Was passiert, wenn Trump das Weiße Haus nicht verlassen will?
Es ist der Morgen des 20. Januar 2021.
Vor seiner Haustür wartet Joe Biden zusammen mit seiner Frau drauf,
dass er abgeholt wird.
An seinem Sakko steckt die Flagge der USA.
In seiner Tasche ist eine feierliche Rede,
die er halten will zu seinem Amtsantritt.
Zwei Monate zuvor wurde er gewählt
zum neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika.
Tatsächlich, nach kurzer Zeit rollt eine Kolonne mit schwarzen Autos an.
Joe Biden stellt sich aufrechter hin, seine Hand greift die seiner Frau.
Dann allerdings passiert etwas völlig Unerwartetes.
Die Autos halten an und Sicherheitsleute steigen aus.
Sie umringen Joe Biden, trennen ihn von seiner Frau,
legen ihm Handschellen an und führen ihn ab.
Der frisch gewählte neue Präsident der USA wurde verhaftet.
Nur Minuten später erscheint Donald Trump in einer Live-Ansprache im TV.
Die Sicherheitslage sei weiterhin ernst, sagt er.
Das Ausland mische sich massiv in die Angelegenheiten der USA ein.
Die Wahl sei komplett manipuliert worden,
und einen der Drahtzieher, den Demokraten Joe Biden,
habe man verhaftet.
Dan fährt er fort: "Es ist alles unter Kontrolle."
"Ich bin euer Präsident und ich werde es bleiben."
"Will continue to make America great again."
Das heißt, obwohl er die Wahl verloren hat, bleibt Trump im Amt.
Ist das ein realistisches Szenario?
Durchaus, sagen vor allem die Demokraten.
Und sie warnen:
Es muss jetzt gehandelt werden, bevor es zu spät ist.
Was steckt dahinter?
Genau darum geht's jetzt.
(Lockere Elektronikmusik)
Eigentlich ist die Sache klar.
Am 3. November 2020 wird in den USA ein neuer Präsident gewählt.
Die Favoriten sind wie immer die Kandidaten der zwei großen Parteien.
Donald Trump für die Republikaner.
Und mit großer Wahrscheinlichkeit
Joe Biden für die Demokarten.
Klar ist auf jeden Fall,
einer dieser beiden wird gewählt.
Donald Trump oder Joe Biden.
Entweder es gibt einen neuen Präsidenten oder den alten noch mal.
Das ist soweit normal.
So ist es in der 200-jährigen Geschichte der USA immer gewesen.
Allerdings, dieses Mal könnte es etwas anders werden.
Der aktuelle Präsident ist einer, der nur sehr schlecht verlieren kann.
"Ich bin ein schlechter Verlierer, verlieren ist nichts für mich",
hat Trump in einem Interview gesagt.
Tatsächlich, meist hat er in seinem bisherigen Leben gewonnen.
Zumindest dann, wenn es drauf ankam.
Jetzt ist die Situation für Donald Trump allerdings etwas ungünstig.
Corona verhagelt ihm seine eigentlich ganz gute Wirtschaftsbilanz
und verunsichert die Menschen zunehmend.
Die Umfragewerte für Trump sinken seit einigen Wochen.
Auch die, die von ihm eher wohl gesonnenen Medien
in Auftrag gegeben werden.
Und auch wenn Trump von Fake-Umfragen spricht,
die alle manipuliert wurden.
Ein Trend ist auf jeden Fall absehbar.
Ein Trend, der Donald Trump nicht gefällt.
Es wurde etwa bei einem Interview deutlich,
das er vor Kurzem dem Sender Fox News gab.
Er wurde gefragt, ob er das Wahlergebnis akzeptieren würde,
wenn er verliert.
Seine Antwort war:
Auch hier hat Trump mit möglichen Manipulationen argumentiert,
so wie auch schon vor der vergangenen Wahl,
die er gewonnen hat.
Damals meinte er sinngemäß:
Wenn Hillary Clinton gewinnt, war es auf jeden Fall Betrug.
Weigert sich Trump deshalb, das Weiße Haus zu verlassen,
wenn Joe Biden gewinnt?
Gut möglich,
sagt zum Beispiel Nancy Pelosi.
Die einflussreiche Politikerin
ist Sprecherin des Repräsentantenhauses
und bekommt Unterstützung
von Trumps inzwischen verurteilten ehemaligen Anwalt Michael Cohen.
Zitat vor dem Kongress:
Und auch Trumps Konkurrent Joe Biden spielt mit diesem Gedanken.
Gleichzeitig meinte er vor einiger Zeit aber auch:
Jetzt muss man sagen, das sind alles Zitate von Leuten,
die Donald Trump nicht oder nicht mehr mögen.
Auch bei unabhängigen Beobachtern steigt momentan die Sorge,
dass es am 20. Januar 2021
nicht wie geplant zur Amtsübergabe kommen könnte.
Dass Donald Trump einfach im Weißen Haus bleiben würde.
Aber wie wäre das möglich? Ginge das überhaupt?
