Sendung: tagesthemen 07.09.2020 22:15 Uhr - No Deal
Themen der Sendung: Belarusische Aktivistin Maria Kolesnikowa verschwunden, Die Meinung, Neue Landwirtschaft: Kommission soll Zukunft diskutieren, Boris Johnson droht mit einem "No Deal", Bolsonaro im Corona-Aufwind, Weitere Meldungen im Überblick, #mittendrin in Deutschland: Streitschlichter unterwegs in der Mannheimer Nachtszene, Frachtsegler "Peking" erreicht Hamburger Hafen, Die Wetter
-------------------------------------------------------------
Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen
mit den tagesthemen.
Guten Abend.
War es eine Festnahme
oder eine Entführung
am helllichten Tage in Minsk?
Wir wissen im Moment nur:
Eine der Leitfiguren der Opposition
in Belarus,
Maria Kolesnikowa,
ist plötzlich verschwunden.
Ihre Unterstützer berichten,
sie wurde in einen Kleinbus gezerrt.
Gestern noch hat Frau Kolesnikowa
unserem Korrespondenten
in Minsk ein Interview gegeben.
Nun fehlt von ihr jede Spur.
Sie stand jetzt in der ersten Reihe,
weil ihre wichtigsten Mitstreiter
im Gefängnis sitzen
oder ins Ausland gedrängt wurden.
Anscheinend
versucht Präsident Lukaschenko,
der Protestbewegung systematisch
ihre wichtigsten Kräfte zu rauben.
Wo ist Maria Kolesnikowa?
Sonntag nahm sie noch fröhlich
an einer Großdemonstration teil.
Heute soll sie in einem Minibus,
wahrscheinlich diesem,
verschleppt worden sein.
Von ihr fehlt jede Spur.
Die belarussische
Oppositionspolitikerin Olga Kowalkowa
macht sich Sorgen
um ihre Mitstreiterin.
Sie ist
seit dem Wochenende in Polen.
Vor ein paar Tagen
wurde sie in Minsk festgenommen.
Geheimdienstleute
drohten mit langer Haft, sagt sie.
Sie könne aber auch ausreisen.
Unter Druck willigte sie ein.
Abends setzten sie mich in ein Auto
und zogen mir eine Maske über.
Sie fuhren mich
zur polnischen Grenze.
Sie ist in Sicherheit.
Doch noch ist unklar,
wie es Maria Kolesnikowa geht.
Keiner weiß, wo sie jetzt ist.
Die Behörden
geben keine Informationen.
Doch das ist nicht überraschend.
Viele andere
wussten auch tagelang nicht,
wo ihre Angehörigen sind.
Auf der Pressekonferenz in Warschau
fordert sie Kolesnikowas Freilassung.
Und auch die aller anderen Menschen,
die in den letzten Tagen
verhaftet wurden.
Gestern protestierten
100.000 Menschen
gegen Präsident Lukaschenko
und forderten Neuwahlen.
Später kam es wieder zu Festnahmen.
Mit dabei auch maskierte Kräfte,
die äußerlich nicht
als Polizisten zu erkennen waren.
633 Menschen wurden festgenommen,
bestätigte das Innenministerium.
Solche Bilder kursieren im Netz.
Auch gesendet von BELSAT,
dem oppositionsnahen Fernsehsender
mit Sitz in Polen.
In Belarus kann dieser Sender
nur via Internet empfangen werden.
Die Mitarbeiter schauen mit Schrecken
auf die Gewalt in ihrer Heimat.
Das seit heute auch eine führende
Oppositionelle verschwunden ist,
besorgt den Journalisten
Aleksandr Papko.
Vielleicht sitzt sie in U-Haft.
Es kann einen Staatsstreichprozess
gegen sie geben,
oder sie wird
in zehn Tagen wieder freigelassen.
Oder sie wird übermorgen
an der Grenze zu Litauen
oder Polen gefunden.
Bisher gibt es noch
kein Lebenszeichen von Kolesnikowa.
Über diese jüngste Entwicklung
in Belarus
habe ich
mit Vitali Alekseenok gesprochen.
