neuneinhalb – Deine Reporter: Zweiter Weltkrieg | WDR
Untertitel: WDR mediagroup GmbH im Auftrag des WDR
* Musik *
Hallo.
Es ist 80 Jahre her,
dass Deutschland den Zweiten Weltkrieg angefangen hat.
Den größten Krieg unserer Geschichte.
Jetzt denkt ihr vielleicht: 80 Jahre, das ist ewig her.
Warum die Geschehnisse des Zweiten Weltkriegs noch heute Thema sind,
und warum wir die Zeit nie vergessen sollten, darum geht es heute.
Machen wir zuerst eine Reise in die Vergangenheit.
Vor 80 Jahren waren in Deutschland
die Nationalsozialisten an der Macht.
Unter der Führung von Adolf Hitler.
Er war besessen von der Idee, Deutschland mächtiger zu machen.
Und schreckte vor nichts zurück.
Am 01.09.1939
ließ er mit vielen Soldaten und Panzern Polen angreifen.
Daraufhin erklärten Großbritannien und Frankreich
Deutschland den Krieg.
Immer mehr Nationen traten auf beiden Seiten in den Krieg ein.
Der Zweite Weltkrieg dauerte 6 Jahre.
Und forderte insgesamt rund 80 Mio. Todesopfer.
Fast so viele Menschen, wie heute in ganz Deutschland leben.
Die meisten der Opfer waren Soldaten.
Viele von ihnen liegen auf solchen Soldatenfriedhöfen.
Hier treffe ich Jugendliche,
die gerade dabei sind, Grabsteine zu reinigen.
Sie nehmen an einem Camp
des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge teil.
Der kümmert sich um Orte,
an denen deutsche Kriegsopfer begraben sind.
Hallo. - Hallo.
Kann ich dir ein bisschen helfen? - Ja, das wäre nett.
Erzähl mal. Was macht ihr hier?
Wir sind ein Camp, das aus Deutschen und Franzosen zusammengesetzt wird.
Und wir fahren eine Woche nach Frankreich in einen kleinen Ort.
Und haben da verschiedene Aktivitäten gemacht.
Wir haben auch dort schon Friedhöfe besucht,
wie hier jetzt auch gemacht haben.
Und warum macht ihr jetzt hier zusammen diese Grabsteine sauber?
Der Volksbund hat ja viele Kriegsgräber in ganz Deutschland.
Und auch in Frankreich.
Und leistet Arbeit, um die Leute noch mal zu ehren.
Und die Kriegsgräber auch sauber zu halten.
Damit die Leute, die das besuchen, sich das normal angucken können.
Auch die französischen Jugendlichen finden es wichtig,
sich um die alten Gräber zu kümmern.
Wir hätten alle an deren Stelle sein können.
Ich denke, es ist gut, einen Platz für diese Menschen
in unserem Gedächtnis zu behalten.
Dass am Camp deutsche und französische Jugendliche teilnehmen,
hat einen besonderen Grund.
Schon lange vor dem Zweiten Weltkrieg
führten Frankreich und Deutschland Kriege gegeneinander.
Knapp ein Jahr nach dem Angriff auf Polen
schickte Hitler deutsche Soldaten nach Frankreich.
Und nahm das Land teilweise ein.
Als Deutschland 1945 besiegt wurde,
gehörte Frankreich zu den siegreichen Nationen.
Nach dem Elend und der Zerstörung, die der Krieg hinterlassen hatte,
bemühten sich viele Länder um Frieden und Freundschaft.
Insbesondere Frankreich und Deutschland.
Auf dem Friedhof erfahren die Jugendlichen
einiges über die Menschen, die hier begraben sind.
Norbert Ellermann ist Historiker
und sammelt Informationen zu einzelnen Soldaten.
Wir haben eben ein amerikanisches Schicksal kennengelernt.
Ihr habt die Franzosen gesehen.
Wir haben russische Namen gefunden, deutsche Namen.
Jetzt kommt noch ein Deutscher. Und zwar ein Springreiter.
Das ist Rudolf Lippert.
Er wurde 1900 in Leipzig geboren, in Sachsen.
Er wurde bekannt, weil er bei Olympischen Spielen 1936
Goldmedaille im Vielseitigkeitsreiten gewonnen hat.
Er war ein guter Reiter.
Auch er ging zu den Soldaten in die Armee,
er war Soldat der Deutschen Wehrmacht.
Rudolf Lippert starb kurz vor Ende des Krieges
und wurde hier begraben.
Die Jugendlichen versuchen,
mithilfe des Totenbuchs sein Grab zu finden.
Wie finden Sie die Geschichten über diese Menschen raus?
Ist ja bisschen her? - Das ist wie Detektivarbeit.
Man reist in die Vergangenheit und versucht, Fälle zu lösen.
D.h. ich befrage z.B. gerne ältere Menschen.
Weil die einem eine Menge erzählen können.
