tagesthemen 03.03.2022, 22:30 Uhr - Hoffnung
Diese Sendung wurde vom NDR live untertitelt (03.03.2022)
Willkommen zu den tagesthemen.
Die Erwartungen waren nicht hoch.
Wer auf eine Feuerpause hofft, wurde enttäuscht.
Aber sie trafen sich schon zum zweiten Mal,
die russischen und ukrainischen Unterhändler.
Sie vereinbarten:
Es solle humanitäre Korridore geben, um Zivilisten in Sicherheit
und Hilfsgüter in die umkämpften Städte bringen zu können.
Wenn man sich anschaut, wie heftig viele unter Beschuss waren,
dann ahnt man, wie bitter nötig diese Korridore wären.
Arbeiten bis an den Rand der Erschöpfung.
Ein kleiner Vorort von Kiew.
Luftangriffe sollen diese Gebäude zerstört haben.
Es gab Opfer - einige Menschen liefen vorbei,
Sie hatten Lebensmittel eingekauft.
Direkt vor ihnen ist es explodiert.
Diese Männer wollen mit aller Kraft ihre Heimat verteidigen.
Sie schweißen Metall zusammen,
damit Barrikaden errichtet werden können.
Wir werden das Rückgrat der russischen Armee brechen.
Wenn das Metall ausgeht, bauen wir Molotow-Cocktails.
Wir werden alles tun, damit wir gewinnen.
Diese Aufnahmen kommen aus Borodjanka nahe Kiew.
Die russische Armee
setzt ihre Angriffe offenbar unvermindert fort.
Veröffentlicht werden die Bilder von einer Nachrichtenagentur.
Der ukrainische Präsident ist kämpferisch, aber erschöpft.
Er ist aufgewühlt.
Wenn es uns, Gott bewahre, nicht mehr gibt,
werden die Nächsten Lettland, Litauen und Estland sein.
Dann Moldawien, Georgien, Polen.
So werden sie bis zur Berliner Mauer marschieren,
glauben Sie mir.
Die Welt muss ihre Stärke zeigen, ohne zu kämpfen.
Ohne Menschen zu verlieren.
Die Kraft liegt in der Diplomatie.
Am Nachmittag an der Grenze zwischen Polen und Belarus.
Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine.
Zwei Stunden sollen sie gedauert haben.
Man hat sich auf Sicherheitskorridore verständigt.
Russlands Präsident Putin schaltet sich mit den Mitgliedern
seines Sicherheitsrates zusammen, übertragen im Staatsfernsehen.
Er bittet darum, gefallener Soldaten zu gedenken.
Geehrte Kameraden,
die Spezialoperation verläuft streng nach Zeitplan.
Alle Aufgaben werden erfolgreich gelöst.
Bei russischen Angriffen auf Charkiw
sollen zahlreiche Zivilisten getötet worden sein.
Auch Kinder sollen verletzt sein.
In Mariupol versorgt seit Tagen das Rote Kreuz die Menschen.
Der Ort ist wohl eingeschlossen.
Mariupol ist eine der besonders umkämpften Städte.
Vor der Sendung konnten wir mit dem stellvertretenen Bürgermeister
der Hafenstadt, Sergej Orlow, dieses Gespräch führen:
Guten Abend, Herr Orlow.
Guten Abend.
Wie steht es um Mariupol heute Abend?
Die Situationen in Mariupol ist sehr schwierig.
Mariupol ist umkreist von russischen Streitkräften.
Von drei Seiten zwängen sie uns ein, aus dem Norden, Westen und Osten.
Die humanitäre Lage ist sehr schlecht.
Die russischen Streitkräfte nehmen uns unter Beschuss.
Sie beschießen die städtische Infrastruktur.
Sie haben die Stromversorgung zerstört,
die Wasserversorgung es gibt keine Heizwärme mehr.
Die sanitären Anlagen wurden ausgeschaltet.
Wir haben nur noch Gasversorgung.
Deswegen ist die Situation aus humanitärer Sicht sehr schlecht.
Die militärische Situation ist unter Kontrolle.
Die ukrainische Armee ist sehr mutig.
Sie kämpft gegen die russischen Truppen.
Sie kämpfen an der Stadtgrenze.
Noch ist die Stadt ukrainisch.
Intern wird sie von ukrainischen Streitkräften kontrolliert
und von unserer Polizei.
Die Situation ist aber sehr besorgniserregend.
Wir haben keine Stromversorgung, keine Wasserversorgung
und keine Verbindung zu den Handy-Netzen.
Es ist sehr schwierig für die Bürger weiterzuleben.
