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YouTube | Y-Kollektiv - kurze Videodokumentationen und Reportagen, Dauerstream: Wenn das ganze Leben online stattfindet

Dauerstream: Wenn das ganze Leben online stattfindet

72 Stunden - so lange ging sein längster Stream.

Also drei Tage am Stück.

Das war peinlich.

Ich bin eingeschlafen und bin vom Stuhl gefallen.

Evelyn, Dankeschön, Dankeschön!

Vielen Dank, oh Micha, Dankeschön.

Wie ist das ständig zu streamen?

Das ist halt die Möglichkeit, dass ich nicht einsam bin.

Und warum hockt man tagelang vorm PC und spielt?

Das frage ich mich auch, warum ich das mache.

Es ist langweilig, wirklich.

Und reicht es, Onlinefreunde zu haben?

Man muss sich immer vorstellen, das sind echte Menschen.

Jeder einzelne.

In diesem Film tauche ich in das Twitch-Universum ein und will herausfinden:

Wie ist es, wenn dein ganzes Leben online stattfindet?

(niest) Entschuldigung, ich glaube ich bin ein bisschen krank.

Kurze Twitchkunde:

Das ist FräuleinFreitags Stream.

Vivi heißt in echt und sie ist 23 Jahre alt.

Sie streamt auf Twitch hier gerade im JustChatting-Bereich,

manchmal streamt sie auch, wie sie spielt.

Insgesamt wurde dieser Stream bisher über 15.000 Mal angeschaut.

Im Chatfenster rechts kommen ständig Nachrichten rein,

auf die meisten reagiert sie.

Bei dir wurden immer allen geholfen.

Das ist schön, das ist das, wie ich es sein sollte.

Mein Eindruck: Die Themen sind eher belanglos

Hauptsache keine weißen Wände, also ich muss sagen ich mag so,

dunkelgrau find ich schön…

Dafür gibts aber verbale Fürsorge für jedes Wehwehchen.

Das ist gar kein Problem, du darfst gerne schlafen.

Ruh dich ein bisschen aus!

Und sie macht das hauptberuflich:

Pro 5€-Monats-Abo geht die Hälfte an sie

und man kann ihr während des Streams Geldgeschenke machen,

dann sagt sie meistens:

Evelyn, Dankeschön, Dankeschön.

Vielen Dank.

Oh Micha, Dankeschön, Dankeschön.

Ihr habt jetzt nur ein paar Sekunden gesehen,

Vivi macht das aber zwischen 4 und 10 Stunden am Tag.

Ich besuche sie zuhause in ihrem Gaming- und Schlafzimmer,

vorher wurden wir alle negativ getestet.

Rolladen sind unten, wie immer.

So kann Sie ihren Tag-Nacht-Ryhtmus selbst bestimmen.

Von hier beamt sie sich in hunderte Zimmer.

Nachdem ich ein paar Streams gesehen habe, will ich wissen:

Ist sie wirklich so, wie sie sich online zeigt?

Ich habe mir tatsächlich am Anfang, als ich angefangen habe zu streamen,

überlegt, ob ich irgendeine Internetpersönlichkeit sein möchte

oder ob ich einfach ich selbst sein möchte und hab mich dann dazu entschieden,

dass ich einfach ich selbst sein möchte.

Weil ich keine Lust habe, mich jahrelang zu verstellen.

Ja macht ja auch Sinn.

Also wie gesagt, es gibt Leute, denen macht es Spaß einfach so:

Kamera ist an und sie sind jemand anderes, aber ich dachte mir:

Wenn ich mir jetzt jemanden überlege,

vielleicht mag ich den in fünf Jahren nicht mehr

und dann muss ich den ja irgendwie weiterspielen, weil man hat sich ja damit was aufgebaut

und das ist irgendwie doof.

Kannst du mir erklären, was Twitch für dich bedeutet?

Oder was das für dich ist?

Kann ich ein bisschen darüber nachdenken?

Klar.

Boah, das ist echt schwierig, das ist echt keine leichte Frage.

Ja, ist nicht schlimm.

Ich frag einfach so ein bisschen in den Raum.

Ich versteh das.

Es bedeutet mir einfach so viel, dass ich es gar nicht in Worte fassen kann.

Das ist die Möglichkeit, dass ich nicht einsam bin.

Das ist die Möglichkeit, dass ich damit Geld verdienen kann

und das ist einer der größten Träume, den die meisten Menschen haben

und das ist unfassbar.

