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Funkkreis. Podcast der Bundeswehr, Podcast #15 | Strategie der Reserve (1)

Podcast #15 | Strategie der Reserve (1)

Funkkreis, Podcast der Bundeswehr.

(A) Heut der Podcast aus Berlin mit meinem Gast der Oberst Peter Haupt.

Schön dass Sie da sind.

Hallo.

(B) Freut mich, guten Abend.

(A) Der Herr ist Referatsleiter für die Strategie der Reserve.

(B) Ja, auch.

Aber mein Verantwortungsbereich geht ein Stück weiter, nämlich alles was grundsätzliche

Angelegenheiten der Reserve sind und Vorgaben auch beispielsweise für die Personalführung

in Reservistenangelegenheiten.

An und für sich sagt man, mache ich Grundsätze.

Also ich soll mir die Reserve anschauen, wie sie ausgerüstet ist, wie sie ausgestattet

ist, wie sie für neue Herausforderung aufgestellt werden muss, ob er grundsätzlich irgendwo

was zu verändern gibt - auch im Sinne von Vorgaben.

Die Personalführung soll Reservisten auswählen und ich soll dieser sagen, nach welchen Spielregeln

sie sie auswählen sollen.

Das sind vielleicht mal ein paar Aspekte dazu und seit 2016, ungefähr ein Jahr nachdem

ich ins Ministerium reingekommen bin, hatte ich eben diesen spannenden und schönen Auftrag

am Hals: Schreiben Sie mal eine neue Strategie der Reserve, weil wir uns jetzt mehr auf Landes-

und Bündnisverteidigung wieder zurückbesinnen wollen.

Auch das ist etwas, das passiert nicht alle Tage.

Ich muss ganz ehrlich sagen, als mein Personalführer mir gesagt hat: „Sie müssen sich um Reserve

kümmern“, habe ich gesagt: „Da hast du viel Zeit um im Tiergarten laufen zu gehen

und musst den ganzen Tag überlegen, was du so machst.“.

Weit gefehlt.

(A) Kam anders?

(B) Es kam deutlich anders.

Die Laufschuhe habe ich eingepackt seither, die stehen unter meinem Bett.

(A) Die sind schon verstaubt wahrscheinlich?

(B) Die sind schon zugestaubt, genau.

Die gehören auch zur Reserve.

(A) Ist das Teil ... also ist das ein Resultat davon,

dass die Wehrpflicht weggefallen ist, dass jetzt Reservisten mehr den Vordergrund rücken?

(B) Das hängt ein Stück weit damit zusammen.

Wobei man sagen muss, eine der saloppen Begründungen war ja (eine von vielen): Um uns herum lauter

Freunde und wir brauchen Profis für die Einsätze der Bundeswehr im Ausland, da kommen wir mit

der Wehrpflicht nicht mehr weiter.

Mit der Wehrpflicht sind eben auch sehr viele Reservisten-Strukturen abgebaut worden, sind

sehr viele Reservisten in ein Loch gefallen, weil ihr Truppenteil bei

dem sie gedient haben verschwunden ist

Die Reservisten-Strukturen sind komplett aufgelöst worden in großen Teilen.

Insoweit hat die Reserve mit dem Aussetzen der Wehrpflicht ein deutliches Stück weit

auch an Substanz verloren und an Verbindung in die Gesellschaft hinein.

Bundeswehr ist damals anders wahrgenommen worden vor der Zeit, als die Wehrpflicht ausgesetzt

worden ist.

(A) Ja gut, das geht wahrscheinlich jedem Soldaten so,

nicht nur den Reservisten.

Ich habe das Gefühl, dass das Verständnis zurückweicht.

Man wird nicht mehr so gesehen, wie früher.

Ich habe das Gefühl, als ich bei der Bundeswehr 2004 angefangen habe, hatte jeder eine kleine

Geschichte.

Der Mann war mal in der Bundeswehr als Wehrdienstleistender oder der Opa oder der Bruder oder der Sohn

und diese kleinen Geschichten fallen durch die Wehrpflicht auch weg.

