Das Drama um die Sozialwohnungen - #zoomIN vom 12.06.2019 | ZDF
Anschauen, unterschreiben, Kisten packen und umziehen.
So einfach ist es in Deutschland schon lange nicht mehr.
Bezahlbarer Wohnraum ist Mangelware. Die Mieten in den Städten explodieren.
Und am härtesten trifft es meistens die, die sowieso schon wenig haben.
„Das Kinderzimmer.“ „Das Kinderzimmer.
Wer wohnt hier alles in dem Kinderzimmer?“
„Mama, Cinedine, Papa und ich!“
In Deutschland fehlen tausende Sozialwohnungen.
Alle wissen es und viele wollen etwas dagegen tun.
2016 hatte ich mit Barbara Hendricks der damaligen Bundesministerin
für Wohnen gesprochen und sie sagte:
Wir machen jetzt ganz viel, wir stecken Geld rein. Es ist immer noch so,
dass die Wohnungen verschwinden vom Markt, die Sozialwohnungen.
Obwohl das Problem lange bekannt ist, passiert Folgendes:
Die Zahl der Sozialwohnungen steigt nicht, sondern sinkt.
Und das jedes Jahr. Warum? Genau das hat sich Renate Werner angeschaut
und einen Film darüber gemacht.
Ich habe das größte Bauprogramm aufgelegt,
das es in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland je gab.
Das klingt natürlich erst mal fantastisch. Und nach super viel:
Fünf Milliarden Euro und 100.000 neue Sozialwohnungen bis 2021.
Viele dachten, das wird jetzt ganz schnell besser
und wenn man hinter die Zahlen schaut, sieht man, dass in dem Zeitraum
bis 2021 viel mehr Wohnungen aus der Bindung fallen
als überhaupt nachgebaut werden können.
Denn jedes Jahr verliert Deutschland 45.000 Sozialwohnungen,
weil die sogenannte Belegungsbindung wegfällt.
Ein wunderbares bürokratisches Wort, was dahintersteckt, ist Folgendes:
Wenn jemand eine sozial geförderte Wohnung gebaut,
muss er die für 15-30 Jahre zu bestimmten Bedingungen vermieten.
Danach fallen diese Bedingungen allerdings weg und die Wohnung
ist eine ganz normale Wohnung und der Vermieter kann vermieten
an wen und zu welchem Preis er will.
Wenn wir jetzt also bis 2021 100.000 neue Wohnungen bauen,
fallen im gleichen Zeitraum etwa 135.000 Wohnungen weg.
Muss es das System geben, dass alle Sozialwohnungen nach 30 Jahren
wieder aus der Bindung fallen?
Stehen wir nicht irgendwann vor dem gleichen Problem wieder,
wenn die neuen jetzt gebaut werden?
Aktuell sehen es die Gesetze so vor.
Ob es überhaupt zu den 100.000 neuen Sozialwohnungen kommt, ist unklar.
Denn für die Investoren lohnt es sich kaum.
Ich war ja auf der Immobilienmesse in München und mit allen,
mit denen ich gesprochen habe, die sagten einfach:
Es ist viel lukrativer auf dem freien Markt Wohnungen zu bauen.
Warum soll ich mich mit sozialem Wohnungsbau beschäftigen?
Da sind die Regeln strenger und ich muss ganz viele Anträge ausfüllen.
Dazu kommt jetzt noch ein ganz anderes Problem. Es wird geschätzt,
dass ungefähr ein Drittel der Menschen in einer Sozialwohnung
eigentlich gar keinen Anspruch mehr darauf hat.
Aktuell ist es so, dass man nur beim Einzug nachweisen muss,
dass man dazu berechtigt ist.
Wenn jetzt zum Beispiel eine Studentin in einer Sozialwohnung wohnt,
irgendwann mit dem Studium fertig ist und verdient, da aber wohnen bleibt,
blockiert sie eine Sozialwohnung.
Haben Sie sich mal Gedanken darüber gemacht,
dass Sie jemandem die Wohnung wegnehmen?
Ich mein, die war jetzt keine Millionärin, die war einfach Studentin
und danach hatte sie ein akademisches Gehalt, aber mit diesem Gehalt
und einem guten Job findet man schon auch eine andere Wohnung.
Und sie sagte uns auch: Ja, das ist ein extra Urlaub im Jahr.
Das fand ich dann ungerecht. Tatsächlich.
Und, dass da die Ämter nicht hinterher sind,
das finde ich auch krass ehrlich gesagt.
Das einzige Bundesland, das prüft, ist Hessen.
Wer dort erwischt wird, der zahlt.
Zauberwort: Fehlbelegungsabgabe.
Die anderen Bundesländer sagen, die Verwaltungskosten sind zu hoch
und deswegen machen sie es nicht.
Außerdem wird dadurch natürlich keine einzige Sozialwohnung frei.
Warum könnte man nicht diese Leute ausziehen lassen?
Warum baut man für Leute Sozialwohnungen, jetzt nehmen wir mal die 100.000,
wenn dann in fünf Jahren 30 % drin wohnen, die gar nicht dafür berechtigt sind.
Ja dann kann man es doch gleich lassen.
Klar ist auch: Der Wohnungsmarkt ist hart umkämpft
und nicht jeder findet direkt eine andere Wohnung. Gerade in Städten.
Das führt dazu, dass die Menschen immer weiter nach außen gedrängt,
auch in der Gesellschaft.
Als krassestes Beispiel fällt mir da immer Paris ein.
Da leben die Reichen in der Stadt und in den Banlieues wohnen die,
die einfach kein Geld haben.
Und, dass das sozusagen in Deutschland auch schon Trend ist,
das hat mich tatsächlich wirklich erschreckt.
Und jetzt? Was muss passieren, damit es besser wird?
Also man müsste sich mal ein komplett neues System überlegen.
Und das natürlich durch alle Instanzen durch, bis das zum Gesetz wird.
Tja. Es gibt wohl keine einfache und vor allem keine schnelle Lösung.