Die können sagen: Da war ein ganz junger, 16 Jahre,
der ist in den Krieg gegangen, kam nicht zurück.
Und warum machen Sie dieses Forschen und in die Vergangenheit reisen?
Es gibt sicherlich schönere Dinge, die man tun kann.
Aber dieses hier ist für mich wichtig,
weil man sehen kann, zu was Hass führt.
Hass führt zu Gewalt.
Hass beginnt im Kopf, da muss er bekämpft werden.
Damit wir alle eine gute Zukunft haben, gehe ich in die Vergangenheit
und versuche, die schlimmen Seiten zu zeigen.
Um zu lernen, dass so was nie wieder passieren darf.
In der Zwischenzeit haben die Jugendlichen den Grabstein
von Rudolf, genannt Rolf, Lippert gefunden.
Wie fühlst du dich, nachdem du die Geschichten von den Leuten
gehört hast, die hier liegen?
Man wird sich darüber im Klaren, dass es jeden hätte treffen können.
Wären wir in der gleichen Generation geboren,
hätten wir auch in den Krieg gemusst.
Es sind eigentlich nur Grabsteine,
aber dann haben diese Leute plötzlich eine Person.
Man kann sich vorstellen, dass sie Kinder, Familie hatten.
Dann stelle ich mir vor, wie das bei mir wäre, wenn jemand sterben würde.
Das ist heftig.
Solche Geschichten aus dem Zweiten Weltkrieg berühren auch mich sehr.
Je länger der Krieg her ist, desto weniger Menschen gibt es,
die ihn miterlebt haben und davon berichten können.
Damit ihre Geschichten lebendig bleiben,
hat sich ein Team von Journalisten etwas Besonderes ausgedacht.
Sie machen Zeitzeugen unsterblich. Mit einer App.
Wie das funktioniert, erzählt mir Stefanie Vollmann.
Sie ist Journalistin und arbeitet für den WDR.
Wir treffen uns in der Firma, wo das Projekt entstanden ist.
Stefanie, wie macht ihr das,
Zeitzeugen unsterblich werden zu lassen?
Kannst du mir das zeigen? - Ja.
Das ist eine App, die auf Smart- phones und Tablets funktioniert.
Wenn du willst, kannst du drauftippen. - Auf den Punkt.
Und da sitzt dann Hanna und erzählt ihre Geschichte.
"Es war die Hölle. Es begann ein Funkenflug.
Wie wenn heute Schneeflocken fallen, das waren damals Funken."
Das sieht total echt aus.
"Ich hatte meinen kleinen Bruder unterm Arm,
der war 1,5 Jahre, so 1 3/4.
Dann sind wir Gott sei Dank in den Bunker gekommen.
Der war ja überbelegt.
Da waren ja Tausende, da lag und saß ja einer neben dem anderen.
Nur als wir aus dem Bunker rauskamen, dann sagt er: Putt.
Der konnte ja noch nicht reden.
Das war ja alles kaputt.
Putt hat der gesagt."
Wie kriegt ihr das hin, dass das so realistisch aussieht?
Wir sind mit diesem Sessel auf Reisen gegangen.
Das ist der Sessel, in dem die Zeitzeugin saß? - Genau.
Dann haben wir die Zeitzeugen
in einem Green-Screen-Studio interviewt.
Vor einem grünen Hintergrund.
Dann ist hier sehr viel passiert.
Hier Entwickler, Die haben viel programmiert
und daraus die Holografien entwickelt und die 3-D-Animationen.
Diese Technik heißt "Augmented Reality", Erweiterte Realität.
Dabei werden grafische Objekte in die echte Welt eingeblendet.
Warum habt ihr euch entschieden,
die Geschichten von den Menschen auf diese Art zu erzählen?
Augmented Realität bietet die Möglichkeit,
man holt das Damals ins Hier und Jetzt.
Dadurch kann man eine andere Berührung herstellen.
Das Schwierige ist: Die Zeitzeugen sind sehr alt.
In 5 bis 10 Jahren kann es sein, dass gar kein Zeitzeuge mehr da ist.
Wieso ist es so wichtig,
dass diese Geschichten so nah an uns dranbleiben?
Dass so was nie wieder passiert, so was Brutales.
Grade die Zeitzeugen, mit denen ich gesprochen hab, Hanna und Jaqueline,
haben gesagt: Wir möchten unbedingt junge Leute erreichen.
Dann wird das weitergetragen.
Die erzählen es vielleicht ihren Kindern.
Und dass man alles daran setzen muss, dass es nicht wieder passiert.
Das waren unsere 9,5 min
zum Beginn des Zweiten Weltkriegs vor 80 Jahren.
Mich würde interessieren, was ihr drüber denkt.
Kennt ihr jemanden, der den Zweiten Weltkrieg miterlebt hat?
Schreibt uns.
Tschüs, bis zum nächsten Mal.
Und wir gucken uns zusammen das 2. Kapitel in der App an.
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