Wir stehen unter Dauerbeschuss.
Jetzt sind wir 26 Stunden im Dauerbeschuss.
Die russischen Truppen nutzen Artillerie.
Raketen werden von Raketenwerfern abgeschossen.
Die zerstören die Stadt.
Es war schwierig, dieses Gespräch mit Ihnen zustande zu bekommen.
Sie mussten mehrmals in einen Bunker,
bevor wir uns zusammenschalten konnten.
Wie versuchen Sie überhaupt, die Stadt im Griff zu behalten,
wenn Sie ständig unter Beschuss stehen?
Es ist sehr schwierig,
aber die Bürger glauben an die Ukraine.
Sie glauben an die Stadtverwaltung.
Die Bürger glauben an die ukrainische Armee.
Natürlich haben sie Angst.
Sie haben Angst, dass die Situation schlimmer wird.
Und sie hoffen, dass die Situation besser wird.
Sie müssen verstehen:
Mariupol ist eine ukrainische Stadt.
Die Mehrheit der Bevölkerung liebt die Ukraine.
Sie lieben nicht Russland.
Es ist kein großer Prozentsatz unserer Bevölkerung,
der Russland liebt - die meisten sind stolze Ukrainer.
Erwägen Sie, den Kampf aufzugeben und die Stadt der russischen Armee
zu überlassen, um weitere Opfer zu vermeiden?
Mariupol möchte die Stadt nicht aufgeben.
Aber wir brauchen Unterstützung.
Ich habe Ihnen bereits gesagt, dass wir unter Beschuss stehen.
Die russische Artillerie und die Luftwaffe
haben die Stadt zerstört.
Teile der Stadt sind komplett dem Erdboden gleichgemacht.
Mein Vater, meine Mutter und mein Bruder
leben in diesem Teil der Stadt.
Ich konnte seit zwei Tagen nicht mit ihnen sprechen.
Ich weiß nicht, ob sie noch am Leben sind.
Ich hoffe natürlich, sie sind am Leben.
Und ich warte darauf, von ihnen zu hören.
Russische und ukrainische Unterhändler
verständigten sich offenbar:
Auf die Errichtung von humanitären Korridoren
für die Zivilbevölkerung.
Ein Hoffnungsschimmer?
Natürlich glauben wir, dass wir diese Lösung brauchen.
Wir brauchen einen humanitären Korridor.
Wir sehen hier aber nicht, dass die russische Seite einlenkt,
um die humanitären Probleme zu lösen.
Sie zerstören die Stadt weiterhin.
Ich gebe Ihnen ein Beispiel:
Mariupol hatte 15 Stromleitungen und alle wurden zerstört.
Das war eine Entscheidung der russischen Seite.
Sie wollen eine humanitäre Krise hervorrufen.
Ich hoffe, dass sie dieses Problem lösen.
Aber wir sehen kein Interesse auf russischer Seite.
Ich wünsche Ihnen und Ihrer Stadt alles Gute.
Vielen Dank für das Gespräch.
Danke für die Einladung.
Weiter zu Ina Ruck in Moskau.
Präsident Putin telefonierte heute mit Frankreichs Präsidenten Macron.
Gab es irgendwelche Annäherungen?
Im Gegenteil.
Danach sieht es nicht aus.
Russland hat gesagt,
man habe Macron die Forderungen aufgelistet.
Und die Liste werde immer länger, weil die Ukraine sich sperre.
Das sieht nicht nach Annäherung aus.
Aus Paris hören wir noch Düstereres.
Macron hat offenbar die Gespräche pessimistisch beurteilt.
Er soll gesagt haben, Putin erreiche man nicht mehr.
Er soll gesagt haben, er will die ganze Ukraine.
Wenn die Diplomatie nicht vorankommt:
Es kommen täglich neue Sanktionen hinzu.
Das muss sich in der Bevölkerung auswirken.
Man konnte stündlich zuschauen.
VW macht die Produktion dicht, die Ikea-Läden sind zu.
Apple liefert nicht mehr.
Es kommt Schlag auf Schlag.
Noch sagt die Regierung das mit einem bestimmten Spin.
Man sagt, der Westen wolle Russland so schaden.
Wie lange werden die Russen das glauben?
Jetzt werden auch Arbeitsplätze wegfallen.
Es sind große Arbeitgeber aus dem Westen.
Dinge werden knapp werden.
Es ist die Frage, ob die Bürger nicht misstrauisch werden.
Danke für diese Einschätzungen.
Von dem, was in der Ukraine passiert,
erfahren die Menschen in Russland nicht mal die halbe Wahrheit.
