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2021 Tagesschau, tagesthemen 07.10.2021, 22:15 Uhr - Laschet schließt Rückzug nicht aus, Die Meinung, Erstes Sondierungsgespräch der Ampe

tagesthemen 07.10.2021, 22:15 Uhr - Laschet schließt Rückzug nicht aus, Die Meinung, Erstes Sondierungsgespräch der Ampe

Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit den tagesthemen.

Diese Sendung wurde vom NDR live untertitelt (07.10.2021)

Heute im Studio: Aline Abboud

Guten Abend.

Es gab Zeiten, da war der Job als CDU-Vorsitzender sicher.

Helmut Kohl hatte ihn 25 Jahre, Angela Merkel 18 Jahre.

Doch nun gibt es scheinbar nur noch Jahresverträge.

Denn seit frühem Abend scheint festzustehen:

Armin Laschet wird wohl nicht mehr lange an der CDU-Spitze stehen.

Was sich seit dem verheerenden Wahlergebnis andeutete,

wird Wahrheit.

Doch Laschet tritt nicht zurück.

Er fühlt sich noch stark genug, mit nach einem neuen Chef zu suchen,

bis der auf einem Parteitag gewählt ist.

Diesen Prozess will er sogar leiten.

"Wenn es mit anderen Personen besser geht, dann gerne",

soll er bei einer Schaltkonferenz der Unionsfraktion gesagt haben.

Aus Berlin: Daniel Prokraka.

Die CDU-Zentrale gegen 18.30 Uhr:

Armin Laschet hat kurzfristig zu einem Statement gebeten,

nach einem Gespräch mit der Bundestagsfraktion.

Wirft Laschet hin? Macht er weiter?

Es ist irgendwas dazwischen.

Laschet deutet seinen Rückzug an, ohne das Wort auszusprechen.

Und er macht klar:

Er will weiter eine Jamaika-Regierung mit FDP und Grünen ermöglichen.

An der Person wird es nicht scheitern.

Das hab ich auch der Fraktion berichtet.

Es geht nicht um die Person Armin Laschet.

Es geht um das Projekt für das Land.

Und deshalb:

Wenn man zu anderen Lösungen kommen will, ist dies möglich.

Zu Jahresbeginn scheint auch für Laschet noch alles möglich.

Im Januar wird er zum CDU-Chef gewählt,

setzt sich durch gegen Norbert Röttgen und Friedrich Merz.

Im April: der nächste Sieg, diesmal gegen CSU-Chef Markus Söder -

Laschet wird Kanzlerkandidat der Unionsparteien.

Der Weg ins Kanzleramt scheint vorgezeichnet.

Doch der Wahlkampf geht schief.

Das Lachen im Hochwassergebiet im Sommer –

Anfang vom Ende.

Die Wahl wird zum Desaster.

Die Union kassiert ihr

mit Abstand schlechtestes Bundestagswahl-Ergebnis.

Jetzt will Laschet helfen, die CDU neu aufzustellen, auch personell.

Gesucht werden soll ein Kandidat für den Parteivorsitz –

im Konsens mit allen, die infrage kommen.

Diesen Prozess werde ich moderieren.

Hierzu will ich mit den Partei-Landesvorsitzenden beraten,

um auch da zu hören:

Wie denkt die jeweilige Basis über diesen künftigen Prozess?

Bei der Basis in Besigheim in Baden-Württemberg

herrscht Ernüchterung.

Im CDU-Ortsverband sind viele überzeugt:

Laschet sei der falsche Kanzlerkandidat gewesen,

eine Neuaufstellung richtig.

Ich würde es ohne ihn bevorzugen.

Ich denke, Herr Laschet weiß, dass die Zeit zum Rücktritt gekommen ist.

Wenn er der CDU was Gutes tun will, und das will er,

weil er ein aufrechter CDUler ist, wird er das tun.

Laschet beantwortet heute keine Nachfragen von Journalisten.

Der CDU-Chef geht – aber nicht so ganz.

Armin Laschet und was er hätte sagen müssen:

Die Meinung vom stellvertretenden Leiter unseres Hauptstadtstudios,

Matthias Deiß.

Seit heute wissen wir:

Laschet geht mit dem schlechtesten Wahlergebnis aller Zeiten,

aber wohl auch als kürzester Parteivorsitzender

in die Parteigeschichte der CDU ein.

Viel mehr wissen wir nicht.

Statt nach dem Debakel einen klaren Strich zu ziehen,

gab es keinen Rücktritt, sondern einen Rückzug auf Raten.

Ein Versuch, Druck abzulassen, sich Zeit zu kaufen,

im Spiel zu bleiben, solange es geht.

Wie Laschet als Parteivorsitzender auf Abruf

kraftvoll Jamaika-Verhandlungen führen will:

Das weiß wohl nur er selbst.

Auch den Traum einer Kanzlerschaft träumt er wohl längst alleine.

Der Rückzug auf Raten ist damit auf fast tragische Weise

auch eine Selbstdemontage auf Raten.

Beim Versuch, die eigene Nachfolge zu regeln,

ist schon seine Vorgängerin gescheitert.

Laschet will es trotzdem versuchen

und auch die Aufarbeitung der eigenen Wahlniederlage steuern.

Die, das sei der Fairness halber noch gesagt,

hat Laschet nicht allein zu verantworten.

Wie schlecht Kramp-Karrenbauer die CDU auf den Wahlkampf vorbereitete,

wie teilnahmslos Merkel zusah, als das Debakel seinen Lauf nahm ...

Und wie zerstörerisch Söder die Union nach der verlorenen Kanzlerkandidatur

Richtung Abgrund trieb:

All das gehört auch ins Buch der Unionsgeschichte.

Heute hätte Laschet die letzten Zeilen seines Kapitels

selbst schreiben können.

Die Gefahr, dass es nun andere tun, ist groß.

Die Meinung von Matthias Deiß.

Sie gaben sich bedeckt,

die drei Parteien, die das Projekt Ampelregierung besprechen.

Und die mit dieser Entscheidung ganz offensichtlich

auch den politischen Weg von Armin Laschet bestimmen.

Auf welchen Weg sie das Land schicken wollen

und welche Konflikte heute auf dem Tisch lagen:

Davon kein Wort.

Kristin Becker über einen Tag von SPD, Grünen und FDP,

an dem wohl nicht nur das Wetter sonnig war.

Olaf Scholz kommt mit der Sonne an.

Die Betriebstemperatur aber: noch etwas unterkühlt.

Moin.

Dabei soll es ein besonderer Tag werden - oder nicht?

Jeder Tag ist besonders, das macht die Tage so schön.

Na dann ...

♪ Sunny

Yesterday my life was filled with rain ♪

Ich hab immer Sonnenschein im Herzen.

Bei der Sonne, und wenn ich Sie alle sehe ...

Das Klima also schon mal ganz gut.

Auch wenn es gerade beim Klimaschutz

nicht nur mit Greenpeace wohl viel zu besprechen gibt.

Nur mit der Presse reden will keiner richtig.

Warten ist angesagt.

Nichts dringt nach draußen, stundenlang.

Die offizielle Verkündung am frühen Abend

dann in rot-grün-gelber Dreieinigkeit.

Wir haben entschieden,

dass wir in dieser Konstellation vertieft sondieren.

Wir haben für Montag

einen intensiven Verhandlungstag verabredet, Dienstag bis Mittag.

Dann geht es Freitag weiter.

Natürlich ist ein ganzes Stück zu gehen,

aber Lösungen lassen sich finden.

Der Schritt Richtung Ampel:

Ein großer Schritt besonders für die FPD,

die ja Jamaika immer besser fand.

Aus den gescheiterten Verhandlungen von 2017 haben alle gelernt.

Diese Nachtsitzungen,

die unseres Erachtens Politik nicht besser machen:

Dass wir die nächste Woche nicht anlegen.

Auch öffentliche Zwischenbilanzen soll es nicht geben.

Stattdessen gehe es um Vertraulichkeit und ein Gesamtpaket –

und zwar gut organisiert.

Wir haben die Erfahrung gemacht:

Lockeres Reden in Arbeitsgruppen führt zu viel Arbeit,

aber zu wenig Ergebnis.