(B) Heutzutage haben Sie eben in vielen Familien überhaupt gar keinen Bezug

mehr zum Soldatentum.

Sie haben dies übrigens nicht nur in den Familien.

Sie haben es auch in den Bereichen der Arbeitgeber, Sie haben es in den in den Chefetagen, in

Vorstandsetagen von Unternehmen, die wir z.B. für die Reserve brauchen.

Da fehlt der unmittelbare Bezug zum Reservisten und zum Soldaten.

(A) Die Gesellschaft kriegt es nicht so richtig mit – oder will nicht.

(B) Das ist ein Stück symptomatisch für die Gesellschaft.

Wenn Sie über den Berliner Hauptbahnhof laufen in Uniform, oder durch den Berliner Hauptbahnhof,

dann werden sie (wenn sie nicht so eine schöne fleckgetarnte Uniform tragen), dann werden

sie gefragt, wo der nächste Schalter ist, wo die nächste Rolltreppe ist und wo man

Bahnkarten kaufen kann.

Selbst in einer Stadt wie Berlin ist das so.

Oder stellen Sie die Frage nach Reserve irgendwo in irgendeiner Stadt - das Thema, das mich

jeden Tag umtreibt: irgendwo, in irgend einer Stadt, Was wissen Sie über Reserve?

Dann kriegen Sie eine ganze Menge Antworten, aber die Verbindung zur Bundeswehr ist möglicherweise

überhaupt nicht da.

Es reicht also dieses oberflächliche Stichwort, um schon festzustellen, wie weit sind wir

auseinander.

(A) Wie wichtig sind denn Reservisten für die Bundeswehr?

(B) Sie sind künftig mehr wichtig, als man das heute vielleicht glaubt.

Wenn Sie die Situation heute nehmen, dann finden Sie Reservisten dort, wo es entweder

zu wenig aktives Personal gibt oder wo es besonders viele Aufträge oder Auftragsspitzen

gibt.

Da finden Sie auch in erster Linie hochrangige Reservisten (Stabsoffiziere, Unteroffiziere

im Spitzendienstgrad), die für einen durchaus langen Zeitraum auch sich der Bundeswehr zur

Verfügung stellen.

Ausgeschiedene Berufssoldat machen sowas auch ganz gerne, wenn sie eben die Altersgrenze

nicht erreicht haben.

Das finden Sie also flächendeckend in Stäben, Schulen, in Dienststellen in der Bundeswehr.

Künftig wird dies ein stückweit anders sein.

Wenn Sie so diese Kette nehmen: Weißbuch ... Konzeption der Bundeswehr ... strategische

Ausrüstung ... Rückbesinnung auf Landes- und Bündnisverteidigung ... dann stellen

wir schon fest, dass was wir alles können wollen unter dem neuen Szenario Landes- und

Bündnisverteidigung, das werden wir mit den Aktiven nicht stemmen können.

Das heißt, die aktiven Strukturen werden wir gar nicht so groß machen können, auch

nicht so groß machen müssen.

Deshalb will ich sagen, dahinter brauchen wir Reservisten – nicht um der Reservisten

Willen und auch nicht um irgendeinen Ministerium zu befriedigen, nach dem Motto, war eine tolle

Idee - sondern weil wir sagen: Nur mit Aktiven und Reservisten zusammen können wir das Gesamtspektrum

der Aufträge der Bundeswehr künftig erfüllen.

Von daher kriegen die Reservisten eine ganz andere Bedeutung, als dies heutzutage der

Fall ist.

(A) Weil einsatzähnliche Szenarien wie Enhanced Forward Presence dazugekommen

sind?

Also jetzt bei dem Beispiel, weil NATO Bündnisse einzuhalten sind?

Deswegen?

(B) NATO ist ein gutes Stichwort.

Schauen Sie, wenn Sie gucken, was wir derzeit machen, was auch die Amerikaner derzeit üben,

was in der Vergangenheit viel häufiger der Fall war, dass Truppen irgendwo anlanden.