Für mich immer noch unfassbar, auch wenn ich es jetzt seit drei Jahren mache.

Und ihr Traum ist eben Twitch:

Sie sei im echten Leben eher schüchtern

und würde sich vor allem auf der digitalen Bühne wohlfühlen.

Du hast gesagt: Das hilft gegen die Einsamkeit.

Kannst du das noch genauer erklären?

Als ich angefangen habe zu streamen, hatte ich einen recht großen Freundeskreis,

die alle dagegen waren.

Die fanden das überhaupt nicht gut,

dementsprechend haben sie sich alle von mir abgewandt

und ich hatte irgendwann nur noch den Stream.

Aber dadurch, dass ich immer sozusagen, wenn ich live war Leute hatte,

die mit mir geredet haben, mit denen ich meine Zeit verbringen konnte,

war das dann irgendwann so die Alternative für mich.

Heftig.

Stellt euch mal vor,

mit Anfang 20 wenden sich all eure Freunde ab.

Aber ich kenne natürlich auch nur ihre Seite der Story.

Jetzt an ihrem Wohnort kennt sie nur ihre Mitbewohner,

befreundet ist sie mit denen aber auch nicht, sagt sie.

Online ist sie dafür aber top vernetzt.

Falls ihr euch wundert, was ich jetzt mache,

ich mache mir kurz eine Narbe ins Gesicht.

Die Narbe ist für ein Cosplay-Shooting.

Und das ist nicht das einzige Klischee in meinem Kopf, das bestätigt wird:

Gaming, Cosplay, Anime.

Check, Check, Check.

Draußen sind einfach Mangas.

Ist das auch ein Schönheitsideal für dich?

irgendwie finde ich, du hast einen Mangaeinschlag.

Süß, Dankeschön.

Nices Outfit.

Ihre Cosplay-Outfits näht FräuleinFreitag übrigens meistens selbst,

das hier ist aber gekauft.

Kannst du grob schätzen, wie viele Cosplay-Outfits, Kostüme du hast?

Also aktuell habe ich hier 12 Stück,

weil ich letztes Jahr den Kalender gemacht habe,

den Cosplaykalender.

Echt?

Ich kann ihn euch gerne zeigen.

Ja, zeig auf jeden Fall!

Krass!

Guck mal.

Hier habe ich Geburtstag, das ist mein Bild!

Klar wird: Sie hat richtige Fans, die sogar Merch von ihr kaufen.

Wir fahren in die Nähe für ein Shooting.

Gamer wissen es wahrscheinlich schon:

Ich bin Siri, aber im Cyberpunk-Universum.

Auf den Auslöser drückt sie selbst mit einer App,

da wird einem beim Zugucken kalt.

Es ist halt viel Justieren, weil man niemanden dabei hat,

der einem ein Bild macht.

Und dann macht man einfach super viele Bilder.

Upps.

Circa einmal im Monat mache sie solche Shootings.

Öfter gehe sie momentan sowieso nichts aus dem Haus.

Aber auch ohne Corona geht sie fast nur für Gaming-Messen raus,

erzählt sie mir.

Ich kann mir das schwer vorstellen.

Gut, mein Job findet auch nicht auf Twitch statt, aber trotzdem.

Ich habe manchmal das Gefühl, wenn ich so an mein Leben denke,

dann denke ich, dass mir vor allem so draußen

mehr Highlights passieren.

Aber das kann ja total..

Das stimmt.

Ich muss sagen, seitdem ich einmal diesen Stalker hatte,

fühle ich mich einfach unsicher.

Krass, ein Stalker.

Jetzt macht auch Sinn,

dass es ihr wichtig ist, nicht zu erzählen, wo sie wohnt.

Heute verrät Sie in ihrem Streams nichts,

was irgendwie auf ihren Wohnort hinweisen könnte,

früher war sie weniger vorsichtig:

Und das hat dazu geführt, dass eine Person einfach durch die Sachen,

die ich gesagt habe, herausgefunden hat, wo ich wohne.

Gut, der hat auch noch seinen Job ein bisschen missbraucht,

weil er da explizite Infos hatte.

Er hat mich halt gefragt, bei welchem Telefonanbieter ich bin und sowas.

Und ja das hat dann halt dazu geführt, dass er meine Adresse hatte.

Und dann stand er da plötzlich?

