tagesthemen 31.08.2021, 22:15 Uhr - Nach US-Abzug: Taliban übernehmen Kontrolle am Flughafen Kabul, Das Ende des amerika
Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit den tagesthemen.
Diese Sendung wurde vom NDR live untertitelt (31.08.2021)
Heute im Studio: Ingo Zamperoni
Guten Abend.
Ihr habt die Uhren, aber wir haben die Zeit:
Nach der Logik des arabischen Sprichworts mussten die Taliban
nur warten, bis die NATO-Truppen aus Afghanistan abrücken würden.
Es war soweit:
Als um eine Minute vor Mitternacht die letzte US-Militär-Maschine
vom Flughafen Kabul abhob.
Sofort nahmen die alten und neuen Machthaber
diesen letzten Zipfel der Hauptstadt in Beschlag.
Womit die Luftbrücke endete.
Einen Ausweg für Zehntausende, die vor dem Taliban-Regime
fliehen wollen oder müssen, gibt es nur noch über Land.
Für die USA ist dieser Abgang eine Zäsur.
Aus Washington: Verena Bünten.
Der Tag nach dem Abzug aus Kabul:
Demonstrativ lassen die Taliban ihre Elitetruppe
auf dem internationalen Flughafen aufmarschieren.
Posieren für den Moment des Triumphs.
Da, wo gestern Nacht noch US-Soldaten ihren Rückzug abwickelten.
Dank Gott ist Afghanistan endlich frei und unabhängig.
Wir kontrollieren den militärischen und zivilen Teil des Flughafens.
Bald werden wir den Normalbetrieb aufnehmen.
Dem Optimismus haben die Amerikaner Grenzen gesetzt:
73 Flugzeuge und fast 100 Fahrzeuge wurden entmilitarisiert,
also unbrauchbar gemacht.
Generalmajor Chris Donahue hatte in der Nacht zuvor
als letzter US-Soldat afghanischen Boden verlassen.
Der Leiter der US-Evakuierung war schon vor 20 Jahren dabei.
Eine Minute vor Mitternacht hob die letzte Militärmaschine ab –
einen Tag früher als erwartet.
Taliban und Anhänger reagierten mit Feuerwerk und Freudensalven.
Das Pentagon informierte die Amerikaner,
dass der längste Krieg der US-Geschichte beendet sei.
Es ist viel Herzschmerz damit verbunden.
Wir haben nicht alle rausgeholt, die wir rausholen wollten.
Wären wir auch zehn Tage länger geblieben,
hätten wir das nicht gekonnt.
Die Bilanz der Evakuierung:
123.000 Menschen wurden seit Mitte August
von den USA und ihren Verbündeten ausgeflogen.
Unter ihnen 6000 Amerikaner.
Mehr als 100 Amerikaner und Tausende afghanische Ortskräfte
bleiben vorerst zurück.
Auch ihretwegen steht Biden innenpolitisch unter Druck.
In einer Rede verspricht er,
sich für die Zurückgelassenen einzusetzen.
Und verteidigt seine umstrittene Abzugsstrategie als alternativlos:
Uns blieb nur eine Entscheidung.
Der Verpflichtung der vorigen Regierung folgen
und Afghanistan verlassen.
Oder nicht gehen und Zehntausende zurück in den Krieg schicken.
Eine Wahl zwischen Rausgehen und Eskalation.
Die Niederlage am Ende von Amerikas längstem Krieg
lässt sich dennoch kaum beschönigen.
Siegestaumel im Südosten Afghanistans.
In einer Prozession werden die Besatzungsmächte zu Grabe getragen:
Die Särge zeigen die Flaggen der NATO, der USA,
Frankreichs und Großbritanniens.
Ernüchterung in Washington:
Zwei Drittel der Amerikaner glauben laut Umfragen,
dass der Afghanistan-Krieg vergeblich war.
Es bleibt das Gedenken an Gefallene und viel Bitterkeit.
Die USA beenden den längsten Kriegseinsatz ihrer Geschichte.
Endet endgültig das,
was als das "amerikanische Jahrhundert" bezeichnet wird?
Eine Ära, in der die USA global eine politische
und wirtschaftliche Vormachtrolle einnehmen?