Nehme wir jetzt mal Bremerhaven: Eine amerikanische Brigade, also eine Menge an Panzern und Personal

und Peripheriegerät, landet dort an, fährt durch Deutschland durch und kommt am Ende

irgendwo an der Ostgrenze der NATO wieder an.

Wo auch immer.

In den baltischen Staaten oder in Osteuropa, sei es mal drum.

Also ein Szenario, das durchaus eine andere Dimension hat als früher und wieder häufiger

auch geübt wird unter dem Aspekt Rückbesinnung auf Landes- und Bündnisverteidigung.

Zum anderen hat die Bundeswehr tatsächlich für die NATO (schon seit langem, das ist

jetzt nichts was in den letzten paar Jahren erst passiert ist Kräfte zugesagt.

Nur die sind zwar planerisch immer berücksichtigt gewesen und sind auch ausgerichtet gewesen

auf einen Fall der Landes- und Bündnisverteidigung.

Nur zeitlich war das alles ziemlich weit weg.

Unsere alten Überlegungen zu Reservist sind immer davon ausgegangen, irgendwo entsteht

eine Krise, wo auch immer, und dann hat man lange lange lange Zeit bis es die Krise eskaliert

und bis die Krise sich in Deutschland auswirkt und in dieser Zeit hat man ausreichend Möglichkeit/

Gelegenheit die Reservisten auszubilden, vielleicht die Fahrzeuge aufzustocken, unterschiedlichste

Maßnahmen zu treffen.

Nur von dieser Vorstellung haben wir uns deutlich verabschieden müssen.

(A) War nicht realistisch?

(B) Ob es damals realistisch war, ist auch eine Frage.

Da können Sie gut drüber diskutieren, nächtelang.

Heutzutage, wenn Sie sich umgucken, was in der Welt passiert sicherheitspolitisch, wie

schnell Prozesse ablaufen, wie das mit Terrorismus ist, wie das mit der Theorie der Kriegsführung

ist, wie das mit Cyberattacken und ähnlichem ist ... Das wird nichts sein, was sich (oder

möglicherweise nichts sein) was sich über viele Monate abzeichnet.

Sondern man muss relativ schnell reagieren können und dazu bedarf es eben auch Reservisten.

(A) Haben Sie Zahlen?

Also dass man sich so eine Größenordnung vorstellen kann, wieviel da so tatsächlich

fehlt und wie viele zukünftig kommen müssten an Reservisten?

(B) Naja, wenn wir uns von diesem Aufgabenportfolio, das ich ein bisschen gerade skizziert habe

der Bundeswehr uns das anschauen, , dann ist eben genau das die Frage: Was stellen

wir uns an Gesamt-Bundeswehr vor?

Und dann ist die Frage, was können wir damit realistisch mit Aktiven erreichen und was

brauchen wir an Reservisten dahinter?

Am Ende steht möglicherweise so eine Größenordnung von zwei zu eins.

Das heißt also eine aktive Bundeswehr, die um die 200.000 hat und dazu eine Anzahl von

etwa 100.000 Reservisten dahinter.

Das könnte so eine Struktur sein.

Wenn Sie mal in die Zeit zurückgehen, in der ich angefangen habe.

In Hochzeiten des Kalten Krieges was genau umgekehrt, auf einen Aktiven kamen 3 Reservisten.

Also da hatte die Bundeswehr so um die 300.000 plus und dahinter standen so eine Millionen

Reservisten.

(A) Wahnsinn.

(B) Auch das ist nochmal eine ganz andere Sache.

Das kann man mit der heutigen Zeit so nicht vergleichen.

Aber von zwei zu eins können Sie als realistischer Größenordnung vielleicht ausgehen.

(A) Wissen Sie, wie der Stand heute ist?

(B) Ja, heute haben wir ... für 60.000 Reservisten hätten wir Platz.

(A) Okay.

(B) Und davon haben wir 30.000 Stellen besetzt.

Also wir haben weniger als die Hälfte, sind sogar noch ein paar drunter.