Ja, er stand vor meiner Tür und meinte: Komm raus, ich will dich heiraten.

Und ich hatte so Angst, ich habe kein Fenster mehr berührt.

und bin nur noch an den Wänden lange gegangen, weil ich Angst hatte, dass er reinguckt.

Total blöd eigentlich.

Ich wollte einfach nicht mehr…

Ich habe auch da die Polizei gerufen, aber die sind vorbeigefahren und meinten,

da steht keiner mehr vor deiner Tür.

Wahrscheinlich hat er das Auto gesehen und ist weggelaufen.

Vivi erzählt,

dass sie sich immer noch manchmal beobachtet fühlt,

wenn sie draußen ist.

Gegen die Einsamkeit hat sie sich Kaninchen angeschafft, erzählt sie,

als sie noch alleine wohnte vor circa eineinhalb Jahren.

Jetzt wo sie Mitbewohner hat, gehen die auch für Sie einkaufen,

erzählt sie.

Also ich muss sagen, als ich noch alleine gewohnt habe,

also vor der WG jetzt, war mein einziger sozialer Kontakt

die Kassiererin mit der ich geredet habe.

Das ist hier natürlich jetzt schon anders, ich sehe meine Mitbewohner schon ab und zu.

Aber ich habe nicht das Gefühl, dass es mir fehlt.

Aber wie viel kann man mit seiner Online-Community teilen?

Offensichtlich schon mal nicht den Wohnort.

Hat man manchmal den Moment, dass man zu viel teilt?

Was man irgendwie bereut und denkt:

Na, ich kenn die Leute doch gar nicht,

jetzt habe ich denen vielleicht zu viel Preis gegeben?

Also ich achte schon sehr darauf, was ich sage und was nicht.

Und wenn mir was rausrutscht, dann sage ich, das habt ihr jetzt vergessen

und dann haben sie es auch vergessen.

Ich glaube nicht, dass mir jemand das vorhalten würde,

nur weil ich mich öffne.

Das sind ja alles sehr normale nette Menschen.

Ja, das ist ja sogar eher eine Echokammer, die besonders nett ist,

kann man sagen.

Also den Eindruck habe ich zumindest.

Ich habe deine Streams auch gesehen und man ist ja da,

weil man nett zueinander ist.

Ja.

Wem das jetzt widersprüchlich zum Stalker vorkommt:

Die allermeisten Menschen in ihrem Stream sind nett,

so mein Eindruck.

Aufmerksame Menschen, die ihr Fanpost schreiben und Geschenke machen:

Ketten, Streaming-Equipment oder wie hier: Origami-Hasen.

Ihr Chat wirkt auf mich wie eine Plüschkammer.

Negative Kommentare werden von freiwilligen Moderatoren gelöscht,

bevor Vivi sie sieht.

Sie ist also nonstop von Zuspruch und netten Worten umgeben,

ich habe den Eindruck: Mit Kritik muss sie selten umgehen.

Ich habe mich schon auch gefragt:

Okay, also das würde ich mir persönlich jetzt nicht angucken,

weil ich es teilweise einfach so ein bisschen langweilig fand.

Hast du auch manchmal den Gedanken, dass du denkst:

Naja, so richtig weiß ich auch nicht, warum die mir jetzt die ganze Zeit zugucken

oder hast du das gar nicht?

Also es kommt natürlich trotzdem..

Moment.

Ich weiß, Moment

Alles gut.

Es gibt natürlich immer wieder Momente in Spielen,

die sich ein bisschen ziehen, aber ich versuche dann halt

trotzdem darüber zu sprechen

oder vielleicht auch während dem Spielen ein Thema anzuschlagen,

wo alle mitreden können, dass es einfach diese Pausen nicht gibt.

Vielleicht verstehe ich den Kick am Streamen besser,

wenn ich selbst mit ihr online gehe.

Vielleicht aber auch durch Andi.

Auch er war bei Twitch unter Vertrag, hat damit Geld verdient

und ist Gamingsüchtig.

Er ist 16, lebt bei seiner Mutter.

Boah, ich bin voll am Zittern.

Echt?

Ich finde du wirkst überhaupt nicht aufgeregt!

Echt nicht!

Süß!

Er sagt, es sei besser geworden,

trotzdem hänge er um die 10 Stunden am Tag vorm PC.

Ich will wissen warum.

Das frag ich mich auch, warum ich das mache.

