tagesthemen 29.10.2021, 21:45 Uhr - Grönlands Gletscher durch Klimawandel und Gier nach Rohstoffen bedroht, Vor Klimakon
Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit den tagesthemen.
Diese Sendung wurde vom NDR live untertitelt (29.10.2021)
Heute im Studio: Ingo Zamperoni
Guten Abend.
Es gibt Orte, da ist der Klimawandel heute schon sichtbar.
Einer dieser Orte ist Grönland.
Das gigantische dänische Territorium ist dünn besiedelt,
der größte Teil ist eisbedeckt.
Eine Art Kühlschrank für das Weltklima,
um das es auch ab Sonntag beim Klima-Gipfel in Glasgow gehen wird.
Doch das "ewige Eis" ist offenbar sehr vergänglich.
Grönlands Eisschild:
Majestätisch und Millionen Jahre alt.
Ein Anblick, der viele in den Bann zieht - auch Kjeld Winther.
Der Däne organisiert seit elf Jahren Touren zum Russell-Gletscher.
Sogar dem Ex-US-Vizepräsidenten Al Gore hat er die Gegend gezeigt.
Heute kommen wieder mehr Touristen.
Sie kommen, um die Natur zu erleben.
Aber auch, um die Veränderungen durch den Klimawandel zu sehen.
Das ist einer der Orte, wo wir klar sehen können,
wie viel Eis schon verschwunden ist.
Einmal auf dem Inlandeis stehen:
Vielen Touristen ist das ein Foto wert.
Kjeld sieht mit Sorge, wie schnell die Gletscher verschwinden.
Ich mache mir natürlich Sorgen.
In 20 Jahren wird es hier kein Eis mehr geben, wenn's so weitergeht.
Es ist 40 Meter dick unter uns - und es geht ziemlich schnell.
Die Kühlkammer der Welt schrumpft.
Dort, wo nur Kies und Geröll liegen,
war vor zehn Jahren noch eine dicke Gletscherschicht.
Geht sie zurück, kann sie weniger Sonne reflektieren.
Auch deshalb erwärmt sich die Arktis schneller als der Rest der Welt.
Im Sommer wurden hier 23,4 Grad gemessen - ein Rekord mit Folgen.
Forscher warnen vor einem Anstieg des Meeresspiegels.
Der Klimawandel macht aber auch den Weg zu Rohstoffen frei.
In der Region werden reiche Öl- und Gasvorkommen vermutet,
im Süden Erze und Seltene Erden.
Der damalige US-Präsident Trump
wollte deshalb vor zwei Jahren die Insel kaufen.
In der Hauptstadt Nuuk kam das nicht gut an.
Die zuständige Ministerin
hat die Suche nach Öl und Gas jetzt untersagt.
Das Worst-Case-Szenario wäre eine Katastrophe für uns:
Wenn Öl und Gas unkontrolliert austreten,
würde das die arktische Umwelt zerstören.
Auch unsere Fischerei wäre in Gefahr.
Schon jetzt sind die Auswirkungen des Klimawandels in Grönland deutlich.
Deshalb verzichten sie lieber auf Milliarden durch Öl und Gas.
Schaut aus den Fenstern in Grönland, da seht ihr es.
Deshalb muss der Klimawandel gestoppt werden.
Dann können wir unsere Kräfte weltweit bündeln
und eine Lösung finden.
Nicht in zehn Jahren - jetzt: Die Zeit ist reif.
Für Kjeld Winther die richtige Entscheidung.
Der Guide fürchtet, dass er immer weiter ins Landesinnere fahren muss,
um Gletscher zu zeigen.
Wir müssen tun, was wir können.
Alternative Energiequellen - das einzige, was wir nutzen können,
um diese Natur zu beschützen.
Was einmal weg ist, kommt nicht mehr wieder.
Nicht nur für die Menschen hier und die Zukunft Grönlands
hat der Rückzug des Eises massive Folgen.
Sondern auch für die Zukunft des Planeten.
1,5 Grad Celsius - weiter soll die Erderwärmung nicht ansteigen.