Also wir haben etwas weniger, also etwas um die Hälfte der Reservisten, die wir gerne

hätten.

Das hängt einfach damit zusammen, dass wir mit dem Aussetzen der Wehrpflicht den Reservistendienst

komplett auf Freiwilligkeit gestellt haben, komplett.

Selbst die Frage, ob jemand der ausscheidet überhaupt in der Bundeswehr bleiben will,

da haben wir gesagt, das kann er freiwillig entscheiden.

(A) Wird sich das denn zukünftig ändern?

(B) Ja, das müssen wir ändern - unter dem Aspekt der Landes- und Bündnisverteidigung mit der Zeit.

Eine Reserve, die nicht sozusagen voll befüllt ist und die nicht vernünftig aktivierbar

ist und die nicht vernünftig für die Bundeswehr als Reserve tatsächlich zur Verfügung steht,

ist wenig hilfreich.

Und wir haben heute zum einen eben den Punkt, dass der Reservist freiwillig sagt, ob er

beordert werden will oder nicht, also für die Bundeswehr zur Verfügung steht oder nicht.

Und wir wollen künftig dahin, dass wir sagen, jeder der ausscheidet (egal ob er Berufssoldat

gewesen ist oder Zeit-Soldat oder freiwillig Wehrdienstleistender), der unterliegt ja ohnehin

erstmal der Wehrüberwachung oder der Dienstleistungsüberwachung.

Das muss man auch immer sagen.

Also rechtlich gesehen ist derjenige ein Reservist und hat bis zu einem bestimmten Alter für

die Heranziehung im Spannungs- oder Verteidigungsfall zur Verfügung zu stehen.

Das sind die gesetzlichen Pflichten.

Die will ich hier aber mal beiseite räumen oder beiseitelassen.

Denn was wir wollen, ist im Grunde genommen, eine Struktur aufzubauen - ähnlich wie auch

bei der aktiven Bundeswehr, wo wir sagen, hier sind eben Truppenteile der Reserve und

hier sind Stellen der Reserve.

Und da wollen wir auch wissen, wer da rauf kommt.

Und da wollen wir eben die Ausscheidenden dafür gewinnen und nutzen.

Also jeder der ausscheidet/ jede die ausscheidet, soll auf eine Stelle gebracht werden.

In erster Linie gucken wir auf den fachlichen Bedarf der Bundeswehr.

Also wenn einer als Panzerkommandant ausscheidet, ist ja sinnvoll zu sagen, dich verwenden wir

in der Reserve auch als Panzerkommandant.

Wenn einer als Triebwerkmechaniker ausscheidet, wäre es da ganz hilfreich.

Aber wir wollen auch auf den regionalen Aspekt gucken.

Wir haben in der Fläche bzw. in der territorialen Reserve viele Möglichkeiten, sodass man dann

auch sagen kann, der junge Mann/ die junge Frau, die in Freiburg studieren will, die

hat möglicherweise eine Chance, in einer solchen territorialen Einheit auf die Stelle

gebracht zu werden.

Und das Ganze wollen wir für 6 Jahre machen.

Wir nennen das „Grundbeorderung“.

Das heißt also, das ist für den Reservisten planbar und für die Bundeswehr planbar, damit

wir im Falle des Falles den Mann oder die Frau als Reservist auch dort heranziehen können

wo es sinnvoll ist.

(A) Wie muss ich mir das denn vorstellen?

Also, nehmen wir mal an, ich bin jetzt selber auch Reservistin und bin dann nach meiner

Dienstzeit ausgeschieden.

Werde ich dann gefragt oder auf welcher Basis passiert das?

Also ich erinnere mich, damals musste ich so einen kleinen Haken setzen: Sind Sie interessiert

an einer Reserve?

Habe ich dann ein Häkchen hingemacht und dachte, ja warum nicht?

Wird das auch so laufen dann?

(B) Da sind Sie schon mal ein positives Beispiel.