Das ist langweilig, es ist einfach nur noch langweilig.

Die Spiele sind langweilig und es gibt ja keine neuen Spiele.

Es ist langweilig, ich weiß nicht warum ichs noch spiele.

Du kommst einfach nicht davon los?

Klassisches Suchtverhalten also.

Laut „Fachverband Sucht“ sind über 3 Prozent

der Jugendlichen von einer Computerspielsucht betroffen.

Seit Juni 2018 ist Computerspielsucht von der WHO als psychische Krankheit anerkannt.

Noch vor einem halben Jahr gab Andis Sucht den Takt an:

Damals war der Schlafrhythmus würde ich sagen richtig kacke.

Also wirklich, das war dann 16 Uhr aufgestanden, 6 Uhr morgens schlafen gegangen.

What?

Und warum?

Also kann man nicht einfach früher anfangen und…?

Das habe ich so oft versucht, wirklich, aber es ging nicht.

Es ging einfach nicht.

Zeig mir mal dein Klassenzimmer.

Andi sagt über sich, er sei online-süchtig.

Das Problem dabei, dass es in unserer Welt kaum möglich ist,

für immer offline zu gehen.

Das langfristige Ziel kann also keine Abstinenz sein.

Also man sieht schon, wo die Prioritäten liegen.

Durch Corona findet jetzt sogar seine Schule digital statt.

Für Andi, der weg vom Bildschirm will, frustrierend.

Krass okay, wie teuer ist sowas?

Das alles hier?

Ich weiß es nicht.

Das habe ich alles durch Streaming bezahlt.

Früher hatte ich einen Monitor und einen alten PC

Über 500€ hat er pro Monat mit Twitch verdient, erzählt er mir,

sau viel für Geld für einen damals 15-Jährigen, finde ich.

Übrigens: Die Schränke waren schon immer leer.

Andi sagt, er habe sie sich nur angeschafft,

weil sie einen coolen Background für seinen Stream abgeben.

Dein längster Stream ging wie lange?

72 Stunden.

72 Stunden.

Und was hast du da die ganze Zeit gemacht?

Ja, das was ich sonst auch mache, gezockt dann quasi.

Wie lange sind denn 72... das sind dann 3 Tage, 3 Nächte?


Dauerstream: Wenn das ganze Leben online stattfindet Permanent stream: When your whole life takes place online Kalıcı akış: Hayatın tamamı çevrimiçi olduğunda

72 Stunden - so lange ging sein längster Stream.

Also drei Tage am Stück.

Das war peinlich.

Ich bin eingeschlafen und bin vom Stuhl gefallen.

Evelyn, Dankeschön, Dankeschön!

Vielen Dank, oh Micha, Dankeschön.

Wie ist das ständig zu streamen?

Das ist halt die Möglichkeit, dass ich nicht einsam bin.

Und warum hockt man tagelang vorm PC und spielt?

Das frage ich mich auch, warum ich das mache.

Es ist langweilig, wirklich.

Und reicht es, Onlinefreunde zu haben?

Man muss sich immer vorstellen, das sind echte Menschen.

Jeder einzelne.

In diesem Film tauche ich in das Twitch-Universum ein und will herausfinden:

Wie ist es, wenn dein ganzes Leben online stattfindet?

(niest) Entschuldigung, ich glaube ich bin ein bisschen krank.

Kurze Twitchkunde:

Das ist FräuleinFreitags Stream.

Vivi heißt in echt und sie ist 23 Jahre alt.

Sie streamt auf Twitch hier gerade im JustChatting-Bereich,

manchmal streamt sie auch, wie sie spielt.

Insgesamt wurde dieser Stream bisher über 15.000 Mal angeschaut.

Im Chatfenster rechts kommen ständig Nachrichten rein,

auf die meisten reagiert sie.

Bei dir wurden immer allen geholfen.

Das ist schön, das ist das, wie ich es sein sollte.

Mein Eindruck: Die Themen sind eher belanglos

Hauptsache keine weißen Wände, also ich muss sagen ich mag so,

dunkelgrau find ich schön…

Dafür gibts aber verbale Fürsorge für jedes Wehwehchen.

Das ist gar kein Problem, du darfst gerne schlafen.

Ruh dich ein bisschen aus!

Und sie macht das hauptberuflich:

Pro 5€-Monats-Abo geht die Hälfte an sie

und man kann ihr während des Streams Geldgeschenke machen,

dann sagt sie meistens:

Evelyn, Dankeschön, Dankeschön.