Er ist Dirigent
und lebt eigentlich in München,
hat u.a. in Weimar studiert,
kommt aber aus Belarus.
Und ist Anfang August wieder
in seine Heimat zurückgekehrt,
um sich an den Protesten
zu beteiligen.
Ich habe Vitali Alekseenok via
Internet-Schalte in Minsk erreicht.
Guten Abend, Herr Alekseenok.
Guten Abend.
Was haben Sie gedacht,
als Sie vom Verschwinden
von Maria Kolesnikowa gehört haben?
Ich war erschrocken.
Aber es war auch erwartet.
Seit Monaten
haben sich Menschen gewundert,
wie es sein kann, dass Maria
noch nicht verhaftet wurde.
Aber wir sind alle empört.
Vielleicht ist es
einer der letzten Menschen,
die jetzt verhaftet wurden.
Aber Sie gehen davon aus,
dass dahinter Sicherheitskräfte
von Präsident Lukaschenko stecken?
Wir sind alle davon überzeugt.
Wir wissen, dass diese Strukturen,
in Zivil gekleidet,
die kommen so oder so
von unserem Staat.
Diese Banditen,
die auch so gekleidet sind,
sind mit
den Machtstrukturen verbunden.
Deswegen gehen wir davon aus,
dass dieser Fall
auch von dort kommt.
Was bedeutet das jetzt
für die Oppositionsbewegung?
Schwächt sie das, wenn jetzt
eine der letzten verbliebenen
Galionsfiguren verschwindet?
Unsere Bewegung
wird jetzt nicht aussterben.
Die Bewegung wird
vom einfachen Volk gebildet.
Das Verschwinden der Anführer
bedeutet nicht,
dass die Bewegung schwächer wird.
Wir haben gesehen,
dass die Anzahl derer,
die auf die Straße gehen,
nicht geringer wird.
Das heißt,
wir brauchen keine Anführer.
Für unsere Proteste
brauchen wir keine Leitung.
Angesichts des brutalen Vorgehens
und zahlreicher Verhaftungen -
haben Sie Sorge um Ihre
eigene Sicherheit und Gesundheit?
Keiner von uns
kann sich sicher fühlen.
Ich und viele andere denken,
dass wir
festgenommen werden könnten.
Gestern haben wir gehört,
dass einige Personen
festgenommen wurden.
Heute haben wir erfahren,
dass auch Maria festgenommen wurde.
Auch ein paar weitere.
Es kann jeden Tag passieren.
Mit mir kann es auch passieren.
Ich und viele andere
haben nur bedingt Angst,
aber machen sich Sorgen.
Dennoch machen Sie weiter?
Sie könnten ja
nach Deutschland zurückkehren.
Ja, aber wir müssen weiterkämpfen.
Wenn wir Aktivisten
festgenommen werden,
gibt es noch 1-2 Mio. Menschen,
die auf die Straße gehen.
Die Protestbewegung
wird nicht aussterben.
Man hat ja den Eindruck,
dass die Daumenschrauben jeden Tag
ein Stück weiter angezogen werden.
Wie kann das ausgehen,
wenn Lukaschenko
nicht auf Dialog setzt,
sondern auf Repression?
Der Unterschied zwischen
Protestbewegung und Repressionen
wird jeden Tag größer.
Irgendwann wird klar,
es gibt kein Zurück mehr.
Ich hoffe, es wird
keine größere Gewalt geben.
Aber irgendwann kommt es dazu.
Irgendwann
werden Veränderungen kommen.
Die Protestbewegung
wurde nie aggressiv.
Irgendwann sagen wir,
nein, es reicht.
Fürchten Sie
eine weitere Eskalation?
Russlands Präsident Putin
hat ja schon Unterstützung
in Aussicht gestellt,
mit russischen Sicherheitskräften.
Ja, leider erwarten wir das.
Wir denken jeden Tag,
es geht nicht schlimmer.
Und jeden Tag
wird es noch schlimmer.
Es gibt keinen Boden, wo der Respekt
für Macht runterfallen kann.
Jeden Tag staunen wir.
Aber wir haben gelernt.
Es geht weiter.