Das war das, auf das sich die Klimakonferenz in Paris
2015 einigte.
Doch der Weg dahin war da nicht fertig skizziert.
Am Sonntag beginnt in Glasgow die Klima-Konferenz,
die die Regeln vervollständigen soll.
Aus 190 Ländern reisen die Delegierten dazu an.
Wo stehen wir derzeit in Sachen Klimaschutz?
Der Kohleausstieg ist beschlossen,
aber er kommt Klimaschützern viel zu spät.
Viele Industrie-Zweige sind abhängig vom günstigen Kohle-Strom,
etwa die Stahl-Industrie.
Doch da sind Ziele im Visier.
Die größte Stahlproduktion Europas - Duisburg-Bruckhausen.
Aus diesen Schloten kommen 2,5 % der Klimagase Deutschlands.
Bisher funktioniert Stahlproduktion nur mit Kohle.
Wie aber diesen Standort klimaneutral machen?
In drei Jahren soll der erste saubere Hochofen entstehen.
Die Pläne vom Chef sind ehrgeizig.
Das ist ein Lackmustest.
Schaffen wir es,
eine solche gigantische Transformation hier zu machen?
Haben wir dabei Arbeitsplätze sattelfest?
Gestalten wir Technologie und das soziale Umfeld erfolgreich?
Die erste Leitung liegt schon - der Pilot war erfolgreich.
Wasserstoff soll Kohlenstaub ersetzen.
Durch die Leitungen an den Düsen soll Wasserstoff strömen
und das Erz erhitzen.
Ein 150-Meter-Hochofen soll entstehen.
Kosten - eine Milliarde Euro.
Aus Sicht der Klimaschützer kommt das alles spät.
Viel sei verschleppt worden.
Im Vergleich stand Deutschland die letzten Jahre
im hinteren Mittelfeld.
Im neuen Klimaschutzindex
erwarte ich Deutschland etwas weiter vorne.
Das liegt daran, dass Deutschland bessere Ziele vereinbart hat -
nach dem Druck des Bundesverfassungsgerichts.
Die Uhr tickt.
2021 könnten nach Schätzungen 50 Mio. CO2-Tonnen
mehr ausgestoßen werden als geplant.
Zugleich schwächelt seit Jahren die Stahlsparte.
Über 3000 Jobs will ThyssenKrupp abbauen,
viele Standorte mussten schon schließen.
Der Klimagipfel in Glasgow bringt die Stahlarbeiter auf die Straße.
Sie bangen um ihre Zukunft.
Der Umstieg auf die Wasserstofftechnologie muss klappen.
Man macht sich Gedanken, ob das Konzept greift.
Stahl wird auch anderswo produziert, wir müssen wettbewerbsfähig bleiben.
Die Konkurrenz ist groß.
China produziert mehr als die Hälfte des Stahls weltweit.
ThyssenKrupp erwartet von der Klimakonferenz
faire Wettbewerbsbedingungen für sauberen Stahl.
Glasgow muss dafür sorgen,
dass über einen globalen CO2-Preis alle gleich belastet werden.
Alle müssen mit gleichen Konzepten arbeiten,
sodass der Wettbewerb darüber entscheidet:
Wer kann wie schnell in die Transformation investieren?
CO2 reduzieren und gleichzeitig Jobs sichern:
Der Zeitdruck ist enorm und die Erwartungen hoch.
Das Thema beschäftigt auch den Schriftsteller Frank Schätzing,
der durch Der Schwarm bekannt wurde.
Ein Thriller, in dem die Menschheit
durch intelligente Meereslebewesen bedroht wird.
Der Planet und seine Probleme bleiben in seinen Büchern Thema.
Das neueste:
"Was, wenn wir einfach die Welt retten", ein Thriller.
Einer, in dem wir alle mittendrin leben, so Schätzing.
So schreibt er über die Folgen der Erderwärmung,
Kohle- und Ölkonzerne, Fleischessen, Kleidung.
Er lässt die große Politik nicht aus.