In den Medien ist das Wort "Krieg" mit Blick auf die Ukraine verboten.
Die Staatssender sparen Angriffe auf Wohngebiete und Zivilisten aus.
Es gibt nur wenige unabhängige russische Medien,
dazu gehört der Internet-Sender Doschd TV.
Vorgestern wurde der Zugang zu dessen Webseite gesperrt.
Begründung:
Verbreitung "absichtlich falscher Informationen".
Heute hat Doschd die Arbeit eingestellt - vorübergehend.
Nach der bewegenden letzten Sendung mit Gründerin Natascha Sindeewa
verließ das Team das Studio.
Chefredakteur Tichon Dsjadko
floh gestern Abend mit seiner Familie ins Ausland.
Man hört auch gleich die Kinder im Hintergrund bei dem Gespräch,
das ich mit ihm führen konnte.
Guten Abend, Herr Dzyadko.
Hallo.
Doschd TV war dem Staatsapparat seit Jahren ein Dorn im Auge.
Sie sind Druck von den Behörden gewohnt,
haben sich tapfer widersetzt.
Heute haben Sie den Betrieb eingestellt.
Warum jetzt doch?
Die Situation ist total anders von dem,
was wir in den letzten Jahren erlebt haben.
Die ganze Situation in Russland ist anders von dem,
was wir gesehen haben.
Gerade während der letzten 20 oder 30 Jahre.
Russland ist in den Krieg gezogen.
Russland hat in der Ukraine einen Krieg angefangen.
Russland bekämpft die Zivilgesellschaft
und Journalisten in Russland.
Wir haben schon lange diesen Druck erfahren,
aber die Situation hat sich komplett geändert.
Deswegen haben wir uns entschlossen, die Sendezeit einzustellen.
Denn morgen kommt die Staatsduma zusammen
und diskutiert ein neues Gesetz.
Das erlaubt es dem Staatsapparat,
Journalisten bis zu 15 Jahre hinter Gitter zu setzen.
Die, die anscheinend Fake News über die russische Armee verbreiten.
Das widerstrebt dem rechtschaffenden Journalismus,
es bekämpft den Journalismus in Russland.
Putin versucht, die Situation hinter Verschluss zu halten.
Das bedeutet, dass Doschd und die Journalisten von Doschd
auf der Liste ganz oben stehen.
Wir hatten die Wahl:
Hören wir mit der Arbeit auf oder hören wir auf,
die Wahrheit über den Krieg zu verbreiten.
Wir haben uns für die erste Option entschieden.
Welche Entwicklung sehen Sie für Russland:
Wenn man diese Entwicklung bedenkt und die Gesetze,
die kommen sollen und das Vorgehen gegen die Medien und die Proteste?
Worauf steuern wir zu?
Ich glaube, dass Putin seine Mittel und Wege finden wird,
um uns zurückzuschicken in die dunklen Jahre der Sowjetzeit.
Die Entwicklung ist einfach.
Es gibt die Unterdrückung in Russland,
die immer schlimmer wird.
Es wird kein politisches Leben mehr geben,
keine unabhängigen Diskussionen.
Russland wird weniger autoritär sein,
sondern vielmehr diktatorisch.
Können Sie etwas zu Ihrer persönlichen Situation sagen?
Wir hören im Hintergrund Kinderstimmen.
Wie geht es weiter für Sie?
Tut mir leid, das sind die Kinder im Hintergrund.
Meine Frau ist auch Journalistin, sie arbeitet auch für Doschd.
Wir haben uns gestern entschlossen, Russland zu verlassen.
Es ist dort für uns nicht mehr sicher.
Wir sind nicht mehr in Russland.
Jetzt analysieren wir unsere Optionen und hoffen,
dass wir bald wissen, was mit uns passieren wird.
Was, glauben Sie, wird mit Doschd TV passieren?
Wenn Sie wissen wollen, was ich glaube:
Ich glaube an die Wahrheit, die Liebe.
Ich glaube an Frieden.
Doschd heißt im vollen Namen: Doschd optimistischer TV-Sender.
Daher denke ich, dass das Ende gut sein wird.
Ich weiß nicht, wann es gut sein wird,
aber ich weiß, dass es irgendwann so sein wird.
Vielen Dank für das Gespräch.
Ihnen und Ihrer Familie wünsche ich alles Gute.
Danke für die Einladung.
Über die Entstehung und die Arbeit von Doschd
gibt es eine preisgekrönte Dokumentation: "Fuck this Job".