Wir wissen nicht, was an schlimmen
Sachen noch passieren kann.
Aber wir wissen,
dass es passieren kann und wird.
Erwarten Sie mehr Unterstützung,
zum Beispiel von der EU?
Wir hoffen das.
Wir wissen, dass die EU
sich viele Gedanken macht.
Wir spüren das noch nicht ganz klar.
Wir wissen, europäische Politik
ist demokratisch
und nutzt andere Wege,
um Positionen auszudrücken.
Aber das kommt hier nur
mit bestimmten Worten rüber.
Wir wissen, dass die EU
uns geistig unterstützt.
Aber wir sehen das
noch nicht so konkret,
wie wir uns das wünschen würden.
Ich wünsche Ihnen alles Gute.
Vielen Dank für das Gespräch.
Vielen Dank.
Das Verschwinden der Oppositionellen
Maria Kolesnikowa in Belarus -
dazu die Meinung
unserer ehemaligen Russland-
Korrespondentin Birgit Virnich.
Nun auch Maria Kolesnikowa (38).
Systematisch
werden die starken Frauen
der belarussischen Opposition
festgenommen.
Am Wochenende erst
wurde eine enge Vertraute
der Präsidentschaftskandidatin
Tichanowskaja genötigt, auszureisen.
Die Opposition
soll geschwächt werden.
Der Druck auf Gewerkschaftler wächst.
Auch auf IT-Unternehmen, die Gelder
gesammelt haben für Polizisten,
die den Dienst quittiert haben.
Daran spürt man,
wie sehr das Regime in Minsk
mit dem Rücken zur Wand steht.
Und zugleich scheint Lukaschenko
freie Hand zu haben.
Nur möglich
durch Russlands Präsident Putin.
Ohne seine Unterstützung
wäre dieses brachiale Vorgehen
in Belarus nicht möglich.
Längst scheint klar,
dass die Opposition
nicht mehr nur gegen Lukaschenko,
sondern auch gegen Putin kämpft.
Für Lukaschenko
geht's es ums nackte Überleben.
Der Preis für seinen Schutz
durch Russland dürfte hoch sein.
Moskau hat längst klargemacht,
dass Unterstützung nur bei einer
noch engeren Integration
zwischen den Ländern zu erwarten sei.
Belarus könnte einen Teil seiner
staatlichen Souveränität einbüßen.
Für Lukaschenko würde dies zwar mit
massivem Machtverlust einhergehen.
Deswegen hat er sich
in den letzten Jahren
nach Kräften dagegen gewehrt.
Nun hat er keine Optionen mehr.
Nächste Woche
treffen sich die beiden Präsidenten.
Die Zukunft von Belarus
liegt mehr denn je beim Kreml.
Gerade läuft die Kartoffel-Ernte,
der Mais kommt ins Silo,
Äcker werden wieder gepflügt.
Schon sind wir bei der Frage,
wie das in Zukunft wird:
Kartoffeln und Mais kommen nicht
gut zurecht mit dem Klimawandel.
Der gepflügte Boden
kommt nicht zurecht mit Trockenheit.
Schweine kommen nicht gut zurecht
mit der Massentierhaltung.
Viele Bauern
kommen nicht gut zurecht
mit den ständigen Vorwürfen
zu ihrer Arbeit.
Jetzt sollen Fachleute
das alles unter einen Hut bringen:
Eine Zukunfts-Kommission
mit klugen Köpfen
aus Landwirtschaft und Handel,
aus Umwelt- und Verbraucherschutz.
Im nächsten Juni soll ihre Saat
aufgehen als großer Konsens.
Dabei gibt es schon
innerhalb der Regierung Dissens,
zwischen der Agrarministerin
und der Umweltministerin.
November 2019.
Kaum ein Landwirt
will der Umweltministerin zuhören.
Sie müssen mir nicht zuhören,
aber ich hab's Ihnen gesagt.
Der Landwirtschaftsministerin
ergeht es nicht viel besser.
Die Stimmung: aufgeheizt.
Die Fronten sind verhärtet.
Immer wieder auch
zwischen den Ministerinnen.
