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YouTube | News Videos / Doku, Polizeigewalt und Rassismus - Wer kontrolliert die Polizei? | WDR Doku (1)

Polizeigewalt und Rassismus - Wer kontrolliert die Polizei? | WDR Doku (1)

Videos von Gewalt zwischen Polizisten und Bürgern.

Videos, die zu Diskussionen darüber führen, was Polizisten dürfen.

Wo ist Gewalt noch erlaubt und wo geht sie zu weit?

Mindestens 20 bis 25 Fälle, die im Jahr im Büro landen, sind Fälle,

wo die Polizei nicht so gehandelt hat, wie sie durfte.

Mindestens. Wahrscheinlich deutlich mehr.

Christian Mertens ist Anwalt, Spezialgebiet Polizeigewalt.

Ich kenne genug Videos, wo der Polizist eine Schilderung abgibt.

Sie gucken sich das Video an und sehen, das stimmt nicht.

Ein ehemaliger Polizeischüler.

Er war umgeben von rassistischen Kollegen.

Es war eine Situation auf der Stube,

wo ich mich umgezogen habe für die nächste Unterrichtseinheit.

Und einer reinkam und angefangen hat,

ein rechtsextremes Lied zu singen.

Das ist Zeug, was eigentlich nur Nazis singen.

Polizisten, die Rassisten sind? Polizisten, die illegal zuschlagen?

Der Polizeijob schweißt zusammen, sagen die einen.

Aber wo bleibt die Kontrolle, fragen die anderen.

Der Korpsgeist spielt innerhalb der Polizei eine große Rolle.

Da es eben keine Fehlerkultur gibt im System der Polizei,

gibt es auch kein Bemühen,

mit diesen Fehlern aktiv umzugehen und daraus auch zu lernen.

Untertitel: WDR mediagroup GmbH im Auftrag des WDR

In einer gemeinsamen Recherche fragen WDR und Handelsblatt:

Wer überwacht die deutsche Polizei? Und wie gut funktioniert das?

Denn Polizisten, die sich nicht an Regeln halten,

wären ein Albtraum für jede Demokratie.

* Musik *

Das war am CSD, Christopher Street Day.

Ich bin mit einer Gruppe mitgegangen auf dem Wagen.

Bin vom Wagen runter, musste dringend auf Toilette.

Bin alleine hierhin, ins McDonalds.

War weit und breit die einzige Toilette.

Im Gedränge vor den Toiletten, erzählt Sven,

habe er 2 Frauen helfen wollen, die bedrängt wurden.

Dann kam es zu einer Rangelei.

Im Urteil steht später:

Die Restaurantmitarbeiter hätten ihn aufgefordert zu gehen,

die Polizei sei informiert.

Er war aufgewühlt, setzte sich stattdessen und wollte warten.

Ich weiß nur, dass alles schnell ging.

Dass irgendein Polizeibeamter,

ich hab ihn gar nicht richtig wahrgenommen,

der war auch anscheinend allein unterwegs, direkt auf mich zukam.

Sehr aggressiv, so sind meine Erinnerungen.

Dann kam es schon wahrscheinlich zu dem Schlag.

Ein "Blendschlag", wie es später im Gerichtsurteil stehen wird.

Doch einen Krankenwagen rufen die Beamten nicht.

Stattdessen fesseln sie ihn.

Dann ist man von dem engen Toilettengang, diesem Vorraum,

hat man dann mich wie so ein nasser Sack

halb bewusstlos rausgetragen hinten zum Kreisverkehr.

Das haben auch Zeugen beobachtet,

einer vor Gericht hat sogar ein Foto gemacht.

Das war sehr schmerzhaft, und ich wurde auch runtergedrückt.

Und von der anderen Seite kam ein beteiligter Polizist.

Der hat dann mich ins Gesicht geschlagen und hat gesagt:

"Das brauchst du doch, du Schwuchtel."

Dann ging es mit Martinshorn und Blaulicht ab.

Ich konnte nicht rausgucken.

Ich wurde weiterhin heruntergedrückt.

Im Auto beschimpft Sven die Polizisten.

Das wird ihm später vorgeworfen.

Er landet in einer Zelle, ein Arzt nimmt Blut ab

ohne richterlichen Beschluss, so steht es später im Gerichtsurteil.

Mitten in der Nacht setzen sie ihn in Unterwäsche vor diese Hintertür.

