Die Basler Fasnacht
Seit 2017 gehört sie zum immateriellen Kulturerbe der UNESCO: die Basler Fasnacht in der Schweiz. Während der Karneval woanders vorbei ist, beginnt er dort erst – und zwar ganz traditionell mit dem ‚Morgenstraich‘.
Startschuss für die Basler Fasnacht ist der Montag nach Aschermittwoch, also dann, wenn in Deutschland der Karneval beziehungsweise die Fastnacht zu Ende ist und die Fastenzeit beginnt – genau 40 Tage vor Ostern. Basel ist also ein Ausnahmefall, und das hat mit einer Reform der vorösterlichen Fastenzeit im 11. Jahrhundert zu tun. Damals beschloss das Kirchenkonzil von Benevent, dass an den sechs Sonntagen vor Ostern nicht mehr gefastet werden sollte. Um trotzdem auf die 40 Tage Fastenzeit zu kommen, musste diese also entsprechend früher beginnen, nämlich am Aschermittwoch. In der Region Basel fand dieser Beschluss keine Beachtung. Man hielt sich an die alte Regelung und addierte einfach sechs Tage dazu. Den Auftakt für die Fasnacht bildet der traditionelle Morgenstraich. Punkt vier Uhr werden die Straßenbeleuchtung und die Lampen in den Schaufenstern ausgeschaltet, dann erschallt der traditionelle Ruf:
„Achtung. Morgenstraich: vorwärts, marsch!“
Gleichzeitig setzt sich in verschiedenen Gassen und Straßen der historischen Altstadt Basels der farbenfrohe Zug in Bewegung – knapp 20.0000 maskierte und verkleidete Trommler und Piccolo-Spieler. Das sind Musikanten mit kleinen Querflöten. Auf dem Kopf haben sie kleine Laternen befestigt. Das Besondere am Morgenstraich-Zug sind aber die etwa 180 bis zu drei Meter großen Laternen, alle kunstvoll gestaltet. Sie werden getragen oder auf Wagen gezogen und erleuchten die stockdustere Umgebung. Auf ihnen nehmen die einzelnen Fasnachtscliquen, – kostümierte Gruppen – regionale Themen, Sujets, aufs Korn. Aber auch das Weltgeschehen spielt eine Rolle, wie etwa das Säbelrasseln zwischen Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un und US-Präsident Donald Trump. Grafiker Markus Stöckle, der für den Zug im Jahr 2018 diese Laterne bemalt hat, beschreibt sie so:
„Also auf dieser Seite sehen wir Kim Jong-un Richtung Amerika und Trump sitzt auf der Rakete, die entgegenkommt. Eigentlich ein Kampf, wer hat die größere Rakete, die gegenseitigen Drohgebärden.“
Mit Sonderzügen und Bussen kommen jährlich tausende Besucherinnen und Besucher nach Basel. Gemeinsam mit Einheimischen verfolgen sie den mal heiteren, mal melancholischen Zug. Sie selbst sind, wie es die Tradition will, nicht kostümiert, aber voller Begeisterung:
„Na ja, ist einfach schön mitten in der Nacht, wenn alles dunkel ist, und es gibt schon 'n bisschen Gänsehaut. / Das sind Kunstwerke, jede Laterne ist ein Kunstwerk, und braucht ein halbes Jahr Arbeit. / [Wir kommen] jedes Jahr seit 25 oder 30 Jahren. Das ist kein Moment langweilig. Immer neue Sujets, immer neue Kostüme und die schönste Stimmung, die es gibt auf der ganzen Welt. / Sehr gut. Wir kommen eigentlich jedes Jahr.“
Das Lichtermeer handbemalter und -gestalteter Laternen sorgt bei dem einen oder anderen für Gänsehaut, das Gefühl, etwas Besonderes zu erleben. Im Dezember 2017 hat die UNESCO die Basler Fasnacht zum immateriellen Kulturerbe der Menschheit erklärt. Zur Begründung hieß es, sie sei mit einem riesigen Satiremagazin vergleichbar, die „Schnitzelbänke“ förderten durch ihre soziale Kritik Toleranz und Zusammenhalt in der Gesellschaft. Dabei handelt es sich um kurze, gesungene Verse, „Schnitzel“, die sich auf ironisch-sarkastische Weise über Ereignisse des vergangenen Jahres lustig machen. Oft wird der Gesang auch instrumental begleitet. Schnitzelbänke stehen in der Tradition der bis ins 19. Jahrhundert praktizierten Bänkellieder. Christoph Bürglin, der Obmann des Fasnachts-Comités, hat sich über die Ehrung gefreut:
„Es ist ein Stolz, wenn man sagt, man macht ein Hobby, man pflegt ein Brauchtum, das wirklich anerkannt wird. Und das ist auch eine Verpflichtung für die Stadt, dass man gleichwohl immer noch auch in Zukunft so arbeiten kann, dass die Stadt so kooperativ ist, dass diese Fasnacht auf die Beine gestellt werden kann.“
Ein Großereignis wie dieses erfordert natürlich viel Organisation und Koordination. Das wird von dem 1910 gegründeten Fastnachts-Comités, einem Verein aus ehrenamtlich tätigen Mitgliedern, geleistet. Dieses sieht laut Christoph Bürglin seine Arbeit, sich um den Erhalt der Tradition der Basler Fasnacht zu kümmern, das Brauchtum zu pflegen, durch die Ehrung gewürdigt. Für die Stadt bedeute diese Ehrung natürlich auch eine Verpflichtung, den Verein in seiner Arbeit zu unterstützen. Wie Christoph Bürglin finden die Zuschauer am Straßenrand, dass die Fasnacht das UNESCO-Prädikat zu Recht bekommen hat:
„Das ist einzigartig, das ist absolut einzigartig, auch in der gesamten Fasnet, und es hat mit der normalen Fasnet nichts zu tun. Überhaupt nichts. / Also ich find' das ganz klasse und es hat's auch verdient, weil viel mit Tradition zu tun hat und viele Menschen nehmen sehr viel Arbeit auf sich, um diese Tradition zu pflegen und deshalb ist das ganz schön.“
Die Stadt Basel erwartet an den Fastnachts- oder Fasnetstagen, wie die Einheimischen sagen, rund 200.000 Besucher. Fast alle Hotels in der Region sind ausgebucht. Allerdings nicht nur mit Fremden, berichtet Bernhard Müller vom Hotel Birsighof:
„Also wir haben natürlich ‚voll Haus‘ und zwar ein sehr guter Mix. Das ist noch interessant. Wir haben viele Fasnächtler, die hier selber in der Region wohnen und sich während diesen drei, vier Tagen bei uns quartieren. Und dann natürlich Leute, Gäste aus der Schweiz, aus Deutschland, die speziell wegen diesen drei Tagen zu uns kommen.“
Fasnacht, das sind die drei schönsten Tage im Jahr, sagt man in Basel. Am Donnerstagmorgen vier Uhr sind sie Geschichte. Sie enden … mit dem ‚Ändstraich‘.