Die eine sieht die Sorge der Bauern,
nicht rentabel
wirtschaften zu können.
Die andere drückt aufs Tempo
beim Umweltschutz.
Immer wieder Zoff.
Und nun soll angeregt
von Kanzlerin Merkel
eine Kommission dieses Dilemma lösen.
Auftakttreffen im Kanzleramt.
Am Morgen protestieren
Umwelt- und Tierschützer
gemeinsam mit Landwirten.
Diese Landwirtin
ist Teilnehmerin der Kommission.
Sie fordert Entscheidungen.
Es ist wichtig,
dass wir daran arbeiten,
dass die Gelder für konkrete
Leistungen ausgegeben werden.
Und nicht weiter pro Hektar
ausgeschüttet werden.
Dabei sind Vertreter
von Landwirtschaft, Umweltschutz,
Handel und Wissenschaft.
Es geht um viele Themen:
Mehr Tier- und Umweltschutz,
wirtschaftliche Rahmenbedingungen,
die Rolle der Verbraucher.
Die Ministerinnen sind
zum Auftakt mit dabei.
Die eine will
eine nachhaltigere Landwirtschaft:
Ich habe schon länger einen
Gesellschaftsvertrag vorgeschlagen.
Genauer zu definieren, was wir
von der Landwirtschaft wollen.
Wofür bekommt sie
diese Steuermittel?
Sie wirft die großen Fragen auf.
Auch eine Botschaft an
die Landwirtschaftsministerin.
Die sieht
keine Versäumnisse bei sich.
Die Zukunftskommission
fängt nicht bei null an.
Ich bin stringent auf dem Weg,
die Landwirtschaft zu begleiten
beim Umbau.
Der Bauernverband
will Handlungsspielraum behalten.
Zukunftspfade
sollen entwickelt werden.
Die müssen eine Bandbreite eröffnen,
in denen sich Landwirte
bewegen können.
Die großen Linien
sollten festgelegt werden.
Die Kommission will im Sommer 2021
einen Bericht
mit Empfehlungen vorlegen.
Damit kommen wir zu einem Thema,
das während der Pandemie
in den Hintergrund geraten ist:
zum Brexit.
Die Briten verhandeln
seit Ende Januar mit der EU,
wie die Beziehung
künftig aussehen soll.
Sieben Runden haben sie
schon absolviert, ohne Ergebnis.
Dabei sind's nur noch
vier Monate bis zum Schluss-Gong.
Dann endet die Übergangsphase.
Diese Woche startet Runde 8.
Die hat Premier Johnson eröffnet
mit einem Vorstoß.
Den muss die EU empfinden
als Schlag unter die Gürtellinie.
Laut Financial Times gibt es Pläne,
nach denen das Austrittsabkommen
mit nationalen, britischen Gesetzen
unterwandert wird.
Anette Dittert, das war ein
harter Schlag, warum macht er das?
Diese Frage stellen sich hier alle.
Es gibt nur zwei Möglichkeiten:
Entweder wollte er einen Abbruch
der Verhandlungen provozieren.
Das könnte er Brüssel
in die Schuhe schieben.
Oder er will den Druck
auf Brüssel erhöhen.
Sollte es aber
eine Verhandlungsstrategie sein,
ist sie extrem riskant.
Der heutige Tag hat gezeigt,
dass man sich auf das Wort
Boris Johnsons nicht verlassen kann.
Das ist kontraproduktiv.
So wird die Zeit auch knapper
und ein No-Deal wahrscheinlicher.
Vor dem Hintergrund der Pandemie
und der Tatsache,
dass die britische Wirtschaft
auch gerade in den Seilen hängt:
Kann Johnson wirklich
einen harten Brexit wollen?
Eigentlich nicht,
v.a. weil die britische Wirtschaft
schwer gebeutelt ist.
Aber Boris Johnson geht es
nicht mehr um die Kosten des Brexit.
Seine Partei will den Brexit
ohne Deal aus fester Überzeugung.
Nur das würde dann ein wahrhaft
souveränes Handeln ermöglichen.
Es heißt nicht,
dass Boris Johnson das Ruder
nicht noch herumreißen könnte.