Vielen Dank.

Oh Micha, Dankeschön, Dankeschön.

Ihr habt jetzt nur ein paar Sekunden gesehen,

Vivi macht das aber zwischen 4 und 10 Stunden am Tag.

Ich besuche sie zuhause in ihrem Gaming- und Schlafzimmer,

vorher wurden wir alle negativ getestet.

Rolladen sind unten, wie immer.

So kann Sie ihren Tag-Nacht-Ryhtmus selbst bestimmen.

Von hier beamt sie sich in hunderte Zimmer.

Nachdem ich ein paar Streams gesehen habe, will ich wissen:

Ist sie wirklich so, wie sie sich online zeigt?

Ich habe mir tatsächlich am Anfang, als ich angefangen habe zu streamen,

überlegt, ob ich irgendeine Internetpersönlichkeit sein möchte

oder ob ich einfach ich selbst sein möchte und hab mich dann dazu entschieden,

dass ich einfach ich selbst sein möchte.

Weil ich keine Lust habe, mich jahrelang zu verstellen.

Ja macht ja auch Sinn.

Also wie gesagt, es gibt Leute, denen macht es Spaß einfach so:

Kamera ist an und sie sind jemand anderes, aber ich dachte mir:

Wenn ich mir jetzt jemanden überlege,

vielleicht mag ich den in fünf Jahren nicht mehr

und dann muss ich den ja irgendwie weiterspielen, weil man hat sich ja damit was aufgebaut

und das ist irgendwie doof.

Kannst du mir erklären, was Twitch für dich bedeutet?

Oder was das für dich ist?

Kann ich ein bisschen darüber nachdenken?

Klar.

Boah, das ist echt schwierig, das ist echt keine leichte Frage.

Ja, ist nicht schlimm.

Ich frag einfach so ein bisschen in den Raum.

Ich versteh das.

Es bedeutet mir einfach so viel, dass ich es gar nicht in Worte fassen kann.

Das ist die Möglichkeit, dass ich nicht einsam bin.

Das ist die Möglichkeit, dass ich damit Geld verdienen kann

und das ist einer der größten Träume, den die meisten Menschen haben

und das ist unfassbar.

Für mich immer noch unfassbar, auch wenn ich es jetzt seit drei Jahren mache.

Und ihr Traum ist eben Twitch:

Sie sei im echten Leben eher schüchtern

und würde sich vor allem auf der digitalen Bühne wohlfühlen.

Du hast gesagt: Das hilft gegen die Einsamkeit.

Kannst du das noch genauer erklären?

Als ich angefangen habe zu streamen, hatte ich einen recht großen Freundeskreis,

die alle dagegen waren.

Die fanden das überhaupt nicht gut,

dementsprechend haben sie sich alle von mir abgewandt

und ich hatte irgendwann nur noch den Stream.

Aber dadurch, dass ich immer sozusagen, wenn ich live war Leute hatte,

die mit mir geredet haben, mit denen ich meine Zeit verbringen konnte,

war das dann irgendwann so die Alternative für mich.

Heftig.

Stellt euch mal vor,

mit Anfang 20 wenden sich all eure Freunde ab.

Aber ich kenne natürlich auch nur ihre Seite der Story.

Jetzt an ihrem Wohnort kennt sie nur ihre Mitbewohner,

befreundet ist sie mit denen aber auch nicht, sagt sie.

Online ist sie dafür aber top vernetzt.

Falls ihr euch wundert, was ich jetzt mache,

ich mache mir kurz eine Narbe ins Gesicht.

Die Narbe ist für ein Cosplay-Shooting.

Und das ist nicht das einzige Klischee in meinem Kopf, das bestätigt wird:

Gaming, Cosplay, Anime.

Check, Check, Check.

Draußen sind einfach Mangas.

Ist das auch ein Schönheitsideal für dich?

irgendwie finde ich, du hast einen Mangaeinschlag.

Süß, Dankeschön.

Nices Outfit.

Ihre Cosplay-Outfits näht FräuleinFreitag übrigens meistens selbst,

das hier ist aber gekauft.

Kannst du grob schätzen, wie viele Cosplay-Outfits, Kostüme du hast?

Also aktuell habe ich hier 12 Stück,

weil ich letztes Jahr den Kalender gemacht habe,

den Cosplaykalender.

Echt?