Und Ergebnisse, die wollen sie.

So sieht man am Ende des Tages

drei Parteien auf einem vielleicht gemeinsamen Weg Richtung Regierung.

Damit begrüße ich einen der möglichen "Ampelmänner":

Guten Abend, Herr Klingbeil. Guten Abend.

Sie haben heute über sechs Stunden mit Grünen und FDP gesprochen.

Ist die Ampel wahrscheinlicher oder unwahrscheinlicher geworden?

Das waren sehr gute, vertrauensvolle Gespräche.

Wir sind ein ganzes Stück vorangekommen.

Mich freut, dass das FDP-Präsidium im Anschluss beschlossen hat,

dass wir am Montag in Sondierungsgespräche starten.

Das werden intensive Gespräche zu dritt.

Unser Ziel ist klar: Wir wollen die Ampel.

Wir wollen Scholz als Kanzler.

Da sind wir heute weitergekommen.

FDP-Chef Lindner sagte gestern im Interview,

er hänge Jamaika immer noch nach.

Haben Sie Lust, mit einer Partei zusammenzuarbeiten,

die so lustlos mit Ihnen koalieren will?

Das muss man anerkennen:

Für die FDP ist der Weg zur Ampel am weitesten.

Das sieht man schon an den Wahlprogrammen.

Aber der Geist bei den Gesprächen heute

war geprägt davon, dass wir was Gemeinsames hinbekommen wollen.

Das hat man gespürt.

Die Herausforderungen im Land sind groß.

Ich gehe davon aus, wir finden nächste Woche eine Basis,

um die großen Aufgaben anzupacken.

Das Signal von FDP, Grünen und SPD war heute sehr klar.

Aber die FDP zieht ja ganz klare rote Linien:

Keine Steuererhöhung und Aufweichung der Schuldenbremse.

Die SPD will das Gegenteil.

Wie wollen Sie die FDP überzeugen?

Erst mal geht es um vertrauensvolle Gespräche,

nicht darum, in Interviews zu sagen, was nicht verhandelbar ist.

Wir wollen in der Konstellation darüber reden:

Wie können wir die Zukunftsaufgaben anpacken?

Also Digitalisierung, Klimaschutz, Staatsmodernisierung?

Wie können wir Deutschland in der EU stark positionieren?

Wie gelingt gesellschaftspolitischer Fortschritt?

Das wird nächste Woche geklärt.

Nach diesem Tag bin ich sicher: Das kann klappen.

Das gibt gute Ergebnisse.

Auch bei Ihrer roten Linie, den zwölf Euro Mindestlohn?

Alle wissen, was die SPD will.

Bei den Wahlprogrammen gibt es klare Unterschiede.

Darüber werden wir reden.

Aber noch mal:

Heute war alles auf dem Tisch, wir haben Tacheles geredet.

Das war gut und sinnvoll.

Und am Montag geht's weiter.

Grüne und FDP haben sich sehr lange auf diese Situation vorbereitet,

sprechen seit Langem intensiv miteinander.

Begegnen die Ihnen als Bollwerk oder lassen die Sie mitspielen

im "fortschrittsfreundlichen Zentrum"?

Wir haben auch geredet mit den Grünen, der FDP.

Alle haben gemerkt, das ist jetzt 'ne Basis

für das Dreiergespräch und die künftigen Sondierungen.

Drei Partner wollen was Gemeinsames schaffen.

Sie wollen eine Regierung,

die nicht aus Gewinnern und Verlierern besteht.

Es geht nicht um wer mit wem gegen wen.

Wir tragen gemeinsame Verantwortung für unser Land.

Sie sprechen viel von Gemeinsamkeit, Harmonie.

Erleben wir da eine neue Art der Politikinszenierung?

Und: Liegt Ihnen das?

Als Generalsekretär betont man ja lieber Unterschiede.

Es geht um einen neuen politischen Stil.

In der vertrauensvollen Zusammenarbeit und der Frage:

Geht es um Gewinnen und Verlieren?

Wollen alle Gewinner sein?

Mein Ziel ist, dass nach vier Jahren

die Wähler von SPD, FDP und Grünen sagen, es hat sich gelohnt.

Das werden wir beobachten.

Vielen Dank, Lars Klingbeil. Sehr gerne.

Das Interview haben wir am Abend geführt.

Während in Berlin erste Sondierungsgespräche stattfanden,

hat WDR-Chefredakteurin Ellen Ehni Zahlen aus dem ARD-DeutschlandTrend.

Was halten die Deutschen davon,

dass es möglicherweise zu einer Ampel kommt?

Knapp zwei Drittel sagen,

sie wünschen sich eine SPD-geführte Bundesregierung.

Ein Viertel wünscht sich eine unionsgeführte Regierung.

Wir haben von Montag bis Mittwoch befragt,

also bevor klar wurde, dass erst mal die Ampel sondiert wird.

Der Blick der Deutschen zu Ampel und Jamaika:

Interessant ist auch der Blick auf die jeweiligen Parteianhänger.

Bei Jamaika ist es etwas differenzierter:

Auch hier sagt also die Mehrheit: Die Ampel geht vor.

Armin Laschet will sich wohl um jeden Preis offenhalten,

doch noch Kanzler zu werden, in einer Jamaika-Koalition.

Wie blicken die Wähler auf dieses Vorhaben?

Wir haben Anfang der Woche gefragt:

"Wäre Armin Laschet / Olaf Scholz ein guter Bundeskanzler?"

Das Urteil ist deutlich:

Ein klares Urteil.

Bei Sondierungsgesprächen werden Gemeinsamkeiten ausgelotet,

dann erst kommen die Konfliktthemen.

Wie stehen die Deutschen zu den Themen,

bei denen ein Streit bereits absehbar ist?

Wir haben drei rausgegriffen:

Bei SPD und Grünen steht das im Wahlprogramm, die FDP ist dagegen.

Beim Tempolimit auf Autobahnen ist das Bild gespaltener:

SPD und Grüne sind dafür, die FPD dagegen.

Bei den Steuern waren SPD und Grüne für eine Vermögenssteuer,

um höhere Einkommen stärker zu belasten.

Diese und wohl noch mehr Knackpunkte werden diskutiert werden müssen.

Alle weiteren Analysen unter tagesschau.de

Danke, Ellen Ehni. Danke nach Hamburg.

Was das Oberste Gericht Polens in Warschau erklärte,

rührt an den Grundfesten und Grundsätzen der Europäischen Union.

Teile der EU-Verträge seien nicht mit polnischen Gesetzen vereinbar.

EU-Institutionen würden ihre Kompetenzen überschreiten.

Gemeint war damit vor allem der Europäische Gerichtshof.

Der beanstandete in seinen Entscheidungen die Justizreform

der rechtskonservativen Regierungspartei PiS.

Seit Jahren baut die das Justizwesen des Landes um

und setzt regierungskritische Richter so unter Druck.

Gudrun Engel.

Blankes Entsetzen bei Demonstranten vor dem Gerichtsgebäude.

Trotzig spielen sie die Europahymne. ♪ Musik ♪

Doch ihr Protest verhallt.

Das ist für mich der erste Schritt raus aus der EU.

Eine absolute Tragödie für Polen!

Im Saal urteilen die Richter,

Teile des EU-Rechtes seien nicht mit Polens Verfassung vereinbar.

In der Hierarchie der Gesetzesquellen steht der EU-Vertrag

im polnischen Rechtssystem unter der polnischen Verfassung.

Wie jeder andere ratifizierte internationale Vertrag.

Unverständnis beim Treffen der EU-Justizminister in Luxemburg.

Die Entscheidung in Polen, eine neue Eskalationsstufe:

Wir sind beunruhigt!

Unsere Position ist ganz klar:

Wir beharren auf dem Vorrang des EU-Rechtes.

Zwischen Brüssel und Warschau

gibt es seit Jahren Streit um die laufende Justizreform in Polen.

Die EU-Kommission reichte deshalb mehrere Vertragsverletzungsverfahren

und Klagen beim Europäischen Gerichtshof ein.

Exakt dessen Rechtsprechung zweifelt das polnische Gericht an.

Es stellt die ganze Rechtsordnung der Europäischen Union infrage

und ob EU-Recht noch vollumfänglich in Polen gilt.