Aber Schätzing glaubt:
Wir können das noch schaffen, mit dem "Welt retten".
Darüber habe ich mit ihm vor der Sendung gesprochen.
Guten Abend, Herr Schätzing. Guten Abend.
Woher kommt Ihr Optimismus, dass die Weltrettung doch klappen könnte?
Das sind kölsche Gene.
Uns sagt man ja grenzenlosen Optimismus nach.
Ich blicke optimistisch auf die vielen Green Deals, die es gibt.
Wir haben Biden im Weißen Haus oder BlackRock und JP Morgan:
Die sagen, Klimarisiken sind Volkswirtschaftsrisiken.
Es scheint so, dass die Leute allmählich aufwachen.
In Ihrem Buch schreiben Sie: "Let's do it and have fun."
Aber es geht beim Klimaschutz ja um Verzicht:
Weniger Autofahren, weniger Flugreisen - darf das Spaß machen?
Verzicht ist immer so attraktiv wie das, was man dafür bekommt.
Klimaschutz ist idealiter die Kunst des besseren Angebots.
Wir sind in einer globalen Transformation:
Weg von Lebensmodellen, die an ihre Grenzen gestoßen sind,
hin zu besseren.
Das bedeutet, wenn wir klug investieren,
mehr Arbeit in neuen Märkten als in alten.
Und bessere Ernährung, Kleidung, Mobilität
für mehr Menschen bei geringerer Schädigung der Umwelt.
Was man aufgibt, bekommt man unglaublich wertvoll verzinst:
In einer Zukunft.
Im Alten haben wir keine.
Guckt die Politik zu sehr auf Verbote und was passieren kann -
und weniger auf die Chancen?
Es liegt an einer Scheindebatte.
Ich kann in den politischen Diskussionen
gar keine großen Verbote erkennen.
Sie landen immer wieder bei der Bratwurst oder beim Tempolimit.
Es geht eher um Regularien:
Man kann bestimmte Dinge nicht mehr tun,
wenn der Planet sie nicht hergibt.
Wenn man es weiter täte, wäre es suizidal.
Wir brauchen staatliche Reglementierung -
aber auch freie Märkte.
Unser innovatives Potenzial ist unsere größte erneuerbare Ressource.
Welcher Erwartungen knüpfen Sie an den Klimagipfel?
Der ist zum Erfolg verdammt, wir haben keine andere Option.
Paris 2015 wurde als historisch gepriesen.
Rückblickend es ein Festival der Lippenbekenntnisse.
Seitdem stiegen die Emissionen, 2020 waren sie hoch wie nie.
Solche Gipfel sind überschätzt.
Leute versprechen sich auf freiwilliger Basis etwas,
was sie nicht halten.
Man sollte nicht so viele Erwartungen dran knüpfen.
Es geht jetzt darum, dass die Länder konsequent Klimapolitik treiben
und in bi- und multilateralen Gesprächen Abkommen treffen.
Es geht dabei immer um das 1,5-Grad-Ziel.
Das halten manche für kaum zu schaffen.
Realistischer scheint eine Zwei- oder Drei-Grad-Erwärmung.
Müssen wir uns auch auf die Überlebensstrategien konzentrieren?
Auf beides.
Man muss die Latte so hoch hängen, wie es geht - das sind die 1,5 Grad.
Es gibt auch noch eine kleine Chance, das zu schaffen.
Das Zwei-Grad-Ziel
ist die äußerste Benchmark, die wir uns leisten können.
Das ist nicht aus der Luft gegriffen.
Wenn wir darüber kommen, werden sehr wahrscheinlich
viele ökologische Kipppunkte schnell überschritten.
Dann schmelzen die Gletscher, verschwindet der Regenwald,
sterben die Meere.
Dann sind es schnell drei, vier, fünf Grad.
In so einer Welt kann unsere Spezies nicht überleben.
Um das zu verhindern, hat der Klimarat diese Zahlen genannt
und ein Emissionsbudget verabschiedet.
