einem Waffenstillstand beitreten könnte,
herrscht noch Uneinigkeit.
Vor allem jene NATO-Länder,
die sich von Russland selbst unmittelbar bedroht fühlen,
werben dafür, der Ukraine einen schnellen Beitritt
in Aussicht zu stellen.
Zu dieser Gruppe gehört auch Gastgeberland Litauen,
das sowohl eine Grenze zur russischen Enklave Kaliningrad
als auch zu Belarus hat.
Für das litauische Militär steht außer Frage,
dass es ohne die NATO im Rücken kaum möglich wäre,
Russland in Schach zu halten.
Ulf Röller berichtet.
Colonel Saulius Guzevicius ist ein Held in Litauen.
Er hat damals, 1991,
das Parlament gegen den Ansturm der sowjetischen Armee verteidigt.
Die Barrikaden stehen noch.
Er war damals 24 Jahre alt,
bereit, sich den russischen Panzern in den Weg zu stellen.
Heute hat er das Gefühl, es drohe wieder ein Angriff.
Wir müssen wieder Barrikaden bauen,
wir müssen Festungen an unseren Außengrenzen bauen.
Wir müssen zeigen, dass wir bereit sind, zurückzuschlagen.
Guzevicius wurde ein Elitesoldat.
Kämpfte im Afghanistan.
US-Präsident Bush ehrte ihn.
Nun brauche sein Land
noch mehr militärische Unterstützung des Westens und der NATO.
Der Westen muss seine Waffenlieferungen noch intensiveren,
auch an die Ukraine.
Sie verteidigt nicht nur sich, sondern uns alle.
Die litauische Armee hat uns eingeladen.
Sie will zeigen, wie kampfbereit sie ist.
Es geht tief in die Wälder hinein.
Morgens um sechs Uhr trainieren sie für den Krieg.
Litauen hat eine Grenze zu Russland und eine zu Belarus.
Beide Länder bedrohen das Land.
Wie weit ist der Feind entfernt?
Drei Soldaten sind gefallen!
Seitdem Ukraine-Krieg wissen alle um den Ernst.
Und deshalb wollen viele jetzt Soldaten sein.
Unsere Väter haben schon die Unabhängigkeit Litauens verteidigt.
Jetzt müssen wir unser Land beschützen.
Denn wir lieben unser Vaterland.
Wenige Kilometer vom Militärgelände entfernt:
Die Grenze zu Belarus, dem treusten Verbündeten Russlands.
Die Grenzsoldaten dürfen nicht über die Gefahr sprechen,
aber sie fürchten,
dass dort, in Belarus, taktische Atomwaffen stationiert sind.
Ihre Sorgen drücken sie vorsichtig aus.
Das ist ein harter Job an der Grenze.
Vor allem die Nachtschichten.
Du sitzt in der Dunkelheit für zwölf Stunden,
musst wachbleiben, hörst auf jedes Geräusch und wartest,
ob etwas passiert.
Wer nach Belarus fahren will, muss warten.
Seit Kriegsbeginn wird genau hingeschaut.
Die Sanktionen gegen Russland werden bereits hier umgesetzt,
viele Waren dürfen nicht mehr eingeführt werden.
Engmaschige Kontrollen.
Die Schlange ist zurzeit sehr kurz.
Manchmal warte ich acht bis elf Tage.
Zum Krieg will er nichts sagen.
Er lebt in Belarus, dort spricht man nicht darüber.
Ich mische mich in die Politik nicht ein.
Und während sie an der Grenze auf Einlass warten,
proben sie in den Wäldern von Litauen den Widerstand.
Und jetzt geht es erstmal mit den Nachrichten weiter, Heinz,
zunächst mit dem Kriegsgeschehen in der Ukraine.
Bei einem russischen Angriff auf ein Wohnviertel
in der Region Saporischschja sind nach ukrainischen Angaben
vier Menschen getötet worden.
Mindestens elf wurden verletzt.
Der Angriff erfolgte offenbar,
als Hilfsgüter an Bedürftige ausgegeben wurden.
Der Gouverneur der Region sprach von einem Kriegsverbrechen.
In Israel hat das Parlament
in einer ersten Abstimmung einem Kernelement
der umstrittenen Justizreform zugestimmt.
Es sieht vor, die sogenannte Angemessenheitsklausel abzuschaffen
und so dem Obersten Gericht die Möglichkeit zu entziehen,
Regierungsentscheidungen als unangemessen zu bewerten.