Damit ist Polen rechtlich gesehen auf dem Weg aus der EU raus.

Polens langfristige Zukunft in der EU

steht durch diesen Rechtsstreit auf dem Spiel.

Gudrun Engel in Brüssel:

Welche Konsequenzen könnte es für Polen geben?

Richtig klar ist das noch nicht.

Der Schock ist noch zu frisch.

Das Urteil hat historische Ausmaße.

Das gab es noch nie, dass ein EU- Land festgelegt hat,

nationales Recht gehe vor EU-Recht.

Als Polen 2004 in die EU eingetreten ist,

haben sie den Vertrag unterschrieben.

Jetzt sagen sie,

Artikel 1 und Artikel 19 seien nicht konform mit Polens Verfassung.

Es werden Konsequenzen gefordert.

Parlamentarier wollen den Geldhahn zudrehen.

Polen ist angewiesen auf Fördergelder und Subventionen.

Andere fordern politischen Druck.

Das Urteil wird den Konflikt zwischen Brüssel und Warschau verschärfen.

Viele sagen, das ist ein erster Schritt

zum Austritt Polens aus der EU.

Dieses Schreckgespenst geistert durch Brüssel.

Danke, Gudrun Engel.

In Wien ist das Kaffeehaus eine Institution.

Und es ist Tradition, etwa bei einem "Verlängerten"

oder einem "Großen Braunen" die Zeitung zu lesen.

Da lag es wohl nahe für Freunde des ÖVP-Politikers Sebastian Kurz,

mit über einer Million Euro lobende Zeitungsberichte zu kaufen.

Und manipulierte Meinungsumfragen gleich dazu.

Das Geld soll aus dem Etat des Finanzministeriums stammen,

vermutet die Staatsanwaltschaft.

Kurz soll nicht nur Nutznießer gewesen sein,

sondern selbst beteiligt.

Nikolaus Neumaier.

Als Kurz zum Bundespräsidenten geht, wird es laut.

Rücktritt!

Das Staatsoberhaupt

hat den Kanzler zum Einzelgespräch geladen.

So wie alle Chefs der Parlamentsparteien.

Wegen der Ermittlungen gegen Kurz

steckt das Land in einer Regierungskrise.

Der ÖVP-Kanzler gibt den Unschuldigen:

Wenn man weiß, was man getan hat, und sicher ist,

dass die Anschuldigungen falsch sind:

Dann gibt einem das die Kraft, die man braucht.

Ausgelöst wurde die Krise durch Hausdurchsuchungen:

Polizei im Kanzleramt, in der ÖVP-Zentrale

und im Finanzministerium.

Die Quelle der Staatsanwaltschaft: Chat-Protokolle aus Kurz' Umfeld.

Der Verdacht:

Der Aufstieg von Kurz wurde mit Steuergeldern

und gekaufter Berichterstattung organisiert.

Teure Anzeigen wurden geschaltet - dafür gab es geschönte Umfragen.

Kurz wird der Untreue beschuldigt und der Anstiftung zur Bestechlichkeit.

Der Bundespräsident stärkt den Ermittlern den Rücken:

Der von einem Abgeordneten geäußerte Generalverdacht der Parteilichkeit

gegenüber der Staatsanwaltschaft jedoch

zeigt mangelnden Respekt vor den Institutionen der Bundesverfassung.

Das ist eine unzulässige Grenzüberschreitung.

Die Oppositionsparteien sind sich einig:

SPÖ, FPÖ und NEOS fordern den Rücktritt des Kanzlers.

Am Dienstag gibt es eine Sondersitzung des Parlaments.

Die Opposition wird einen Misstrauensantrag gegen Kurz stellen.

Er ist nicht amtsfähig.

Es gibt eine Würde des Amts, und er ist nicht mehr tragbar.

Er schadet dem Ansehen unseres Landes.

Der Koalitionspartner braucht Zeit, um eine Position zu finden:

Gestern sah der grüne Vizekanzler

keine Auswirkungen auf das Regierungsbündnis.

Heute stellt er Kurz' Handlungsfähigkeit infrage.

Die Vorwürfe gegen die ÖVP-Spitze wiegen schwer.

Deshalb geht's um Stabilität und Ordnung,

Stabilität und Verantwortung, Stabilität und Aufklärung.

Die ÖVP ist alarmiert, noch aber sind die Reihen geschlossen.

Minister oder Landeshauptleute stellen sich hinter Kurz.

Der sieht die Grünen am Zug:

Wir sind bereit, unsere Arbeit fortzusetzen.

Wenn die Grünen nach anderen Mehrheiten im Parlament suchen,

ist das zu akzeptieren, das ist eben so in einer Demokratie.

Auf diese Szenarien werden wir uns vorbereiten.

Viele Optionen gibt es nicht.

Niemand will Neuwahlen.

So bleibt nur ein Bündnis aller Parteien gegen die ÖVP

oder wieder eine Koalition von ÖVP und der rechtspopulistischen FPÖ.

In Deutschland sind offenbar mehr Menschen gegen Corona geimpft

als angenommen.

Das ergab eine neue Auswertung des RKI.

Mehr dazu im Nachrichtenüberblick mit Susanne Daubner.

Aufgrund von Befragungen und Meldedaten geht das RKI davon aus,

dass etwa 80 Prozent der Erwachsenen vollständig geimpft sind.

Das wären 3,5 Mio. Menschen mehr als bislang erhoben.

Derweil hat die Stiko ihre Empfehlung für Auffrischungsimpfungen erweitert:

An alle ab 70, an Pflegepersonal

und an Menschen, die mit Johnson & Johnson geimpft wurden. In Brandenburg an der Havel

begann einer der wohl letzten NS-Prozesse in Deutschland.

Angeklagt ist ein ehemaliger SS-Wachmann.

Ihm wird Beihilfe zum Mord in über 3500 Fällen zur Last gelegt.

Der 100-Jährige war laut Staatsanwaltschaft

von 1942 bis 1945 im KZ Sachsenhausen tätig.

Dort fielen Zehntausende dem NS-Terror zum Opfer.

An der Börse stand heute wieder

der Immobilienkonzern Adler Group im Blickpunkt.

Ein britischer Großinvestor erhebt Vorwürfe gegen das Unternehmen,

das 70.000 Wohnungen vermietet.

Mehr dazu von Stefan Wolff.

Es sind heftige Anschuldigungen:

Adler habe seine Bilanz künstlich aufgeblasen,

so ein Bericht von Großanleger Viceroy.

Außerdem soll das Adler-Management

Geld aus übernommenen Firmen abgezogen haben.

Anleger reagierten verunsichert.

Adler-Aktien verloren gestern stark und erholten sich heute -

die Bilanz dieser turbulenten Tage ergibt ein Minus von über 14 Prozent.

Der Adler-Kritiker Viceroy gehört dem Spekulanten Fraser Perring,

der den Bilanzbetrug bei Wirecard aufgedeckt hatte.

Auch ähnliche Anschuldigungen gegen den Möbelhändler Steinhoff

waren ein Volltreffer.

Bei Pro7, dem Werbeanbieter Ströer und dem Leasing-Unternehmen Grenke

hatte Perrin daneben gelegen.

Spekulationen gegen diese Aktien waren schnell verpufft.

Wer in New York den Namen "Rikers Island" fallen lässt,

wird eine Reaktion zwischen Abscheu und Schaudern ernten.

Häftlinge in überfüllten Zellen können weder sitzen noch liegen.

Es gibt kein Essen, kein Wasser, Plastiktüten statt Toiletten

und Wärter in kotverschmierten Uniformen.

Rikers Island, zwischen Queens und Bronx gelegen,

ist eine Welt für sich.

Es ist das New Yorker Alcatraz.

Der Großteil der Insassen ist in Untersuchungshaft.

Sie sitzen dort drin, weil sie warten -

auf ihren Prozess oder nach Verurteilung auf das Strafmaß.

Christiane Meier.

Seine Asche steht im Wohnzimmer der Mutter.

Brendon Rodriguez starb am 10.08. nach sechs Tagen U-Haft

im Rikers Island, dem berüchtigten Untersuchungsgefängnis.

