Wer ist Annalena Baerbock?
Das Jahr 2021 könnte in Deutschland ein Jahr sein,
das in die Geschichte eingeht, mit einer Reihe an Premieren.
2021 könnte zum ersten Mal seit Bestehen der Bundesrepublik
eine Partei die meisten Sitze im Bundestag haben,
die nicht CDU oder SPD heißt, sondern "Die Grünen". 2021 könnte auch das Jahr sein, in dem die Grünen zum ersten Mal
der größere Koalitionspartner in einer Bundesregierung sind.
Das wiederum würde bedeuten, es gäbe eine grüne Bundeskanzlerin.
Und auch da hätten wir eine Premiere.
Zum ersten Mal hätte Deutschland eine Kanzlerin,
die jünger ist als alle ihre Vorgänger.
Sie wäre sogar halb so alt wie Konrad Adenauer beim Amtsantritt war,
also der erste Bundeskanzler in Deutschland.
Das hier ist die Frau, die so viel an neuen Dingen mitbringen würde:
Annalena Baerbock.
40 Jahre alt, Co-Chefin der Grünen und Kanzlerkandidatin ihrer Partei,
die jüngste aller Zeiten.
Wer ist diese Frau? Wofür steht sie?
Was sagen ihre Gegner und Befürworter?
All das klären wir jetzt.
(Dynamische Musik)
An dem Tag, an dem eine kleine Sensation verkündet wird,
gibt es eine Person, die geknickt ist.
Lange Zeit hat sie auf diesen Moment hingearbeitet
und dann war alles umsonst.
Es hat nicht geklappt. Das ist bitter.
Vor allem, weil die Person sich als ein Sexismus-Opfer sieht.
Das sagt die Person kurze Zeit später in einem Interview.
Das gute Aussehen ist am Ende kein Vorteil,
sondern ein Nachteil.
Dabei hätte es da auch was zu erzählen gegeben,
über die Person.
Erfolgreiche Wahlkämpfe, ein Ministeramt,
Regierungsverantwortung.
Aber gezählt hat das am Ende kaum.
Ihr werdet es euch schon gedacht haben:
Es ist Robert Habeck.
Seit 2018 einer der beiden Vorsitzenden
der Partei "Die Grünen", und so etwas wie der George Clooney unter den Politikern.
Über seine Arbeit wird kaum gesprochen,
dafür umso mehr über sein Aussehen.
Dabei wollte Habeck unbedingt Kanzlerkandidat der Grünen werden
und nach der Wahl seinem Land als Bundeskanzler dienen.
Hat aber nicht geklappt.
Damit wird es zumindest vorerst nichts.
Denn Kanzlerkandidatin der Grünen ist Annalena Baerbock.
Das hat Robert Habeck selbst verkündet.
Er sagt: "Darauf haben wir uns geeinigt." In beiderseitigem Einvernehmen angeblich.
Was sagt das aus über Annalena Baerbock,
dass sie es schaffte,
einen so beliebten, bekannten Kollegen auszustechen?
Womit konnte sie ihre Partei überzeugen?
Wie argumentieren die, die ihr zutrauen, Kanzlerin zu werden?
Schauen wir uns zuerst mal diese Perspektive an.
Die Perspektive der Befürworter:innen,
wie man bei den Grünen sagt.
Was sagen die konkret?
Für ihre Anhänger ist Baerbock ein ganz neuer Typ Politikerin.
Jung, trotzdem erfahren, engagiert in der Sache
und immer glaubwürdig für ihre Kernthemen unterwegs.
Das sieht man, sagen die Befürworter, schon an der Biografie von Baerbock.
Als sie ein Kind war, haben ihre Eltern sie mitgenommen auf Demos
für Abrüstung und für Frieden.
Schon als Jugendliche hatte sie ein Poster von Greenpeace an der Wand,
weil ihr Umweltschutz so wichtig war.
Anstatt Journalistin zu werden, was sie zuerst vorhatte,
wollte sie sich aktiv dafür einsetzen,
dass sich im Land etwas ändert.