Aber in der Regierung sind sich
zwei Fraktionen noch nicht einig.
Das dürfte
die entscheidenden Wochen und Monate
unberechenbar machen,
auch für Brüssel.
Boris Johnson teilt ein Schicksal
mit Brasiliens Präsident Bolsonaro:
Beide haben
eine Corona-Infektion überstanden.
Er fragt seither:
"Wovor haben Sie eigentlich Angst?"
Obwohl sein Land besonders schwer
zu tragen hat an der Pandemie.
Im August wurden
über 27.000 Todesfälle registriert
in Brasilien in Verbindung
mit dem Virus.
Trotzdem wächst gerade
das Vertrauen in seine Führung.
Es dürfte daran liegen,
dass er das Risiko
für die Volksgesundheit kleinredet.
Und das Risiko
für die Volkswirtschaft ganz groß.
Während in Brasiliens Corona-Hotspots
Angehörige ihre Toten begraben,
reist Präsident Bolsonaro
durchs Land - trotz Pandemie.
Er weiht Infrastrukturprojekte ein -
wie diese Bewässerungskanäle
im Norden.
Dafür lässt er sich feiern
und überträgt es live via Facebook.
Die Menschen in Brasiliens Norden
sind bitterarm
und glücklich
über jede Unterstützung.
Seit Beginn der Pandemie
erhalten Sie Nothilfen.
Die hat Bolsonaro eingeführt
und gerade bis Ende 2020 verlängert.
Früher lehnte er solche Sozialhilfen
als linke Methoden ab.
Jetzt versucht er so, sich die Gunst
neuer Wähler zu erkaufen.
Als ihm diese bedürftige Frau
über soziale Netzwerke dankt,
zeigt er sich großzügig:
Das ist dein Geld, nicht meins.
In der Pandemie sind viele
Brasilianer in die Armut abgerutscht.
Da kommt Bolsonaros Nothilfe,
seit April etwa 100 Euro im Monat,
für viele gerade recht.
Das war eine gute Initiative,
für die vielen,
die nicht arbeiten können.
An den Stränden
hält längst keiner mehr Abstand.
So, wie es Bolsonaro
immer vorgemacht hat.
Das war doch übertrieben -
all die geschlossenen Geschäfte.
Jetzt ist
die Arbeitslosigkeit gestiegen.
Das ist schlimmer
als die Gesundheitskrise.
So denken nicht wenige.
Aus Expertensicht könnte Bolsonaro
von seiner Corona-Verharmlosung
jetzt profitieren.
Er möchte dem Volk
gute Nachrichten geben und sagen:
"Ich bin dafür zuständig, dass wir
zur Normalität zurückkehren."
Die Rechnung scheint aufzugehen.
Bolsonaros Umfragewerte
sind zuletzt gestiegen.
Seine Anhänger
stärken ihm den Rücken –
auch am heutigen Unabhängigkeitstag.
Dabei hält er sich nicht mal mehr
an Wahlkampfversprechen
wie den Antikorruptionskampf.
Bolsonaro sabotiert die Ermittlungen.
Wichtige Staatsanwälte
haben das Handtuch geworfen.
Wichtiger
dürfte für den Präsidenten sein,
dass er bald schon einen
Corona-Impfstoff präsentieren kann.
Verträge für Millionen Impfdosen
hat er weltweit abgeschlossen.
So ist nicht ausgeschlossen,
dass Corona-Verharmloser Bolsonaro
als Gewinner aus der Pandemie kommt.
Zurück nach Deutschland,
zum Fall Alexej Nawalny.
Die Charite berichtet heute,
dass es dem Kreml-Kritiker
etwas besser geht.
Damit beginnt Jens Riewa
weitere Nachrichten.
Wie die Charite mitteilte,
wurde das künstliche Koma beendet,
Nawalny sei wieder ansprechbar.
Langzeitfolgen der Vergiftung
könne man nicht ausschließen.
Die Bundesregierung
erhöht den Druck auf den Kreml,
zur Aufklärung des Falls beizutragen.