Angeblich hat der 25-Jährige sich das Leben genommen.

Seine Mutter erfuhr das über einen Facebook-Kontakt.

Ich habe angerufen und gefragt, ob mein Sohn am Leben ist.

Sie fing an zu weinen.

Da wusste ich es, aber ich kann es nicht glauben.

Brandon starb in Rikers Island, einem Gefängnis vor Manhattan,

in dem höllische Zustände herrschen.

Häftlinge schlafen in zerstörten Duschen, haben keine Toiletten.

In den Gängen: Fäkalien, Ratten und Kakerlaken.

Es herrscht humanitärer Notstand.

Für die Schließung des Gefängnisses

demonstrieren sie hier vor dem New Yorker Rathaus.

Denn seit Beginn des Jahres starben in Rikers zwölf Menschen,

drei allein im September.

Auch Melanias Schwester ist dort vor zwei Jahren gestorben.

Wenn du Insasse bist, bist du nichts mehr wert.

Sie behandeln dich schlechter als ein Tier.

Ihre kleine Schwester Layleen, eine Transfrau,

war wegen einer Ordnungswidrigkeit in U-Haft.

Trotz ihrer Epilepsie kam Layleen in Einzelhaft.

Bilder der Überwachungskamera zeigen, dass ihr Sterben nicht bemerkt wurde.

Die Aufseherinnen lachten über ihre epileptischen Anfälle,

bis es zu spät war.

Layleen überlebte Rikers nicht.

Wenn ich ein anderes Leben retten kann, tue ich das.

Das ist eine Krise.

Rikers' Wachpersonal ist mehrheitlich nicht gegen Covid geimpft.

Ein Drittel kommt nicht zur Arbeit, die Gewerkschaft unterstützt das.

Gerichtstermine verstreichen, weil niemand Zeit hat.

Positionen sind nicht besetzt.

Wir sind nicht ausgebildet, Selbstmorde zu verhindern.

Das hat auch dazu beigetragen.

Drei Jahre lang wurden keine neuen Aufseher eingestellt.

Alles Ausreden, sagt Sozialarbeiterin Kristy Hauky.

Über die Hälfte der Häftlinge seien psychisch krank,

die Aufseher überfordert.

Wegen der unhaltbaren Zustände hat sie im Juli gekündigt.

Es war totales Chaos und Wahnsinn.

Die Insassen führen das Gefängnis, sie haben übernommen.

Ich habe es selbst gesehen.

Es gibt Angst vor einem Gefängnisaufstand.

Sie haben sogar Feuer gelegt.

Beim Hearing im Rathaus weist man sich gegenseitig die Schuld zu.

Der neu eingesetzte Gefängnisbeauftragte

verspricht Besserung, aber niemand glaubt ihm.

Es war und ist die Politik,

Menschen massenhaft wegzusperren und aufzugeben.

Das Ergebnis sieht man hier – und nicht nur in Rikers Island.

Für Tamaras Sohn Brandon kommen solche Einsichten zu spät.

Ich frage mich, wie viel Angst er hatte,

was seine letzten Gedanken waren.

Ich wünschte, ich wäre bei ihm gewesen.

Bislang hat niemand für seinen Tod Verantwortung übernommen.

Ein Nobelpreis für einen Literaten,

dessen Romane es auf Deutsch derzeit wohl in keiner Buchhandlung gibt.

Der Schriftsteller sei schlicht und einfach so gut wie unbekannt,

heißt es.

Abdulrazak Gurnah ist neuer Literatur-Nobelpreisträger.

Jetzt gilt es, den 73-Jährigen aus Tansania und seine Werke

auch hierzulande zu entdecken.

Ausgezeichnet wird er laut Jury für seinen Fokus

auf die Auswirkungen des Kolonialismus.

Und auf das Schicksal der Flüchtlinge,

die zwischen Kontinenten und Kulturen hin- und hergerissen sind.

Geschichten, die auch seiner Biografie sehr nahe sind.

Christian Blenker.

Die heißen Kandidaten für den Literaturnobelpreis

kennt sie alle:

Buchhändlerin Helena Landberg legt vor der Verkündung

immer schon die wichtigsten Werke auf den Verkaufstisch.

Doch die Nachricht der Akademie hinterließ sie diesmal ratlos.

Wer ist er?

Ich kenne ich ihn nicht.

Auch die britischen Reporter mussten erst mal herausfinden,

wer Abdulrazak Gurnah ist.

In Canterbury treffen sie einen überraschten Preisträger

mit einer politischen Botschaft.

Menschen, die nach Europa kommen,

wird eine gewisse Gemeinheit entgegengebracht.

Sie kommen ja nicht mit leeren Händen.

Gurnah wird auf Sansibar geboren.

Als die Unruhen gegen die britische Kolonialmacht

1964 immer gewalttätiger werden, flieht er mit 18 nach Großbritannien.

Die Themen koloniale Unterdrückung und Flucht nimmt er mit.

Thomas Brückner hat Gurnah ins Deutsche übersetzt.

Im Buch "Schwarz auf Weiß" geht es um einen Migranten,

der sich trotz Rassismus mit Humor über Wasser hält.

Für den Leipziger Übersetzer die Stärken des Autors.

Die Warmherzigkeit, mit der er seine Figuren zeichnet.

Und ein feiner und hintersinniger Witz.

Abdulrazak Gurnah schlägt auch die Brücke nach Deutschland.

Im jüngsten Werk "After Lives"

geht es um die deutsche Kolonialvergangenheit in Ostafrika.

Und doch ist der tansanische Autor hier vielen völlig unbekannt.

Der britische Afrikareisende Kimbley hat mal den schönen Spruch geprägt -

und daran hat sich leider nichts geändert:

"Das Dunkelste an Afrika war schon immer unsere Unwissenheit."

Oft ist die Nobelakademie für ihre Entscheidungen kritisiert worden:

Die Auswahl zu eng,

Kandidaten überwiegend aus Europa und den USA.

Diesmal habe man sich bemüht, den Horizont zu weiten.

Unser Blick weitet sich die ganze Zeit.

Jetzt, wo wir Experten aus der ganzen Welt einbeziehen,

wollen wir unseren literarischen Überblick vertiefen.

Viele Buchläden müssen seine Bücher nun erst einmal nachbestellen.

Gurnah widmete seinen Nobelpreis dem gesamten afrikanischen Kontinent.

Nun noch das Wetter von morgen mit Karsten.

Das können wir fast vor der Haustür feststellen.

Das sind die Temperaturen von 22 Uhr.

Das ist ganz spannend.

Weiter östlich ist es viel wärmer.

Dabei haben wir Ostwind.

Normalerweise kommt im Herbst aus Osten kältere Luft.

Hier sieht man einen hellgrauen Schimmer.

Das sind flache Wolken, hochnebelartig.

Die kommen mit dem Ostwind aus Polen

und legen sich wie eine Bettdecke über das Land.

Deshalb ist es dort wärmer.

Auf diese Wolken müssen wir achten.

Die kommen im Laufe der Nacht weiter voran.

Morgen früh erreichen sie die Mitte und den Süden.

Am Alpenrand kann es regnen.

Morgen tagsüber passiert das Gleiche wie heute.

Die Wolken lösen sich auf.

Im Nordwesten und Westen bleibt es sonnig.

Auch im Osten ist der Nachmittag sehr sonnig.

Der Tag beginnt kalt.

Unter den Wolken ist es milder.

Es folgt ein herbstlich-sonniges Wochenende,

spätestens nach Nebelauflösung.

Danke, Karsten Schwanke.

Das war's von uns.

Hier übernimmt Dieter Nuhr mit seiner Satire-Show.

Das nachtmagazin meldet sich um 0.35 Uhr.

Wir sehen uns morgen wieder.