Genau so kam sie zur Politik.
Es macht mir einfach Spaß, aktiv zu sein.
Das hat Baerbock mal in einem Interview gesagt.
Genau das schätzen ihre Befürworter an ihr.
Dass sie nicht nur redet, sondern auch direkt macht.
Ihr komplettes bisheriges Berufsleben hat sie der Politik gewidmet.
Nach einem Studium in Hamburg und London
wurde sie Büroleiterin einer Europaabgeordneten,
danach Referentin der Bundestagsfraktion der Grünen.
Parteimitglied ist sie seit 17 Jahren, nach längerer Überlegung,
wie sie erzählte.
Auch hier spielt eine geschätzte Eigenschaft eine Rolle:
Pragmatismus. Zitat:
Das heißt also, die Möglichkeit, Dinge zu gestalten,
ist Baerbock offenbar wichtiger, als politische Grabenkämpfe zu führen.
Bei den Grünen zählt sie deshalb zum Flügel der sogenannten Realos.
Unter anderem deshalb wurde sie auch zur Kanzlerkandidatin ihrer Partei.
Eben weil sie eine Linie hat,
auf die sich im Zweifelsfall auch Leute einigen können,
die mit den Grünen ansonsten eher weniger am Hut haben
und mit dem Programm der Partei nicht viel anfangen können.
Dinge wie Identitätspolitik sind ihr weniger wichtig,
sagen Beobachter, als Themen wie:
Auch hier meinen ihre Befürworter, das ist genau der richtige Stil,
wenn man möglichst viele Menschen mitnehmen will.
Menschen mitnehmen, das ist generell so eine Sache,
die Baerbock immer zugeschrieben wird.
Als sie 2009
ehrenamtliche Landesvorsitzende der Grünen in Hamburg wurde,
ist es ihr gelungen, die Partei dort innerhalb kurzer Zeit zu einen
und erfolgreich durch die Wahl zu bringen.
Nach langen Jahren in Abwesenheit, genauer gesagt nach 15 Jahren,
kamen die Grünen unter Baerbock wieder in den Landtag in Brandenburg,
da sie es schaffte, dass alle Lager an einem Strang ziehen.
Egal welche politische Haltung man genau in der Partei hatte.
2013 gab's den nächsten großen Schritt für Baerbock: den Einzug in den Bundestag.
Mit 32 und einer zwei Jahre alten Tochter.
"Tolle Leistung", sagen ihre Anhänger und sehen in ihr ein Vorbild für junge, selbstbestimmte und -bewusste Frauen.
Bis zu ihrer ersten dokumentierten Rede im Bundestag
dauerte es noch zwei Jahre, aber auch hier blieb sie sich treu.
Die Themen, die ihr lange wichtig waren,
teilweise seit ihrer Jugend,
hat sie sich als Schwerpunkte für die Arbeit im Bundestag rausgesucht.
Am 16.12.2015 ging es bei ihr in einer Rede um Europa,
ein Tag später ums Klima, dann der Kohleausstieg,
dann wieder das Klima - also wirklich diese Themen.
Die Zukunft der nachfolgenden Generationen,
das ist was, das sie umtreibt, sagen Leute, die Baerbock kennen,
und das wird an ihr geschätzt.
Sie weiß, wovon sie spricht, sie ist gut informiert
und sie bliebt sachlich.
Auch in den Verhandlungen zu einer Koalition mit Union und FDP
nach der letzten Bundestagswahl.
Die hat Baerbock für die Grünen mit angeführt
und sicherte sich so, sagt man, den Respekt von Angela Merkel.
Letztendlich hat es ja nicht geklappt, mit dieser Koalition,
aber es steigerte ihren Bekanntheitsgrad.
In einem Porträt über Baerbock aus dem Jahr 2014,
aus dem ich mehrfach zitiert habe,
das in der Infobox verlinkt ist, heißt es:
Damit hat man alles ganz gut zusammengefasst,
was ihre Befürworter über sie sagen.