Der Aufstieg der USA beginnt mit ihrem Eintritt
in den Ersten Weltkrieg im April 1917.
Einen Kreuzzug für die Demokratie
nannte ihn der damalige Präsident Wilson.
Nach dem Krieg gewinnt das Land
mehr Einfluss in der Welt und siegt im Zweiten Weltkrieg.
Mit den Alliierten besiegt man im Mai 1945 Hitler-Deutschland
und den Faschismus.
Danach teilt sich die Welt in zwei Blöcke.
Die USA bleiben im Kalten Krieg
die führende Stimme der Freiheit und Demokratie.
Gleichzeitig lockt eine boomende Wirtschaft
mit den Versprechungen des American Dream:
Des Traums von Aufstieg und Wohlstand.
Nach dem Fall der Mauer scheint sich
das westliche System durchgesetzt zu haben.
Spätestens die Anschläge vom 11. September 2001 zeigen,
dass die USA nicht unangefochten Weltmacht sind.
20 Jahre nach ihrem Einmarsch in Afghanistan
zieht die US-Armee wieder ab.
An der Macht sind wieder die Taliban.
Markiert das das Ende des amerikanischen Zeitalters?
Darüber schrieb der Politikwissenschaftler der Uni Köln,
Thomas Jäger, ein Buch.
Ich habe mit ihm über diese Frage diskutiert.
Guten Abend, Herr Jäger. Guten Abend.
Über 100 Jahre währt dieses amerikanische Zeitalter.
Ist dieser Abzug aus Afghanistan
ein endgültiger Schlussstrich unter diese Weltordnung?
Es ist ein Nachklang.
Eigentlich war die Zäsur 2011, als der arabische Frühling endete.
Als in Libyen der Staat zerfiel und in Syrien der Bürgerkrieg anhob.
Es hat zehn Jahre noch gedauert, bis man aus Afghanistan abzog.
Muss der Westen jetzt den Anspruch auf eine Vorherrschaft,
auch auf eine moralische, vollends aufgeben?
Nein, das muss er nicht.
Aber er hat den Anspruch schon zehn Jahre aufgegeben,
dass sich das durchsetzen lässt.
Deswegen ist der Abzug jetzt folgerichtig.
Die US-Regierung sagt, sie wird da noch eingreifen,
wo nationale Interessen betroffen sind.
Das war in Afghanistan nicht der Fall.
Da, wo Interessen nicht anliegen,
engagiert man sich nicht entsprechend.
So war das in Afghanistan auch.
Die Bundesregierung hat den Einsatz verkauft mit dem Satz,
die Sicherheit Deutschlands werde am Hindukusch verteidigt.
Es gab ein Interesse daran, dort Terrorgruppen zu bekämpfen.
Das wurde ja am Anfang auch getan.
Der amerikanische Außenminister hat gesagt,
man solle sich keine Illusionen machen:
Es werde weiter Anti-Terror-Kampf in der Region geben.
Aber der Aufbau einer Gesellschaft nach eigenem Bild:
Das ist vom Tisch.
Die Vorstellung, die in den 90ern und 00ern herrschte,
dass Russland und China demokratisch würden.
Dass eine Welle der Demokratie ausgeht von den USA und Europa,
die moralisch noch kräftiger hinter der Demokratie stehen
und nicht militärisch eingreifen:
Diese Blauäugigkeit ist historisch erledigt.
Das wird es also so schnell nicht mehr geben.
Sehen Sie darin einen Abstieg des Westens
und der liberalen Weltordnung?
Wir sehen ja, wie illiberale Staaten versuchen,
die Weltordnung neu zu gestalten.
China ist da auf dem Vormarsch.
Das ist kein Abstieg des Westens oder der Demokratie.
Auch kein Abstieg des Anspruchs,
demokratische Formen weltweit zu fördern.
Aber andere sind aufgestiegen.
China hat die Demokratien herausgefordert.
Die USA sind nicht mehr die alleinige Weltmacht.
Sie können nicht mehr ohne Widerstand überall eingreifen.
Das ist für die Europäer eine völlig neue Welt,
in der sie in Afghanistan erfahren, wie hilflos sie sind.
Was heißt das für uns Europäer und für Deutschland?
