Zum Glück zu zehnt - Leben in der Großfamilie | SWR Doku
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Eine Berghütte im Allgäu. (Ruhige Gitarrenmusik)
Und eine Großfamilie mit acht Kindern.
So, Freunde, dann wollen wir mal schauen.
Die sind zwischen 13 und 26 Jahre alt.
Aber, Mama, wenn wir hier alle toten Tiere abnehmen wollen,
das schaffen wir nicht, bis wir wieder fahren.
(Ruhige Musik, Stimmengewirr)
Hier ist ja eh Doppeldusche. - Hier ist die Doppeldusche!
Guck, da sind die Doppelbetten.
Wo sind die Hochbetten? - Hier drin.
(Stimmengewirr)
Ihr passt alle rein, oder? Da oben ist auch noch was.
(Sie reden durcheinander.)
Neun, zehn. - Ich schlaf oben.
Die Eltern Paul und Monika verbringen zum ersten Mal seit fast zehn Jahren
wieder einen Urlaub mit der ganzen Familie.
(Ruhige Gitarrenmusik)
Hüttenordnung!
Im Jahr 2010 haben wir Familie Adler aus Düsseldorf bereits kennengelernt.
(Ruhige Gitarrenmusik)
Kinder! Essen ist fertig.
Bummi, Peter!
Petzi!
Bienchen?
Großfamilie Adler -
das sind die Eltern Monika und Paul und acht gemeinsame Kinder.
Damals im Alter von vier bis 17 Jahren.
(Beschwingte Ziehharmonikamusik)
Hier, zwischen Emil und ... - Nö!
Ach, komm, natürlich. Da sitzt auch der Alvin.
(Leise Stimmen)
Die Adlers lieben Sushi.
Und ein Sushiessen für zehn Personen braucht stundenlange Vorbereitung.
(Leises Gespräch)
Paul wollte mal ein berühmter Schauspieler werden.
Monika hat gemodelt.
Dann wurde sie schwanger und bekam ein Kind nach dem anderen.
Die Adlers sind weder religiös geprägt
noch abhängig von Hartz IV.
Thunfif. - Wie heißt das?
Thunfif. (Lachen)
Ich dachte, das sah so rosig aus.
Ja, eben. Das ist ja das Problem daran.
Wieso entscheidet sich ein Paar eigentlich für so viele Kinder?
Mit ein, zwei Kindern haben wir gerechnet, das wollten wir gern,
dass es so viele wurden ... das war irgendwann Sport.
Ehrgeiz, ja, nein, ich sag immer so,
es war dann der Ehrgeiz, es lief gut, die Kinder waren toll.
Und dann immer noch eins, und irgendwo konnte man nicht aufhören.
(Lässige Gitarrenmusik)
Der Alltag der Adlers hat es in sich.
Acht Kinder morgens auf den Weg bringen,
da bleibt nicht viel Zeit für Zärtlichkeit.
Immer kommt jemand und stört.
(Die Musik verklingt.)
Tschüss, Mama. Tschüss, Papa.
Wie lang hast du Schule? - Bis drei.
Ach so. - Gut, dass du das auch nicht weißt.
Den Stundenplan hab ich seit letztem Jahr.
Ja, das hoffen wir, dass du in die Schule gehst.
Ob ich ankomm, weiß ich nicht.
Tschö. - Ciao.
Viel Platz ist nicht für zehn.
Die Wohnung hat 120 Quadratmeter und viereinhalb Zimmer.
Sag mal, Brummi, ist das alles, was du im Semester brauchst? - Ja.
(Reporterin:) Wann schminkt man sich das ab,
dass bestimmte Dinge so und so funktionieren müssen?
Bei acht Kindern.
Ich hatt das noch nie, aber ...
Also, zumindest nicht so dogmatisch.
Und du auch nicht, ne? - Nee.
Also, wir haben nicht die Einstellung,
kommst du heut nicht, kommst du morgen,
also es ist schon so ...
