Jasko | GERMANIA
Wenn du mich fragst, was toll an Duisburg ist,
sage ich dir ganz ehrlich: Gar nichts!
Aber ich bin hier aufgewachsen, ich würde hier nie wegziehen.
Wenn ich morgen 90 Mio. im Lotto gewinne, würde ich hierbleiben.
(Intro)
Mein Name ist Jasko, bin 29 Jahre alt,
bin in Serbien geboren, lebe in Duisburg und bin Musiker.
Meine Eltern kommen ursprünglich aus Ex-Jugoslawien.
Wenn du näher drauf eingehst, ist es Serbien.
Wenn du noch näher drauf eingehst, ist es Sandžak.
Das ist eine Provinz in Serbien mit muslimischer Bevölkerung.
1993 von dort geflüchtet, ich war 4 Jahre alt.
Am Ende sind wir Duisburg gelandet - und geblieben.
Wenn du genau überlegst, habe ich seit dem 4. Lebensjahr
bis 14, 15 in einem Flüchtlingsheim gelebt.
Wenn ich mich an die Zeit zurück erinnere:
Als Kind nimmst du Freunde mit nach Hause oder Mädels.
Bei mir war das nicht der Fall.
Während die Kinder Fußball, Basketball oder so gespielt haben,
haben wir Flüchtlingskinder, die im Flüchtlingsheim aufgewachsen sind,
im Wald Krieg gespielt.
Wir haben uns Pfeil und Bogen gebaut. Wir haben uns Waffen gebaut.
Richtig so: "Du bist tot!" (Brrrrrr)
Vielleicht unterscheidet uns das von normalen Kindern,
die nicht wegen Krieg flüchten mussten.
Du musst dir das so vorstellen:
Als Kind lernst du Sprache schneller, deine Eltern halt nicht.
Dadurch musste ich zu etlichen Terminen mitgehen:
Arzttermine, Anwaltstermine, Verträge abschließen...
Bei jeder Kleinigkeit musste ich den Dolmetscher spielen.
Von klein auf.
Irgendwann hatte ich keinen Bock mehr drauf.
Du wirst früh erwachsen.
Du kriegst Sachen mit, die du als Kind nicht mitkriegen sollst.
Wie mir geht es vielen Menschen in Deutschland.
Migranten, die nicht hier geboren sind,
aber trotzdem hier aufgewachsen sind, mit 4 Jahren rüber gekommen,
die irgendwie dazwischen sind, sich selber finden,
diesen ganzen Weg mitgehen müssen.
Als kleines Kind hast du ein krasses Identitätsproblem,
speziell in meinem Fall, in der Schulzeit.
Wenn mich jemand gefragt hat: Woher kommst du?
Ich gesagt habe: Jugoslawien.
Haben die gesagt: Es gibt kein Jugoslawien mehr.
Dann sage ich: Eigentlich aus Serbien,
aber ich bin kein Serbe, ich bin jugoslawischer Moslem.
Gibt es auch.
Als ich geboren wurde, war es noch Jugoslawien.
Du fühlst dich hier nicht als ein Deutscher,
aber in der Heimat bist du für die Einheimischen ein Deutscher.
Irgendwann fragst du dich: Was bin ich?
Bin ich ein deutscher Jugoslawe?
Bin ich ein jugoslawischer Deutscher?
Du bist irgendwie eine Mische.
Deswegen halte ich immer Abstand dazu.
Ich bin Duisburger!
Das ist meine Heimat, wo mich auch jeder als Duisburger sieht.
Wo ich mich auch am wohlsten fühle.
Ich verstehe Menschen, die von außen sagen:
Duisburg ist dreckig, was willst du da?
Gar kein Thema, habe ich vollstes Verständnis für.
Jemand, der von außen nach Duisburg kommt, hierher zieht,
er wird lange brauchen, bis er sich hier richtig einlebt.
Aber für Leute, die hier aufgewachsen sind, ist es Heimat!
Für uns ist jeder gleich.
Wir haben diese Probleme nicht, wie ich in anderen Städten erlebt habe.
Wo du in einen Laden reinkommst, du hast schwarze Haare
und sie gucken dich mit großen Augen an.
Sowas hast du hier nicht.
Duisburg fällt in erster Linie
nur negativ auf in der Öffentlichkeit und den Medien.
Ein Beispiel: Man sagt, Marxloh ist eine No-Go-Area.
Marxloh hat eine der größten Brautmeilen in ganz Deutschland.
Da kommen Menschen aus aller Welt wegen dieser Brautmeile.
Die wollen dort einfach einkaufen.
Wenn Marxloh eine No-Go-Area ist, warum laufen diese Läden immer noch?
Warum ist in Marxloh samstags mehr los, als in der Stadtmitte?
Das sind so Sachen, das wird nicht erwähnt.
Es wird nur Negatives erwähnt.
Polizisten trauen sich angeblich nicht rein.
Geh mal jetzt nach Marxloh. Full! Da sind nur Polizisten.
Du stehst vor dem Café mit deinen Jungs - Routinekontrolle.
Das jeden Tag!
Ich sage immer noch mit breiter Brust und voller Stolz:
Ich bin Duisburger!
Duisburger sind eigentlich offene Menschen.
Duisburg ist eine Stadt, die ist multikulti.
Hier findest du Menschen aus Nationen, die kennst du gar nicht.
Am Ende des Tages isst ein Duisburger Pommes rot-weiß.
Dazu einen Döner mit Zwiebeln.
(Outro)
Untertitel: ARD Text im Auftrag von Funk