Könnte so auf einem Wahlplakat stehen.
Man traut Baerbock absolut zu, Kanzlerin zu werden,
da sie, so die Befürworter,
die Politik der Grünen glaubhaft verkörpert,
ohne verkrampft zu sein und auf Prinzipien herumzureiten.
Sie gilt auch außerhalb der Partei als gut vernetzt.
Das könnte ihr als Bundeskanzlerin in die Karten spielen.
Aber ein großes Manko gibt es bei Annalena Baerbock.
Und da sind wir auch schon direkt beim nächsten Punkt,
genauer gesagt, bei der nächsten Frage.
Annalena Baerbock hat keine Erfahrung im Regieren.
Anders als ihr Parteikollege Robert Habeck,
war sie bisher weder Ministerin noch sonst in einer Regierungsrolle.
Nichts davon hat sie gemacht. Genau da setzen die Kritiker an.
"Wie soll jemand Bundeskanzlerin werden, der so eine Referenz fehlt? ", ist die Frage. Mit den Worten eines Kommentars aus dem Magazin "Der Spiegel" heißt es wörtlich:
Der Autos dieses Kommentars, Ralf Neukirch,
geht noch einen Schritt weiter:
Das heißt im Klartext:
Baerbock hat es nur deshalb geschafft, weil sie eine Frau ist
und die Grünen damit ein Zeichen setzen wollten.
So sehen das zumindest einige ihrer Gegner.
Sie verweisen auf ihre Biografie und stellen fest,
so richtig beweisen musste sich Baerbock bisher nie.
Sie führte zwar schon Wahlkämpfe, aber auf der unteren Ebene.
Den Parteivorsitz hatte sie nie allein,
sondern zusammen mit Robert Habeck, einem erfahrenen Politiker.
Eine Rolle spielt dabei auch ihr Alter: 40 Jahre.
Das sind 11 Jahre weniger als bei Angela Merkel,
als sie Kanzlerin wurde.
Auch damals galt Merkel schon als vergleichsweise jung.
Kann jemand mit 40 Jahren
schon so viel Verantwortung für ein Land übernehmen?
"Eher nicht. ", sagen Baerbocks Gegner. Denn auch wenn es zum Beispiel in Österreich oder in Finnland
RegierungschefInnen gibt, die deutlich jünger sind als Baerbock,
ein Land wie Deutschland ist eine andere Hausnummer.
Das ist immer das Argument, allein wegen der Größe
und der Komplexität.
Baerbock selbst sagt:
"Ich bin Parteichefin, ich bin Bundestagsabgeordnete und zweifache Mutter - ich kann einiges abhaben." "Ich bekomme das schon hin." Genau das wird eben nicht von allen geglaubt.
Dann gibt es Kritik an der inhaltlichen Arbeit von Baerbock.
Die wäre, sagen ihre Gegner, nicht konsequent genug.
Auch wenn es um das Wahlprogramm für die Bundestagswahl
im Herbst in diesem Jahr geht.
Die Klimapolitik müsste weitreichender sein,
sagen etwa Fridays for Future,
Die Steuerpläne gerechter, meinen Sozialverbände.
Als Partei, die ursprünglich aus einer Friedensbewegung entstand,
wären die Grünen jetzt viel zu weit in Richtung Aufrüstung gerutscht,
argumentieren zumindest Friedensaktivisten.
Das ist ein ganz interessanter Punkt,
denn das, was die Befürworter als Stärke auslegen,
sehen Baerbocks Gegner als Schwäche.
Also eine pragmatische Herangehensweise,
die auch mal anders sein kann als bisher bei den Grünen.
Daran merkt ihr, Baerbocks Kritiker sind nicht nur außerhalb der Partei,
sondern teilweise auch innerhalb.
Wobei, generell ist sie unter Grünen-Mitgliedern sehr beliebt.
Dann ist da noch Baerbocks Mitgliedschaft
in verschiedenen Organisationen, die nicht allen passt.
Speziell geht es da um zwei bestimme Organisationen.