Es ist die Rückseite des Kölner Polizeipräsidiums.

Svens Kleidung ist unerklärlicherweise klatschnass.

Das ist ein Bild, was voller Scham ist.

Ja.

Voller Schmerz und Leid und auch Gewalt.

Der Fall landete vor Gericht.

Aber nicht er klagte gegen die Polizisten, die ihn schlugen.

Er selbst wurde angeklagt.

Wegen angeblichen Widerstands gegen die Staatsgewalt.

Aus einem Opfer machte die Polizei einen Täter.

Ein bedauerlicher Einzelfall?

Unsere Recherche zeigt: Es gibt viele dieser Einzelfälle.

Immer wieder landen Bürger vor Gericht,

weil die Polizei sie als Täter anzeigt.

Obwohl sie eigentlich die Opfer sind.

Das bestätigt uns auch ein ehemaliger Polizist.

In einem Treffen, das wir zu seinem Schutz nachstellen.

(Mann) Demjenigen, dem du eine geknallt hast,

musst du Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte reinmachen.

Nicht, dass er dich anzeigt wegen Verletzung im Amt.

Kennengelernt haben wir ihn,

weil er Fehlverhalten bei der Polizei aufgedeckt hat.

Der Ex-Polizist berichtet, was passieren müsste,

wenn ein Kollege illegal Gewalt anwendet.

Offiziell hätte man sagen müssen: Wir schreiben eine Anzeige.

Körperverletzung im Amt. Ich bin Zeuge.

Das ganze Präsidium weiß dann: Thomas hat Andreas angezeigt.

Dann wirst du ignoriert, nicht mehr beachtet.

Egal, wo du hinkommst, heißt es nur: Nestbeschmutzer.

Etwa 320.000 Polizisten arbeiten in Deutschland.

Sie sollen für die Sicherheit aller Bürger sorgen.

Kein leichter Job.

Darüber reden wir mit dem stellvertretenden Vorsitzenden

von Deutschlands größter Polizeigewerkschaft.

Wir haben Schichtdienste, die manchmal länger dauern als normal.

Weil sie z.B. einen Unfall aufnehmen mit Toten und Verletzten,

der über die Arbeitszeit hinausgeht.

Wir haben Mordfälle, wo die Kollegen massiv Überstunden machen

bei der Aufarbeitung.

Kinderpornografie, wo man in widerlichste Bereiche reinschaut,

wo Kollegen schwerstbelastet sind.

Wir haben Sondereinsätze der Bereitschaftspolizei,

wo wir morgens nicht wissen, ob wir gesund nach Hause kommen.

Auch Polizisten, sagt Dietmar Schilff,

erleben immer wieder Gewalt.

Wenn unterschiedliche Vereine im Hauptbahnhof von Hannover, in Köln,

Berlin aufeinandertreffen und sich dort prügeln wollen.

Die Polizei wird aus den Zügen beschmissen mit Alkohol.

Es werden Becher gemacht,

wo bewusst Fußballgewalttäter reinuriniert haben.

Dann wird das aus den Fenstern auf die Kollegen geschmissen.

Die Kollegen werden behandelt wie manchmal ein Fußabtreter.

Ein Beispiel: die Krawalle in Stuttgart im Juni.

Eine Drogenkontrolle bei einem 17-Jährigen eskalierte.

19 Polizisten wurden verletzt.

Konflikte gehören für Polizisten zum Arbeitsalltag.

Und Polizisten dürfen und müssen immer wieder selbst Gewalt ausüben.

Legal. Um Bürgerinnen und Bürger zu schützen.

Um Recht und Gesetz durchzusetzen.

Doch halten sich Polizisten dabei auch an Recht und Gesetz?

Umfassende Studien gab es dazu bisher nicht.

In Bochum arbeitet der Kriminologe Tobias Singelnstein

zum 1. Mal an einer solchen Untersuchung.

Er geht von über 10.000 Gewalttaten durch Polizisten pro Jahr aus

und fordert eine bessere Aufarbeitung.

In der Polizei herrscht ein Verständnis und eine Haltung vor,

dass man Probleme lieber nicht nach außen trägt.

Lieber nicht transparent macht.

Und insofern auch konstruktiv und der Gesellschaft gegenüber angeht.

Sondern eher versucht, intern zu lösen.

D.h. teilweise unter den Teppich zu kehren,

teilweise aber auch informell unter den Beamten zu klären.