Copyright Untertitel: NDR 2021


tagesthemen 07.10.2021, 22:15 Uhr - Laschet schließt Rückzug nicht aus, Die Meinung, Erstes Sondierungsgespräch der Ampe tagesthemen 07.10.2021, 22:15 Uhr - Laschet does not rule out withdrawal, Die Meinung, Ampe's first exploratory talk tagesthemen 07.10.2021, 22:15 - Laschet n'exclut pas de se retirer, Die Meinung, Premier entretien exploratoire de l'Ampe tagesthemen 07.10.2021, 22:15 - Laschet neatmeta pasitraukimo, Die Meinung, Ampe's first exploratory talk tagesthemen 07.10.2021, 22:15 - Laschet não exclui a possibilidade de retirada, Die Meinung, primeira conversa exploratória de Ampe tagesthemen 07.10.2021, 22:15 - Лаше не исключает вывода средств, Die Meinung, первая ознакомительная беседа Ампе tagesthemen 07.10.2021, 22:15 - Laschet çekilmeyi göz ardı etmiyor, Die Meinung, Ampe'nin ilk keşif konuşması

Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit den tagesthemen.

Diese Sendung wurde vom NDR live untertitelt (07.10.2021)

Heute im Studio: Aline Abboud

Guten Abend.

Es gab Zeiten, da war der Job als CDU-Vorsitzender sicher.

Helmut Kohl hatte ihn 25 Jahre, Angela Merkel 18 Jahre.

Doch nun gibt es scheinbar nur noch Jahresverträge.

Denn seit frühem Abend scheint festzustehen:

Armin Laschet wird wohl nicht mehr lange an der CDU-Spitze stehen.

Was sich seit dem verheerenden Wahlergebnis andeutete,

wird Wahrheit.

Doch Laschet tritt nicht zurück.

Er fühlt sich noch stark genug, mit nach einem neuen Chef zu suchen,

bis der auf einem Parteitag gewählt ist.

Diesen Prozess will er sogar leiten.

"Wenn es mit anderen Personen besser geht, dann gerne",

soll er bei einer Schaltkonferenz der Unionsfraktion gesagt haben.

Aus Berlin: Daniel Prokraka.

Die CDU-Zentrale gegen 18.30 Uhr:

Armin Laschet hat kurzfristig zu einem Statement gebeten,

nach einem Gespräch mit der Bundestagsfraktion.

Wirft Laschet hin? Macht er weiter?

Es ist irgendwas dazwischen.

Laschet deutet seinen Rückzug an, ohne das Wort auszusprechen.

Und er macht klar:

Er will weiter eine Jamaika-Regierung mit FDP und Grünen ermöglichen.

An der Person wird es nicht scheitern.

Das hab ich auch der Fraktion berichtet.

Es geht nicht um die Person Armin Laschet.

Es geht um das Projekt für das Land.

Und deshalb:

Wenn man zu anderen Lösungen kommen will, ist dies möglich.

Zu Jahresbeginn scheint auch für Laschet noch alles möglich.

Im Januar wird er zum CDU-Chef gewählt,

setzt sich durch gegen Norbert Röttgen und Friedrich Merz.

Im April: der nächste Sieg, diesmal gegen CSU-Chef Markus Söder -

Laschet wird Kanzlerkandidat der Unionsparteien.

Der Weg ins Kanzleramt scheint vorgezeichnet.

Doch der Wahlkampf geht schief.

Das Lachen im Hochwassergebiet im Sommer –

Anfang vom Ende.

Die Wahl wird zum Desaster.

Die Union kassiert ihr

mit Abstand schlechtestes Bundestagswahl-Ergebnis.

Jetzt will Laschet helfen, die CDU neu aufzustellen, auch personell.

Gesucht werden soll ein Kandidat für den Parteivorsitz –

im Konsens mit allen, die infrage kommen.

Diesen Prozess werde ich moderieren.

Hierzu will ich mit den Partei-Landesvorsitzenden beraten,

um auch da zu hören:

Wie denkt die jeweilige Basis über diesen künftigen Prozess?

Bei der Basis in Besigheim in Baden-Württemberg

herrscht Ernüchterung.

Im CDU-Ortsverband sind viele überzeugt:

Laschet sei der falsche Kanzlerkandidat gewesen,

eine Neuaufstellung richtig.

Ich würde es ohne ihn bevorzugen.

Ich denke, Herr Laschet weiß, dass die Zeit zum Rücktritt gekommen ist.

Wenn er der CDU was Gutes tun will, und das will er,

weil er ein aufrechter CDUler ist, wird er das tun.

Laschet beantwortet heute keine Nachfragen von Journalisten.

Der CDU-Chef geht – aber nicht so ganz.

Armin Laschet und was er hätte sagen müssen:

Die Meinung vom stellvertretenden Leiter unseres Hauptstadtstudios,

Matthias Deiß.

Seit heute wissen wir:

Laschet geht mit dem schlechtesten Wahlergebnis aller Zeiten,

aber wohl auch als kürzester Parteivorsitzender

in die Parteigeschichte der CDU ein.

Viel mehr wissen wir nicht.

Statt nach dem Debakel einen klaren Strich zu ziehen,

gab es keinen Rücktritt, sondern einen Rückzug auf Raten.

Ein Versuch, Druck abzulassen, sich Zeit zu kaufen,

im Spiel zu bleiben, solange es geht.

Wie Laschet als Parteivorsitzender auf Abruf

kraftvoll Jamaika-Verhandlungen führen will:

Das weiß wohl nur er selbst.

Auch den Traum einer Kanzlerschaft träumt er wohl längst alleine.

Der Rückzug auf Raten ist damit auf fast tragische Weise

auch eine Selbstdemontage auf Raten.

Beim Versuch, die eigene Nachfolge zu regeln,

ist schon seine Vorgängerin gescheitert.

Laschet will es trotzdem versuchen

und auch die Aufarbeitung der eigenen Wahlniederlage steuern.

Die, das sei der Fairness halber noch gesagt,

hat Laschet nicht allein zu verantworten.

Wie schlecht Kramp-Karrenbauer die CDU auf den Wahlkampf vorbereitete,

wie teilnahmslos Merkel zusah, als das Debakel seinen Lauf nahm ...

Und wie zerstörerisch Söder die Union nach der verlorenen Kanzlerkandidatur

Richtung Abgrund trieb:

All das gehört auch ins Buch der Unionsgeschichte.

Heute hätte Laschet die letzten Zeilen seines Kapitels

selbst schreiben können.

Die Gefahr, dass es nun andere tun, ist groß.

Die Meinung von Matthias Deiß.

Sie gaben sich bedeckt,

die drei Parteien, die das Projekt Ampelregierung besprechen.

Und die mit dieser Entscheidung ganz offensichtlich

auch den politischen Weg von Armin Laschet bestimmen.

Auf welchen Weg sie das Land schicken wollen

und welche Konflikte heute auf dem Tisch lagen:

Davon kein Wort.

Kristin Becker über einen Tag von SPD, Grünen und FDP,

an dem wohl nicht nur das Wetter sonnig war.

Olaf Scholz kommt mit der Sonne an.

Die Betriebstemperatur aber: noch etwas unterkühlt.

Moin.

Dabei soll es ein besonderer Tag werden - oder nicht?

Jeder Tag ist besonders, das macht die Tage so schön.

Na dann ...

♪ Sunny

Yesterday my life was filled with rain ♪

Ich hab immer Sonnenschein im Herzen.

Bei der Sonne, und wenn ich Sie alle sehe ...

Das Klima also schon mal ganz gut.

Auch wenn es gerade beim Klimaschutz

nicht nur mit Greenpeace wohl viel zu besprechen gibt.

Nur mit der Presse reden will keiner richtig.

Warten ist angesagt.

Nichts dringt nach draußen, stundenlang.

Die offizielle Verkündung am frühen Abend

dann in rot-grün-gelber Dreieinigkeit.

Wir haben entschieden,

dass wir in dieser Konstellation vertieft sondieren.

Wir haben für Montag

einen intensiven Verhandlungstag verabredet, Dienstag bis Mittag.

Dann geht es Freitag weiter.

Natürlich ist ein ganzes Stück zu gehen,

aber Lösungen lassen sich finden.

Der Schritt Richtung Ampel:

Ein großer Schritt besonders für die FPD,

die ja Jamaika immer besser fand.

Aus den gescheiterten Verhandlungen von 2017 haben alle gelernt.

Diese Nachtsitzungen,

die unseres Erachtens Politik nicht besser machen:

Dass wir die nächste Woche nicht anlegen.

Auch öffentliche Zwischenbilanzen soll es nicht geben.