Nein, aber wir waren da auch grade, die haben ja noch Windeln,
also was so was anbetrifft, da waren wir immer relaxed
und ... haben gewartet, bis die Kinder fertig sind.
Eben, wickeln, von ...
eigentlich durchgehend seit 17 Jahren.
Wir wickeln seit 17 Jahren.
Und damit habt ihr aber keine Probleme?
Nur die anderen ...
Wir haben schon viel ältere Kinder gewickelt.
Natürlich hat man auch mal im Kopf,
das und das ist dann und dann üblich,
aber wir versuchen, uns da frei von zu machen.
Jetzt im Moment ist eigentlich so die schönste Zeit.
Weil ... ich bin zwar schon 50, aber eben noch nicht zu alt,
und die Kinder sind alle noch zu Hause.
Also von 17 bis vier sind alle noch da,
und in ein paar Jahren ist es schon anders.
Also, die Zeit würd ich gerne, wenn's ginge, noch etwas festhalten.
Was natürlich nicht geht,
aber das wär ein Traum, jetzt mal so ein bisschen zu stoppen.
(Leise Stimmen)
Alva und Linea sind die zwei Kleinsten.
Vier Jahre alt und Zwillinge.
Zwei Zwillingspärchen haben Monika und Paul bekommen.
Insgesamt fünf Jungen und drei Mädchen.
Familie und Haushalt - darum dreht sich ihr ganzer Tag.
Wer war das? - Keine Ahnung.
Wir machen das wirklich alles gleichzeitig.
Kommt auch vor, dass mir nach einer halben Stunde einfällt,
ich wollte eigentlich Pipi machen gehen.
Auf dem Weg ist mir aber auf- gefallen, der Trockner ist fertig,
die Wäsche, die eingesetzt werden muss,
dann will ein Kind was.
Paul ist im Theater angestellt und arbeitet abends.
Tagsüber kann er Monika unterstützen.
Emil und Anton sind 15-jährige Zwillinge.
Wo ist die Mama? - In der Küche.
Luise macht nächstes Jahr ihr Abitur, ist 17.
Hat alles gut geklappt.
Hatten die anderen alle ihr Wörterbuch dabei?
Nee, nicht alle.
Aber die haben sich keins geholt. - Nee.
Echt nicht? - Nö.
Hat eh nix genutzt oder ...
(Reporterin:) Kann man bei so vielen Kindern jedem gerecht werden?
Also, wir bemühen uns drum.
Die Kinder finden manchmal, dass wir ihnen nicht gerecht werden,
manche finden, wir wären ungerecht mit ihnen,
aber wir bemühen uns drum.
Es passiert vielleicht nicht alles auf einen Tag verteilt,
sondern auf die Woche verteilt, aber es ist so,
dass eigentlich jeder ... doch, ähm ...
sein Recht bekommt.
Das sind dann manchmal nur Kleinigkeiten,
dass man mit dem einen zum Arzt geht und danach noch im Café vorbeigeht.
Was bedeutet für dich Geborgenheit?
Mh, einfach zu Hause zu sein,
vielleicht auch mal in den Arm ge- nommen zu werden von meinen Eltern.
Das ist für mich einfach schön.
Auch mit der ganzen Familie irgendwo zu sein.
Das ist für mich Geborgenheit.
Sie findet ihr Pedal nicht.
Luise ist die älteste Tochter und hat als Einzige ein eigenes Zimmer.
(Reporterin:) Hat die Luise als erstes Kind eine Art Sonderstellung?
Ja, hat sie, hat sie.
Klar, das erste Kind ist immer
sozusagen ein entscheidender Einschnitt im Leben.
Von werdenden Eltern, ist ja klar.
Weil da lernt man als Eltern und lernt, mit dem Kind umzugehen,
macht vielleicht auch die ersten entscheidenden Fehler.
Paul tut alles für Luise.
Die wertvolle Harfe wuchtet er vier Stockwerke runter,
dann geht's eine Stunde mit der S-Bahn nach Essen.
Den kostspieligen Traum von der eigenen Harfe -
den haben die Eltern Luise erfüllt.
Ich glaube, man will sich auch so ein bisschen von der Masse abheben,
man will irgendwas haben, was die anderen Geschwister so nicht haben.
Man sucht sich also ein Instrument aus,
das die anderen nicht spielen können,
und hat somit was Besonderes den anderen gegenüber.
Luise ist erfolgreich auf ihrem Instrument.
Bei Wettbewerben wie "Jugend musiziert"
belegt sie regelmäßig die vorderen Plätze.
Nach dem ganzen Trubel tagsüber in der Familie
arbeitet Paul abends als Inspizient am Düsseldorfer Schauspielhaus.
Und freut sich über seinen Job.
Die zweite Zeit, meine Damen und Herren, 19.15 Uhr,
wir machen gleich Einlass.
Am Anfang, bevor's losgeht, so die halbe Stunde, ist einfach Ruhe.
Das genieße ich auch.
Da sitze ich oft hier oder gehe auf die Bühne,
gucke nach oben und genieße einfach die Stille.
(Ruhige Musik)
Von Stille kann Monika nur träumen.
Alles macht sie gleichzeitig.
Die Küche, die Wäsche, die Kinder.
(Belebte Musik)
Soll ich das wegschmeißen? Oh, wie siehst du denn aus?
Ja, ich nehm das schon, aber wasch dir die Hände. - Ja.
Wer staut sich da drin jetzt alles? - Serafin und Alva.
Wo ist Zahnpasta?
Zahnpasta ist hier.
(Lustige und abwehrende Laute, Lachen)
Komm, einmal den Löwen machen.
(Lachen)
Komm!
Und als wäre das alles nicht schon genug,
backt sie, wenn die Kleinen im Bett sind, auch noch ein Brot.
(kreischend vom anderen Raum:) Mama!
Du hast zwei Füße ...
Muttersein im 24-Stunden-Betrieb.
(Reporterin:) Monika, wie hält das eigentlich eine Frau aus?
Überall immer gefordert zu sein
und so wenig Zeit für sich selbst zu haben.
Da ist man ja so mitgewachsen.
Das war ja nicht immer die Menge.
Das war ja erst eins, wobei das erste sehr anstrengend war.
Danach ist es eigentlich immer leichter geworden.
Und dann, ach ja, ich hab ja trotzdem immer so kleine Nischen.
Also so, dass ich dann irgendwie Strümpfe stricke ...
Die werden dann zwar über Jahre nicht fertig,
aber ich hab das Gefühl, ich hab meine Kiste mit dem Strumpf drin
und den könnte ich jetzt fertig machen.
Oder dass ich Schals stricke oder ...
Das geht einfach. Mir macht ja auch Spaß, was ich mache.
Ich kann auch abschalten, wenn ich Wäsche falte.
Es ist so, dass ich nie das Gefühl habe,
ich hab keine Luft mehr zum Atmen,
oder dass ich denke, was hab ich da für einen Fehler irgendwie begangen.
(Kinderlachen und -geschrei)
Die vier Kleinsten schlafen mit Monika im halben Zimmer.
Die Eltern haben kein gemeinsames Schlafzimmer.
Sie wird sich später zu den Kindern legen.
Aha.
Sagt mal, Mäuse ...
Bitte schlaft. (Kinderstimmen)
Komm, hinlegen jetzt.
Hi, Schatz. - Ich hab die Wäsche angeworfen.
Jetzt beginnt die Elternzeit.
Zumindest noch ein, zwei Stunden reden, sich austauschen.
Das reicht den beiden.
(Leises Gespräch)
Paul und Monika vermissen nichts als Paar, sagen sie.
Also, dass wir das Gefühl hätten,
wir müssten jetzt unbedingt ein Wochenende zusammen verbringen,
um uns näher- ... - Nein, das ist auch nicht.
Es reicht, eine halbe Stunde ins Café zu gehen.
Ich weiß manchmal nicht, was die Leute für Sachen im Kopf haben
oder was sie für Probleme haben, versteh ich nicht.