Das, worüber man 20 Jahre geredet hat,
muss man nun ernst nehmen.
Man muss handlungsfähig werden.
Es gibt in der EU die Debatte über strategische Autonomie.
Man sollte das Brötchen etwas kleiner backen.
Die Handlungsfähigkeit würde reichen,
die man im Zusammenspiel mit den USA nutzen könnte.
Aber da tragen die Europäer ganz wenig bei.
Unter Präsident Trump hieß es,
wir Europäer müssten selber mehr Verantwortung übernehmen.
Da gab es auch den Vorstoß von Frankreichs Präsident Macron.
Aber diese Debatte ist versandet.
Ja, mit dem Brexit wurde gefeiert, der Bremser sei weg,
jetzt könnte man endlich loslegen.
Aber sie schaffen keine Handlungsfähigkeit.
Das Problem der Europäer ist:
Sie reden viel und produzieren schöne Texte.
Aber sie haben nichts zu bieten.
Daran hat sich die letzten 20 Jahre nichts geändert.
Die Frage wird sein, ob die Europäer jetzt in eine Welt eintreten,
in der China und die USA um die Vorherrschaft streiten werden.
In der sie diese Fähigkeiten aufbauen können.
Müssen wir uns nicht fragen:
Sind wir in der Lage, Verantwortung zu übernehmen,
wenn jede Mission beendet ist, wenn die Amerikaner sich rausziehen?
Das ist es der momentane Zustand.
Wir Europäer alleine sind nicht handlungsfähig.
Die große Frage ist, ob Afghanistan und alles,
was in den letzten zwei Wochen erfahren haben, den Schub gibt,
dass die Europäer fragen: Was wollen wir können?
Ob sie das können, wird darüber entscheiden,
ob die EU ihrem Anspruch, ein globaler Akteur zu sein,
gerecht werden kann.
Prof. Jäger, vielen Dank. Sehr gern.
Nach dem Abzug der US-Amerikaner bleibt völlig offen,
wie es weitergeht für Zigtausende, die vor den Taliban fliehen.
Sie wollen das Land auf der Suche nach Sicherheit verlassen.
Das geht erst mal nur noch über den Landweg in eines der Nachbarländer
wie Pakistan.
Und dort, in Islamabad, hat heute Außenminister Maas
um Unterstützung für die Schutzsuchenden gebeten.
Lange war Pakistan Zufluchtsort für Millionen von Afghanen.
Und jetzt? Markus Spieker.
Dichtes Gedränge an der Chaman Border,
einem der wichtigsten Grenzübergänge Pakistans.
Zigtausende warten hier, wollen über die Grenze
und weiter ins Landesinnere.
Die meisten sind Flüchtlinge, aber nicht alle.
Einige wollen für immer nach Pakistan,
manche nur für ein paar Tage.
Die einen haben Angst vor den Taliban,
die anderen wollen sich in Pakistan medizinisch behandeln lassen.
Wer gesundheitliche oder geschäftliche Gründe hat,
darf passieren, alle anderen nicht.
Einige Flüchtlinge lassen die Grenzbeamten durchschlüpfen.
Ich bin aus Kabul geflohen.
Ich habe eine Woche gewartet, manche warteten noch länger.
Wenn man keine Papiere hat und nicht aus der Gegend ist,
ist es ganz schwer.
In den vergangenen Jahrzehnten
flohen bereits 3 Mio. Afghanen nach Pakistan.
Damals war die Grenze nicht wie heute fast durchgängig gesichert -
mit Stacheldraht und Grenzposten.
Heute, so heißt es von der Regierung, sei die 2500 km lange Grenze
ohne Berechtigung nicht passierbar - und Flüchtlinge nicht willkommen.
Auch in Islamabad ist die Lage in Afghanistan das Top-Thema.
Die verbreitete Meinung:
Man solle keine weiteren Afghanen aufnehmen.
Wir haben selbst schon große Probleme
und haben schon viele Flüchtlinge aufgenommen.
Wenn wir sie aufnehmen würden: Wie wollen wir sie versorgen?
Unsere Wirtschaft steckt in der Krise.
Dieselbe Linie vertritt Pakistans Außenminister
im Gespräch mit seinem Amtskollegen aus Deutschland.