Das ist, wie wir momentan wirtschaften,
Anfang der 2030er ausgeschöpft.
Wenn wir dann keine Vollversorgung durch erneuerbare Energien haben,
haben wir Versorgungslücken.
Dann müssen wir Strom importieren, im Zweifel schmutzigen.
Das wäre ein Desaster.
Wir müssen dieses Ziel erreichen.
Das klingt nach extrem hohen Kosten für die Menschen.
Das andere sind Zukunftsszenarien -
Finanzierungsprobleme haben sie jetzt.
Wer im freien Fall auf den Boden rast,
sollte nicht über Kosten für den Fallschirm debattieren.
Wir müssen dieses Geld ausgeben - schauen wir, wie das geht.
Die Bundesrepublik müsste eine Rücklage bilden.
Dazu bedarf es einiger Hundert Milliarden Euro.
Daraus kann die Grüne Wende finanziert werden.
Das ginge - de facto tritt die Schuldenbremse '23 wieder in Kraft.
2022 könnte man das Geld quasi zinslos aufnehmen.
Dieses Geld brauchen wir.
Wir müssen auch aufhören,
Klimaschutz als Loch ohne Boden zu sehen.
Es ist ein Investitionsmodell mit hohen Renditechancen.
Es geht um Zukunftstechnologien.
Wir haben viel Privatkapital, das in diese Investitionen fließen könnte.
Der Staat sollte Klimafonds auflegen mit Privat- und Staatskapital.
Wenn wir vor 2030 aus der Kohle aussteigen,
würde das ein sofortiges Ende der fossilen Subventionen bedeuten.
Die belaufen sich derzeit jährlich auf 37 Milliarden Euro.
Man hätte mit diesem Geld schon viel erreicht -
ohne dass das Wort "Fiskus" einmal gefallen wäre.
Danke für das Gespräch. Schönen Abend noch.
Viele Gaststätten sind voll, Clubs und Kinos offen -
und die Politik diskutiert über das Ende der pandemischen Lage.
Man könnte das Gefühl bekommen, das Schlimmste ist vorbei.
Und wenn gutes Wetter ist, wie an den Hamburger Landungsbrücken,
scheint es fast so zu sein wie vor der Pandemie.
Doch es sind Infektionszahlen, die bis vor kurzem bundesweit
zu neuen Beschränkungen geführt hätten.
Das RKI meldete heute 24.668 Neuinfektionen,
die Inzidenz steigt auf 139,2.
Die neuen Corona-Sorgen:
Kontakte einschränken, Abstand halten, Maske tragen.
Hört das nie auf, werden sich viele fragen,
angesichts der Warnungen des RKI.
So wächst die Sorge vor neuen Einschränkungen.
Es fühlt sich schlecht an.
Wenn man jetzt das Gefühl hat, wieder vor Weihnachten,
die Lösung ist so nah.
Wenn es wieder auf Null gedreht wird und wieder Einschränkungen sind,
das ist ernüchternd.
Es sollte sich jeder impfen lassen.
Aber wenn er mit seinem Gewissen, wir sind ja freie Menschen:
Dann muss er sich raushalten aus vielen Kontakten.
Klar ist es nervig, aber es ist notwendig.
Im bayerischen Mühldorf am Inn
gelten ab Montag wieder verschärfte Regeln.
Hier liegt die Inzidenz bei 644.
In der Klinik hat sich die Zahl der Corona-Patienten
letzte Woche verdoppelt.
Auf der Intensivstation sind zwei Drittel der Erkrankten nicht geimpft.
Ärzte sind sich sicher, dass die Impfstoffe wirken
und vor schweren Erkrankungen schützen.
Bei Menschen mit Impfdurchbrüchen, die noch keinen Booster bekommen,
ist der Verlauf schwächer als bei Ungeimpften.
Schwere Verlaufsformen sind bei doppelt Geimpften seltener.
Zu dieser Erkenntnis kommt auch das RKI bei seinen eigenen Berechnungen.
Ein hoher Infektionsschutz, aber nicht so effektiv wie bei Jüngeren.