So etwas hat unser Informant, der ehemalige Polizist, auch erlebt.

Wir haben einen Kollegen gehabt,

der hat Vorgänge nicht in der Bearbeitungszeit abgeschlossen,

Offizialdelikte nicht an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet,

somit eine Strafvereitelung begangen.

Das habe ich dem Chef gegenüber erwähnt.

Darauf der Revierleiter: Das ist auf diesem Revier nie vorgekommen.

Dann hab ich gesagt: Natürlich ist das vorgekommen.

Daraufhin hat er gesagt:

Ich habe Ihnen gesagt, so etwas ist auf diesem Revier nie geschehen.

Ach so, hab ich gesagt, jetzt habe ich Sie verstanden.

Bei Svens Verhaftung waren mindestens 8 Polizisten vor Ort.

Keiner hat einen Krankenwagen gerufen,

als er verletzt am Boden lag.

Hier sieht man dieses Verletzungsmuster am Ohr.

Das ist schwarz, dunkelblau, auch hinterm Ohr.

Das ist die Seite, wo ich auf dem Boden runtergedrückt worden bin.

Das ist nämlich rechts gewesen.

Trotz dieser Erfahrung wird Sven angeklagt.

Wegen Widerstands gegen Polizeibeamte.

Dass er eine Chance vor Gericht hat, verdankt er

einer mutigen Polizeischülerin, die an jenem Tag dabei war.

Sie steht daneben,

während ihr Ausbilder ihn auf den Boden wirft und zuschlägt.

Das bezeugt sie später vor Gericht.

Sie sagt aus, dass der Kollege ihn:

Die Polizeischülerin hatte das Verhalten ihres Ausbilders

schon häufiger infrage gestellt

und zahlte dafür offenbar einen hohen Preis.

Sie hatte in fast allen Prüfungen Bestnoten.

Doch bei der letzten Prüfung fällt sie durch.

Dagegen klagt sie beim Verwaltungsgericht Köln.

Mit ihr reden können wir nicht.

Aber der ehemalige Landtagsabgeordnete,

Bernhard von Grünberg, hat sie auf ihrem Weg begleitet.

Die Polizistin habe ich erlebt als sehr besonnen, sehr rational

und auch weise in ihren Äußerungen.

Deswegen ist sie ideal für die Polizei.

In einem Brief, den die Polizistin in ihrer Verzweiflung an ihn

und andere schrieb, heißt es:

Die Polizeischülerin kämpft fast 2 Jahre,

bis man ihr vor Gericht schließlich einen Vergleich anbietet.

Sie darf die Prüfung wiederholen,

besteht mit Bestnote und arbeitet nun als Kommissarin.

Außerhalb von Köln.

Auch für Sven folgt eine lange Zeit vor Gericht.

Vor dem Amtsgericht wird er freigesprochen,

die Richterin kritisiert die Polizisten.

Doch die Staatsanwaltschaft hält an ihm als Täter fest

und geht in Berufung.

Wie fühlt sich das an, Angeklagter zu sein?

Hätte ich nie gedacht,

dass ich überhaupt Angeklagter irgendwann mal sein werde.

Ich fühle mich schlimmer als ein Schwerverbrecher.

Ich finde da fast keine Worte für.

Im Frühjahr 2019 ist er schließlich auf dem Weg zum Landgericht Köln.

An seiner Seite sein Anwalt.

Sven hätte sich eine unabhängige Beschwerdestelle gewünscht.

Ich zweifle auf jeden Fall sehr stark an unserem Rechtsstaat.

Der Rechtsstaat fängt an mit Polizei

und geht weiter über Staatsanwaltschaft.

Da habe ich kein Vertrauen mehr drin.

Die Staatsanwaltschaft, die Sven anklagt,

ist in Deutschland die 2. Stelle nach den Polizisten selbst,

die die Polizei kontrollieren soll.

Sie hätte gegen die Polizisten genauso ermitteln müssen

wie gegen Sven.

Doch die Staatsanwaltschaft bleibt bei Sven als Täter.

An der Universität Frankfurt gibt es einen Juraprofessor,

der zugleich als Richter arbeitet.

Matthias Jahn wundert sich über den Kölner Fall.

Es scheint mir so zu sein, dass bei der Staatsanwaltschaft

der Eindruck vorherrscht,

dieses Urteil darf auf gar keinen Fall rechtskräftig werden.