Ziel müsse sein, eine neue Flüchtlingswelle zu verhindern.
Woran wir arbeiten müssen und worüber wir geredet haben, ist:
Warum schaffen wir nicht innerhalb Afghanistans ein Umfeld,
in dem es keine Gründe für eine Flucht gibt?
Indem man, wenn möglich, mit den Taliban kooperiere.
Dazu will Heiko Maas nichts sagen.
Ihm geht es um die in Afghanistan lebenden Deutschen und Ortskräfte.
Wir wollen als Bundesregierung dafür sorgen,
dass diejenigen auch in Zukunft das Land verlassen können.
Auch nach dem Ende der Luftbrücke.
Dafür bekommt er von Pakistan Unterstützung zugesichert.
Dann wirft er einen Blick zurück auf die letzten 20 Jahre
und die Lehre daraus:
Terrorismus bekämpfen, Frieden schaffen,
die Verletzung von Menschenrechten beenden:
Da sind militärische Interventionen nicht geeignet,
um langfristig eine Staatsform zu exportieren.
Wie um zu bekräftigen, dass man auf eine friedvolle Zukunft hofft,
pflanzen die Minister einen Baum.
Ein zartes Pflänzchen, das neben Hoffnung auch Ohnmacht suggeriert.
Viele in Afghanistan haben die Hoffnung aufgegeben
auf ein friedvolles Land.
Sie wollen nur raus, nicht nur in die Nachbarländer,
sondern sie suchen auch Schutz in Europa.
Wieder steht die Union der europäischen Länder vor der Frage:
Wie helfen wir am besten diesen Menschen?
Da ist man sich uneinig.
Michael Grytz.
Das Treffen begann wie immer in den letzten sechs Jahren,
wenn es um Flüchtlingsfragen ging – mit Streit.
Ortskräfte, die für europäische Institutionen
oder Hilfsorganisation gearbeitet haben, will man aufnehmen.
Andere Flüchtlinge wollen viele nicht.
Österreich und Slowenien lehnen das ab.
Offene Kritik aus Luxemburg.
Ich kritisiere die Einstellung des österreichischen Kanzlers.
Was er im Sinne hat, wie auch der Präsident von Slowenien,
damit nur keine Flüchtlinge nach Europa kommen.
Das ist für meine Einstellung genau das Falsche,
was die EU zu tun hat.
In Berlin reagiert der österreichische Kanzler:
Wir haben einen überproportional großen Anteil
an Menschen seit 2015 aufgenommen.
Wir haben die viertgrößte afghanische Community weltweit.
Trotz des Streites einigten sich die Minister,
genauer festzulegen, wer aufgenommen werden soll.
Wenn man definiert, wer ist besonders bedroht,
wer muss besonders leiden?
Den Leuten müssen wir helfen.
Der Fortschritt heute gegenüber vorher ist,
dass alle Staaten diese Linie vertreten.
Innerhalb eines Aktionsplans soll die EU-Kommission
eine solche Definition finden und, wer darunter fällt.
Es müsse schnell gehen, so Seehofer.
Sonst drohten der EU schwierige Monate.
Die EU und der Umgang mit afghanischen Flüchtlingen.
Dazu die Meinung Markus Preiß.
Kaum waren die Bilder vom Flughafen Kabul um die Welt,
da begann die Diskussion.
2015 dürfe sich nicht wiederholen.
Genau, sagen die einen, nicht vergleichbar, die anderen.
Aufgeregt und ideologisch aufgeladen.
Irgendwo zwischen Das Boot ist voll und Wir schaffen das.
Der richtige Satz wäre:
Die Fehler von 2015 dürfen sich nicht wiederholen.
Der erste Fehler war, nicht zu sehen, welche politische Sprengkraft
die Ankunft Hunderttausender Flüchtlinge hat.
Idealismus allein ist keine Antwort.
Wir können nicht jeden aufnehmen, der kommen will.
Dafür gibt es in der EU keine demokratische Mehrheit.
Also einfach Grenzen zu, Modell Orban?
Auch das wäre ein Fehler, der sich nicht wiederholen sollte.
Es gibt Menschen, denen wir verpflichtet sind.