Wer das höchste Risiko für schwere Verläufe hat,
den haben wir Anfang des Jahrs geimpft.
Bei vielen ist die Immunantwort nicht mehr adäquat,
ein Risiko der Reinfektion besteht.
Das RKI empfiehlt in diesen Fällen Nachimpfungen -
neben dem Appell, sich impfen zu lassen.
Die Corona-Lage, dazu hat Sarah Frühauf vom MDR folgende Meinung.
Corona? Das Thema ist durch.
Das dachte ich in diesem Sommer, der so sorglos war.
Wieder Konzerte, wieder Reisen.
Lang wollte sich es nicht wahrhaben: Es ist nicht vorbei.
Das Virus geht uns alle noch etwas an.
Sind die Kliniken überlastet, haben auch Geimpfte ein Problem.
Eine härtere Belastungsprobe für den gesellschaftlichen Zusammenhalt
kann ich mir kaum vorstellen:
Was, wenn Ärzte sich entscheiden müssen?
Um das Leben eines ungeimpften Corona-Kranken kämpfen
oder um das eines geimpften Unfallopfers?
Ich kann nicht verstehen,
dass Menschen sich gegen eine Impfung entscheiden.
Wer noch nicht geimpft ist,
scheint sich nicht mehr vom Gegenteil überzeugen zu lassen.
Ich erwarte von den politischen Verantwortlichen,
dass sie an Strategien arbeiten, die vierte Welle zu brechen.
Es müssen alle Geimpften erfahren,
wann sie wo ihre Auffrischung abholen können.
Dass es da keine Klarheit gibt, ist mindestens fahrlässig.
Doch für die Corona-Politik
fühlt sich gerade keiner so richtig verantwortlich.
Die Länder fordern Handeln vom Bund, einen einheitlichen Rechtsrahmen.
Ein Treppenwitz.
Wenn man bedenkt, wie sehr sie sich gegen Vorgaben des Bundes wehrten.
Die Bundesregierung sieht sich scheinbar nicht mehr in der Pflicht.
Grüne und FDP hatten beim Thema Corona verschiedenen Positionen.
Bund und Länder müssen jetzt Verantwortung übernehmen.
Ansonsten sind die Aussichten trübe.
Die Meinung von Sarah Frühauf.
In der Doppelspitze der SPD wird er künftig fehlen,
Norbert Walter-Borjans.
Zwei Jahre, nachdem er mit Esken zum Co-SPD-Chef gewählt wurde,
und dabei Olaf Scholz besiegte, tritt er im Dezember nicht mehr an.
Jetzt sollten Jüngere ran, sagt er.
Das passt zu dem Mann, der die Größe hatte,
Scholz den Vortritt als Kanzlerkandidat zu lassen.
Wahrscheinlich hätten das nicht viele gemacht.
In der Partei, die dabei ist, Kanzler zu werden,
löst die Entscheidung Diskussionen aus.
Als Norbert Walter-Borjans am Morgen vor der IG Metall spricht,
merkt man vom Aufhören nichts.
Er wirkt kämpferisch, macht sich stark für neue Technologien:
Wenn wir das nicht machen, dann schmieren wir ab.
Doch es ist schon länger klar:
Er will nicht mehr kandidieren für den SPD-Parteivorsitz.
Es sollen Jüngere ran - Verständnis bei den Gewerkschaftern:
Ich find das gut, wir brauchen Jüngere in der Politik.
Dass die Alten gehen, da wird es Zeit.
Ich geh auch bald, ich kann das gut nachvollziehen.
Wir brauchen an der SPD-Spitze jemanden,
der die Arbeiterklasse mehr vertritt.
Zwei Jahre war Walter-Borjans Parteichef -
gemeinsam mit Saskia Esken, beide gehören zum linken SPD-Flügel.
Ihre Wahl damals eine kleine Sensation.
Gegen die Erwartungen gewannen sie gegen Olaf Scholz und Clara Geywitz.
Der Job Walter-Borjans schwer genug:
Eine zerstrittene Partei einen – und eine Wahl gewinnen.