Ich kann ihn euch gerne zeigen.

Ja, zeig auf jeden Fall!

Krass!

Guck mal.

Hier habe ich Geburtstag, das ist mein Bild!

Klar wird: Sie hat richtige Fans, die sogar Merch von ihr kaufen.

Wir fahren in die Nähe für ein Shooting.

Gamer wissen es wahrscheinlich schon:

Ich bin Siri, aber im Cyberpunk-Universum.

Auf den Auslöser drückt sie selbst mit einer App,

da wird einem beim Zugucken kalt.

Es ist halt viel Justieren, weil man niemanden dabei hat,

der einem ein Bild macht.

Und dann macht man einfach super viele Bilder.

Upps.

Circa einmal im Monat mache sie solche Shootings.

Öfter gehe sie momentan sowieso nichts aus dem Haus.

Aber auch ohne Corona geht sie fast nur für Gaming-Messen raus,

erzählt sie mir.

Ich kann mir das schwer vorstellen.

Gut, mein Job findet auch nicht auf Twitch statt, aber trotzdem.

Ich habe manchmal das Gefühl, wenn ich so an mein Leben denke,

dann denke ich, dass mir vor allem so draußen

mehr Highlights passieren.

Aber das kann ja total..

Das stimmt.

Ich muss sagen, seitdem ich einmal diesen Stalker hatte,

fühle ich mich einfach unsicher.

Krass, ein Stalker.

Jetzt macht auch Sinn,

dass es ihr wichtig ist, nicht zu erzählen, wo sie wohnt.

Heute verrät Sie in ihrem Streams nichts,

was irgendwie auf ihren Wohnort hinweisen könnte,

früher war sie weniger vorsichtig:

Und das hat dazu geführt, dass eine Person einfach durch die Sachen,

die ich gesagt habe, herausgefunden hat, wo ich wohne.

Gut, der hat auch noch seinen Job ein bisschen missbraucht,

weil er da explizite Infos hatte.

Er hat mich halt gefragt, bei welchem Telefonanbieter ich bin und sowas.

Und ja das hat dann halt dazu geführt, dass er meine Adresse hatte.

Und dann stand er da plötzlich?

Ja, er stand vor meiner Tür und meinte: Komm raus, ich will dich heiraten.

Und ich hatte so Angst, ich habe kein Fenster mehr berührt.

und bin nur noch an den Wänden lange gegangen, weil ich Angst hatte, dass er reinguckt.

Total blöd eigentlich.

Ich wollte einfach nicht mehr…

Ich habe auch da die Polizei gerufen, aber die sind vorbeigefahren und meinten,

da steht keiner mehr vor deiner Tür.

Wahrscheinlich hat er das Auto gesehen und ist weggelaufen.

Vivi erzählt,

dass sie sich immer noch manchmal beobachtet fühlt,

wenn sie draußen ist.

Gegen die Einsamkeit hat sie sich Kaninchen angeschafft, erzählt sie,

als sie noch alleine wohnte vor circa eineinhalb Jahren.

Jetzt wo sie Mitbewohner hat, gehen die auch für Sie einkaufen,

erzählt sie.

Also ich muss sagen, als ich noch alleine gewohnt habe,

also vor der WG jetzt, war mein einziger sozialer Kontakt

die Kassiererin mit der ich geredet habe.

Das ist hier natürlich jetzt schon anders, ich sehe meine Mitbewohner schon ab und zu.

Aber ich habe nicht das Gefühl, dass es mir fehlt.

Aber wie viel kann man mit seiner Online-Community teilen?

Offensichtlich schon mal nicht den Wohnort.

Hat man manchmal den Moment, dass man zu viel teilt?

Was man irgendwie bereut und denkt:

Na, ich kenn die Leute doch gar nicht,

jetzt habe ich denen vielleicht zu viel Preis gegeben?

Also ich achte schon sehr darauf, was ich sage und was nicht.

Und wenn mir was rausrutscht, dann sage ich, das habt ihr jetzt vergessen

und dann haben sie es auch vergessen.

Ich glaube nicht, dass mir jemand das vorhalten würde,

nur weil ich mich öffne.

Das sind ja alles sehr normale nette Menschen.

Ja, das ist ja sogar eher eine Echokammer, die besonders nett ist,

kann man sagen.

Also den Eindruck habe ich zumindest.

Ich habe deine Streams auch gesehen und man ist ja da,

weil man nett zueinander ist.