Gegner der Justizreform befürchten,
dass dadurch Korruption und willkürliche Entscheidungen
begünstigt würden.
Morgen soll es wieder landesweite Proteste geben.
Die EU hat einen neuen Rechtsrahmen
für den Datenaustausch mit den USA vorgelegt.
Kommissionspräsidentin von der Leyen, sagte, damit werde ein sicherer
Datenverkehr für die Europäer gewährleistet und den Unternehmen
auf beiden Seiten des Atlantiks Rechtssicherheit geboten.
Die verbindlichen Regeln begrenzten den Zugriff von US-Geheimdiensten
auf die Daten von Europäern auf ein "notwendiges und angemessenes" Maß,
so von der Leyen.
Der im Kreis Sonneberg in Thüringen
zum Landrat gewählte AfD-Politiker Robert Sesselmann
kann nach einer Überprüfung seiner Verfassungstreue sein Amt ausüben.
Das Landesverwaltungsamt teilte mit, es sehe nach der Landratswahl
vom Juni derzeit keinen Grund für ein Eingreifen.
Die Überprüfung war von Amtswegen gestartet worden.
Hintergrund ist,
dass Sesselmann dem AfD Landesverband Thüringen angehört,
der im Landesverfassungsschutz- Bericht von 2021
vom Landesverfassungsschutz
als gesichert rechtsextrem eingestuft wird.
Der niederländische Premier Mark Rutte hat seinen Rückzug
aus der Politik angekündigt.
Im Parlament teilte er mit, er werde im Herbst nicht
für eine fünfte Amtszeit kandidieren.
Der Rechtsliberale war knapp 13 Jahre Premier der Niederlande.
Vergangene Woche war seine Vier-Parteien-Koalition
am Thema Migrationspolitik zerbrochen.
Voraussichtlich Mitte November
soll ein neues Parlament gewählt werden.
Über das Elterngeld wird ja seit Tagen diskutiert.
FDP-Finanzminister Lindner
forderte von der grünen Familienministerin Paus,
dass sie in ihrem Ressort spart.
Sie schlug vor, das Elterngeld für Paare mit hohem Einkommen zu kappen.
Das gefällt der FDP aber nicht.
Und mittenhinein in diesen Konflikt kommt jetzt SPD-Chef Klingbeil
um die Ecke, mit einem ganz anderen Vorschlag.
Darüber habe ich mit ihm vorhin gesprochen,
doch zunächst der Bericht von Heike Slansky.
Kaum hat sich das politische Berlin in die Sommerferien verabschiedet,
wird weiter um die Familienförderung gestritten.
Neuste Idee: Weg mit dem Ehegattensplitting.
So könnten auf einen Schlag rund 25 Milliarden eingespart werden.
Diese Debatte muss man ohne Schaum vorm Mund und ohne Ideologie führen,
sondern an der Sache orientiert.
Als Arbeitsminister kann ich nur sagen,
die Reform wäre begrüßenswert.
Bundesfamilienministerin Paus hatte zuletzt die Axt ans Elterngeld
für Besserverdienende gelegt, um den Sparauftrag der Ampel zu erfüllen.
Der Vorschlag stößt jedoch bei den Koalitionspartnern
auf wenig Gegenliebe.
Die Grünen gesprächsbereit.
Jetzt gibt es unterschiedliche Vorschläge
für eine gerechte Finanzierung.
Z.B. auch von Lars Klingbeil, von anderen Koalitionspartnern.
Wir sind gerne zum Gespräch bereit.
Was nicht geht, sparen bei Demokratieförderung,
wo die AfD bei 20 % steht.
Die Abschaffung des Ehegattensplitting wäre
eine massive Steuererhöhung für die Menschen in unserem Land.
Besonders für die Mitte der Gesellschaft.
Das wäre unfair, ungerecht.
Eine solche Steuererhöhung ist nicht im Einklang
mit dem Koalitionsvertrag.
Das Ehegatten-Splitting.
Eine Erfindung aus den 1950 Jahren.
Ein Steuersparmodell für Verheiratete.
Am Größten ist die Ersparnis, wenn ein Partner gar nichts verdient.
Wir fordern seit langem die Abschaffung des Ehegattensplitting.
Staat muss Kinder fördern und nicht Ehen.
Das Ehegattensplitting fördert ein sehr traditionelles Familienbild.