Nach Außenminister Maas
wollte auch Kanzlerin Merkel
einen Baustopp von Nord Stream 2
nicht mehr ausschließen.
Russland bestreitet,
in den Anschlag verwickelt zu sein,
die Bundesregierung
sieht Indizien dafür.
In London ist die Anhörung
um eine Auslieferung
von WikiLeaks-Gründer Assange
fortgesetzt worden.
Zahlreiche Unterstützer von Assange
protestierten
vor dem Strafgerichtshof.
Die US-Justiz hatte ihre Vorwürfe
zuletzt ausgeweitet.
Sie klagt Assange an,
über WikiLeaks
geheime Militärdokumente
veröffentlicht zu haben.
In den USA drohen Assange
bis zu 175 Jahre Haft.
Die Auszahlung des "Kinderbonus"
hat begonnen.
Familien erhalten einmalig 300 Euro,
aufgeteilt in zwei Raten.
Die Sonderleistung
muss nicht beantragt werden,
die Auszahlung erfolgt automatisch
und soll Familien mit Kindern
in der Corona-Krise helfen.
Der Bonus wird nicht
auf Sozialleistungen angerechnet,
aber mit dem Kinderfreibetrag
bei Gutverdienern verrechnet.
Die Spitzenverbände der Wirtschaft
fordern die Bundesregierung
zu einem Kurswechsel
bei den Reisebeschränkungen auf.
In einem Brief befürchten sie
negative Auswirkungen,
die über den Tourismus hinausgingen.
Mehr dazu von Markus Gürne.
Die Verbände hoffen, dass durch
eine Lockerung der Beschränkungen
die Folgen der Corona-Krise
gemildert werden können.
Zwar haben deutsche Unternehmen
die Produktion
im Juli steigern können,
aber nur noch minimal.
Wie es weitergeht,
wird maßgeblich davon abhängen,
wie sich die Corona-Lage
im Herbst und Winter entwickelt.
Exportorientierte Unternehmen
könnten wegen Grenzschließungen
ihre Mitarbeiter nicht
zu ausländischen Kunden entsenden.
Zudem fielen
internationale Fachmessen aus,
wodurch neue Aufträge fehlten.
Was haben New York und London
gemeinsam mit - Mannheim?
Auf den ersten Blick nicht viel.
Aber sicher eine Stelle,
die das friedliche Miteinander
regeln soll - nachts.
Mannheim war vor zwei Jahren
die erste deutsche Stadt,
die das Amt des Nachtbürgermeisters
eingeführt hat.
Auftrag: bei Konflikten vermitteln
zwischen der Party-Szene
und genervten Nachbarn.
Die tagesthemen sind mittendrin
im Szene-Viertel Mannheims.
Wir haben erlebt,
wie schwer es sein kann,
allen eine gute Nacht zu bereiten -
wirklich kein Kinderspiel.
Los!
Sackhüpfen um Mitternacht.
Sieht aus wie Kindergarten,
hat aber einen ernsten Hintergrund.
Es soll spielerisch deeskalieren.
Denn nachts in Mannheim
spitzt sich die Lage oft zu.
Aber von vorne: Mitten
in Mannheims Szene-Viertel Jungbusch.
Ich bin unterwegs
mit der "Nachtschicht".
Ihre Mission:
mehr Dialog im Nachtleben.
Laura Kruse und Emiliano Trujillo
wollen dafür sensibilisieren,
dass die Partymeile
auch Wohnviertel ist.
Dieses Bewusstsein fehlt.
Irgendwo müssen die Leute
ihren Spaß haben.
Es ist scheiße für die Anwohner,
aber auch für uns,
dass die Diskos zu haben.
Ich komm nicht von hier.
Die Menschen
wohnen mitten im Busch.
So nennen Anwohner wie Laura Malek
ihr Viertel.
Sie ist hier aufgewachsen,
zieht ihre Kinder hier groß.
Sie liebt die Vielfalt,
erzählt sie.
Aber durch Corona
sei es zu laut geworden.
Dass das Bewusstsein ...
Die können gerne herkommen.
Denkt auch dran: Hier wohnen Kinder,
Leute, die arbeiten müssen.