Weil es natürlich sehr deutlich zum Ausdruck bringt,

dass hier etwa im Bereich der Ermittlungen

einseitig vorgegangen worden ist.

Und entlastende Umstände,

die zugunsten des Angeklagten sprechen könnten,

eher in den Hintergrund gerückt sind.

Auch Anwalt Christian Mertens hat den Eindruck,

dass die Staatsanwaltschaft in Deutschland

als Kontrolle der Polizei nicht immer funktioniert.

Er zeigt uns ein Beispiel.

Von einer rechten Demonstration und einer Sitzblockade,

die sie stoppen will.

Die Polizei will die Sitzblockade auflösen.

Auch der Mandant von Christian Mertens steht auf.

Die Polizei dokumentiert den Vorgang selbst auf einem Video.

In der Akte heißt es:

"Als der Aufzug an der Sitzblockade vorbeizog,

sprang der Beschuldigte auf und rammte

einen in der Maßnahme befindlichen Polizeibeamten von hinten."

Haben Sie das gesehen?

Springt irgendjemand auf und rammt einen Polizeibeamten von hinten?

Wenn Sie so was schreiben würden, dann würde ich sagen, Sie lügen.

Wenn ich einem Polizisten sage, er lügt, kriege ich

mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Strafanzeige.

Wie ist das ausgegangen? - Das Verfahren ist eingestellt worden.

Das Verfahren gegen die Polizisten?

Es gibt kein Verfahren gegen die Polizisten.

Das Verfahren lief gegen meinen Mandanten

wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte.

Weil er einen Polizisten gerammt hat.

In der Hauptverhandlung hat der Polizist gesagt:

Ich habe gemerkt, wie mich einer gerammt hat.

Hab ich ihn gefragt, warum er Unsinn erzählt?

Das sei kein Unsinn.

Dann haben wir uns das angeguckt.

Dann hat er gesagt, er würde bei seiner Aussage bleiben.

Spätestens jetzt haben Sie ne Lüge vor Gericht.

Müsste in diesen Fällen, wo das offensichtlich ist,

nicht die Staatsanwaltschaft sagen, wir klagen den Polizisten an?

Eigentlich würde ich von einem Staatsanwalt erwarten,

dass der nach 2 min sagt: Ich hab mir das Video angeguckt.

Sie erzählen Blödsinn.

Entweder Sie halten die Klappe. Ansonsten gibts Ärger.

Die Staatsanwaltschaft teilt mit,

der Vorgang sei auf dem Polizeivideo nicht eindeutig erkennbar.

Sie will den Fall prüfen, hält aber die Einleitung eines Verfahrens

gegen den Polizisten für unwahrscheinlich.

Kritiker sagen,

Staatsanwälte wollten eher Ärger mit der Polizei vermeiden.

Eine Statistik scheint das zu bestätigen.

Pro Jahr bearbeitet die Staatsanwaltschaft

nach eigenen Angaben etwa 2.000 Fälle von Polizeigewalt.

Angeklagt wird aber nur ein sehr kleiner Teil,

nämlich unter 2%.

Das sind nicht einmal 40 Fälle im Jahr.

Wie kommt es, dass Polizisten so selten angeklagt werden

bei so vielen Fällen?

Ein Aspekt könnte sein, dass die Staatsanwaltschaft

einerseits die Vorfälle aufklären muss.

Andererseits natürlich aber auch auf die Zuarbeit und die Mitarbeit

der Polizeibeamtinnen und -beamten angewiesen ist.

Das bringt sie in eine unangenehme Situation,

weil ein zu effektives Ermitteln

möglicherweise Widerstände im Bereich der Polizei auslöst.

Die in der Zukunft gemeinsame Ermittlungsarbeit belasten könnten.

Wenn die Staatsanwaltschaft als Kontrolle nicht immer funktioniert,

welche Möglichkeiten haben Bürgerinnen und Bürger dann,

um sich gegen Polizeigewalt und Rassismus bei der Polizei zu wehren?

Das wollten WDR und Handelsblatt

in einer gemeinsamen Recherche in den 16 Bundesländern herausfinden.

Die Antworten: größtenteils ernüchternd.

In NRW gibt es zwar einen Polizeibeauftragten.

Bürgerinnen und Bürger können sich allerdings nicht bei ihm beschweren.