Jeden Tag kommt ein neuer Vorschlag, der die Bürger verunsichert.
Mal Witwenrente, Elterngeld kürzen, jetzt Ehegattensplitting.
Was dazu führt, dass Millionen Familien und Frauen betroffen sind.
Ein Vorschlag, der die Gemüter erhitzt.
Vor allem innerhalb der Koalition.
SPD und Grüne dafür, die FDP dagegen.
Ein bekanntes Muster.
Der Generalsekretär der FDP warnt.
Vor dem Hintergrund des Erscheinungsbildes
der gesamten Koalition würde ich empfehlen
nicht ohne Not Streit vom Zaun zu brechen und keine unnötigen
politischen Baustellen zu eröffnen.
Kein Elterngeld für Gutverdiener
oder Steuervorteile für Ehepaare streichen.
Für die Ampel: der nächste Beziehungsstress.
Und darüber wollen wir mit dem SPD-Chef sprechen, Lars Klingbeil,
gerade in seinem Wahlkreis.
Guten Abend, Herr Klingbeil.
Schönen guten Abend.
Ich frag mal ein bisschen überspitzt:
Haben Sie Angst, dass Ihnen über die Sommerpause langweilig wird?
Oder wieso provozieren Sie jetzt den nächsten Koalitionskrach?
Ich glaube weder, dass mir langweilig ist,
noch habe ich das Gefühl, dass ich provoziert habe.
Sondern ich habe mir eine Woche angeguckt,
wie Grüne und FDP über die Frage Elterngeld,
über die Frage Gleichstellung, über die Frage,
was können wir für Familien tun, geredet haben,
auch ein bisschen öffentlich gestritten haben.
Ich habe das gesagt, wofür die SPD steht.
Einen Vorschlag gemacht, der am Ende dazu führt,
dass wir mehr für Familien machen mit moderner Familienpolitik.
Dass wir Chancen eröffnen, auch für Frauen auf dem Arbeitsmarkt.
Das ist der Vorschlag, den ich jetzt als SPD-Vorsitzender gemacht habe.
Ich glaube, das gehört zu einer Koalition dazu,
dass man konstruktiv auch über unterschiedliche Ideen diskutiert.
So schlimm war es dann jetzt gar nicht mehr
zwischen FDP und Grünen, also Frau Paus und Herrn Lindner.
Weil sie hatte schon gesagt:
Na gut, dann kaputt wir halt beim Elterngeld,
dann hole ich da die 500 Millionen her.
Dann kommen sie jetzt und werfen einen neuen Stein ins Wasser.
Das gibt Ärger, auch prompt mit der FDP.
Wir haben im Koalitionsvertrag schon festgelegt,
dass wir an Steuerrecht ranwollen, dass wir, glaube ich, alle sehen,
dass das jetzige Steuerrecht, das wir haben, dazu führt,
dass gerade für Frauen - und das sind häufig diejenigen,
die weniger verdienen in einer Ehe - dass Anreize da sind,
dass die eher zuhause bleiben.
Das muss geändert werden in einer modernen Familie,
in einer modernen Gleichstellungspolitik,
auch in einer Zeit, wo wir übrigens gucken müssen,
dass wir Chancen auf dem Arbeitsmarkt viel stärker öffnen.
Das ist im Koalitionsvertrag angelegt.
Ich halte das für eine sinnvolle Idee, dass wir diese Debatte führen
und dass wir am Ende gucken,
dass wir nicht bei der Gleichstellungspolitik
Rückschritte machen, sondern eher gucken,
wie wir Konflikte auch nach vorne auflösen.
Aber "angelegt" ist jetzt natürlich ein schönes Wort.
Nirgendwo im Koalitionsvertrag steht drin
"Abschaffung des Ehegatten-Splittings".
Es steht drin, dass wir das Steuerrecht überarbeiten wollen.
Jetzt sage ich auch mal ein bisschen selbstbewusst als Parlamentarier,
es ist jetzt die Zeit,
wo die Bundesregierung den Haushalt vorgelegt hat
und wo darüber diskutiert wird,
wie geht man im Parlament mit welchen Maßnahmen vor?
Es ist jetzt auch die Zeit von Parlamentariern,
von Abgeordneten Vorschläge zu machen.
