USA: Das Ende der positiven Diskriminierung
Deutschlandfunk Kultur Studio 9 Interview 30.06.2023
Liberale und Konservative in den USA kämpfen eigentlich ständig darum, das gesellschaftliche
Leben, klar, in ihrem Sinne zu prägen, zu steuern.
In unterschiedlichen Feldern, unterschiedlichen Bereichen.
Manchmal ist das liberal gegen konservativ auch deckungsgleich mit Republikaner und Demokraten,
aber das ist vielleicht ein bisschen zu einfach, das immer so zu machen.
In einem aktuellen Bereich können wir uns das anschauen an Universitäten beim Thema
Bildung.
Hier gibt es vom mehrheitlich konservativen obersten Gerichtshof eine Entscheidung.
Die Hautfarbe darf keine Rolle mehr spielen bei der Aufnahme an einer Universität.
Das klingt vielleicht beim ersten Hören nach Gleichstellung, aber das verhindert auch eine
bisherige Praxis, nämlich benachteiligte Gruppen, Minderheiten an die Universitäten
zu bringen, die ebenso ein bisschen vielfältiger zu machen.
Und dann kam heute gerade noch ein Urteil, da geht es um Studentenkredite, aber eins
nach dem anderen und zwar mit Doris Simon, unserer Korrespondentin in Washington.
Hallo.
Hallo.
Also lassen Sie uns erstmal den Blick werfen auf das, was Affirmative Action heißt, also
die Praxis einiger Universitäten bislang gezielt Vielfalt, Diversität herzustellen.
Ja, gestern dann gekippt, diese Praxis.
Das wird heute viel kritisiert.
Ja, um das nochmal ganz klar zu sagen, es werden nicht irgendwelche Quoten eingeräumt
für ethnische Minderheiten oder Plätze freigehalten, sondern es ging an diesen Universitäten so,
dass bei gleichwertigen Bewerbungen der Faktor Hautfarbe, hier nennt man das Race, eben den
Ausschlag geben konnte.
Das aber verstößt gegen die Verfassung.
Und zwar hat der Vorsitzende Richter gesagt, die Studierenden müssten auf Grundlage ihrer
Erfahrung als Individuen behandelt werden, nicht auf Grundlage eben von Hautfarbe.
Und so gut gemeint und so gut im Glauben, dass umgesetzt würde, das eben sei nicht
verfassungskonform.
Dazu muss man wissen, damit hat das oberste Gericht seine bisherige Praxis verändert.
Denn bisher galt ja zählte lang, dass es gut ist und dass es erlaubt ist, um Vielfalt
zu erreichen mit einem Zweck, nämlich weil durch Vielfalt alle davon profitieren würden,
also auch die mehrheitlich Weißen zum Beispiel.
Kritik, wie gesagt, gab es von vielen, aber es gab natürlich auch Kritik aus dem Gericht
von den drei liberalen obersten Richterinnen.
Eine der Richterinnen sagte, das sei total oberflächlich, wenn man von Farbenblindheit
spreche, also wenn Hautfarbe kein Thema mehr sei, angesichts der Tatsache, wie tiefgreifend
die US-Gesellschaft weiterhin segregiert sei.
Es zeigte sich überhaupt, 247 Seiten, verschiedene Meinungen der Richter, zeigte sich überhaupt,
wie scharf auseinander gehen, wie scharf die Meinungen da auseinander gehen.
Auch zwischen den beiden schwarzen Richtern, dem extrem konservativen Richter Thomas und
der liberalen Richterin Brown-Jackson.
Kann man denn sagen, die Erfahrung der vergangenen Jahre hat gezeigt, dass das im Positiven klar
ist, dass das die Vielfalt erhöht hat, dass das was gebracht hat, was jetzt kassiert wird?
Hautfarbe, ja.
Und zwar ist es immer noch so, je selektiver die Unis werden, insbesondere die Elite-Unis,
dass schwarze Ureinwohner Hispanics unterrepräsentiert sind im Vergleich zum Anteil in der Bevölkerung.
Nur eine ethnische Minderheit ist überrepräsentiert.