Er ist mit nur 2 Mitarbeiterinnen nur für die Belange


Polizeigewalt und Rassismus - Wer kontrolliert die Polizei? | WDR Doku (1)

Videos von Gewalt zwischen Polizisten und Bürgern.

Videos, die zu Diskussionen darüber führen, was Polizisten dürfen.

Wo ist Gewalt noch erlaubt und wo geht sie zu weit?

Mindestens 20 bis 25 Fälle, die im Jahr im Büro landen, sind Fälle,

wo die Polizei nicht so gehandelt hat, wie sie durfte.

Mindestens. Wahrscheinlich deutlich mehr.

Christian Mertens ist Anwalt, Spezialgebiet Polizeigewalt.

Ich kenne genug Videos, wo der Polizist eine Schilderung abgibt.

Sie gucken sich das Video an und sehen, das stimmt nicht.

Ein ehemaliger Polizeischüler.

Er war umgeben von rassistischen Kollegen.

Es war eine Situation auf der Stube,

wo ich mich umgezogen habe für die nächste Unterrichtseinheit.

Und einer reinkam und angefangen hat,

ein rechtsextremes Lied zu singen.

Das ist Zeug, was eigentlich nur Nazis singen.

Polizisten, die Rassisten sind? Polizisten, die illegal zuschlagen?

Der Polizeijob schweißt zusammen, sagen die einen.

Aber wo bleibt die Kontrolle, fragen die anderen.

Der Korpsgeist spielt innerhalb der Polizei eine große Rolle.

Da es eben keine Fehlerkultur gibt im System der Polizei,

gibt es auch kein Bemühen,

mit diesen Fehlern aktiv umzugehen und daraus auch zu lernen.

Untertitel: WDR mediagroup GmbH im Auftrag des WDR

In einer gemeinsamen Recherche fragen WDR und Handelsblatt:

Wer überwacht die deutsche Polizei? Und wie gut funktioniert das?

Denn Polizisten, die sich nicht an Regeln halten,

wären ein Albtraum für jede Demokratie.

* Musik *

Das war am CSD, Christopher Street Day.

Ich bin mit einer Gruppe mitgegangen auf dem Wagen.

Bin vom Wagen runter, musste dringend auf Toilette.

Bin alleine hierhin, ins McDonalds.

War weit und breit die einzige Toilette.

Im Gedränge vor den Toiletten, erzählt Sven,

habe er 2 Frauen helfen wollen, die bedrängt wurden.

Dann kam es zu einer Rangelei.

Im Urteil steht später:

Die Restaurantmitarbeiter hätten ihn aufgefordert zu gehen,

die Polizei sei informiert.

Er war aufgewühlt, setzte sich stattdessen und wollte warten.

Ich weiß nur, dass alles schnell ging.

Dass irgendein Polizeibeamter,

ich hab ihn gar nicht richtig wahrgenommen,

der war auch anscheinend allein unterwegs, direkt auf mich zukam.

Sehr aggressiv, so sind meine Erinnerungen.

Dann kam es schon wahrscheinlich zu dem Schlag.

Ein "Blendschlag", wie es später im Gerichtsurteil stehen wird.

Doch einen Krankenwagen rufen die Beamten nicht.

Stattdessen fesseln sie ihn.

Dann ist man von dem engen Toilettengang, diesem Vorraum,

hat man dann mich wie so ein nasser Sack

halb bewusstlos rausgetragen hinten zum Kreisverkehr.

Das haben auch Zeugen beobachtet,

einer vor Gericht hat sogar ein Foto gemacht.

Das war sehr schmerzhaft, und ich wurde auch runtergedrückt.

Und von der anderen Seite kam ein beteiligter Polizist.

Der hat dann mich ins Gesicht geschlagen und hat gesagt:

"Das brauchst du doch, du Schwuchtel."

Dann ging es mit Martinshorn und Blaulicht ab.

Ich konnte nicht rausgucken.

Ich wurde weiterhin heruntergedrückt.

Im Auto beschimpft Sven die Polizisten.

Das wird ihm später vorgeworfen.

Er landet in einer Zelle, ein Arzt nimmt Blut ab

ohne richterlichen Beschluss, so steht es später im Gerichtsurteil.

Mitten in der Nacht setzen sie ihn in Unterwäsche vor diese Hintertür.

Es ist die Rückseite des Kölner Polizeipräsidiums.