Dazu gibt es vor allem zwei Szenarien.
Starten wir mit Szenario Nummer eins.
Schon bei der vergangenen Wahl galt die Faustregel:
Je mehr Menschen zur Wahl gehen,
desto geringer ist die Chance für Trump tatsächlich gewählt zu werden.
Denn die Mehrheit der US-Amerikaner hat er,
das zeigen auch die aktuellen Umfragen,
vermutlich nicht hinter sich.
Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch:
Je weniger Menschen am Wahltag ein Kreuz machen,
desto besser sieht es letztlich für Donald Trump aus.
Und genau darauf könnte er setzen.
Nicht nur mit sauberen Mitteln.
Genau dazu hat ein ehemaliger Senator aus Colorado, nämlich Timothy Wirth,
einen Artikel im US-Magazin "Newsweek" geschrieben,
in dem er vermutet:
Mehrere 10.000 Menschen könnten im Auftrag von Donald Trump,
oder im Auftrag der Republikaner, dafür sorgen,
dass Wähler*innen Schwierigkeiten haben,
ihr Kreuz tatsächlich am Wahltag zu machen.
Zum Beispiel könnten künstlich lange Schlagen
vor Wahllokalen erzeugt werden,
um diese Leute abzuschrecken.
Die gehen dann einfach nicht hin, weil sie sagen: Das dauert zu lange.
Oder es könnten gar Unruhen provoziert werden,
dass Gebiete gesperrt werden müssen und niemand raus kann.
Wer es doch versuchen würde,
der könnte durch eine Art paramilitärische Einsatztruppe
unter Druck gesetzt werden.
Hat man zuletzt bei Demonstrationen gesehen.
Mehr dazu unten in der Infobox.
Gleichzeitig weist Timothy Wirth auf eine Sache hin,
die momentan Beobachtern Kopfschmerzen bereitet.
Er schreibt, Zitat:
Und tatsächlich, die Zahlen, die dazu auftauchen,
die zeigen ein ganz interessantes Bild.
Wie das linksgerichtete Magazin "Mother Jones" recherchiert hat,
wurden zwischen dem Amtsantritt Donald Trumps im Jahr 2016 und 2018,
also innerhalb von zwei Jahren,
mehr als 17 Millionen Wähler oder Namen von den Listen gestrichen.
Dass Namen generell gestrichen werden ist nichts Ungewöhnliches,
Menschen sterben oder ziehen weg,
aber die hohe Zahl ist dann doch auffällig und nicht üblich.
Laut "Mother Jones" gibt es Staaten, wo Streichungen deutlich stiegen.
Indiana etwa, Virginia, Wisconsin oder Oklahoma.
Teilweise wurden dort etwa 20 % aller Namen von den Listen gelöscht.
Nachweislich auch von Menschen, die noch leben.
Nicht nur das.
Er hat sich in der Vergangenheit oft kritisch über Briefwahlen geäußert.
Die wären einfach manipulierbar, sagt er.
Pikant dabei ist:
Bei der letzten Wahl bekam seine Konkurrentin Hillary Clinton
viele Stimmen auf diesem Weg.
Kritiker wie Timothy Wirth befürchten deshalb,
Trump könnte versuchen, Briefwahlen in Gegenden zu unterdrücken
oder gar unmöglich zu machen.
Das in einer Situation,
in der viele Menschen wegen Corona wohl lieber zu Hause wählen,
als im überfüllten Wahllokal.
Das heißt also:
Schon bei der Wahl selbst könnte Trump alles versuchen,
um am Ende zu gewinnen.
Wenn es klappt, gut für ihn.
Wenn nicht, gäbe es immer noch eine zweite Möglichkeit.
Eine Möglichkeit, für die wir kurz den Fernseher hier anwerfen müssen.
Wobei, noch ist er nicht da.
Da ist er.
Und da kommen wir schon zu Szenario Nummer zwei.
Setzen wir uns einfach mal kurz vor dieses Fernsehgerät,
schalten es ein.
Dann sehen wir eine Miniserie, die in den USA gerade beliebt ist,
zumindest ein Standbild.
"The Plot Against America", die Verschwörung gegen Amerika.
Das ist eine Geschichte,
die auf dem gleichnamigen Buch von Philip Roth basiert.
Kurz zusammengefasst:
Ein Faschist kommt in den 1940ern in den USA an die Macht
und errichtet eine Art Diktatur.
Interessant bei diesem Szenario ist,
hier wir immer wieder mit politischen Elementen gespielt,
die auch im Jahr 2020 relevant sein könnten.
Und die zumindest theoretisch zu unserem zweiten Szenario passen.
Auch, wenn das mit dem Faschist und der Diktatur weiter hergeholt ist.
Nehmen wir an, Donald Trump verliert die Wahl sehr deutlich.
Dann hätte er weniger Chancen,
was zu unternehmen gegen das Ergebnis.
Er müsste es akzeptieren.
Viel wahrscheinlicher ist, Trump verliert knapp gegen Biden.
