Investieren für Anfänger: Aktives & Passives Investieren erklärt! | Gerd Kommer
Kommen wir zum zweiten Teil unseres Interviews mit Gerd Kommer.
Jetzt sprechen wir über passives Investieren, worum es ja in seiner Arbeit hauptsächlich geht.
- Herr Kommer, was ist denn der Vorteil, den das passive Investieren gegen dem aktiven Investieren bietet?
Und vielleicht sagen Sie uns auch ganz kurz noch mal, was der Unterschied ist?
- Aktives Investieren ist das, was sozusagen alle machen, was 95 % aller Anleger machen.
Sie versuchen clevere Investments zu identifizeiren, clevere Strategien, um damit besonders hohe Renditen
oder bessere Renditen als der Markt - irgendeine Benchmark, die sie sich ausgesucht haben, ob das 0 %
Rendite ist, ob das der DAX ist, ob das ein Festgeldkonto ist - also besser als diese Benchmark
zu sein, das ist aktives Investieren. Fast jede Art von Investieren, wie wir es kennen, ist aktives Investieren.
Ich versuche, so viel Rendite wie möglich bei einem gegebenen Risikolevel zu erzielen.
Das ist sozusagen in einem Satz gesagt, was fast alle machen.
Davon abzugrenzen ist passives Investieren. Der Begriff ist jetzt nicht besonders glücklich.
Ich könnte mir bessere Begrifflichkeiten vorstellen, weil passiv Investieren erst mal mehr ...
- ... nach "Macht keine Arbeit" klingt - Ich meine, wer will schon passiv sein.
- Klingt so langweilig, ja. - Passiv ist eine Bezeichnung, die merkwürdig klingt, ...
Jedenfalls ist sie nicht optimal. Aber gut, die Bezeichnung hat sich etabliert, die gibt es schon
seit 30, 40 Jahren, und deswegen kommt man nicht um sie herum und ich werde sie deswegen auch benutzen.
Passiv investieren heißt einfach investieren in den Markt selbst. Also ich versuche nicht, den Markt zu schlagen,
sondern ich investiere in eine gesamte Assetklasse, z. B. Aktien weltweit. Ich versuche nicht, einzelne Aktien zu
finden, von denen ich glaube, dass sie eine besonders gute Rendite haben oder besonders geringe Risiken
haben, und deswegen anderen durchschnittlichen Aktien vorzuziehen sind, sondern ich investiere
wirklich in den gesamten Markt. Das kann ich mit Aktien, Anleihen, Rohstoffen, Immobilien machen.
Warum würde man das tun? Ganz einfach deswegen, weil Tausende von Studien in den letzten 50, 60 Jahren,
akademische und wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass der durchschnittliche aktive Anleger
schlechter liegt als der durchschnittliche passive Anleger.
- Und somit sein Ziel nicht erreicht, oder? - Und damit hat aktives Anlegen all die Mühe, die man
sich damit macht, ihr Ziel ja nicht erreicht. Und die kleine Gruppe ... es gibt selbstverständlich eine je nach
Studie und Betrachtungszeitraum, also Zeitfenster, gibt es immer irgendeine Minderheit von aktiven Anlegern,
die tatsächlich ihr Ziel erreicht haben, die es also geschafft haben, über dieses Zeitfenster ...
Ob das jetzt eine Woche ist oder 20 Jahre, aber jedes Zeitfenster ist natürlich eine individuelle Betrachtung.
In jeder Studie gibt es eine Minderheit von aktiven Anlegern, denen das tatsächlich gelungen ist, bei
korrekter Berücksichtigung von Risiko, Transaktionskosten und Steuern die Benchmark oder
den Markt zu schlagen. Das klingt erst mal so okay - dann schließe ich mich halt einfach dieser Gruppe an.
Leider ist es nicht so einfach, denn diese Gruppe wechselt ständig in ihrer Zusammensetzung, und es
ist unvorhersehbar. Sie können also nicht einfach sagen: "Ich, Thomas, bin halt ein Schlaumeier, und da
gibt es jetzt den Guru soundso und die Bank XY, die sind immer besser als der Markt und die werden es
auch in Zukunft sein, und deswegen investiere ich so wie die oder mit denen, dann bin ich einer der Sieger."
Das funktioniert leider nicht. Das heißt also, diese kleine Siegergruppe, die es immer gibt, wechselt ständig.
Und im Vorhinein wissen Sie nicht, ob Sie dazugehören werden. Was nicht wechselt, ist, dass die Mehrzahl der
aktiven Anleger, und bei langfristigen Zeiträumen können das bis zu buchstäblich 99 % aller aktiven
Anleger sein, die wird sowieso von vornherein schon schlechter sein.
