Pharmakokinetik Teil 1 - AMBOSS Auditor
Pharmakokinetik - Topische und systemische Wirkstoffe
Kennst du den Merkspruch: “Pharmakokinetik ist das, was der Körper mit dem Wirkstoff macht,
Pharmakodynamik beschreibt, was ein Wirkstoff mit dem Körper macht.”?
Genau diese Wechselbeziehung zwischen Körper und Wirkstoff wollen wir dir in vier Auditorfolgen
näherbringen.
Los geht's mit zwei Folgen zur Pharmakokinetik, also der Frage, was der Körper mit einem
Wirkstoff macht, wenn er diesen aufnimmt, verteilt, verstoffwechselt und am Ende wieder
ausscheidet.
Bei diesem Prozess können fünf Phasen unterschieden werden.
Diese werden auch oft mit dem Akronym LADME bezeichnet.
Das L steht für die Liberation, also die Freisetzung des Wirkstoffs aus seiner Darreichungsform.
Das A steht für die Absorption des Wirkstoffs im Körper.
D steht für die Distribution des Wirkstoffs über den Blutkreislauf oder das Lymphsystem
in die verschiedenen Gewebe.
M steht für die Metabolisierung, oder auch Biotransformation des Wirkstoffs.
Und das E steht schließlich für die Exkretion, also die Ausscheidung des Wirkstoffs aus dem
Körper.
Lass uns diese verschiedenen pharmakokinetischen Phasen einmal genauer anschauen.
Bei der Liberation unterscheidet man Darreichungsformen, bei denen die Wirkstoffe ihre Wirkung direkt
nach Applikation frei entfalten können, von den Darreichungsformen, bei denen sich der
Wirkstoff zuerst durch physikalische oder chemische Prozesse aus einem Trägermaterial
herauslösen muss, um vom Körper aufgenommen zu werden.
Ihre Wirkung tritt dadurch verzögert ein.
Beispiele für solche Darreichungsformen sind Salben, Tabletten oder auch Schmerzpflaster.
Die wichtigsten Applikationsformen sind intravenös, intramuskulär, subkutan, inhalativ, oral,
dermal und rektal.
Allein von der gewählten Darreichungsform lässt sich jedoch nicht ableiten, ob ein
Medikament topisch oder systemisch wirkt.
Topische Stoffe wirken vorrangig lokal begrenzt, ihre Applikation erfolgt also am Wirkort.
Beispiele hierfür sind Glucocorticoidsalben bei Ekzemen oder oral eingenommene Kohletabletten
bei Diarrhoe.
Systemische Wirkstoffe hingegen werden nach der Aufnahme über den Körperkreislauf zu
ihrem Wirkort transportiert.
Bei Schmerzmitteln geschieht dies zum Beispiel unabhängig davon, ob sie intravenös, oral
oder als Pflaster appliziert werden.
Welche Darreichungsform für einen Patienten am besten geeignet ist, hängt vor allem davon
ab, welche Konzentration am Wirkort vorliegen soll und wie der Stoff vom Körper absorbiert
wird.
Dies schauen wir uns nun einmal genauer an.
Bei der Absorption eines Wirkstoffes geht es vor allem um die Frage, wie schnell er
vom Körper aufgenommen werden kann und welche Konzentration am Wirkort erreicht wird.
Da topische Wirkstoffe direkt am Wirkort freigesetzt werden, ist ihre Konzentration dort gleich
nach der Freisetzung besonders hoch.
Dagegen werden systemische Wirkstoffe zunächst vor allem über das Blut zum jeweiligen Wirkort
transportiert.
Ihre Konzentration dort hängt daher unmittelbar von ihrer Konzentration im Körperkreislauf
ab.
Man dokumentiert daher bei systemischen Wirkstoffen in der Regel die Plasmakonzentration und stellt
diese in Diagrammform dar.
Wird ein systemischer Wirkstoff intravenös verabreicht, dann ist im Moment der Freisetzung,
also der Injektion in den Blutkreislauf, die Konzentration des Wirkstoffes maximal.