Weil sie für uns gearbeitet haben
oder weil sie an die Werte glauben, die wir ihnen gepredigt haben.
Für sie muss die Tür der EU offenstehen.
Wir müssen Sie gezielt aus der Region holen
und nicht warten, bis sie uns finden.
Wir müssen sie solidarisch in der EU verteilen,
auch wenn es viele 10.000 sind.
Der dritte Fehler von 2015 wäre, wenn die EU wieder erst mal abwartet.
Jetzt ist die Zeit, Afghanistan humanitär zu helfen,
mit viel Geld, auch den Nachbarstaaten.
Dass Heiko Maas dort vorspricht, ist ein Fortschritt.
Die Verzweiflung in Afghanistan wird die EU nicht rückgängig machen.
Wir sollten mit dieser Lage anders umgehen als 2015.
Horst Seehofer war heute optimistisch:
Afghanistan erhöhe die Chancen auf eine Asylreform in der EU.
Ich bin gespannt.
Nichts führt in Brüssel so schnell in erbitterte Grabenkämpfe
wie das Wort Flüchtlinge.
Die Meinung von Markus Preiß.
Wir machen weiter mit einer positiven Meldung in der Pandemie:
Erstmals seit Anfang Juli ist die Inzidenz deutschlandweit gesunken.
Wenn auch nur leicht, von 75,8 auf 74,8.
Das ist nicht der Grund,
warum derzeit viele Impfzentren dicht machen.
Es liegt auch daran, dass sie vielerorts wieder so leer aussehen
wie Anfang des Jahres.
Damals lag das am mangelnden Impfstoff.
Jetzt liegt es auch an der mangelnden Nachfrage.
Die Hausärzte sollen vornehmlich übernehmen.
Heute hatte das größte Impfzentrum Deutschlands
zum letzten Mal seine Tore geöffnet.
Andreas Hilmer war zum Abschied in den Messehallen in Hamburg.
Letzter Tag in Hamburgs Impfzentrum.
Alles ist wie immer, aber doch nur fast.
Natürlich wird weiter geimpft.
Doch nach acht Monaten liegen bei Helferinnen und Helfern
Abschied und Wehmut in der Luft.
Wir sind so 'n Cluster, 'n festes Team geworden.
Der Abschied fällt schwer.
Für Impfarzt Mario Ehlers kommt sein letzter Piks.
Monatelang war er einer von 900 Medizinern.
Schon 'n bisschen traurig. Aber das Leben geht weiter.
Wichtig ist, dass es weitergeht.
Er war der Herr über Hamburgs große Impfoffensive:
Dirk Heinrich,
auch am Schlusstag legt er gut 10 km zwischen den Impfstraßen zurück.
Das Hamburger Ergebnis: 1,2 Mio. Impfungen in acht Monaten.
Jetzt hat das Impfzentrum ausgedient.
Wir haben nicht mehr so viele, die wir impfen wollen.
Die müssen wir aufsuchen, ansprechen.
Das sind die Menschen, die mehr Überzeugung brauchen,
die zögern, die zaudern.
Das ist besser, in mobilen Teams besser aufgehoben.
In einem Aufenthaltsraum trifft sich die Frühsicht nach Dienstschluss -
ein letztes Mal.
Teamleiter Mustafa hat Speisen seiner Heimat mitgebracht.
Gemeinsam haben sie ihre Impfstraße organisiert,
jetzt gibt's gemeinsames Essen.
Es ist unser letzter Tag.
Ich komme aus Afghanistan.
Ich wollte meine Mitmenschen, Arbeitskollegen,
jetzt meine Freunde, denen 'ne kleine Freude machen.
Sodass wir nicht traurig sind,
sondern durch das Essen glücklich wirken können.
Das war die letzten Monate fast wie 'n Zuhause hier.
Man hat viele Leute kennengelernt.
Viele Charaktere.
Ich geh hier mit Wehmut.
War 'ne superschöne Zeit hier.
Viele kommen aus aus anderen Berufen,
die sie wegen Corona nicht ausüben konnten.
Hotelfachfrauen saßen am Empfang,
Eventprofis organisierten den Nachschub.
Jacob ist sonst DJ, heute hilft er bei der Pressearbeit.