In Corona-Zeiten sind die Clubs zu.
Partys verlagern sich
in den öffentlichen Raum.
Umso mehr braucht es ihn:
Nachtbürgermeister Robert Gaa -
Vermittler zwischen den Welten.
Was macht ein Nachtbürgermeister?
Er arbeitet entgegen der Annahme
meistens tagsüber.
Was ich mache, ist fürs Nachtleben.
Erarbeite neue Konzepte
fürs Nachtleben,
sprech mit Anwohnern
oder Gastronomen.
Auf der Straße gibt es keine Wirte,
keine Türsteher,
aber viele Konflikte.
Da fehlen manchmal
ein paar Bezugspersonen,
die die Leute ermahnen:
"Das ist nicht cool."
Deshalb hat der Nachtbürgermeister
mit einem Gemeindezentrum
die "Nachtschicht" gestartet.
Für das Team
geht die Arbeit jetzt richtig los.
23 Uhr, die Außenbereiche schließen.
Die Jugendlichen
ziehen an die Promenade weiter.
Die Nachtschicht
kämpft gegen zu laute Musik.
Wir versuchen,
an eure Vernunft zu appellieren,
die Musik etwas runter zu drehen,
dass alle Interessen
getroffen werden.
Seit Anfang August patrouillieren sie
an den Wochenenden.
Ohne feste Route,
ohne erhobenen Zeigefinger.
Einfach da sein,
das ist das ganze Geheimnis.
Da sein oder auch mal Sackhüpfen,
um die Stimmung aufzulockern.
Weiter eingreifen
darf nur die Polizei.
Die ist dankbar
für die "Nachtschicht".
Es ist was anderes, ob jemand
in Uniform kommt und sagt:
"Macht mal die Musik leiser,
seid doch friedlicher."
Oder ob es jemand sagt,
der normale Klamotten trägt
und eher auf Augenhöhe ist.
Gegen 1 Uhr wird die Lage
plötzlich unübersichtlich.
Ein paar Störenfriede
mischen die Menge auf.
Mach die Kamera weg!
Wir machen die Kamera aus.
Es kommt fast zur Schlägerei.
Ich bekomme mit,
wie die Nachtschichtler sich
zwischen die Streitenden stellen,
auf sie einreden.
Schließlich beruhigt sich
die Lage wieder.
Es ist nichts für jedermann.
Es bedarf viel Geduld,
starker Nerven,
'nen Mund,
der nicht schnell müde wird.
Harte Arbeit.
Aber die bleibt nicht unbemerkt
bei den Anwohnern.
Man merkt schon,
dass die Nachtschicht
was gebracht hat.
Ein kleiner Erfolg.
Doch alle glücklich machen?
Unmöglich.
Dafür sind die Vorstellungen
von einer guten Nacht
einfach zu unterschiedlich.
Es ist wohl das Sinnbild
alter Seefahrtsromantik:
Ein stolzer Viermaster
mit vollen Segeln.
Wie die Peking - vom Stapel gelaufen
in Hamburg im Jahr 1911.
Damals schon eine Legende
als einer der schnellsten Großsegler
seiner Zeit.
Damals gab es
eine ganze Flotte dieser P-Liner,
deren Namen alle mit P begannen.
Nun gibt es weltweit nur noch
vier "Hamborger Veermaster".
Die Peking ist einer davon.
Irgendwann hat das Dampfschiff
ihr den Rang abgelaufen.
Deshalb war sie erst in England,
und vergammelte dann in New York
als Museumsschiff.
Jetzt ist sie aufwendig restauriert,
und heute die Elbe hochgefahren.
Mit großem Geleit,
in ihren Heimathafen Hamburg.
Die letzte Etappe
einer über 100-jährigen Reise.
Die Viermast-Bark kehrt zurück
in ihren Heimathafen Hamburg.
Lange undenkbar, und ohne ihn
wäre das kaum möglich gewesen:
Joachim Kaiser, Pate der Peking.
Das gehört dazu,
dass man glaubt an seine Projekte.
Das habe ich mir immer bewahrt.