Die können Sie jederzeit in der ARD-Mediathek sehen.
Es ist nicht lange her,
da war die EU beim Thema der Geflüchteten zerstritten.
Auch da führte der Ukraine-Krieg über Nacht zum Paradigmen-Wechsel.
Die Mitgliedsstaaten vereinbarten eine unbürokratische Aufnahme derer,
die aus der Ukraine fliehen.
Das sind schon etwa eine Million Menschen.
Die meisten wollen laut UN-Flüchtlingshilfswerk
vorerst in den Nachbarstaaten bleiben.
Von denen haben selbst Kleinere Zehntausende aufgenommen.
Mehr als 130.000 kamen bisher in Ungarn an.
Die mit Abstand meisten haben in Polen Schutz gesucht:
Fast 550.000.
Mehr als 9000 sind nach Deutschland weitergezogen.
In den Extra-Zügen kommen täglich mehr.
Jacqueline Piwon war mittendrin am Hauptbahnhof in Berlin:
Dem deutschen Dreh- und Angelpunkt in Deutschland.
Er will seine Hilfe anbieten - Nikita Shevtsov ist am Bahnsteig.
Mit Julius Kullmann
ist er am Berliner Hauptbahnhof als Helfer eingeteilt.
Sie kennen sich erst seit gestern.
Da kam Nikita mit dem Zug aus Kiew und traf auf Julius,
der seinen ersten Tag als Helfer am Bahnhof verbrachte.
Er brauchte 'n Platz zum Übernachten.
Wir haben uns so gut verstanden,
dass ich gesagt habe, er kann auch mit zu mir.
Joa, haben wir den Tag miteinander verbracht
und sind seit zwei Stunden hier am Helfen.
Für mich ist es ein kleines Wunder, ich bin ihm sehr dankbar.
Danke.
Seid ihr jetzt Freunde? Ja.
Jetzt helfen sie anderen.
Der nächste Zug kommt an.
Sie sprechen eine allein reisende Mutter mit drei Kindern an.
Sie braucht Hilfe bei der Weiterreise.
Sie will nach Kassel zu ihrer Schwester.
Sag ihnen, wir holen Tickets und dann was zu essen.
Julius und Nikita gehen mit ihr ins Reisezentrum.
Es dauert keine 15 Minuten, bis sie das Ticket haben.
Es ist für sie kostenlos.
Die sind super organisiert, ganz viele Schalter offen.
Geht ganz schnell, gar keine großen Fragen.
Ukrainischen Passport vorzeigen, "wohin möchtet ihr?",
Kinder, Erwachsene, und wann sollen sie fahren.
Larissa erzählt den Helfern,
sie komme aus einem Dorf in der West-Ukraine.
Ihr Mann ist dort geblieben, um zu kämpfen.
Vor der Kamera möchte sie nichts sagen.
Sie ist aufgewühlt.
Auch für ihre Kinder ist alles nicht leicht.
Nach der langen Reise sind sie sehr hungrig.
Wenig später sind Julius und Nikita
mit einer weiteren Familie in Kontakt.
Für sie ist es die zweite Flucht nach Deutschland.
Nach der Krim-Annexion lebten sie einige Jahre bei Aschaffenburg.
Seit Freitag flüchten sie wieder - streckenweise zu Fuß.
25 Kilometer mussten sie laufen. Mit den Kindern?
Ja, mit den Kindern, komplett, und der Kleinen.
Noch ein Kleines? Ja, ist noch - schläft.
In gut zwei Stunden will die Familie weiter,
zu alten Bekannten nach Aschaffenburg.
Die beiden Großen sind in Deutschland geboren.
Vielleicht dürfen sie wieder in ihre alte Kita.
Was braucht ihr noch?
Die Familie ist erst mal versorgt.
Julius und Nikita verabschieden sich und machen weiter.
Der nächste Zug ist schon auf dem Weg.
Wenn Sie den Menschen in der Ukraine und den Flüchtlingen helfen möchten,
können Sie spenden:
Für Erwachsene ist unfassbar, was in der Ukraine passiert -
erst recht für Kinder.
In der Medienwelt sehen sie Bilder, die Angst machen können,
haben viele Fragen.
Und sie wollen selbst ein Zeichen setzen.
Landesweit zog es Zehntausende Jugendliche heute auf die Straße,
etwa hier in Hamburg.
Zu den Anti-Kriegs-Demos hatte Fridays for Future aufgerufen.
Wie sollten Eltern und Lehrkräfte
mit Sorgen und Ängsten der Schülerschaft umgehen?
Marion Kerstholt und David Zajonz.