Und wenn Sie jetzt diese zwei Gesichtspunkte zusammennehmen - die meisten sind sowieso
schlechter, und die wenigen, die besser sind, sind es immer nur vorübergehend -, dann ist es klüger zu sagen:
"Ich will zu dieser kleinen Gruppe passiver Anleger gehören, die kontinuierlich in den oberen 10, 20 % sind."
Sie werden nie der Allerbeste sein, aber langfristig deutlich besser als der durchschnittliche Anleger.
Und das bei viel weniger Arbeit, bei etwas geringerem Risiko bzw. auch weniger Schmerz Erleiden, Risiko
bedeutet sozusagen Schmerzen und Rendite ist Schmerzensgeld. Und wenn Sie das alles glauben und
durch buchstäblich Tausende von Studien, nicht mehr nur Hunderten, einige von Wirtschaftsnobelpreisträgern,
bestätigt haben, müssen die irgendwann mal sagen: "Okay, ich schließe mich der Vernunft an und tu das, was
ein realistischer Zielpreis wäre." Und das ist der Grund für die Sinnhaftigkeit von passivem Investieren.
- Das heißt, diese Anlagestrategie hat ganz klare Vorteile. Gibt es denn auch Risiken, die das passive
Investieren gegenüber Alternativen hat? - Die Alternative ist aktiv investieren, ne?
Und wir gehen jetzt mal nicht auf die verschiedenen fein abgestuften Varianten von passivem Investieren ein,
aber im Vergleich zum aktiven Investieren sind die Risiken entweder gleich oder niedriger, weil passiv
investieren, wenn man es richtig macht, fast definitionsgemäß besser diversifiziert ist, also
breiter und globaler diversifiziert ist, ist es auch wahrscheinlich, dass die Risiken gegenüber einem
vergleichbaren aktiven Ansatz etwas geringer sind. Jetzt muss man dazusagen: Renditen sind die Prämie,
dafür Risiken zu tragen. Als Investor muss ich bereit sein, Risiko zu tragen, und wo es kein Risiko gibt,
kann es auch keine Rendite geben. Das ist vielleicht die wichtigste einzelne Erkenntnis, die sich ein Anleger
zu eigen machen muss. Also ich werde dafür belohnt - Rendite ist die Kompensation für das Tragen von Risiko.
Im Prinzip gilt: Je mehr Risiko ich bereit bin zu tragen, und sofern ich es klug mache, nämlich auf dem Weg
des passiven Investierens, desto mehr werde ich auch belohnt.
Diese sicherlich etwas vereinfacht dargestellte Formel funktioniert für passives Investieren sehr gut.
Da kann man von diesem Zusammenhang eigentlich sehr zuverlässig sprechen.
Im aktiven Investieren spielen Glück und Pech eine viel, viel größere Rolle. Ja?
Da kann es sein, dass Sie hohe Risiken eingehen und trotzdem ins Klo greifen, sozusagen.
Man kann sich ganz, ganz böse die Finger verbrennen. - Okay.
- So, also das ist das zum Thema Risiko. Sie müssen es verstehen, Sie müssen es tragen, und auf lange Sicht
werden Sie dafür durch eine ordentliche und realistische Rendite auch belohnt werden.
- Okay. Können Sie da Größenordnungen nennen über die letzten Jahre?
- Also wer 100 % seines Portfolios in ein global diversifiziertes Aktienportfolio investiert, wird durch
Nichtstun real, nach Inflation, zwischen 4 und 6 % erwirtschaften können. Man kann das auch noch ein
bisschen erhöhen, wenn man kleinere Aktiengesellschaften oder Substanzwerte, also
Valueaktien oder Schwellenländeraktien etwas übergewichtet, ohne das Risiko nenneswert zu erhöhen.
Also das ist sozusagen eine dieser Varianten von passivem Investieren.
Allerdings ... die Hoffnung, 10, 11, 12 % Rendite ... Ich spreche immer von realen Renditen, also exklusive
Inflation ... 10, 11, 12 % zu machen bei vertretbarem Risiko, das ist nicht möglich.