Ab morgen könnten in diesen Hallen wieder Handelsmessen stattfinden,
heute strömen noch einmal die letzten Impfwilligen herbei.
Ich war im Urlaub, bin zurück und direkt hierher,
direkt vom Flughafen.
Letzte Möglichkeit heute, go for it!
Im Endeffekt ich hab mich entschieden:
Ich möchte mich impfen lassen.
Auch das Team der Impfkümmerer am Eingang gibt noch mal alles:
Helfen, anpacken, immer lächeln.
Für Erinnerungen an ihren Jahrhundert-Einsatz
bleibt auch noch Zeit.
Viele, die hier monatelang mitgearbeitet haben,
erinnern sich an besondere Geschichten.
Zum Beispiel an die Frau, die Angst hatte.
Eine Kindergärtnerin.
Die hatte furchtbar Angst vor Spritzen.
Wir sind extra heute verabredet.
In einer Stunde kommt sie wieder.
Ich hab ihr versprochen, dass ich sie wieder begleite
und ihr Händchen halte und wir das hinkriegen.
Zwischen den Impfkabinen zieht Dirk Heinrich noch einmal eine Runde.
Es sind ruhige letzte Stunden, bevor hier alles abgebaut wird.
Bis zum Schluss unterstützt von einer kunterbunten Schar von Helfern.
Zeit, zurückzublicken.
Auf gute und schlechte Impfzeiten.
Die Tage, an denen wir nur 500 Menschen impfen konnten,
weil kein Impfstoff da war und viele geimpft werden wollten.
Wir hatten die Probleme mit Leuten,
die sich reinschleichen wollen und gemogelt hatten:
Das war die große Herausforderung.
Und die Tage, als wir viel geimpft haben.
Das Zentrum war auf 7500 ausgelegt.
Es gab Tage, an denen wir 10.500 geimpft haben.
Am Abend ist Schluss mit Impfen in den Messehallen.
Abschied nehmen vom Abenteuer Riesen-Impfzentrum.
Auch der Chef und sein tapferer Teamleiter wollen sich wiedersehen.
Irgendwann.
In unserer Serie zur Bundestagswahl "Wer will was?" schauen wir darauf,
was die Parteien vorhaben, bei den wichtigsten Themen.
Was sie tun wollen, sollten sie an die Regierung kommen.
Das vielzitierte "Weiter so"
kann es bei Verkehr und Mobilität nicht geben.
Das weiß jeder, der auf Rädern unterwegs ist
und meist nicht vorwärts kommt oder auf dem Land festhängt.
Beim Thema Verkehrswende
gibt es mindestens so viele Ideen wie Verkehrsmittel.
Kirsten Girschick und Iris Völlnagel.
Einfach freischalten, den Stecker rausziehen.
Gisbert Roos ist viel flexibler unterwegs,
seit das E-Dorfauto in Morshausen steht.
Manchmal braucht man auf die Schnelle etwas,
'ne Kleinigkeit, ein Medikament.
Da war das optimal.
Seine Frau braucht das Familienauto täglich.
Wenn er für seine Mutter einkaufen fährt,
muss er sonst Mitfahrgelegenheiten suchen.
Der Rhein-Hunsrück-Kreis ist Pendlerland.
Ohne Auto geht es für viele nicht.
Trotzdem will der Kreis klimaneutral werden.
Dank Windkraft, Sonne und Biomasse ist das bei Strom und Wärme gelungen.
Im Verkehr steigt der CO2-Ausstoß sogar.
Mit dem dörflichen Carsharing-Angebot
will der Kreis ein Umdenken anstoßen.
Man muss die Alltagstauglichkeit von E-Mobilität wortwörtlich erfahren.
Es ist für Menschen mit Zweit- oder Dritt-Auto
viel wirtschaftlicher, sich ein Auto in der Nachbarschaft zu teilen.
Carsharing auf dem Land gab es nicht.
Bis der Kreis es möglich gemacht hat.
Egal ob im Carsharing oder im Privatbesitz:
Neben dem Ausbau des öffentlichen Verkehrs sind für die Grünen
E-Autos entscheidend für klimaneutrale Mobilität.