Podcast #15 | Strategie der Reserve (1) Podcast #15 | Reserve Strategy (1) Podcast #15 | Estratégia de reserva (1) Подкаст #15 | Резервная стратегия (1) Podcast #15 | Rezerv Stratejisi (1)

Funkkreis, Podcast der Bundeswehr.

(A) Heut der Podcast aus Berlin mit meinem Gast der Oberst Peter Haupt.

Schön dass Sie da sind.

Hallo.

(B) Freut mich, guten Abend.

(A) Der Herr ist Referatsleiter für die Strategie der Reserve.

(B) Ja, auch.

Aber mein Verantwortungsbereich geht ein Stück weiter, nämlich alles was grundsätzliche

Angelegenheiten der Reserve sind und Vorgaben auch beispielsweise für die Personalführung

in Reservistenangelegenheiten.

An und für sich sagt man, mache ich Grundsätze.

Also ich soll mir die Reserve anschauen, wie sie ausgerüstet ist, wie sie ausgestattet

ist, wie sie für neue Herausforderung aufgestellt werden muss, ob er grundsätzlich irgendwo

was zu verändern gibt - auch im Sinne von Vorgaben.

Die Personalführung soll Reservisten auswählen und ich soll dieser sagen, nach welchen Spielregeln

sie sie auswählen sollen.

Das sind vielleicht mal ein paar Aspekte dazu und seit 2016, ungefähr ein Jahr nachdem

ich ins Ministerium reingekommen bin, hatte ich eben diesen spannenden und schönen Auftrag

am Hals: Schreiben Sie mal eine neue Strategie der Reserve, weil wir uns jetzt mehr auf Landes-

und Bündnisverteidigung wieder zurückbesinnen wollen.

Auch das ist etwas, das passiert nicht alle Tage.

Ich muss ganz ehrlich sagen, als mein Personalführer mir gesagt hat: „Sie müssen sich um Reserve

kümmern“, habe ich gesagt: „Da hast du viel Zeit um im Tiergarten laufen zu gehen

und musst den ganzen Tag überlegen, was du so machst.“.

Weit gefehlt.

(A) Kam anders?

(B) Es kam deutlich anders.

Die Laufschuhe habe ich eingepackt seither, die stehen unter meinem Bett.

(A) Die sind schon verstaubt wahrscheinlich?

(B) Die sind schon zugestaubt, genau.

Die gehören auch zur Reserve.

(A) Ist das Teil ... also ist das ein Resultat davon,

dass die Wehrpflicht weggefallen ist, dass jetzt Reservisten mehr den Vordergrund rücken?

(B) Das hängt ein Stück weit damit zusammen.

Wobei man sagen muss, eine der saloppen Begründungen war ja (eine von vielen): Um uns herum lauter

Freunde und wir brauchen Profis für die Einsätze der Bundeswehr im Ausland, da kommen wir mit

der Wehrpflicht nicht mehr weiter.

Mit der Wehrpflicht sind eben auch sehr viele Reservisten-Strukturen abgebaut worden, sind

sehr viele Reservisten in ein Loch gefallen, weil ihr Truppenteil bei

dem sie gedient haben verschwunden ist

Die Reservisten-Strukturen sind komplett aufgelöst worden in großen Teilen.

Insoweit hat die Reserve mit dem Aussetzen der Wehrpflicht ein deutliches Stück weit

auch an Substanz verloren und an Verbindung in die Gesellschaft hinein.

Bundeswehr ist damals anders wahrgenommen worden vor der Zeit, als die Wehrpflicht ausgesetzt

worden ist.

(A) Ja gut, das geht wahrscheinlich jedem Soldaten so,

nicht nur den Reservisten.

Ich habe das Gefühl, dass das Verständnis zurückweicht.

Man wird nicht mehr so gesehen, wie früher.

Ich habe das Gefühl, als ich bei der Bundeswehr 2004 angefangen habe, hatte jeder eine kleine

Geschichte.

Der Mann war mal in der Bundeswehr als Wehrdienstleistender oder der Opa oder der Bruder oder der Sohn

und diese kleinen Geschichten fallen durch die Wehrpflicht auch weg.