Wir als SPD haben nie versteckt, dass wir dafür sind,
das Ehegattensplitting abzuschaffen, dass wir dafür sind,
gerade für Ehen, die in Zukunft geschlossen werden,
eben dieses antiquierte System zu überwinden.
Dass wir Anreize setzen wollen dafür,
dass Frauen stärker Chancen auf dem Arbeitsmarkt eröffnet bekommen.
Jetzt kann sich da jeder inhaltlich zu verhalten.
Die FDP verhält sich ja schon,
die ja bekanntlich auch das Finanzministerium stellt,
und sagt, das ist eine Steuererhöhung,
quasi durch die Hintertür mit dem Deckmantel,
es ginge um Gleichberechtigung.
Dann muss man mein Interview genau lesen.
Ich habe gesagt,
wir wollen das für zukünftig geschlossene Ehen einrichten.
Nicht für die, die jetzt schon sich mit diesem Modell
auch über Jahre, über Jahrzehnte eingerichtet haben.
Aber wissen Sie, die Europäische Kommission, die OECD,
alle kritisieren, dass wir dieses System haben.
Ein System, das am Ende dazu führt, dass Frauen,
auch gut ausgebildete Frauen, sich am Ende entscheiden,
eher zuhause zu bleiben,
nicht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen,
obwohl sie es eigentlich wollten.
Weil dieses Steuersystem diejenigen begünstigt,
wo der Mann viel verdient, die Frau wenig.
Das führt dazu, dass die Frau zu Hause bleibt.
Und ich finde, das gehört zu einer modernen Familie,
einer modernen Gleichstellungspolitik dazu,
dass man das in Frage stellt.
Das haben wir während der Koalitionsverhandlungen schon getan.
Es ist im Koalitionsvertrag angelegt,
dass wir die Steuerklassen ändern wollen.
Die Steuerklassenänderung ist natürlich eine technische
mit der Steuerklasse IV, brauchen wir jetzt hier nicht weiter ausführen.
Hat aber nichts damit zu tun, dass man das Ehegattensplitting
im Effekt abschafft.
Aber Sie argumentieren ja durchaus auch fiskalisch,
also mit der Einnahmeseite.
Und sagen, dann können wir uns da an der Stelle sparen.
Dann braucht man stattdessen diese Kappung beim Elterngeld nicht.
Passt das denn eigentlich zur SPD,
dass man sich damit indirekt für diejenigen einsetzt,
die mehr als 150.000, 180.000 Bruttoeinkommen im Jahr haben?
Warum sorgen Sie sich so um die?
Ich setze mich nicht für Leute ein,
die 180.000 Euro zu versteuerndes Jahreseinkommen haben.
Da habe ich viele Ideen, und die können wir als SPD
gerne morgen präsentieren.
Diese Ideen, wie Menschen, die viel Geld verdienen,
die hohes Einkommen haben, in der Gesellschaft dazu beitragen können,
dass sie mehr Verantwortung übernehmen
und dass sie auch mehr Steuern bezahlen.
Aber das Elterngeld ist keine Sozialleistungen,
das Elterngeld ist eingeführt worden aus Aspekten der Gleichstellung,
um dafür zu sorgen, dass Frauen viel stärker die Vereinbarkeit
von Familie und Beruf ausgleichen können,
dass sie stärker dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.
Und wenn man jetzt einfach kappt, egal an welcher Grenze,
dann führt das am Ende dazu, dass mehr Frauen zuhause bleiben,
dass weniger Frauen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.
Und einen solchen Weg finde ich nicht richtig.
Deswegen habe ich einen Vorschlag gemacht,
wie wir die Herausforderung, die ja finanzpolitisch da ist,
wie wir sie anders lösen können,
ohne dass wir beim Elterngeld Einschränkungen vornehmen,
ohne dass wir in der Frage der Gleichstellung
Rückschritte machen müssen.
Herr Klingbeil, danke Ihnen für das Gespräch.
Ob die Ampelparteien hier zu einer gemeinsamen Reform finden?
Da darf man wohl getrost ein Fragezeichen setzen.
Ein anderes Reformvorhaben ist heute hingegen einen Schritt vorangekommen.
Gesundheitsminister Lauterbach und die Gesundheitsminister der Länder
haben sich auf Eckpunkte einer Krankenhausreform geeinigt.
Auch dem ging ein zähes Ringen voraus.
Bis auf zwei Länder, Bayern und Schleswig-Holstein,
stimmten nun alle zu.