Svens Kleidung ist unerklärlicherweise klatschnass.

Das ist ein Bild, was voller Scham ist.

Ja.

Voller Schmerz und Leid und auch Gewalt.

Der Fall landete vor Gericht.

Aber nicht er klagte gegen die Polizisten, die ihn schlugen.

Er selbst wurde angeklagt.

Wegen angeblichen Widerstands gegen die Staatsgewalt.

Aus einem Opfer machte die Polizei einen Täter.

Ein bedauerlicher Einzelfall?

Unsere Recherche zeigt: Es gibt viele dieser Einzelfälle.

Immer wieder landen Bürger vor Gericht,

weil die Polizei sie als Täter anzeigt.

Obwohl sie eigentlich die Opfer sind.

Das bestätigt uns auch ein ehemaliger Polizist.

In einem Treffen, das wir zu seinem Schutz nachstellen.

(Mann) Demjenigen, dem du eine geknallt hast,

musst du Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte reinmachen.

Nicht, dass er dich anzeigt wegen Verletzung im Amt.

Kennengelernt haben wir ihn,

weil er Fehlverhalten bei der Polizei aufgedeckt hat.

Der Ex-Polizist berichtet, was passieren müsste,

wenn ein Kollege illegal Gewalt anwendet.

Offiziell hätte man sagen müssen: Wir schreiben eine Anzeige.

Körperverletzung im Amt. Ich bin Zeuge.

Das ganze Präsidium weiß dann: Thomas hat Andreas angezeigt.

Dann wirst du ignoriert, nicht mehr beachtet.

Egal, wo du hinkommst, heißt es nur: Nestbeschmutzer.

Etwa 320.000 Polizisten arbeiten in Deutschland.

Sie sollen für die Sicherheit aller Bürger sorgen.

Kein leichter Job.

Darüber reden wir mit dem stellvertretenden Vorsitzenden

von Deutschlands größter Polizeigewerkschaft.

Wir haben Schichtdienste, die manchmal länger dauern als normal.

Weil sie z.B. einen Unfall aufnehmen mit Toten und Verletzten,

der über die Arbeitszeit hinausgeht.

Wir haben Mordfälle, wo die Kollegen massiv Überstunden machen

bei der Aufarbeitung.

Kinderpornografie, wo man in widerlichste Bereiche reinschaut,

wo Kollegen schwerstbelastet sind.

Wir haben Sondereinsätze der Bereitschaftspolizei,

wo wir morgens nicht wissen, ob wir gesund nach Hause kommen.

Auch Polizisten, sagt Dietmar Schilff,

erleben immer wieder Gewalt.

Wenn unterschiedliche Vereine im Hauptbahnhof von Hannover, in Köln,

Berlin aufeinandertreffen und sich dort prügeln wollen.

Die Polizei wird aus den Zügen beschmissen mit Alkohol.

Es werden Becher gemacht,

wo bewusst Fußballgewalttäter reinuriniert haben.

Dann wird das aus den Fenstern auf die Kollegen geschmissen.

Die Kollegen werden behandelt wie manchmal ein Fußabtreter.

Ein Beispiel: die Krawalle in Stuttgart im Juni.

Eine Drogenkontrolle bei einem 17-Jährigen eskalierte.

19 Polizisten wurden verletzt.

Konflikte gehören für Polizisten zum Arbeitsalltag.

Und Polizisten dürfen und müssen immer wieder selbst Gewalt ausüben.

Legal. Um Bürgerinnen und Bürger zu schützen.

Um Recht und Gesetz durchzusetzen.

Doch halten sich Polizisten dabei auch an Recht und Gesetz?

Umfassende Studien gab es dazu bisher nicht.

In Bochum arbeitet der Kriminologe Tobias Singelnstein

zum 1. Mal an einer solchen Untersuchung.

Er geht von über 10.000 Gewalttaten durch Polizisten pro Jahr aus

und fordert eine bessere Aufarbeitung.

In der Polizei herrscht ein Verständnis und eine Haltung vor,

dass man Probleme lieber nicht nach außen trägt.

Lieber nicht transparent macht.

Und insofern auch konstruktiv und der Gesellschaft gegenüber angeht.

Sondern eher versucht, intern zu lösen.

D.h. teilweise unter den Teppich zu kehren,

teilweise aber auch informell unter den Beamten zu klären.