Ab 2030 soll es nur noch emissionsfreie Fahrzeuge geben.
Dann werden keine anderen Fahrzeuge mehr neu zugelassen.
Das muss man der Industrie mitteilen.
Sie müssen sich drauf einstellen.
Die FDP lehnt ein pauschales Verbot von Verbrennungsmotoren ab.
Wir brauchen im Bereich der Pkw mehr Technologieoffenheit.
Wenn wir an die Klimaziele denken,
müssen wir auf alternative Kraftstoffe setzen.
Auch an den Bestand denken.
Autofahren sollte beim Kauf und Betrieb nicht zum Luxusgut werden.
Für die Sicherheit und um CO2-Emissionen zu senken,
wollen Grüne, Linke und SPD ein Tempolimit auf Autobahnen.
CDU, FDP und AfD lehnen es ab.
Die AfD sieht Klimaschutzmaßnahmen im Verkehr skeptisch.
Die angestrebten CO2-Reduktionen im Verkehrssektor sind so minimal,
dass sie sich auf den CO2-Gehalt der Atmosphäre nicht auswirken.
Deshalb sollte man überlegen, ob das ein sinnvoller Schritt ist,
das Leben zu verkomplizieren.
SPD und Grüne wollen Inlandsflüge auf die Bahn verlagern,
die Linke will Flüge unter 500 km verbieten.
FDP, AfD und Union lehnen Einschränkungen des Flugverkehrs ab.
Wir möchten den Menschen die Freiheit lassen, zu fliegen,
klimaneutral mit neuen und synthetischen Kraftstoffen.
Die Menschen sollen über ihre Mobilität selber entscheiden.
Gut ausgebauter Bahnverkehr
ist aber innerhalb Deutschlands eine Alternative.
Da wollen alle bessere Verbindungen.
Die FDP will den Betrieb auf der Schiene privatisieren.
Die SPD will die Bahn in öffentlicher Hand behalten.
Substantielle Investitionen in die Schiene.
Wir brauchen den Europatakt, wir müssen schneller bauen.
Wir müssen das Schienensystem auf Vordermann bringen,
Digitalisierung im Schienengüterverkehr.
Eine Mobilitätsgarantie zwischen 6 und 22 Uhr mit Bus und Bahn,
auch auf dem Land, fordert die Linke - preisgünstig.
Kostenloser ÖPNV ist ein längerfristiges Ziel.
Wir wollen es schrittweise erreichen.
Das erste ist, die Preise deutlich zu senken.
Wir wollen Pilotprojekte ausprobieren.
Das ist überzeugend gut und günstig.
Im Rhein-Hunsrück-Kreis
hat das Projekt E-Dorfauto schon einige überzeugt.
Auf ein E-Auto umzusteigen
oder statt Zweitwagen lieber aufs Carsharing zu setzen.
Der Nachbar-Landkreis will das Modell nun auch übernehmen.
Eine Zahl hat uns bisher durch die Corona-Pandemie begleitet:
Die Inzidenz.
Das wird sich jetzt langsam ändern.
Das Kabinett rückt die Belegung der Klinikbetten in den Fokus.
Weitere Nachrichten mit Susanne Daubner.
Bisher war die Zahl der Infizierten pro 100.000 Einwohner
innerhalb einer Woche der Maßstab für Beschränkungen oder Lockerungen.
Nun soll die Hospitalisierungsrate das entscheidende Kriterium
in der Corona-Krise sein:
Die Zahl derer, die in Kliniken behandelt werden.
Wann kritische Schwellen erreicht sind, sollen die Länder entscheiden.
Es wird erwartet, dass die Vorlage aus dem Kabinett
im parlamentarischen Verfahren noch verändert wird.
Die Lage am Arbeitsmarkt bessert sich weiter,
trotz Corona-Krise und Sommerpause.
Arbeitsminister Heil spricht von "positiven Trends".
Die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit:
Google will bis 2030 eine Milliarde Euro in Deutschland investieren.
Der Konzern will das Geld v.a. in IT-Infrastruktur stecken.
Anja Kohl.
Seit Jahren gehen die Investitionen von US-Konzernen
in Deutschland zurück.
Dass Google jetzt investiert, lässt aufhorchen.