Stattdessen gehe es um Vertraulichkeit und ein Gesamtpaket –

und zwar gut organisiert.

Wir haben die Erfahrung gemacht:

Lockeres Reden in Arbeitsgruppen führt zu viel Arbeit,

aber zu wenig Ergebnis.

Und Ergebnisse, die wollen sie.

So sieht man am Ende des Tages

drei Parteien auf einem vielleicht gemeinsamen Weg Richtung Regierung.

Damit begrüße ich einen der möglichen "Ampelmänner":

Guten Abend, Herr Klingbeil. Guten Abend.

Sie haben heute über sechs Stunden mit Grünen und FDP gesprochen.

Ist die Ampel wahrscheinlicher oder unwahrscheinlicher geworden?

Das waren sehr gute, vertrauensvolle Gespräche.

Wir sind ein ganzes Stück vorangekommen.

Mich freut, dass das FDP-Präsidium im Anschluss beschlossen hat,

dass wir am Montag in Sondierungsgespräche starten.

Das werden intensive Gespräche zu dritt.

Unser Ziel ist klar: Wir wollen die Ampel.

Wir wollen Scholz als Kanzler.

Da sind wir heute weitergekommen.

FDP-Chef Lindner sagte gestern im Interview,

er hänge Jamaika immer noch nach.

Haben Sie Lust, mit einer Partei zusammenzuarbeiten,

die so lustlos mit Ihnen koalieren will?

Das muss man anerkennen:

Für die FDP ist der Weg zur Ampel am weitesten.

Das sieht man schon an den Wahlprogrammen.

Aber der Geist bei den Gesprächen heute

war geprägt davon, dass wir was Gemeinsames hinbekommen wollen.

Das hat man gespürt.

Die Herausforderungen im Land sind groß.

Ich gehe davon aus, wir finden nächste Woche eine Basis,

um die großen Aufgaben anzupacken.

Das Signal von FDP, Grünen und SPD war heute sehr klar.

Aber die FDP zieht ja ganz klare rote Linien:

Keine Steuererhöhung und Aufweichung der Schuldenbremse.

Die SPD will das Gegenteil.

Wie wollen Sie die FDP überzeugen?

Erst mal geht es um vertrauensvolle Gespräche,

nicht darum, in Interviews zu sagen, was nicht verhandelbar ist.

Wir wollen in der Konstellation darüber reden:

Wie können wir die Zukunftsaufgaben anpacken?

Also Digitalisierung, Klimaschutz, Staatsmodernisierung?

Wie können wir Deutschland in der EU stark positionieren?

Wie gelingt gesellschaftspolitischer Fortschritt?

Das wird nächste Woche geklärt.

Nach diesem Tag bin ich sicher: Das kann klappen.

Das gibt gute Ergebnisse.

Auch bei Ihrer roten Linie, den zwölf Euro Mindestlohn?

Alle wissen, was die SPD will.

Bei den Wahlprogrammen gibt es klare Unterschiede.

Darüber werden wir reden.

Aber noch mal:

Heute war alles auf dem Tisch, wir haben Tacheles geredet.

Das war gut und sinnvoll.

Und am Montag geht's weiter.

Grüne und FDP haben sich sehr lange auf diese Situation vorbereitet,

sprechen seit Langem intensiv miteinander.

Begegnen die Ihnen als Bollwerk oder lassen die Sie mitspielen

im "fortschrittsfreundlichen Zentrum"?

Wir haben auch geredet mit den Grünen, der FDP.

Alle haben gemerkt, das ist jetzt 'ne Basis

für das Dreiergespräch und die künftigen Sondierungen.

Drei Partner wollen was Gemeinsames schaffen.

Sie wollen eine Regierung,

die nicht aus Gewinnern und Verlierern besteht.

Es geht nicht um wer mit wem gegen wen.

Wir tragen gemeinsame Verantwortung für unser Land.

Sie sprechen viel von Gemeinsamkeit, Harmonie.

Erleben wir da eine neue Art der Politikinszenierung?

Und: Liegt Ihnen das?

Als Generalsekretär betont man ja lieber Unterschiede.

Es geht um einen neuen politischen Stil.

In der vertrauensvollen Zusammenarbeit und der Frage:

Geht es um Gewinnen und Verlieren?

Wollen alle Gewinner sein?

Mein Ziel ist, dass nach vier Jahren

die Wähler von SPD, FDP und Grünen sagen, es hat sich gelohnt.

Das werden wir beobachten.

Vielen Dank, Lars Klingbeil. Sehr gerne.

Das Interview haben wir am Abend geführt.

Während in Berlin erste Sondierungsgespräche stattfanden,

hat WDR-Chefredakteurin Ellen Ehni Zahlen aus dem ARD-DeutschlandTrend.

Was halten die Deutschen davon,

dass es möglicherweise zu einer Ampel kommt?

Knapp zwei Drittel sagen,

sie wünschen sich eine SPD-geführte Bundesregierung.

Ein Viertel wünscht sich eine unionsgeführte Regierung.

Wir haben von Montag bis Mittwoch befragt,

also bevor klar wurde, dass erst mal die Ampel sondiert wird.

Der Blick der Deutschen zu Ampel und Jamaika:

Interessant ist auch der Blick auf die jeweiligen Parteianhänger.

Bei Jamaika ist es etwas differenzierter:

Auch hier sagt also die Mehrheit: Die Ampel geht vor.

Armin Laschet will sich wohl um jeden Preis offenhalten,

doch noch Kanzler zu werden, in einer Jamaika-Koalition.

Wie blicken die Wähler auf dieses Vorhaben?

Wir haben Anfang der Woche gefragt:

"Wäre Armin Laschet / Olaf Scholz ein guter Bundeskanzler?"

Das Urteil ist deutlich:

Ein klares Urteil.

Bei Sondierungsgesprächen werden Gemeinsamkeiten ausgelotet,

dann erst kommen die Konfliktthemen.

Wie stehen die Deutschen zu den Themen,

bei denen ein Streit bereits absehbar ist?

Wir haben drei rausgegriffen:

Bei SPD und Grünen steht das im Wahlprogramm, die FDP ist dagegen.

Beim Tempolimit auf Autobahnen ist das Bild gespaltener:

SPD und Grüne sind dafür, die FPD dagegen.

Bei den Steuern waren SPD und Grüne für eine Vermögenssteuer,

um höhere Einkommen stärker zu belasten.

Diese und wohl noch mehr Knackpunkte werden diskutiert werden müssen.

Alle weiteren Analysen unter tagesschau.de

Danke, Ellen Ehni. Danke nach Hamburg.

Was das Oberste Gericht Polens in Warschau erklärte,

rührt an den Grundfesten und Grundsätzen der Europäischen Union.

Teile der EU-Verträge seien nicht mit polnischen Gesetzen vereinbar.

EU-Institutionen würden ihre Kompetenzen überschreiten.

Gemeint war damit vor allem der Europäische Gerichtshof.

Der beanstandete in seinen Entscheidungen die Justizreform

der rechtskonservativen Regierungspartei PiS.

Seit Jahren baut die das Justizwesen des Landes um

und setzt regierungskritische Richter so unter Druck.

Gudrun Engel.

Blankes Entsetzen bei Demonstranten vor dem Gerichtsgebäude.

Trotzig spielen sie die Europahymne. ♪ Musik ♪

Doch ihr Protest verhallt.

Das ist für mich der erste Schritt raus aus der EU.

Eine absolute Tragödie für Polen!

Im Saal urteilen die Richter,

Teile des EU-Rechtes seien nicht mit Polens Verfassung vereinbar.

In der Hierarchie der Gesetzesquellen steht der EU-Vertrag

im polnischen Rechtssystem unter der polnischen Verfassung.

Wie jeder andere ratifizierte internationale Vertrag.

Unverständnis beim Treffen der EU-Justizminister in Luxemburg.

Die Entscheidung in Polen, eine neue Eskalationsstufe:

Wir sind beunruhigt!

Unsere Position ist ganz klar:

Wir beharren auf dem Vorrang des EU-Rechtes.

Zwischen Brüssel und Warschau

gibt es seit Jahren Streit um die laufende Justizreform in Polen.