So etwas hat unser Informant, der ehemalige Polizist, auch erlebt.

Wir haben einen Kollegen gehabt,

der hat Vorgänge nicht in der Bearbeitungszeit abgeschlossen,

Offizialdelikte nicht an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet,

somit eine Strafvereitelung begangen.

Das habe ich dem Chef gegenüber erwähnt.

Darauf der Revierleiter: Das ist auf diesem Revier nie vorgekommen.

Dann hab ich gesagt: Natürlich ist das vorgekommen.

Daraufhin hat er gesagt:

Ich habe Ihnen gesagt, so etwas ist auf diesem Revier nie geschehen.

Ach so, hab ich gesagt, jetzt habe ich Sie verstanden.

Bei Svens Verhaftung waren mindestens 8 Polizisten vor Ort.

Keiner hat einen Krankenwagen gerufen,

als er verletzt am Boden lag.

Hier sieht man dieses Verletzungsmuster am Ohr.

Das ist schwarz, dunkelblau, auch hinterm Ohr.

Das ist die Seite, wo ich auf dem Boden runtergedrückt worden bin.

Das ist nämlich rechts gewesen.

Trotz dieser Erfahrung wird Sven angeklagt.

Wegen Widerstands gegen Polizeibeamte.

Dass er eine Chance vor Gericht hat, verdankt er

einer mutigen Polizeischülerin, die an jenem Tag dabei war.

Sie steht daneben,

während ihr Ausbilder ihn auf den Boden wirft und zuschlägt.

Das bezeugt sie später vor Gericht.

Sie sagt aus, dass der Kollege ihn:

Die Polizeischülerin hatte das Verhalten ihres Ausbilders

schon häufiger infrage gestellt

und zahlte dafür offenbar einen hohen Preis.

Sie hatte in fast allen Prüfungen Bestnoten.

Doch bei der letzten Prüfung fällt sie durch.

Dagegen klagt sie beim Verwaltungsgericht Köln.

Mit ihr reden können wir nicht.

Aber der ehemalige Landtagsabgeordnete,

Bernhard von Grünberg, hat sie auf ihrem Weg begleitet.

Die Polizistin habe ich erlebt als sehr besonnen, sehr rational

und auch weise in ihren Äußerungen.

Deswegen ist sie ideal für die Polizei.

In einem Brief, den die Polizistin in ihrer Verzweiflung an ihn

und andere schrieb, heißt es:

Die Polizeischülerin kämpft fast 2 Jahre,

bis man ihr vor Gericht schließlich einen Vergleich anbietet.

Sie darf die Prüfung wiederholen,

besteht mit Bestnote und arbeitet nun als Kommissarin.

Außerhalb von Köln.

Auch für Sven folgt eine lange Zeit vor Gericht.

Vor dem Amtsgericht wird er freigesprochen,

die Richterin kritisiert die Polizisten.

Doch die Staatsanwaltschaft hält an ihm als Täter fest

und geht in Berufung.

Wie fühlt sich das an, Angeklagter zu sein?

Hätte ich nie gedacht,

dass ich überhaupt Angeklagter irgendwann mal sein werde.

Ich fühle mich schlimmer als ein Schwerverbrecher.

Ich finde da fast keine Worte für.

Im Frühjahr 2019 ist er schließlich auf dem Weg zum Landgericht Köln.

An seiner Seite sein Anwalt.

Sven hätte sich eine unabhängige Beschwerdestelle gewünscht.

Ich zweifle auf jeden Fall sehr stark an unserem Rechtsstaat.

Der Rechtsstaat fängt an mit Polizei

und geht weiter über Staatsanwaltschaft.

Da habe ich kein Vertrauen mehr drin.

Die Staatsanwaltschaft, die Sven anklagt,

ist in Deutschland die 2. Stelle nach den Polizisten selbst,

die die Polizei kontrollieren soll.

Sie hätte gegen die Polizisten genauso ermitteln müssen

wie gegen Sven.

Doch die Staatsanwaltschaft bleibt bei Sven als Täter.

An der Universität Frankfurt gibt es einen Juraprofessor,

der zugleich als Richter arbeitet.

Matthias Jahn wundert sich über den Kölner Fall.

Es scheint mir so zu sein, dass bei der Staatsanwaltschaft

der Eindruck vorherrscht,

dieses Urteil darf auf gar keinen Fall rechtskräftig werden.