(B) Heutzutage haben Sie eben in vielen Familien überhaupt gar keinen Bezug

mehr zum Soldatentum.

Sie haben dies übrigens nicht nur in den Familien.

Sie haben es auch in den Bereichen der Arbeitgeber, Sie haben es in den in den Chefetagen, in

Vorstandsetagen von Unternehmen, die wir z.B. für die Reserve brauchen.

Da fehlt der unmittelbare Bezug zum Reservisten und zum Soldaten.

(A) Die Gesellschaft kriegt es nicht so richtig mit – oder will nicht.

(B) Das ist ein Stück symptomatisch für die Gesellschaft.

Wenn Sie über den Berliner Hauptbahnhof laufen in Uniform, oder durch den Berliner Hauptbahnhof,

dann werden sie (wenn sie nicht so eine schöne fleckgetarnte Uniform tragen), dann werden

sie gefragt, wo der nächste Schalter ist, wo die nächste Rolltreppe ist und wo man

Bahnkarten kaufen kann.

Selbst in einer Stadt wie Berlin ist das so.

Oder stellen Sie die Frage nach Reserve irgendwo in irgendeiner Stadt - das Thema, das mich

jeden Tag umtreibt: irgendwo, in irgend einer Stadt, Was wissen Sie über Reserve?

Dann kriegen Sie eine ganze Menge Antworten, aber die Verbindung zur Bundeswehr ist möglicherweise

überhaupt nicht da.

Es reicht also dieses oberflächliche Stichwort, um schon festzustellen, wie weit sind wir

auseinander.

(A) Wie wichtig sind denn Reservisten für die Bundeswehr?

(B) Sie sind künftig mehr wichtig, als man das heute vielleicht glaubt.

Wenn Sie die Situation heute nehmen, dann finden Sie Reservisten dort, wo es entweder

zu wenig aktives Personal gibt oder wo es besonders viele Aufträge oder Auftragsspitzen

gibt.

Da finden Sie auch in erster Linie hochrangige Reservisten (Stabsoffiziere, Unteroffiziere

im Spitzendienstgrad), die für einen durchaus langen Zeitraum auch sich der Bundeswehr zur

Verfügung stellen.

Ausgeschiedene Berufssoldat machen sowas auch ganz gerne, wenn sie eben die Altersgrenze

nicht erreicht haben.

Das finden Sie also flächendeckend in Stäben, Schulen, in Dienststellen in der Bundeswehr.

Künftig wird dies ein stückweit anders sein.

Wenn Sie so diese Kette nehmen: Weißbuch ... Konzeption der Bundeswehr ... strategische

Ausrüstung ... Rückbesinnung auf Landes- und Bündnisverteidigung ... dann stellen

wir schon fest, dass was wir alles können wollen unter dem neuen Szenario Landes- und

Bündnisverteidigung, das werden wir mit den Aktiven nicht stemmen können.

Das heißt, die aktiven Strukturen werden wir gar nicht so groß machen können, auch

nicht so groß machen müssen.

Deshalb will ich sagen, dahinter brauchen wir Reservisten – nicht um der Reservisten

Willen und auch nicht um irgendeinen Ministerium zu befriedigen, nach dem Motto, war eine tolle

Idee - sondern weil wir sagen: Nur mit Aktiven und Reservisten zusammen können wir das Gesamtspektrum

der Aufträge der Bundeswehr künftig erfüllen.

Von daher kriegen die Reservisten eine ganz andere Bedeutung, als dies heutzutage der

Fall ist.

(A) Weil einsatzähnliche Szenarien wie Enhanced Forward Presence dazugekommen

sind?

Also jetzt bei dem Beispiel, weil NATO Bündnisse einzuhalten sind?

Deswegen?

(B) NATO ist ein gutes Stichwort.

Schauen Sie, wenn Sie gucken, was wir derzeit machen, was auch die Amerikaner derzeit üben,

was in der Vergangenheit viel häufiger der Fall war, dass Truppen irgendwo anlanden.