Zumindest in den Grundzügen, die Details sollen
in den nächsten Wochen folgen.
Was damit auf Kliniken und Patienten zukommt, erklärt Britta Spiekermann.
Es sieht nicht gut aus,
als heute Mittag die Gespräche zur Klinikreform beginnen.
Laumann, Gesundheitsminister aus NRW,
stellt sich auf eine lange Sitzung ein.
Wie viel Zeit haben Sie denn freigeräumt?
Wie lange sitzen Sie heute zusammen?
Ich habe so viel Zeit wie wir brauchen.
Pressekonferenz – ja, nein, vielleicht,
wenn überhaupt, dann spät.
Dann sind doch alle an ihrem Platz, früher als gedacht.
Die Eckpunkte für die lang umkämpfte Klinikreform stehen,
es ist die Vorstufe für einen Gesetzentwurf,
nicht mehr und nicht weniger.
Es ist eine Art Revolution,
weil es ist die Abkehr von den Fallpauschalen,
es ist der Umbau des Systems,
im Sinne, dass die Anreize ganz andere sein werden.
Wir lösen das System der Fallpauschalen ab.
Und deswegen bin ich heilfroh, dass wir dieses Zeitfenster,
wo das Fenster offensteht für diese Reform, genutzt haben.
So ein Fenster steht nicht ewig offen.
Dieses offene Fenster heißt in der Klinikreform "Transparenz".
Jeder soll online erkennen können, mit welcher Klinik er es zu tun hat.
Grundversorger, Fachklinik oder Maximalversorger.
Leistungsgruppen soll es geben.
Also was bietet eine Klinik an, und Qualitätsstandards,
etwa wie oft wird eine bestimmte Behandlung durchgeführt.
Wer gut ist, bekommt Geld.
Nur einer ist dagegen, fürchtet vehement um die ländliche Versorgung
Bayerns Gesundheitsminister stimmt mit Nein,
Schleswig-Holstein enthält sich.
Ansonsten Zufriedenheit.
Warum dann den Fehler suchen?
Es sind die Finanzen.
Viele Kliniken werden sterben.
Wie aber sollen die Krankenhäuser den Reform-Prozess überleben,
die noch mit Finanzspritzen zu retten wären?
Da gibt es einen Transformationsfonds,
in den werden Bund und Länder einzahlen.
Das wird gespeist durch Mittel der Krankenkassen,
aber keine Mittel, die vormals schon in der stationären Versorgung
verbraucht wurden - somit zusätzliches Geld.
Zusätzliches Geld, das die Krankenkassen nicht haben,
stehen sie doch selbst unter Druck.
Werden weitere Beitragssteigerungen in Kauf genommen?
Und da gibt es noch einen Haken:
Der Bund hat überhaupt kein Geld, um in den Fonds einzuzahlen.
Es bleibt die Quadratur des Kreises, auch wenn an diesem Tag
von Durchbruch und Revolution die Rede ist.
Das gehört, als man sich an diesem Nachmittag
voneinander verabschiedet, zur Wahrheit dazu.
Und jetzt gehts nochmal zurück nach Deutschland,
mit dem Blick auf die Wirtschaft, Heinz.
Die Baupreise für Wohngebäude in Deutschland haben sich weiter erhöht.
Der Anstieg hat sich allerdings etwas verlangsamt.
Das zeigen die neuen Zahlen des Statistischen Bundesamtes
für den Mai.
Verlangsamte Teuerung ist aber auch Teuerung.
Um wieviel denn, Frank Bethmann?
FB: Um fast neun Prozent.
Da wird es wenige Häuslebauer trösten, dass die Preise,
zumindest statistisch, so langsam gestiegen sind
wie seit zwei Jahren nicht mehr.
Dass beispielsweise die Preise für Zimmer- und Holzbauarbeiten
sogar leicht gesunken sind.
Unterm Strich zeigen die Preispfeile auch im Mai mehrheitlich nach oben,
teilweise immer noch sehr deutlich.
Besonders gilt dies für Heizanlagen: Ein Plus von fast 15 Prozent.
Und auch Dachdeckerarbeiten verteuern sich weiter.
Hier ein Anstieg von beinahe elf Prozent.
Da fällt es schwer von einer Trendwende zu sprechen.
Es bleibt dabei: Immer mehr Menschen nehmen Abstand vom Bauen -
die gestiegenen Zinsen tun ihr Übriges.