Zum einen um den German Marshall Fund,
und zum anderen die sogenannten Young Global Leaders.
Der German Marshall Fund ist eine Vereinigung,
die die sogenannten transatlantischen Beziehungen pflegen soll
und vor allem für ein gutes Verhältnis zu den USA sorgen soll.
Mehr dazu findet ihr unten in der Infobox.
Kritiker finden das schwierig und fürchten,
dass die USA zu viel Einfluss bei uns haben.
Bei dem Forum of Young Global Leaders, wie es vollständig heißt,
geht es um eine Art Förderprogramm, ein ganz schön mächtiges,
in dem viel Geld steckt: 4,5 Millionen Franken pro Jahr.
Jedes Jahr werden junge Führungs- kräfte aus der ganzen Welt gewählt,
um an diesem Programm teilzunehmen.
Die durchlaufen einen mehrjährigen Zyklus mit Seminaren, Workshops etc.
und sollen am Ende gerüstet sein, die ganz großen Aufgaben zu übernehmen.
Chefposten in Unternehmen, Vorstände in einflussreichen Organisationen
oder auch Spitzenämter in der Politik.
Das Forum selbst beschreibt es im Bezug auf die Teilnehmer so:
Schon Angela Merkel soll 1992 an so einem Programm teilgenommen haben,
und auch der französische Präsident Emmanuel Macron war dabei.
Da merkt man schon: Es gibt einige mächtige Leute,
die in Verbindung mit diesem Programm stehen oder standen.
Da kann sagen: "Ist doch eine gute Sache." Aber was Kritiker als Problem sehen, ist:
Durchgeführt wird das Programm vom Weltwirtschaftsforum,
finanziert wiederum von einflussreichen großen Konzernen.
Klingt, als würde sich die Wirtschaft
die politischen Eliten von morgen heranzüchten.
So ist es natürlich nicht,
aber dennoch hat es für einige ein Geschmäckle,
dass Baerbock Teil dieses Programms ist.
Übrigens wie Bundesgesundheitsminister Jens Spahn,
beide gehören zur sogenannten Class 2020.
Mehr zum Thema unten in der Infobox.
Für ihre Gegner ist Annalena Baerbock also eine zu junge Politikerin
ohne Regierungserfahrung, mit einer Schlagseite zu den USA
und zur Wirtschaft.
Wobei man natürlich sagen muss,
nicht alle Kritiker teilen jeden dieser Punkte.
Da gibt's auch ein paar Abstufungen. Was heißt das unterm Strich?
Wie stehen ihre Chancen auf das Kanzleramt? Kann es klappen?
Da muss man sagen,
es sieht gar nicht so schlecht aus für Baerbock.
Dass die Grünen an der nächsten Regierung beteiligt sein werden,
das ist ziemlich sicher.
Entweder zusammen mit der Union
oder in Kombinationen mit der SPD, der FDP, der Linken.
Da gibt's diverse denkbare Modelle. Die entscheidende Frage: Schaffen es die Grünen am Ende,
die meisten Stimmen zu bekommen?
Oder so viele, dass sie eigene Mehrheiten bilden können
mit sich als stärkster Partner.
Solange die Union schwach ist, kann das klappen,
aber im Wahlkampf kann noch viel passieren.
Mich interessier: Wie schätzt ihr das ein?
Könnte Annalena Baerbock
die nächste Bundeskanzlerin in Deutschland werden?
Wie würdet ihr das finden? Schreibt es in die Kommentare.
Lasst uns sachlich und fair diskutieren,
muss man bei so Themen immer wieder dazusagen.
Noch ein Tipp:
Hier ein Video über einen Herausforderer von Baerbock
oder andersrum, je nach dem, wer Herausforderer ist,
Armin Laschet von der CDU, Kanzlerkandidat für die Union.
Darunter eine Playlist vom Kanal "MrWissen2go Geschichte" zu allen Bundeskanzlern, die es vor Angela Merkel in Deutschland gab.
Unbedingt mal reinschauen. Danke und bis zum nächsten Mal!