Nehme wir jetzt mal Bremerhaven: Eine amerikanische Brigade, also eine Menge an Panzern und Personal

und Peripheriegerät, landet dort an, fährt durch Deutschland durch und kommt am Ende

irgendwo an der Ostgrenze der NATO wieder an.

Wo auch immer.

In den baltischen Staaten oder in Osteuropa, sei es mal drum.

Also ein Szenario, das durchaus eine andere Dimension hat als früher und wieder häufiger

auch geübt wird unter dem Aspekt Rückbesinnung auf Landes- und Bündnisverteidigung.

Zum anderen hat die Bundeswehr tatsächlich für die NATO (schon seit langem, das ist

jetzt nichts was in den letzten paar Jahren erst passiert ist Kräfte zugesagt.

Nur die sind zwar planerisch immer berücksichtigt gewesen und sind auch ausgerichtet gewesen

auf einen Fall der Landes- und Bündnisverteidigung.

Nur zeitlich war das alles ziemlich weit weg.

Unsere alten Überlegungen zu Reservist sind immer davon ausgegangen, irgendwo entsteht

eine Krise, wo auch immer, und dann hat man lange lange lange Zeit bis es die Krise eskaliert

und bis die Krise sich in Deutschland auswirkt und in dieser Zeit hat man ausreichend Möglichkeit/

Gelegenheit die Reservisten auszubilden, vielleicht die Fahrzeuge aufzustocken, unterschiedlichste

Maßnahmen zu treffen.

Nur von dieser Vorstellung haben wir uns deutlich verabschieden müssen.

(A) War nicht realistisch?

(B) Ob es damals realistisch war, ist auch eine Frage.

Da können Sie gut drüber diskutieren, nächtelang.

Heutzutage, wenn Sie sich umgucken, was in der Welt passiert sicherheitspolitisch, wie

schnell Prozesse ablaufen, wie das mit Terrorismus ist, wie das mit der Theorie der Kriegsführung

ist, wie das mit Cyberattacken und ähnlichem ist ... Das wird nichts sein, was sich (oder

möglicherweise nichts sein) was sich über viele Monate abzeichnet.

Sondern man muss relativ schnell reagieren können und dazu bedarf es eben auch Reservisten.

(A) Haben Sie Zahlen?

Also dass man sich so eine Größenordnung vorstellen kann, wieviel da so tatsächlich

fehlt und wie viele zukünftig kommen müssten an Reservisten?

(B) Naja, wenn wir uns von diesem Aufgabenportfolio, das ich ein bisschen gerade skizziert habe

der Bundeswehr uns das anschauen, , dann ist eben genau das die Frage: Was stellen

wir uns an Gesamt-Bundeswehr vor?

Und dann ist die Frage, was können wir damit realistisch mit Aktiven erreichen und was

brauchen wir an Reservisten dahinter?

Am Ende steht möglicherweise so eine Größenordnung von zwei zu eins.

Das heißt also eine aktive Bundeswehr, die um die 200.000 hat und dazu eine Anzahl von

etwa 100.000 Reservisten dahinter.

Das könnte so eine Struktur sein.

Wenn Sie mal in die Zeit zurückgehen, in der ich angefangen habe.

In Hochzeiten des Kalten Krieges was genau umgekehrt, auf einen Aktiven kamen 3 Reservisten.

Also da hatte die Bundeswehr so um die 300.000 plus und dahinter standen so eine Millionen

Reservisten.

(A) Wahnsinn.

(B) Auch das ist nochmal eine ganz andere Sache.

Das kann man mit der heutigen Zeit so nicht vergleichen.

Aber von zwei zu eins können Sie als realistischer Größenordnung vielleicht ausgehen.

(A) Wissen Sie, wie der Stand heute ist?

(B) Ja, heute haben wir ... für 60.000 Reservisten hätten wir Platz.

(A) Okay.

(B) Und davon haben wir 30.000 Stellen besetzt.