Das Geld fließt in ein Rechenzentrum in Hanau, in die Rhein-Main-Region,
die sich zu einem attraktiven IT-Standort gemausert hat.
Zudem investiert Google in Berlin-Brandenburg.
Da entstanden Rechenzentren mit Diensten
zum Speichern von Daten in der Cloud.
Da diese Zentren viel Strom fressen,
steckt Google Geld in die Produktion grünen Stroms.
Den soll der Energiekonzern ENGIE Deutschland liefern.
Mit dem grünen Strom können die Amerikaner
die strengeren CO2-Vorgaben in Europa leichter erfüllen.
Sie geben sich so einen umweltfreundlicheren Anstrich.
Das wachsende Geschäft mit der Cloud verspricht Gewinne.
Wie dadurch Jobs in Deutschland entstehen, ließ Google heute offen.
Eine Goldmedaille bei den Paralympics zu gewinnen
ist Herausforderung genug.
Mehr als eine, zeugt von großem Können.
Mehr als eine Goldmedaille in zwei verschiedenen Sportarten -
das ist Sport-Historisch.
Das ist in Tokio Annika Zeyen gelungen.
Das war das Sahnehäubchen an einem auch sonst sehr erfolgreichen Tag
für das deutsche Team.
Christian Materna.
Der heilige Fuji-san steht hier seit über 100.000 Jahren.
So etwas wie heute hat auch er noch nicht erlebt.
Annika Zeyen gewinnt nach Gold 2012 im Rollstuhl-Bastketball
ihre erste Goldmedaille mit dem Handbike.
In in einer Einzeldisziplin.
Ich lag deutlich hinter der Amerikanerin und der Italienerin.
Ich hätte nicht gedacht, das in der letzten Runde aufzuholen, schön!
Mit eisernem Willen zu Gold.
Vor zwei Jahren erst wechselte sie vom Basketball-Rollstuhl
in den Renn-Rollstuhl.
Das Frauen-Zeitfahren der Frauen beschert die zweite Goldene heute.
Jana Majunke aus Cottbus dominiert die komplette Konkurrenz.
Selbst die aus dem eigenen Lager.
Dreock-Käser erkämpft sich in dem Rennen Bronze.
Mit ganz anderen Voraussetzungen:
Die beeindruckendste Geschichte des Tages:
Die 54-Jährige verlor vor vier Wochen ihren Ehemann Max.
Mein Mann wünschte sich, dass ich 'ne Medaille hole.
Für den Maxi ist das.
Und die ist für Vico.
Je Silber gewinnen der Berliner Merklein
und Steffen Warias aus Tübingen.
Drei weitere Bronze-Medaillen komplettieren die tolle Leistung.
Achtmal Edelmetall,
an einem historischen Tag für das deutsche Para-Radsport-Team.
Und für den heiligen Fuji-san.
Das Wetter hat sich heute oft von seiner sonnigen Seite gezeigt.
Claudia, macht es so weiter?
Ja.
Heute gab es im Süden noch dichte Wolken.
Die werden mehr und mehr verschwinden.
Aber an die Temperaturen von 2019 kommen wir nicht dran.
Der August kann also anders.
Im Moment stehen wir unter Hochdruckeinfluss.
Darum war es heute im Nordwesten sonnig.
Das Hochdruckgebiet wird uns noch bis zum Wochenende
recht viel Sonne bringen.
Aber es schwächt ab und zieht nach Nordosten ab.
Am Wochenende gibt es erste Schauer und Gewitter.
Bis dahin gibt es aber sonniges Spätsommerwetter.
Nachts gibt es einige Schauer in Bayern.
Von Nordwesten kommen dichtere Wolkenfelder.
Morgen dann ein paar Auflockerungen.
Morgen früh wird es ganz schön kalt.
Am Donnerstag im Nordwesten dichtere Wolken.
Am Freitag setzt sich das Ganze fort.
Das waren die tagesthemen.
Hier geht's weiter mit dem Film "In Berlin wächst kein Orangenbaum".
Das nachtmagazin informiert Sie um 0.20 Uhr.
Wir machen das morgen Abend wieder.
Tschüss, bleiben sie zuversichtlich.
Copyright Untertitel: NDR 2021