Seine Mission erfüllt, teilte er heute mit.
Persönlich bedauere ich es.
Wir hatten uns eng abgesprochen, er dafür gesorgt,
dass wir so eng zusammengearbeitet haben:
Sowohl was die Nominierung von Olaf Scholz betroffen hat -
als auch, einen geschlossenen Wahlkampf zu führen.
Aber ich habe auch Verständnis für seine Entscheidung.
Jetzt geht es um die Nachfolge.
Die Spekulationen sind groß.
Kevin Kühnert, mit dem verstehen wir uns ganz gut.
Aber ich glaube, der hat noch andere Pläne.
Der Arbeitsminister hat sich gut entwickelt.
Wollen wir mal sehen, wie sich das weiterentwickelt.
Arbeitsminister Heil,
aber auch SPD-Generalsekretär Klingbeil werden gehandelt.
Nichts ist sicher - nur einer will nicht.
Das machte er heute in Rom am Rande des G20-Gipfels deutlich:
Klar ist, dass ich mich auf das konzentriere,
wofür ich einen Auftrag bekommen habe:
Eine Regierung zu bilden und der nächste Kanzler zu werden.
Wenn das gelingt, müssen noch Ministerposten verteilt werden.
Erst dann ist klar, wer noch für den Parteivorsitz im Rennen ist.
Am Wochenende treffen sich die G20-Staaten,
der Schauplatz ist Rom.
Mehr dazu von Thorsten Schröder.
Schwerpunkte des Treffens
werden Klimaschutz und Pandemiebekämpfung sein.
Die Finanz- und Gesundheitsminister der G20-Staaten versprachen,
enger zusammenzuarbeiten.
Italiens Gesundheitsminister Speranza erklärte:
Ohne Investitionen in die Gesundheit
könne es kein soziales oder wirtschaftliches Wachstum geben.
Vereinbart wurde, Entwicklungsländer besser
mit Impfstoffen und medizinischen Produkten zu versorgen.
Der Corona-Impfstoff von Biontech hat in den USA für den Einsatz
bei Kindern von fünf bis elf eine Notfallzulassung erhalten.
Das teilte die Arzneimittelbehörde FDA mit.
Die Experten halten den Nutzen einer Impfung in dieser Altersgruppe
für deutlich höher als die Risiken.
28 Mio. Kinder in den USA kommen für eine solche Impfung infrage.
Die Polizei hat in Sachsen nahe der polnischen Grenze
unter offenbar eingeschleusten Flüchtlingen einen Toten entdeckt.
Es handele sich um einen jungen Mann aus dem Irak.
Zuvor waren die Beamten über die Schleusung informiert worden.
Sie entdeckten 30 Menschen, die aus einem Transporter stiegen.
Nach dem Fahrer wird gefahndet.
Auf La Palma rechnen Experten nicht
mit einem baldigen Ende des Vulkanausbruchs.
Auch heute gab es wieder Eruptionen.
Die Lavaströme richten auf ihrem Weg zum Meer
allerdings kaum neue Schäden an.
Seit dem Ausbruch vor mehr als fünf Wochen
wurden über 2100 Gebäude zerstört.
Sonderzüge brachten Hunderttausende Türken in den 60ern
nach Deutschland.
Man nannte sie Gastarbeiter.
Möglich durch das Anwerbeabkommmen mit der Türkei,
das vor 60 Jahren in Bonn unterzeichnet wurde.
Ein Abkommen, das die Gesellschaft so tiefgreifend verändert habe,
"wie nur wenige Ereignisse in den letzten Jahrzehnten".
Das betonte Bundespräsident Steinmeier vor kurzem.
Viele der Männer sind geblieben, Familien zogen nach,
Kinder wurden geboren, die als Deutsche aufwuchsen.
Andere sind "Gäste" geblieben und kehrten zurück.
So wie der millionste türkische Gastarbeiter.
Konya in Zentralanatolien – eine konservative Stadt.