Weil es natürlich sehr deutlich zum Ausdruck bringt,

dass hier etwa im Bereich der Ermittlungen

einseitig vorgegangen worden ist.

Und entlastende Umstände,

die zugunsten des Angeklagten sprechen könnten,

eher in den Hintergrund gerückt sind.

Auch Anwalt Christian Mertens hat den Eindruck,

dass die Staatsanwaltschaft in Deutschland

als Kontrolle der Polizei nicht immer funktioniert.

Er zeigt uns ein Beispiel.

Von einer rechten Demonstration und einer Sitzblockade,

die sie stoppen will.

Die Polizei will die Sitzblockade auflösen.

Auch der Mandant von Christian Mertens steht auf.

Die Polizei dokumentiert den Vorgang selbst auf einem Video.

In der Akte heißt es:

"Als der Aufzug an der Sitzblockade vorbeizog,

sprang der Beschuldigte auf und rammte

einen in der Maßnahme befindlichen Polizeibeamten von hinten."

Haben Sie das gesehen?

Springt irgendjemand auf und rammt einen Polizeibeamten von hinten?

Wenn Sie so was schreiben würden, dann würde ich sagen, Sie lügen.

Wenn ich einem Polizisten sage, er lügt, kriege ich

mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Strafanzeige.

Wie ist das ausgegangen? - Das Verfahren ist eingestellt worden.

Das Verfahren gegen die Polizisten?

Es gibt kein Verfahren gegen die Polizisten.

Das Verfahren lief gegen meinen Mandanten

wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte.

Weil er einen Polizisten gerammt hat.

In der Hauptverhandlung hat der Polizist gesagt:

Ich habe gemerkt, wie mich einer gerammt hat.

Hab ich ihn gefragt, warum er Unsinn erzählt?

Das sei kein Unsinn.

Dann haben wir uns das angeguckt.

Dann hat er gesagt, er würde bei seiner Aussage bleiben.

Spätestens jetzt haben Sie ne Lüge vor Gericht.

Müsste in diesen Fällen, wo das offensichtlich ist,

nicht die Staatsanwaltschaft sagen, wir klagen den Polizisten an?

Eigentlich würde ich von einem Staatsanwalt erwarten,

dass der nach 2 min sagt: Ich hab mir das Video angeguckt.

Sie erzählen Blödsinn.

Entweder Sie halten die Klappe. Ansonsten gibts Ärger.

Die Staatsanwaltschaft teilt mit,

der Vorgang sei auf dem Polizeivideo nicht eindeutig erkennbar.

Sie will den Fall prüfen, hält aber die Einleitung eines Verfahrens

gegen den Polizisten für unwahrscheinlich.

Kritiker sagen,

Staatsanwälte wollten eher Ärger mit der Polizei vermeiden.

Eine Statistik scheint das zu bestätigen.

Pro Jahr bearbeitet die Staatsanwaltschaft

nach eigenen Angaben etwa 2.000 Fälle von Polizeigewalt.

Angeklagt wird aber nur ein sehr kleiner Teil,

nämlich unter 2%.

Das sind nicht einmal 40 Fälle im Jahr.

Wie kommt es, dass Polizisten so selten angeklagt werden

bei so vielen Fällen?

Ein Aspekt könnte sein, dass die Staatsanwaltschaft

einerseits die Vorfälle aufklären muss.

Andererseits natürlich aber auch auf die Zuarbeit und die Mitarbeit

der Polizeibeamtinnen und -beamten angewiesen ist.

Das bringt sie in eine unangenehme Situation,

weil ein zu effektives Ermitteln

möglicherweise Widerstände im Bereich der Polizei auslöst.

Die in der Zukunft gemeinsame Ermittlungsarbeit belasten könnten.

Wenn die Staatsanwaltschaft als Kontrolle nicht immer funktioniert,

welche Möglichkeiten haben Bürgerinnen und Bürger dann,

um sich gegen Polizeigewalt und Rassismus bei der Polizei zu wehren?

Das wollten WDR und Handelsblatt

in einer gemeinsamen Recherche in den 16 Bundesländern herausfinden.

Die Antworten: größtenteils ernüchternd.

In NRW gibt es zwar einen Polizeibeauftragten.

Bürgerinnen und Bürger können sich allerdings nicht bei ihm beschweren.

Er ist mit nur 2 Mitarbeiterinnen nur für die Belange