Ja.

Wem das jetzt widersprüchlich zum Stalker vorkommt:

Die allermeisten Menschen in ihrem Stream sind nett,

so mein Eindruck.

Aufmerksame Menschen, die ihr Fanpost schreiben und Geschenke machen:

Ketten, Streaming-Equipment oder wie hier: Origami-Hasen.

Ihr Chat wirkt auf mich wie eine Plüschkammer.

Negative Kommentare werden von freiwilligen Moderatoren gelöscht,

bevor Vivi sie sieht.

Sie ist also nonstop von Zuspruch und netten Worten umgeben,

ich habe den Eindruck: Mit Kritik muss sie selten umgehen.

Ich habe mich schon auch gefragt:

Okay, also das würde ich mir persönlich jetzt nicht angucken,

weil ich es teilweise einfach so ein bisschen langweilig fand.

Hast du auch manchmal den Gedanken, dass du denkst:

Naja, so richtig weiß ich auch nicht, warum die mir jetzt die ganze Zeit zugucken

oder hast du das gar nicht?

Also es kommt natürlich trotzdem..

Moment.

Ich weiß, Moment

Alles gut.

Es gibt natürlich immer wieder Momente in Spielen,

die sich ein bisschen ziehen, aber ich versuche dann halt

trotzdem darüber zu sprechen

oder vielleicht auch während dem Spielen ein Thema anzuschlagen,

wo alle mitreden können, dass es einfach diese Pausen nicht gibt.

Vielleicht verstehe ich den Kick am Streamen besser,

wenn ich selbst mit ihr online gehe.

Vielleicht aber auch durch Andi.

Auch er war bei Twitch unter Vertrag, hat damit Geld verdient

und ist Gamingsüchtig.

Er ist 16, lebt bei seiner Mutter.

Boah, ich bin voll am Zittern.

Echt?

Ich finde du wirkst überhaupt nicht aufgeregt!

Echt nicht!

Süß!

Er sagt, es sei besser geworden,

trotzdem hänge er um die 10 Stunden am Tag vorm PC.

Ich will wissen warum.

Das frag ich mich auch, warum ich das mache.

Das ist langweilig, es ist einfach nur noch langweilig.

Die Spiele sind langweilig und es gibt ja keine neuen Spiele.

Es ist langweilig, ich weiß nicht warum ichs noch spiele.

Du kommst einfach nicht davon los?

Klassisches Suchtverhalten also.

Laut „Fachverband Sucht“ sind über 3 Prozent

der Jugendlichen von einer Computerspielsucht betroffen.

Seit Juni 2018 ist Computerspielsucht von der WHO als psychische Krankheit anerkannt.

Noch vor einem halben Jahr gab Andis Sucht den Takt an:

Damals war der Schlafrhythmus würde ich sagen richtig kacke.

Also wirklich, das war dann 16 Uhr aufgestanden, 6 Uhr morgens schlafen gegangen.

What?

Und warum?

Also kann man nicht einfach früher anfangen und…?

Das habe ich so oft versucht, wirklich, aber es ging nicht.

Es ging einfach nicht.

Zeig mir mal dein Klassenzimmer.

Andi sagt über sich, er sei online-süchtig.

Das Problem dabei, dass es in unserer Welt kaum möglich ist,

für immer offline zu gehen.

Das langfristige Ziel kann also keine Abstinenz sein.

Also man sieht schon, wo die Prioritäten liegen.

Durch Corona findet jetzt sogar seine Schule digital statt.

Für Andi, der weg vom Bildschirm will, frustrierend.

Krass okay, wie teuer ist sowas?

Das alles hier?

Ich weiß es nicht.

Das habe ich alles durch Streaming bezahlt.

Früher hatte ich einen Monitor und einen alten PC

Über 500€ hat er pro Monat mit Twitch verdient, erzählt er mir,

sau viel für Geld für einen damals 15-Jährigen, finde ich.

Übrigens: Die Schränke waren schon immer leer.

Andi sagt, er habe sie sich nur angeschafft,

weil sie einen coolen Background für seinen Stream abgeben.

Dein längster Stream ging wie lange?

72 Stunden.

72 Stunden.

Und was hast du da die ganze Zeit gemacht?

Ja, das was ich sonst auch mache, gezockt dann quasi.

Wie lange sind denn 72... das sind dann 3 Tage, 3 Nächte?