Die EU-Kommission reichte deshalb mehrere Vertragsverletzungsverfahren

und Klagen beim Europäischen Gerichtshof ein.

Exakt dessen Rechtsprechung zweifelt das polnische Gericht an.

Es stellt die ganze Rechtsordnung der Europäischen Union infrage

und ob EU-Recht noch vollumfänglich in Polen gilt.

Damit ist Polen rechtlich gesehen auf dem Weg aus der EU raus.

Polens langfristige Zukunft in der EU

steht durch diesen Rechtsstreit auf dem Spiel.

Gudrun Engel in Brüssel:

Welche Konsequenzen könnte es für Polen geben?

Richtig klar ist das noch nicht.

Der Schock ist noch zu frisch.

Das Urteil hat historische Ausmaße.

Das gab es noch nie, dass ein EU- Land festgelegt hat,

nationales Recht gehe vor EU-Recht.

Als Polen 2004 in die EU eingetreten ist,

haben sie den Vertrag unterschrieben.

Jetzt sagen sie,

Artikel 1 und Artikel 19 seien nicht konform mit Polens Verfassung.

Es werden Konsequenzen gefordert.

Parlamentarier wollen den Geldhahn zudrehen.

Polen ist angewiesen auf Fördergelder und Subventionen.

Andere fordern politischen Druck.

Das Urteil wird den Konflikt zwischen Brüssel und Warschau verschärfen.

Viele sagen, das ist ein erster Schritt

zum Austritt Polens aus der EU.

Dieses Schreckgespenst geistert durch Brüssel.

Danke, Gudrun Engel.

In Wien ist das Kaffeehaus eine Institution.

Und es ist Tradition, etwa bei einem "Verlängerten"

oder einem "Großen Braunen" die Zeitung zu lesen.

Da lag es wohl nahe für Freunde des ÖVP-Politikers Sebastian Kurz,

mit über einer Million Euro lobende Zeitungsberichte zu kaufen.

Und manipulierte Meinungsumfragen gleich dazu.

Das Geld soll aus dem Etat des Finanzministeriums stammen,

vermutet die Staatsanwaltschaft.

Kurz soll nicht nur Nutznießer gewesen sein,

sondern selbst beteiligt.

Nikolaus Neumaier.

Als Kurz zum Bundespräsidenten geht, wird es laut.

Rücktritt!

Das Staatsoberhaupt

hat den Kanzler zum Einzelgespräch geladen.

So wie alle Chefs der Parlamentsparteien.

Wegen der Ermittlungen gegen Kurz

steckt das Land in einer Regierungskrise.

Der ÖVP-Kanzler gibt den Unschuldigen:

Wenn man weiß, was man getan hat, und sicher ist,

dass die Anschuldigungen falsch sind:

Dann gibt einem das die Kraft, die man braucht.

Ausgelöst wurde die Krise durch Hausdurchsuchungen:

Polizei im Kanzleramt, in der ÖVP-Zentrale

und im Finanzministerium.

Die Quelle der Staatsanwaltschaft: Chat-Protokolle aus Kurz' Umfeld.

Der Verdacht:

Der Aufstieg von Kurz wurde mit Steuergeldern

und gekaufter Berichterstattung organisiert.

Teure Anzeigen wurden geschaltet - dafür gab es geschönte Umfragen.

Kurz wird der Untreue beschuldigt und der Anstiftung zur Bestechlichkeit.

Der Bundespräsident stärkt den Ermittlern den Rücken:

Der von einem Abgeordneten geäußerte Generalverdacht der Parteilichkeit

gegenüber der Staatsanwaltschaft jedoch

zeigt mangelnden Respekt vor den Institutionen der Bundesverfassung.

Das ist eine unzulässige Grenzüberschreitung.

Die Oppositionsparteien sind sich einig:

SPÖ, FPÖ und NEOS fordern den Rücktritt des Kanzlers.

Am Dienstag gibt es eine Sondersitzung des Parlaments.

Die Opposition wird einen Misstrauensantrag gegen Kurz stellen.

Er ist nicht amtsfähig. He is incapable of office.

Es gibt eine Würde des Amts, und er ist nicht mehr tragbar.

Er schadet dem Ansehen unseres Landes.

Der Koalitionspartner braucht Zeit, um eine Position zu finden:

Gestern sah der grüne Vizekanzler

keine Auswirkungen auf das Regierungsbündnis.

Heute stellt er Kurz' Handlungsfähigkeit infrage. Today he questions Kurz's ability to act.

Die Vorwürfe gegen die ÖVP-Spitze wiegen schwer.

Deshalb geht's um Stabilität und Ordnung,

Stabilität und Verantwortung, Stabilität und Aufklärung.

Die ÖVP ist alarmiert, noch aber sind die Reihen geschlossen.

Minister oder Landeshauptleute stellen sich hinter Kurz.

Der sieht die Grünen am Zug:

Wir sind bereit, unsere Arbeit fortzusetzen.

Wenn die Grünen nach anderen Mehrheiten im Parlament suchen,

ist das zu akzeptieren, das ist eben so in einer Demokratie.

Auf diese Szenarien werden wir uns vorbereiten.

Viele Optionen gibt es nicht.

Niemand will Neuwahlen.

So bleibt nur ein Bündnis aller Parteien gegen die ÖVP

oder wieder eine Koalition von ÖVP und der rechtspopulistischen FPÖ.

In Deutschland sind offenbar mehr Menschen gegen Corona geimpft

als angenommen.

Das ergab eine neue Auswertung des RKI.

Mehr dazu im Nachrichtenüberblick mit Susanne Daubner.

Aufgrund von Befragungen und Meldedaten geht das RKI davon aus,

dass etwa 80 Prozent der Erwachsenen vollständig geimpft sind.

Das wären 3,5 Mio. Menschen mehr als bislang erhoben.

Derweil hat die Stiko ihre Empfehlung für Auffrischungsimpfungen erweitert:

An alle ab 70, an Pflegepersonal

und an Menschen, die mit Johnson & Johnson geimpft wurden. In Brandenburg an der Havel

begann einer der wohl letzten NS-Prozesse in Deutschland.

Angeklagt ist ein ehemaliger SS-Wachmann.

Ihm wird Beihilfe zum Mord in über 3500 Fällen zur Last gelegt.

Der 100-Jährige war laut Staatsanwaltschaft

von 1942 bis 1945 im KZ Sachsenhausen tätig.

Dort fielen Zehntausende dem NS-Terror zum Opfer.

An der Börse stand heute wieder

der Immobilienkonzern Adler Group im Blickpunkt.

Ein britischer Großinvestor erhebt Vorwürfe gegen das Unternehmen,

das 70.000 Wohnungen vermietet.

Mehr dazu von Stefan Wolff.

Es sind heftige Anschuldigungen:

Adler habe seine Bilanz künstlich aufgeblasen,

so ein Bericht von Großanleger Viceroy.

Außerdem soll das Adler-Management

Geld aus übernommenen Firmen abgezogen haben.

Anleger reagierten verunsichert.

Adler-Aktien verloren gestern stark und erholten sich heute -

die Bilanz dieser turbulenten Tage ergibt ein Minus von über 14 Prozent.

Der Adler-Kritiker Viceroy gehört dem Spekulanten Fraser Perring,

der den Bilanzbetrug bei Wirecard aufgedeckt hatte.

Auch ähnliche Anschuldigungen gegen den Möbelhändler Steinhoff

waren ein Volltreffer.

Bei Pro7, dem Werbeanbieter Ströer und dem Leasing-Unternehmen Grenke

hatte Perrin daneben gelegen.

Spekulationen gegen diese Aktien waren schnell verpufft.

Wer in New York den Namen "Rikers Island" fallen lässt,

wird eine Reaktion zwischen Abscheu und Schaudern ernten.

Häftlinge in überfüllten Zellen können weder sitzen noch liegen.

Es gibt kein Essen, kein Wasser, Plastiktüten statt Toiletten

und Wärter in kotverschmierten Uniformen. and guards in dung-smeared uniforms.

Rikers Island, zwischen Queens und Bronx gelegen,

ist eine Welt für sich.

Es ist das New Yorker Alcatraz.

Der Großteil der Insassen ist in Untersuchungshaft.