Das sind die chinesisch- und indischstämmigen Amerikaner bei den asiatischstämmigen Amerikanern.
Insgesamt bei der Masse der Hochschulen, Communities College und Universitäten,
die nicht so gut abschneiden, Rankings nicht so teuer sind,
das bildet dann eher die Bevölkerung ab in den USA.
Allerdings muss man sich immer in Erinnerung rufen, in diesem Land kommen die meisten an der Spitze,
wo auch immer, zum Beispiel bei Unternehmen, auch von Spitzenunis.
Und acht der neun Supreme Court-Richter sind Absolventen von Elitehochschulen.
Dass es nicht so leicht ist, dieses liberal-konservativ-republikaner-demokraten hier aufzumachen,
das kann man, wenn ich das richtig sehe, auch am Beispiel Kalifornien zeigen,
weil Kalifornien diese Praxis sozusagen schon länger an der Hand hat.
Ja, ich habe mir das vor einem Monat dort angeschaut.
Seit 27 Jahren ist es durch Referenten in Kalifornien so, dass Affirmative Action verboten ist.
Die Zahlen damals der ethnischen Minderheiten sind dramatisch damals zurückgegangen.
Seither hat man eine halbe Milliarde Dollar investiert, um wieder mehr Vielfalt herzustellen.
Mit vielen, vielen Versuchen, unheimlich viel Beratung in Gegenden,
wo ethnische Minderheiten leben, an Highschools, die oft viel schlechter ausgeschattet sind als in weißen Gegenden.
Auch über Wege, wie man an die Uni kommen kann.
Inzwischen können die neun Prozent besten jeder Highschool in Kalifornien
sich im guten staatlichen Unisystem bewerben.
Es können auch diejenigen, die sehr guten Community College,
ein weniger gefragtes, also spitzenmäßiges Hochschulinstitut absolviert haben,
können sich auch im staatlichen Universitätssystem bewerben.
Und standardisierte Tests sind viel weniger wichtig als früher.
Die Unis schauen mehr auf die Bewerber.
Und da wird immer ein persönlicher Essay gefordert.
Und wenn man da, und das wird auch weiterhin erlaubt sein,
das hat der Supreme Court auch in seinem Urteil gesagt,
wenn man da zum Beispiel schreibt über sein Leben und über zum Beispiel überwundene Hindernisse
aufgrund der Tatsache, dass man zu einer ethnischen Minderheit gehört,
dann kann das dann durchaus irgendwie auch eingerechnet werden.
Und das versucht man auch in Kalifornien.
Jetzt gibt es noch ein weiteres Urteil des Supreme Courts, heute relativ aktuell.
Da geht es um einen Plan, den Joe Biden hatte,
nämlich Studierenden ihre Kredite, ihre Schulden zu erlassen.
Der Plan hing relativ lang in der Luft.
Und jetzt hat der Supreme Court diese Idee gekippt.
Das wäre sehr teuer gewesen.
Aber betrifft das am Ende im Prinzip auch einen ähnlichen Bereich?
Weil klar, diese Kredite bekommen natürlich alle.
Die bekommen Weiße wie Schwarze AmerikanerInnen.
Aber ja, rein statistisch sind dann eben doch häufiger die Ärmeren eben nicht Weiße AmerikanerInnen
und deshalb eher betroffen von diesem Plan, der jetzt gekippt ist.
So ganz klar kann man das nicht sagen,
weil sich der Plan, mehr als 400 Milliarden Dollar zu streichen an Studentenschulden,
nur zum Verständnis, wir haben 1,6 Billionen Dollar Studentenschulden in den USA.
Dieser Plan hätte auch Ärmere Weiße betroffen.
Es hatten sich 26 Millionen Menschen beworben.
Es ging um 20.000 Dollar höchstens für Geringverdiener, die gestrichen worden wären.
Aber das Gericht hat geurteilt, die Regierung Biden hat damit ihre Befugnisse überstritten,
denn die Haushaltskompetenz hat hier der US-Kongress.
Doris Simon mit Informationen über zwei Gesetzentscheidungen des Supreme Courts,
beides in Sachen Studierende, Bildung und Universitäten.
Dankeschön.