Was heißt das für die Bauziele der Bundesregierung,
mehr Wohnraum schaffen zu wollen?
FB: Es geht komplett in die falsche Richtung.
Statt mehr, werden zunehmend weniger Wohnungen gebaut.
Das Ifo-Institut beispielsweise erwartet einen Rückgang
beim Wohnungsbau auf etwa 200.000 Wohnungen im Jahr 2025.
Das wären nur noch halb so viel Wohneinheiten
wie von der Bundesregierung als Ziel ausgegeben.
Neben den steigenden Preisen belastet auch, dass der Bund
die Neubauförderung drastisch zurückgefahren hat.
Frank Bethmann, vielen Dank.
In Jamaika berät die internationale Meeresbodenbehörde
über den Umgang mit wertvollen Bodenschätzen in der Tiefsee.
Besonders im Pazifik gibt es Gebiete, die reich an Metallen wie Kupfer,
Kobalt und Nickel sind.
Gestern war eine Frist abgelaufen, innerhalb derer der Tiefseebergbau
weltweit reguliert werden sollte.
Ob es überhaupt zum Abbau kommen sollte, ist jedoch umstritten.
Experten fürchten Schäden am Ökosystem des Meeres.
Am ersten Wettkampftag der Para-Leichtathletik-WM in Paris
hat Weitspringer Leon Schäfer dem deutschen Team
mit einem Weltrekord gleich das erste Gold beschert -
und sich den zweiten WM-Titel.
Im Prothesen-Weitsprung schaffte der 26-Jährige aus Leverkusen
nach zwei ungültigen Versuchen und erst im letzten Anlauf 7,25 Meter.
Und verbesserte so seine eigene Weltbestmarke um einen Zentimeter.
Der Deutsche Wetterdienst warnt vor Hitze im Süden und Südwesten.
Genaueres dazu und auch sonst zur Wetterlage gleich
von Katja Horneffer.
Erst noch kurz der Blick auf heute.
Wo sich teils heftige Gewitter entluden,
wie hier im sächsischen Erzgebirgskreis -
inklusive Temperatursturz von 30 auf 20 Grad.
Auch in Göppingen, Baden-Würtemberg,
fielen in wenigen Minuten große Mengen Regen und auch Hagel,
bevor die Gewitterzellen dann weiter zogen.
Gleich gibt es das Wetter noch ausführlich
und dann geht's mit dem ZDF-Montagskino weiter.
Um 0 Uhr gibt es dann unser heute "journal up:date" mit Nazan Gökdemir.
Und uns dann morgen wieder.
Auf Wiedersehen.
Guten Abend.
Gestern war der bislang heißeste Tag des Jahres
mit bis zu 38 Grad im Südwesten, gemessen in Waghäusel Kirrlach.
Heute war es ein bisschen weniger heiß,
aber morgen nimmt die Hitze einen neuen Anlauf von Südwesten,
dann wird es wieder schwülheiß und gewittrig.
Zum späten Nachmittag und Abend drohen Gewitter
im Saarland und in Baden-Württemberg.
Einzelne kleine Gewitter gibt es noch heute Nacht,
z.B. hier im Alpenvorland.
Sonst ist es häufig klar und es bildet sich Nebel.
Die Temperaturen sinken auf 17 Grad im Rhein-Main-Gebiet
und bis elf Grad in der Lüneburger Heide.
Morgen liegen dann die Höchsttemperaturen an den Küsten
und in Schleswig-Holstein bei 25 bis 27 Grad.
Sonst wird es heiß, mit Temperaturen von 31 bis 38 Grad.
Besonders belastend wird die Hitze wieder im Südwesten,
genauso wie schon gestern.
Der Tag beginnt mit viel Sonne und einigen Wolkenfeldern im Nordwesten.
Nachmittags brodelt es im Westen und zum späten Nachmittag und Abend
kann es kräftige Gewitter geben.
Im Saarland und in Baden-Württemberg Gewitter, die mit Hagel, Platzregen
und Sturmböen verbunden sein können.
Diese Gewitter ziehen im Laufe der Nacht zum Mittwoch weiter nordwärts.
Auch am Mittwoch gibt es noch Schauer und Gewitter.
Dann aber ist die schwüle Hitze aus Deutschland weggeräumt.
Donnerstag und Freitag wird es deutlich angenehmer
bei Höchsttemperaturen von 20 bis 30 Grad.
Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend.