Priesterkinder - Wie die katholische Kirche sie verleugnet | STRG_F
. * Musik * Dieses Kind dürfte es eigentlich nicht geben.
Michaela ist die Tochter eines katholischen Priesters.
Und wurde also verbotenerweise gezeugt.
Katholische Priester dürfen keine Kinder haben.
Und doch gibt es sie immer wieder. Ein verschwiegenes Thema.
Nach langer Suche habe ich endlich Michaela gefunden.
Und sie erzählt uns heute, was es mit ihr gemacht hat.
Am liebsten würde ich es in die Welt rausschreien, wie unfair das ist.
* Musik *
Ich fahre nach Aachen.
Hier in der Umgebung ist Michaela aufgewachsen.
Scheinbar in ganz normalen Verhältnissen.
Doch ihre Eltern waren eine verbotene Liebe.
Ihr Vater ein Priester.
Sie selbst heimlich gezeugt.
Als sie auf die Welt kommt, spitzt sich der Konflikt zu.
Ich kannte es schon als Kind, dass wir...,dass das nicht angebracht war,
zu sagen, dass der Vater ein Priester war.
Ich habe mir abgewöhnt, das zu erzählen.
Also ich habe mich dann wirklich dafür geschämt.
Weil die Reaktionen.. ähm...
halt dann echt verachtend waren auch.
Als wäre ich irgendwie, ja, was Schlimmes.
Worunter hast du am meisten gelitten?
Dass mein Vater nicht glücklich war.
Ja.
Das hat mir weh getan, immer schon. Schon auch als Kind, ähm,
ihn zu sehen.
Und ich habe... Wir haben sehr viel miteinander gesprochen.
Ich habe ihn gefühlt, ich habe ihn gesehen, wenn er über...
über seinen Beruf geredet hat.
Über sein Leben früher.
Ich habe ihn gesehen, wie er bei uns zu Hause ist.
Und ich bin mit ihm zusammen...
fast kaputt daran gegangen.
Ihn zu sehen, wie er leidet.
Er ist nie da angekommen, in diesem Familienleben.
Das ist er, der Papa.
Ein Mann aus einer anderen Welt.
Er liebte seinen Beruf, war ein gläubiger Mensch.
Mit gerade mal 26 Jahren wurde er zum Priester geweiht.
Er war beliebt in seiner katholischen Gemeinde.
Doch dann geschieht etwas, was nicht vorgesehen ist.
Mit 34 Jahren lernt er Michaelas Mutter kennen.
Sie führen eine heimliche Beziehung und bekommen zwei Kinder.
Michaelas Bruder kommt zuerst auf die Welt.
Wird komplett verheimlicht.
Der Vater bleibt zunächst Priester und lebt zwei Leben.
Ein Jahr später wird Michaela geboren.
Unter dem Druck der Kirche gibt der Vater sein Priesteramt auf.
* Störgeräusche *
Natürlich haben alle über mich geredet,das bekam ich aber nicht mit.
Nur von ihm, weil er es gesagt hat.
Ich wäre als Hure und so...
Und.. ja...
Aber...
Er ist ja nicht gegangen. Er hätte sagen können, okay.
Aber wer geht schon und sagt, ich will mein Kind nicht mehr sehen?
Das war das Thema. Immer wenn er getrunken hat.
Erinnerst du dich, was er gesagt hat?
Was meinst du denn?
Er hat immer gesagt, wisst ihr wie schwer das war?
Er hat immer über den Bruch gesprochen.
Ne?
Und du hast immer gesagt...
Und wie schwer wir es jetzt haben? Ja? Oder...
Und, also, für meine Mutter ist es ganz schlimm mit dem Trinken.
Das war so, dann ist es noch schlimmer geworden.
Dabei wollen Michaelas Eltern ihren Kindern ein normales Leben
ermöglichen.
Sie kaufen ein Haus in einem kleinen Ort.
Fahren in den Urlaub.
Feiern Weihnachten zusammen.
Die Kirche gibt dem Vater einen neuen Job beim Kindermissionswerk.
Er ist viel im Ausland.
Doch das Predigen in der Kirche und das Leben in der Gemeinde
fehlen ihm.
Zunehmend laufen die Dinge aus dem Ruder.
Er beginnt zu trinken.
Überall im Haus verstreut liegen Erinnerungen.
Briefe mit dem Vater, wenn es zu Hause wieder schwierig wurde.
Lieber Papa, ich kriege oft mit, wenn du und Mama euch streitet.
Und und das fast jede Woche und nur, weil ihr nicht gleichen Meinung seid.
Jedes Mal denke ich, jetzt ist es soweit, dass ihr auseinanderzieht.
Jeden Abend trinkst du Alkohol.
Bitte, bitte, versuch es sein zu lassen.
Auch wenn es dir schwer fällt, tu es für mich!
Wenn du stirbst, bin ich nie wieder glücklich.
Dann werde ich nicht mehr aufhören zu weinen.
Denn ich habe dich ganz, ganz, ganz, ganz, ganz doll lieb.
Warum erlaubt die Kirche keine Väter als Priester?
Warum gilt die Nächstenliebe im Zölibat nicht aber die Kinderliebe?
Das Zölibat gibt es erst seit etwa 900 Jahren im Kirchenrecht.
Und trotzdem gab es eine Zeit, in der sogar Päpste Väter waren.
Einer der bekanntesten ist wohl Alexander VI.
Das ist offenbar seine Geliebte.
Das offenbar sein Sohn.
Und hier noch ein Sohn.
Und noch ein Sohn.
Das wohl eine seiner Töchter.
Heute geht die Kirche strenger vor.
Und auch bei Michaelas Vater gibt es natürlich keine Ausnahme.
Ein letztes Schreiben vom Bistum Aachen.
Mit sofortiger Wirkung beurlaube ich Sie bis auf weiteres
vom priesterlichen Dienst.
Dies bedeutet, dass Sie nicht die heilige Messe zelebrieren,
nicht die Sakramente spenden, nicht das Wort Gottes öffentlich verkünden.
Ich will wissen, wie das Bistum heute zum Fall von Michaelas Vater steht.
War die Entscheidung, ihn zu beurlauben, richtig?
Und ist es überhaupt noch zeitgemäß, dass ein Priester keine Kinder
haben darf?
Wir bekamen Antwort vom Bistum Aachen.
Und zwar können sie zum Fall von Michaelas Vater leider nichts sagen,
weil gerade Sanierungsarbeiten vorliegen.
Was für ein Zufall, dass gerade jetzt Sanierungsarbeiten stattfinden.
Immerhin, so teilt man mir mit, gebe es heute Hilfsangebote für Priester.
Etwa Coachings oder Supervisionen.
Doch in Familien dürfen Priester nicht leben.
Das sei kirchenrechtlich so geregelt.
Michaelas Vater ist daran zerbrochen.
Und klar kann man sagen, dass man sich im Leben entscheiden muss.
Priester und Papa, das geht eben nicht.
Aber ist das noch zeitgemäß?
Vor zehn Jahren stirbt der Vater.
* Vogelgezwitscher *
Es ist nicht viel, was bleibt.
Ein Leben ist kurz.
Der Vater hat sein richtiges Leben nie gefunden.
Am Ende wird er neben anderen Priestern begraben.
Auf dem Priesterfriedhof.
Es ist sein letzter Wunsch.
Eine Trauerfeier im Kreis der Familie und engsten Freunde.
Michaela schmückt das Grab aufwendig.
Jeder soll wissen, dass ihr Priestervater eine Familie hatte.
Das sind meine Eltern, die sich küssen.
Und ähm...
Das ist vielleicht doch so eine extra Protestaktion.
Er hatte eine Familie und das war gut so.
Das soll halt jeder sehen.
Wpbei ich nicht weiß, ob hier einer überhaupt so nah geht, das anguckt.
Aber es ist einfach für mich eine Genugtuung.
Und ja, er hatte eine Frau, er hat geliebt.
Das zeigt es halt am deutlichsten.
Die lege ich jetzt schön extra auf sein Grab.
* Lacht leise *
Wieviele Priester Kinder es gibt, ist völlig unbekannt.
Die Kirche schweigt darüber.
Michaela kennt niemanden, der betroffen ist wie sie.
* Melancholische Gitarrenmusik *
Das Thema von Michaela und ihrem Vater berührt den innersten Kern
der katholischen Kirche,
das Zölibat.
Und deshalb entscheide ich mich für einen ungewöhnlichen Schritt.
Ich frage den Papst an.
Das klingt verrückt,
aber er hat eine Pressestelle.
Man kann ihm schreiben.
* Störgeräusche *
Ich glaube, ich rufe die Frau jetzt hier an.
Der Heilige Stuhl in Deutschland.
Hi.
Ich würde gerne eine E-Mail an den Papst schreiben.
Ich wollte fragen, ob Sie einen Kontakt für mich hätten.
Die Briefadresse? Okay, ja.
Ja.
Vatikanstadt.
Ja.
Wunderbar, danke schön.
Tschüss.
Naja.
Wir schreiben jetzt mal dem Papst einen Brief.
Briefe erreichen ihn wohl immer.
Aber Emails landen dann in der Pressestelle und kommen nicht
an ihn weiter.
Ziemlich krass.
Allerdings kann es sein, dass ich zwischen drei Tagen
und zwei Monaten warten muss.
Und ich soll ihn aber Papa Francesco nennen.
Eigentlich wäre es gut auf Spanisch.
Aber dann will er auch noch ein Interview auf Spanisch,
das kann ich mir nicht leisten. Ola.
Tengo una precunta.
Okay, dann ähm, ich brauche nur noch Briefpapier.
Haben wir überhaupt so was?
* ruhige Klaviermusik *
Mit freundlichen Grüßen.
* Lacht *
Das habe ich voll lange nicht mehr gemacht.
Tada.
Ich hoffe, er antwortet schnell.
Doch er antwortet gar nicht.
Nicht mal eine Empfangsbestätigung der Pressestelle.
Und Michaela?
Sie ringt immer noch mit ihrer ungewöhnlichen Kindheit.
Letztes Jahr hat sie 30 Tagebücher ihres Vaters gefunden.
Und alle verbrannt.
Es war zu schmerzhaft.
Untertitel: ARD Text im Auftrag von Funk (2018)
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Ich glaube, die ist richtig gut.
Keine Ahnung, was da ist, aber...
Eine Hecke auf jeden Fall gerade.