Sie sitzen dort drin, weil sie warten -

auf ihren Prozess oder nach Verurteilung auf das Strafmaß.

Christiane Meier.

Seine Asche steht im Wohnzimmer der Mutter.

Brendon Rodriguez starb am 10.08. nach sechs Tagen U-Haft

im Rikers Island, dem berüchtigten Untersuchungsgefängnis.

Angeblich hat der 25-Jährige sich das Leben genommen.

Seine Mutter erfuhr das über einen Facebook-Kontakt.

Ich habe angerufen und gefragt, ob mein Sohn am Leben ist.

Sie fing an zu weinen.

Da wusste ich es, aber ich kann es nicht glauben.

Brandon starb in Rikers Island, einem Gefängnis vor Manhattan,

in dem höllische Zustände herrschen.

Häftlinge schlafen in zerstörten Duschen, haben keine Toiletten.

In den Gängen: Fäkalien, Ratten und Kakerlaken.

Es herrscht humanitärer Notstand.

Für die Schließung des Gefängnisses

demonstrieren sie hier vor dem New Yorker Rathaus.

Denn seit Beginn des Jahres starben in Rikers zwölf Menschen,

drei allein im September.

Auch Melanias Schwester ist dort vor zwei Jahren gestorben.

Wenn du Insasse bist, bist du nichts mehr wert.

Sie behandeln dich schlechter als ein Tier.

Ihre kleine Schwester Layleen, eine Transfrau,

war wegen einer Ordnungswidrigkeit in U-Haft.

Trotz ihrer Epilepsie kam Layleen in Einzelhaft.

Bilder der Überwachungskamera zeigen, dass ihr Sterben nicht bemerkt wurde.

Die Aufseherinnen lachten über ihre epileptischen Anfälle,

bis es zu spät war.

Layleen überlebte Rikers nicht.

Wenn ich ein anderes Leben retten kann, tue ich das.

Das ist eine Krise.

Rikers' Wachpersonal ist mehrheitlich nicht gegen Covid geimpft.

Ein Drittel kommt nicht zur Arbeit, die Gewerkschaft unterstützt das.

Gerichtstermine verstreichen, weil niemand Zeit hat.

Positionen sind nicht besetzt.

Wir sind nicht ausgebildet, Selbstmorde zu verhindern.

Das hat auch dazu beigetragen.

Drei Jahre lang wurden keine neuen Aufseher eingestellt.

Alles Ausreden, sagt Sozialarbeiterin Kristy Hauky.

Über die Hälfte der Häftlinge seien psychisch krank,

die Aufseher überfordert.

Wegen der unhaltbaren Zustände hat sie im Juli gekündigt. She resigned in July because of the intolerable conditions.

Es war totales Chaos und Wahnsinn.

Die Insassen führen das Gefängnis, sie haben übernommen.

Ich habe es selbst gesehen.

Es gibt Angst vor einem Gefängnisaufstand.

Sie haben sogar Feuer gelegt.

Beim Hearing im Rathaus weist man sich gegenseitig die Schuld zu.

Der neu eingesetzte Gefängnisbeauftragte

verspricht Besserung, aber niemand glaubt ihm.

Es war und ist die Politik,

Menschen massenhaft wegzusperren und aufzugeben.

Das Ergebnis sieht man hier – und nicht nur in Rikers Island.

Für Tamaras Sohn Brandon kommen solche Einsichten zu spät.

Ich frage mich, wie viel Angst er hatte,

was seine letzten Gedanken waren.

Ich wünschte, ich wäre bei ihm gewesen.

Bislang hat niemand für seinen Tod Verantwortung übernommen.

Ein Nobelpreis für einen Literaten,

dessen Romane es auf Deutsch derzeit wohl in keiner Buchhandlung gibt.

Der Schriftsteller sei schlicht und einfach so gut wie unbekannt,

heißt es.

Abdulrazak Gurnah ist neuer Literatur-Nobelpreisträger.

Jetzt gilt es, den 73-Jährigen aus Tansania und seine Werke

auch hierzulande zu entdecken.

Ausgezeichnet wird er laut Jury für seinen Fokus

auf die Auswirkungen des Kolonialismus.

Und auf das Schicksal der Flüchtlinge,

die zwischen Kontinenten und Kulturen hin- und hergerissen sind.

Geschichten, die auch seiner Biografie sehr nahe sind.

Christian Blenker.

Die heißen Kandidaten für den Literaturnobelpreis

kennt sie alle:

Buchhändlerin Helena Landberg legt vor der Verkündung

immer schon die wichtigsten Werke auf den Verkaufstisch.

Doch die Nachricht der Akademie hinterließ sie diesmal ratlos.

Wer ist er?

Ich kenne ich ihn nicht.

Auch die britischen Reporter mussten erst mal herausfinden,

wer Abdulrazak Gurnah ist.

In Canterbury treffen sie einen überraschten Preisträger

mit einer politischen Botschaft.

Menschen, die nach Europa kommen,

wird eine gewisse Gemeinheit entgegengebracht.

Sie kommen ja nicht mit leeren Händen.

Gurnah wird auf Sansibar geboren.

Als die Unruhen gegen die britische Kolonialmacht

1964 immer gewalttätiger werden, flieht er mit 18 nach Großbritannien.

Die Themen koloniale Unterdrückung und Flucht nimmt er mit.

Thomas Brückner hat Gurnah ins Deutsche übersetzt.

Im Buch "Schwarz auf Weiß" geht es um einen Migranten,

der sich trotz Rassismus mit Humor über Wasser hält.

Für den Leipziger Übersetzer die Stärken des Autors.

Die Warmherzigkeit, mit der er seine Figuren zeichnet.

Und ein feiner und hintersinniger Witz.

Abdulrazak Gurnah schlägt auch die Brücke nach Deutschland.

Im jüngsten Werk "After Lives"

geht es um die deutsche Kolonialvergangenheit in Ostafrika.

Und doch ist der tansanische Autor hier vielen völlig unbekannt.

Der britische Afrikareisende Kimbley hat mal den schönen Spruch geprägt -

und daran hat sich leider nichts geändert:

"Das Dunkelste an Afrika war schon immer unsere Unwissenheit."

Oft ist die Nobelakademie für ihre Entscheidungen kritisiert worden:

Die Auswahl zu eng,

Kandidaten überwiegend aus Europa und den USA.

Diesmal habe man sich bemüht, den Horizont zu weiten.

Unser Blick weitet sich die ganze Zeit.

Jetzt, wo wir Experten aus der ganzen Welt einbeziehen,

wollen wir unseren literarischen Überblick vertiefen.

Viele Buchläden müssen seine Bücher nun erst einmal nachbestellen.

Gurnah widmete seinen Nobelpreis dem gesamten afrikanischen Kontinent.

Nun noch das Wetter von morgen mit Karsten.

Das können wir fast vor der Haustür feststellen.

Das sind die Temperaturen von 22 Uhr.

Das ist ganz spannend.

Weiter östlich ist es viel wärmer.

Dabei haben wir Ostwind.

Normalerweise kommt im Herbst aus Osten kältere Luft.

Hier sieht man einen hellgrauen Schimmer.

Das sind flache Wolken, hochnebelartig.

Die kommen mit dem Ostwind aus Polen

und legen sich wie eine Bettdecke über das Land.

Deshalb ist es dort wärmer.

Auf diese Wolken müssen wir achten.

Die kommen im Laufe der Nacht weiter voran.

Morgen früh erreichen sie die Mitte und den Süden.

Am Alpenrand kann es regnen.

Morgen tagsüber passiert das Gleiche wie heute.

Die Wolken lösen sich auf.

Im Nordwesten und Westen bleibt es sonnig.

Auch im Osten ist der Nachmittag sehr sonnig.

Der Tag beginnt kalt.

Unter den Wolken ist es milder.

Es folgt ein herbstlich-sonniges Wochenende,

spätestens nach Nebelauflösung.

Danke, Karsten Schwanke.

Das war's von uns.

Hier übernimmt Dieter Nuhr mit seiner Satire-Show.

Das nachtmagazin meldet sich um 0.35 Uhr.

Wir sehen uns morgen wieder.

Copyright Untertitel: NDR 2021