Von da an sinkt sie kontinuierlich, weil der Wirkstoff nach und nach aus dem Blut abgegeben
wird.
In der Folge kommt es zum Absinken der Plasmakonzentration.
Hierfür gibt es verschiedene Gründe: die Aufnahme des Wirkstoffs ins Gewebe, seine
Speicherung, seine Metabolisierung und die Ausscheidung des Wirkstoffes aus dem Körper.
Wird ein systemischer Wirkstoff über eine andere Applikationsform verabreicht, dann
ist seine Plasmakonzentration bei der Freisetzung zunächst null und steigt erst durch die Aufnahme
in den Blutkreislauf an.
Man spricht dabei auch von der Invasion des Wirkstoffs.
Durch das Zusammenspiel von Invasion und Elimination ergibt sich ein charakteristischer Verlauf
der Plasmakonzentration.
Diese Kurve wird nach einem britischen Mathematiker als Bateman-Funktion bezeichnet.
Bei der hier gezeigten Bateman-Funktion dominiert die Invasion des Wirkstoffs.
Ist dagegen die Elimination des Wirkstoffes dominierend, wird im Plasma eine vergleichsweise
niedrigere maximale Wirkstoffkonzentration erreicht.
Die Kurve steigt zu Beginn weniger steil an und flacht dafür am Ende schneller ab.
Schauen wir uns das Verhältnis von Invasionsgeschwindigkeit und Eliminationsgeschwindigkeit einmal für
verschiedene Applikationsformen an: Die Invasion ist bei intravenöser Gabe maximal.
Wird ein systemischer Wirkstoff jedoch auf anderem Wege verabreicht, beispielsweise intramuskulär,
dann ist seine Plasmakonzentration bei der Freisetzung zunächst null und steigt erst
durch die Aufnahme in den Blutkreislauf an.
Bei intramuskulärer Gabe erfolgt die Aufnahme in den Blutkreislauf relativ schnell.
Bei einer subkutanen Gabe ist der Transportweg ins Blut dagegen länger und die Invasion
daher langsamer.
Noch länger dauert allerdings die Invasion eines oral verabreichten Wirkstoffs.
Diesen Effekt der Invasion kann man sich klinisch zu Nutze machen, um die Wirkung eines Medikaments
zu verzögern beziehungsweise über einen längeren Zeitraum möglichst konstant zu
halten.
In diesem Zusammenhang spricht man auch von einer retardierten Wirkung oder dem sogenannten
Depoteffekt.
Die unterschiedlichen Geschwindigkeiten wirken sich allerdings nicht nur auf die maximale
Wirkstoffkonzentration im Plasma aus, sondern sind auch einer der Einflussfaktoren für
die Verweildauer des Wirkstoffs im Körper.
Diese kann mit der sogenannten biologischen Halbwertszeit beschrieben werden.
Sie gibt an, wie lange es dauert, bis die Plasmakonzentration eines Wirkstoffes auf
die Hälfte seiner maximalen Konzentration gesunken ist.
Die Halbwertszeit hat eine therapeutisch wichtige Bedeutung: je geringer die Halbwertszeit,
desto schneller sinkt die Plasmakonzentration des Wirkstoffs - wobei nach vier Halbwertszeiten
etwa 90% der Substanz eliminiert sind.
Auf den genauen Zusammenhang zwischen der Konzentration und der Wirkung eines Wirkstoffes
werden wir in der Folge zur Pharmakodynamik noch einmal zurückkommen.
Doch soviel schonmal vorweg: die Länge der Halbwertszeit und die Dauer der Wirkung müssen
nicht immer korrelieren!
Vereinfacht lässt sich zusammenfassen, dass in der Bateman-Funktion von der Applikation
bis zum Maximum vor allem Invasionsprozesse des Wirkstoffes zu sehen sind.
Dieser Teil der Kurve veranschaulicht also die sogenannte Bioverfügbarkeit eines systemischen
Wirkstoffs.
Nach dem Erreichen des Konzentrationsmaximums überwiegen dann die eliminierenden Prozesse,
die wir uns gleich in der zweiten Auditorfolge zur Pharmakokinetik genauer anschauen.