Wirtschaftlich geht es den Menschen für türkische Verhältnisse gut.
In den 60ern war das anders.
Damals gab es viel Arbeitslosigkeit, erzählt Ismail Bahadir.
1969 will er nach Deutschland, um dort zu arbeiten.
Es hieß, Deutschland nehme Gastarbeiter auf.
Ich habe beim Arbeitsamt einen Antrag gestellt
und wurde zum Test eingeladen.
Sie haben mich nach Istanbul geschickt.
Am 23.11.1969 haben wir uns mit dem Zug auf den Weg gemacht.
Zwei Tage später kommt Bahadir in München an und wird berühmt.
* (Originalton) Der Türke Ismail Bahadir: *
* Millionster ausländischer Arbeitnehmer, *
* der aus Südosteuropa und der Türkei vermittelt wurde. *
* Er traf heute mit 850 Landsleuten nach 55-stündiger Fahrt ein. *
* Der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit *
* überreichte dem Dreher zur Feier des Tages ein Fernsehgerät. *
Das TV-Gerät nimmt Bahadir später nach Konya mit.
Zwölf Jahre bleibt er mit seiner Frau in Deutschland.
Von sechs Kindern kommen dort fünf zur Welt.
Ablehnung habe er keine erlebt -
vielleicht, weil es noch nicht viele Ausländer gab.
Aber Freundschaften mit Deutschen gab es auch nicht.
Mit den Deutschen
pflegten wir nur auf der Arbeit eine freundschaftliche Beziehung.
Die Familien hatten nichts miteinander zu tun.
Es gab keine Einladungen von Deutschen.
Es war nun mal so, wie es war.
So blieb man sich fremd.
Bahadir (75) glaubt, Deutschland schulde ihm einen Teil seiner Rente.
Er schreibt einen Brief an die deutsche Botschaft in Ankara.
Er hofft, im Jubiläumsjahr des Anwerbeabkommens
würde man sich mit der Forderung des millionsten Gastarbeiters befassen.
Wenn ich so ein Symbol bin, wieso gibt man mir nicht, was mir zusteht?
Geld und die Hoffnung auf Wohlstand.
Deshalb gehen die Gastarbeiter der ersten Stunde nach Deutschland.
Die meisten waren überzeugt,
dass sie in die Heimat zurückkehren.
Was mache ich,
wenn die Töchter älter werden und einen Deutschen heiraten?
Wie soll das gehen?
Dann kann man sich nicht regelmäßig sehen.
Damit das nicht passiert, habe ich mit meiner Frau entschieden:
Gehen, bevor die Mädels das große Erwachen erleben.
Der millionste Gastarbeiter ist mit seiner Rückkehr im Reinen
und hat abgeschlossen mit Deutschland.
Auf die Antwort der Botschaft und seine Rente wartet er fünf Monate
nachdem er den Brief geschrieben hat, aber noch.
Das Wochenende steht vor der Tür.
Karsten, was für ein Wetter erwartet uns da?
Gar nicht so schlecht.
Es bleibt mild.
Im Westen regen, im Osten trocken.
Wir werden einen kurzen Blick auf Klima.
Wie hat sich die Erderwärmung in Deutschland bemerkbar gemacht?
Seit 1850 haben wir ein Temperaturanstieg von 1,3 Grad.
In Deutschland sind die letzten zehn Jahre aber schon 2,3 Grad wärmer.
Bis zum Ende des Jahrhunderts
sind wir nach Klimaschutzplänen bei 2,7 Grad.
Bei Deutschland wären das 4,6 Grad.
Zu unserem Wetter.
Der Regen beginnt jetzt schon.
Er arbeitet sich morgen bis zur Mitte.
Im Osten wird es sonnig.
Der Sonntag wird warm.
Er ist weitestgehend trocken.
Das war's von uns.
Hier geht es weiter mit dem "Tatort" aus Weimar.
Wir sehen uns morgen wieder, Ihnen noch einen schönen Abend.
Tschüss, bleiben Sie zuversichtlich.
Copyright Untertitel: NDR 2021