Und das nur, weil er in einigen entscheidenden Staaten,
den sogenannten "Swing States", den Kürzeren gezogen hat.
Was könnte dann passieren?
Na ja, Donald Trump könnte direkt nach der Wahl sagen:
Diese Wahl wurde massiv von einer ausländischen Macht beeinflusst.
Er könnte zum Beispiel China dafür verantwortlich machen.
Diese "Macht" hätte zigtausend Briefwahlstimmen eingeschleust
und auch an anderen Stellen manipuliert.
Und zwar genau in den Staaten, in denen es auf die Stimmen ankommt,
in den "Swing States".
Die wichtigsten der "Swing States":
Michigan, Wisconsin, Arizona und Pennsylvania
werden momentan von Republikanern regiert.
Und das könnte sich Donald Trump zunutze machen.
"Erkennt das Ergebnis in euren Staaten nicht an",
könnte er auftragen.
Und gleichzeitig eine Untersuchung der Wahl anstoßen.
Eine Untersuchung, die sich nicht in ein paar Tagen durchziehen lässt,
das würde länger dauern.
Sehr wahrscheinlich wäre in dem Fall, dass das "Electoral College",
bei dem am 14. Dezember traditionell
alle Stimmen zusammengetragen werden müssen,
nicht ganz besetzt wäre und damit käme kein klares Ergebnis zustande.
Damit würde dann die Entscheidung über die Präsidentschaft
laut Verfassung vom "Electoral College"
an das Repräsentantenhaus übergeben.
Und genau das wäre optimal für Donald Trump.
Denn die Republikaner haben eine Mehrheit in dieser Kammer.
Im Repräsentantenhaus eine Mehrheit,
die in all dem Chaos letztlich wieder ihn zum alten und neuen
Präsidenten der USA machen würde.
Selbst, wenn das alles nicht glatt durch die Institutionen gehen würde,
Trump könnte sich auf einen nationalen Notstand berufen
und entsprechend handeln.
Er hätte da weitläufige Befugnisse.
Bei den Protesten vor Wochen hat er etwa schon damit gedroht,
das US-Militär in Staaten einzusetzen,
die zu wenig gegen Randalierer unternehmen.
Das könnte er auch dieses Mal machen und es tatsächlich durchziehen.
In so einer Situation kann sehr viel passieren.
Bis hin zur Verhaftung Joe Bidens
als angeblichen Komplizen des Auslands.
Und, ja, auch das wäre zumindest theoretisch möglich,
es könnte auch eine bewaffnete Auseinandersetzung
in der Bevölkerung geben.
Also ein Art neuer US-amerikanischer Bürgerkrieg.
Das sind natürlich keine schönen Aussichten.
Deshalb die Frage: Wie wahrscheinlich wäre das denn?
Da gehen die Meinungen auseinander,
je nachdem welches politische Lager man fragt, aber klar ist auch:
Egal, welches Szenario eintritt,
ganz allein regieren kann Trump natürlich nicht.
Er braucht ein Kabinett, Minister, Leute, die mitziehen.
Auch wenn es illegal werden sollte, braucht er Leute, die zu ihm stehen.
Ob die jetzigen Minister oder Staatsdiener das auch machen würden,
das ist ziemlich fraglich.
Immerhin heißt es im US-Bundesgesetz:
Ob sich also tatsächlich jemand dem Risiko aussetzen würde,
ich weiß es ehrlich gesagt nicht.
Es könnte ja theoretisch hinterher zu einer Verurteilung der Person kommen.
Trump könnte also ohne richtige Regierung dastehen,
damit wäre seine Präsidentschaft auch nicht mehr viel wert.
Und auch wenn Trump von sich selbst sagt,
er wäre ein schlechter Verlierer,
und Anspielungen macht, er würde das Wahlergebnis nicht anerkennen,
an anderer Stelle betonte er auch:
"Es gibt so viel, was ich machen könnte,
wen ich nicht mehr US-Präsident wäre, ich habe damit kein Problem."
Ihm direkt eine Art Staatstreich zu unterstellen,
das führt dann doch sehr weit.
Ob er es tatsächlich darauf ankommen lässt,
um später vielleicht gar im Gefängnis zu landen,
dort den Rest seines Lebens zu verbringen, auch das ist fraglich.
Da ist es wahrscheinlicher,
dass er im Vorfeld und am Wahltag selbst probiert,
irgendwas zu erreichen, wie in Szenario Nummer eins.
Was denkt ihr?
Könnte Trump tatsächlich versuchen,
trotz Niederlage im Amt zu bleiben?
Was würde passieren, wie könnte es weitergehen?
Schreibt's gerne unten in die Kommentare.
Und hier neben mir findet ihr ein Video über Trumps Konkurrenten,
Joe Biden - ihn habe ich schon kurz angesprochen.
Und darunter was von Kollegen, vom Y-Kollektiv, zur Frage:
Wer sind Donald Trumps Wähler?
Auf jeden Fall mal reinschauen, sehr spannend.
Danke euch für Zuschauen, danke fürs Diskutieren, tschüss.