Also wir haben weniger als die Hälfte, sind sogar noch ein paar drunter.

Also wir haben etwas weniger, also etwas um die Hälfte der Reservisten, die wir gerne

hätten.

Das hängt einfach damit zusammen, dass wir mit dem Aussetzen der Wehrpflicht den Reservistendienst

komplett auf Freiwilligkeit gestellt haben, komplett.

Selbst die Frage, ob jemand der ausscheidet überhaupt in der Bundeswehr bleiben will,

da haben wir gesagt, das kann er freiwillig entscheiden.

(A) Wird sich das denn zukünftig ändern?

(B) Ja, das müssen wir ändern - unter dem Aspekt der Landes- und Bündnisverteidigung mit der Zeit.

Eine Reserve, die nicht sozusagen voll befüllt ist und die nicht vernünftig aktivierbar

ist und die nicht vernünftig für die Bundeswehr als Reserve tatsächlich zur Verfügung steht,

ist wenig hilfreich.

Und wir haben heute zum einen eben den Punkt, dass der Reservist freiwillig sagt, ob er

beordert werden will oder nicht, also für die Bundeswehr zur Verfügung steht oder nicht.

Und wir wollen künftig dahin, dass wir sagen, jeder der ausscheidet (egal ob er Berufssoldat

gewesen ist oder Zeit-Soldat oder freiwillig Wehrdienstleistender), der unterliegt ja ohnehin

erstmal der Wehrüberwachung oder der Dienstleistungsüberwachung.

Das muss man auch immer sagen.

Also rechtlich gesehen ist derjenige ein Reservist und hat bis zu einem bestimmten Alter für

die Heranziehung im Spannungs- oder Verteidigungsfall zur Verfügung zu stehen.

Das sind die gesetzlichen Pflichten.

Die will ich hier aber mal beiseite räumen oder beiseitelassen.

Denn was wir wollen, ist im Grunde genommen, eine Struktur aufzubauen - ähnlich wie auch

bei der aktiven Bundeswehr, wo wir sagen, hier sind eben Truppenteile der Reserve und

hier sind Stellen der Reserve.

Und da wollen wir auch wissen, wer da rauf kommt.

Und da wollen wir eben die Ausscheidenden dafür gewinnen und nutzen.

Also jeder der ausscheidet/ jede die ausscheidet, soll auf eine Stelle gebracht werden.

In erster Linie gucken wir auf den fachlichen Bedarf der Bundeswehr.

Also wenn einer als Panzerkommandant ausscheidet, ist ja sinnvoll zu sagen, dich verwenden wir

in der Reserve auch als Panzerkommandant.

Wenn einer als Triebwerkmechaniker ausscheidet, wäre es da ganz hilfreich.

Aber wir wollen auch auf den regionalen Aspekt gucken.

Wir haben in der Fläche bzw. in der territorialen Reserve viele Möglichkeiten, sodass man dann

auch sagen kann, der junge Mann/ die junge Frau, die in Freiburg studieren will, die

hat möglicherweise eine Chance, in einer solchen territorialen Einheit auf die Stelle

gebracht zu werden.

Und das Ganze wollen wir für 6 Jahre machen.

Wir nennen das „Grundbeorderung“.

Das heißt also, das ist für den Reservisten planbar und für die Bundeswehr planbar, damit

wir im Falle des Falles den Mann oder die Frau als Reservist auch dort heranziehen können

wo es sinnvoll ist.

(A) Wie muss ich mir das denn vorstellen?

Also, nehmen wir mal an, ich bin jetzt selber auch Reservistin und bin dann nach meiner

Dienstzeit ausgeschieden.

Werde ich dann gefragt oder auf welcher Basis passiert das?

Also ich erinnere mich, damals musste ich so einen kleinen Haken setzen: Sind Sie interessiert

an einer Reserve?

Habe ich dann ein Häkchen hingemacht und dachte, ja warum nicht?

Wird das auch so laufen dann?

(B) Da sind Sie schon mal ein positives Beispiel.