Wenn ich nicht
an ein Projekt geglaubt habe,
habe ich es auch nicht angefasst.
Es ist wie Ernte einfahren.
Nachdem Politiker die Peking
als Flaggschiff des geplanten
Deutschen Hafenmuseums auswählen,
geht Joachim Kaiser auf Kurs.
Der Schiffssachverständige soll
das maritime Mammutprojekt stemmen.
Noch 2016 dümpelt der Windjammer
als marodes Museum in New York.
Kaufpreis: 100 Dollar –
für eine Legende der Seefahrt.
Es hat irgendwie
von mir Besitz ergriffen.
Ich konnte
an nichts anderes mehr denken, als:
Wie repariere ich dieses Schiff?
2017 – geht es zurück in die Heimat.
Leinen los!
Die finale Atlantik-Passage
Richtung Elbe –
nur im Transportschiff möglich.
Kein Vergleich zu früher,
wie Kaiser mit einem Film
den Matrosen zeigt.
Gebaut 1911 von Blohm + Voss,
transportiert der Frachtsegler
Salpeter aus Südamerika.
Umrundet 34-mal Kap Hoorn.
Unter vollen Segeln –
schneller als damalige Dampfschiffe.
Das wird
als Wunder angesehen werden,
dass man damit
überhaupt segeln konnte.
Keine elektronische Navigation,
Tiefenlotung mit Blei am Band.
Unfassbar!
In den 50er-Jahren -
ein schwimmendes Internat
vor Englands Küste.
Später droht in den USA
wegen Geldmangel die Verschrottung.
Deutsches Steuergeld
und eine Stiftung helfen.
Eine Werft in Schleswig-Holstein
restauriert Rumpf, Deck, Masten.
38 Mio. Euro für ein Prestigeobjekt.
Heute erreicht
die 115 m Meter lange Peking
auf eigenem Kiel die Hansestadt.
Tausende haben sie entlang der Elbe
bis nach Hamburg begleitet.
Es macht mich froh und stolz,
dass es gelungen ist,
diesen Teil dieser Vision
erfüllt zu haben.
Dass wir hier heute
in Hamburg ankommen mit dem Schiff.
Für Joachim Kaiser
war die Peking Passion.
Ab nächstem Sommer können Besucher
sie in Hamburg besichtigen.
Jetzt können Sie
mit Fug und Recht behaupten:
"Ick heff mol
en Hamborger Veermaster sehn."
Und wir sehen Karsten Schwanke,
der uns sagen kann,
ob es morgen Segelwetter gibt.
Für sportliche Segler
auf jeden Fall.
Es wird windiger an Nord- und Ostsee.
Dazu auch ziemlich bewölkt.
Erst am Abend
könnte es wieder so aussehen.
Bevor ich zu unserem Wetter komme,
ein Blick in die USA.
Dort ist gerade viel los.
Das ist eine Karte der Temperaturen
von heute.
In Las Vegas könnte es
neue Septemberrekorde geben.
44 Grad werden da erwartet,
in Denver 37 Grad.
Bemerkenswert: Dazu gibt es eine
Unwetterwarnung vor Schneestürmen.
Morgen gibt es da einen
Temperatursturz - außergewöhnlich.
Bei uns bewegt sich
bei den Temperaturen nur wenig.
Das Wetter dazu:
Heute Nacht leicht bewölkt
und sternenklar.
Es kann leicht nieseln
oder regnen im Nordwesten.
Morgen ziehen die Wolken gen Mitte.
Um die Mittelgebirge
herum kann es regnen.
Am Mittwoch
erneut im Nordwesten Schauer.
Donnerstag
auch im Süden mehr Wolken.
Ab Freitag
wieder überall mehr Sonne.
Zum Schluss noch ein Programmtipp:
Heute geht ja der Prozess weiter,
in dem sich entscheidet,
ob Julian Assange ausgeliefert
wird an die US-Justiz.
Dazu läuft jetzt
die "Story im Ersten"
über den Macher von WikiLeaks.
Morgen sind wir wieder hier.
Tschüss,
und bleiben Sie zuversichtlich.
Copyright Untertitel: NDR 2020