Das wäre ein kleines Wunder. Da gibt es nur ganz, ganz wenige Ausnahmen - Warren Buffett ist eine berühmte
Ausnahme; in der Vergangenheit aber auch nicht mehr, weniger in jüngeren Jahren -, denen das gelungen ist,
aber da streitet sich die Wissenschaft ein klein wenig, inwieweit das tatsächlich Können oder vielleicht auch
ein bisschen Glück gewesen ist. - Okay. Interessant. Jetzt hört man häufig aber das
Argument: Je mehr Leute es gibt, die passiv in Indizes investieren, dass dann die Aktionärsdemokratie verloren
geht, das bedeutet, dass der Investor sein Stimmrecht abgibt, das er beim Unternehmen hat - er hat ja
Entscheidungen, die er mittragen kann, z. B. den Vorstand zu beauftragen -, wenn ich jetzt aber in ein
ETF oder passives Produkt investiere, dann gebe ich das ja quasi ab, dann kann ich das nicht mehr nutzen.
Und jetzt ist die Frage: Je mehr dieser Anteil der passiven Investoren zunimmt, desto weniger
sprechen die Aktionäre. Was halten Sie von diesem Argument?
- Ja, also anders formuliert könnte man auch sagen, das hört man immer wieder: Die Volkswirtschaft, oder sagen
wir mal ... Aktionäre haben diese Kapital-Allocationsfunktion, in einer Volkswirtschaft also dafür
zu sorgen, dass Kapital sinnvoll und rational allociert wird, dass es dahin fließt, wo es hinfließen soll, um
das Wirtschaftswachstum zu gewährleisten usw. Das Argument hört man immer wieder, ist aber Unsinn.
Das ist deshalb kompletter Unsinn, weil bei korrekter Messung der Marktanteil des Passivinvestoren
global unter 1 % liegt. Wenn ich natürlich US-amerikanische Investmentfonds, Publikumsfonds,
und das ist eben nur ein kleines Marktsegment aller Investmentformen, wenn man so will, ...
wenn ich natürlich dieses einzelne Marktsegment in dieser einzelnen Region herausnehme, dann haben wir
da heute einen Marktanteil von etwa 20 %. Dann gibt es aber noch Hedgefonds, Private-Liquidity-Fonds,
Versicherungen, es gibt Direktanleger in Aktien und dann gibt es natürlich noch die anderen Assetklassen,
wie Anleihe usw., wo der Indexinganteil selbst im Publikumsfondsegment viel niedriger ist.
Betrachte ich all diese Vertriebskanäle für Eigen- oder Fremdkapital , dann liegen wir weltweit unter 1 %.
Wie sich daraus also letztlich eine Störung der Kapital-Allocationsfunktion der Märkte ergeben soll, ist mir
offen gesagt ein Rätsel. Und ich könnte jetzt noch fortfahren, vielleicht mit einem zweiten Argument, es
gibt noch mehrere andere: Die wirklich wichtigste Steuerungsfunktion für Kapital in einer Volkswirtschaft
kommt von den Konsumenten, nicht von den Investoren. Das heißt also: Warum ist Apple so groß und das
weltweit erfolgreichste IT-Unternehmen? Und warum ging das XYZ-Unternehmen in den letzten Jahren pleite?
Das ist eine Entscheidung der Verbraucher. Konsumenten oder auch manchmal gewerbliche
Kunden dieser Unternehmen. Die entscheiden mit ihrer Kaufentscheidung, welches Unternehmen Umsatz und
dann auch Gewinn erzeugt und welches Unternehmen wachsen kann und welches Unternehmen nicht.
Und ganz am Rande und Ende dieses Prozesses sind auch noch Aktionäre, die ab und zu mal neues Geld
investieren oder durch ihre Kauf- und Verkaufsentscheidungen von Aktien oder anderen
Wertpapieren auch noch ein bisschen Signale liefern. Aber die wirklich wichtigste Steuerungsfunktion für
die Kapitalflüsse in einer Volkswirtschaft sind Konsumenten oder überhaupt die Käufer von Produkten.
Und nicht Fondsmanager, z. B. - Okay, super, vielen Dank. Jetzt haben wir also die
Vorteile vom passiven Investieren direkt von einem Profi kennenlernen dürfen, haben auch etwas die Nachteile
angerissen oder bzw. die Pseudonachteile oder Agrumente, die geliefert werden.
Sehen wir uns im nächsten Punkt an, wie der Anleger in der Dachregion Deutschland/Österreich/Schweiz
anlegt und ob das Sinn macht oder nicht.
Ich hoffe, euch hat dieser Teil von unserem Interview mit Herrn Kommer gefallen. Wenn ihr den nächsten
sehen wollt, könnt ihr gerne hier klicken. Ansonsten findet ihr auch unten in der Beschreibung die
weiteren Teile von diesem Interview. Wenn ihr euch für das Thema Finanzen und Geldanlage interessiert,
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