Ich find das auch komisch,
wenn Freundinnen alleine abends in die Stadt gehen.
Ich wüsste gar nicht, was ich da will.
Ja, einen Tag geht der eine saufen,
dafür darf ich aber das nächste Wochenende und so.
Um sechs Uhr morgens schläft noch alles.
Es ist für Paul eine der wenigen Auszeiten aus dem Familienalltag,
die er sich nimmt, um seine Laufrunde zu drehen.
(Vogelgezwitscher)
Die Stunde morgens, wo ich laufe und mal für mich alleine bin,
das ist mir schon wichtig.
Für mich selbst sein, zu mir kommen,
Energie ablassen, Ruhe, Entspannung einfach auch.
So den Tag vielleicht im Kopf haben, was man unternimmt, was man vorhat.
Jedes einzelne Kind hat ja bestimmte Dinge am Tag vor,
die geht man dann auch schon durch.
Und so langsam kehrt Leben in die Bude ein.
Die Großen machen sich fertig, wenn die Kleinen noch schlafen.
Nach dem Laufen schmiert Paul jeden Morgen vor dem Frühstück
ein Dutzend Brötchen für die Schulkinder.
Also, das mach ich halt.
Weil ich halt früh rausgeh,
und Moni halt in der Nacht sozusagen öfter mal rausmuss
und dann einfach noch ein bisschen liegen bleiben darf.
Und die Kinder würden dann auch schneller wach werden und aufstehen,
und so ist noch ein bisschen Ruhe hier.
Mit den kleinen Zwillingen Alva und Linea
geht er am Vormittag gern raus.
Hier? - Rechts, ihr Süßen.
Ich war ja Schauspieler und hätte mir eine Karriere vorstellen können.
Bekannt werden, Autogramme schreiben,
auf der großen Bühne stehen, Geld zu haben.
Aber irgendwann ist es dann halt immer unwichtiger geworden.
Wuhu!
Es scheint, Paul ruht vollkommen in sich.
Trotz vollgepackter Tage und verpasster Träume.
(Genussvolles Seufzen)
Das Selbstbewusstsein, was ich im Moment habe,
als Vater, als Mensch, das musste ich mir lange erarbeiten.
Das ist eigentlich erst gekommen sozusagen
mit dem Vaterwerden, Kindergroßziehen,
und da hab ich so ein Selbst- verständnis für mich erlangt.
(Sie lacht.)
Paul kümmert sich gern um die Dinge draußen,
Monika ist die Schaltstelle in der Wohnung.
Mama. - Ja?
(off:) Für mich ist das kein Problem gewesen,
diese vielen Kinder zu haben und mich dann - in Anführungsstrichen -
für die Kinder zu opfern oder in den Dienst der Kinder zu stellen.
Musik und Instrumente sind im Hause Adler
am Nachmittag von großer Bedeutung.
So, Emil, ich komme.
Jedes Adlerkind hat sich sein Instrument ausgesucht.
So wie der 15-jährige Emil das Akkordeon.
Die Eltern versuchen,
jedem einzelnen Kind die nötige Unterstützung zu geben.
Dabei finanzieren die Großeltern einen beträchtlichen Teil
dieser nicht ganz günstigen Hobbys.
(Reporterin:) Was bedeutet Glück für dich?
Glück für mich sind auf jeden Fall ...
so, meine Geschwister.
Mein Zwillingsbruder vor allen Dingen.
Anton Adler ist durch und durch Sportler
und im Leistungskader des Deutschen Tischtenniszentrums.
Er möchte später unbedingt etwas mit Sport machen.
(Dumpfe Klaviermusik)
Und Lotte, die Zwölfjährige, geht regelmäßig zum Ballett.
(Klaviermusik, Anleitungen)
Sie hat schon als Kleinkind Rheuma bekommen.
Bewegung ist wichtig für sie.
Als mittleres Kind, mit drei älteren und vier jüngeren Geschwistern,
ist sie genügsam.
(Reporterin:) Was bedeutet Luxus für dich?