Gestern Abend waren Proteste vor der Haustür.
Auf ein Schild stand:
"Frieden, Freiheit und Selbstbestimmung".
Bei euch vor der Haustür?
Ich weiß nicht, was Putin für ein Problem hat.
Der hat so ein großes Land und dann will er noch Ukraine?
Haben die nix vom letzten Krieg gelernt -
vom ersten, vom zweiten Krieg?
Sie haben es alle mitbekommen - Krieg in der Ukraine.
Die Viertklässler haben viele Fragen.
Ihr Lehrer versucht zu erklären, was der Krieg bedeutet.
Warum es auch bei ihnen in Oberhausen Friedensdemos gibt.
In ganz Europa und auf der ganzen Welt
gehen Menschen demonstrieren für den Frieden.
Weil das ein hohes Gut ist, in Frieden zu leben.
Und Krieg etwas Schreckliches ist.
Große Betroffenheit bei den Kindern.
Ich versuch mir vorzustellen, wie sowas sein muss,
wie anstrengend für die Leute, ihre Häuser zu verlassen.
Ich hab Angst vor dem Krieg und dass Putin auch uns angreift.
Gedanken, die sich auch viele Erwachsene machen.
Wie umgehen mit den Sorgen der Kinder?
Sehr vorsichtig, man versucht schon, ehrlich mit den Kindern zu sein.
Aber nicht jedes Schreckensszenario vor den Kindern auszubreiten.
Das ist ganz wichtig.
Bei den meisten hilft es, wenn man zuhört.
Man muss nicht auf jede Frage 'ne Antwort haben.
Wichtig ist, dass die Kinder ein Ventil haben und merken,
dass man ihre Sorgen ernst nimmt.
Das gelte auch für Eltern,
sagt die Psychologin Gudrun Rogler-Franken.
Auch sie sollten mit ihren Kindern über den Krieg sprechen.
Die Kinder spüren ja, dass etwas in der Luft liegt,
dass Eltern Ängste haben.
Nicht selten fragen Kinder sich:
Bin ich schuld, dass Mama und Papa so aufgeregt sind?
Dann ist es wichtig, den Kindern zu vermitteln,
dass das nichts mit ihnen zu tun hat.
Wichtig sei auch:
Die Kinder sollen weiterhin ihr normales Leben führen können.
Rumtoben, spielen, Kind sein dürfen,
so wie die Grundschüler in Oberhausen.
Die tagesschau hat Tipps für Kinder und Jugendliche zusammengestellt,
wie man mit den bedrückenden Nachrichten besser umgeht:
In unserem TikTok-Kanal.
Der Krieg gegen die Ukraine
ist das dominierende Thema im ARD-Deutschlandtrend.
Claudia Müller in Köln,
wie blicken die Deutschen auf das, was in der Ukraine passiert?
Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine
gilt die Sorge den Menschen vor Ort.
89 Prozent sagen, sie haben große oder sehr große Sorgen
um die Menschen in der Ukraine.
77 Prozent haben Angst,
dass die Ukraine ganz von Russland besetzt wird.
69 Prozent sagen,
sie haben Angst, dass es wieder zum großen Krieg in Europa kommt.
Nach dem Einmarsch der Russen gab es weltweite Reaktionen.
Das Krisenmanagement der Bundesregierung
findet Zuspruch in der Bevölkerung.
53 Prozent sagen,
sie halten die Reaktion der Regierung für angemessen.
27 Prozent sagen,
ihnen gehen die Maßnahme nicht weit genug.
14 Prozent sagen, ihnen gehen die Maßnahmen zu weit.
Es ist alles in allem ein positives Urteil über die Bundesregierung.
Das spiegelt sich wider in der Regierungszufriedenheit.
Die ist deutlich gestiegen,
auch die Zufriedenheit mit den führenden Parteipolitikern.
Die Bundesregierung kündigte am vergangenen Sonntag
einen Kurswechsel an.
Mit der Zurückhaltung in der Sicherheitspolitik ist es vorbei.
Wie denken die Menschen in Deutschland darüber?
Die Neupositionierung in der Sicherheitspolitik
findet Zuspruch auch in der Bevölkerung.
Beispiel: Waffenlieferungen.
Anfang Februar fragten wir:
Finden Sie Waffenlieferungen in die Ukraine richtig?
Damals hatten nur 20 Prozent das bejaht.
In den letzten Tagen sehen wir einen Stimmungsumschwung.
61 Prozent finden Waffenlieferungen in die Ukraine jetzt richtig.
Damit stützen sie die Haltung der Regierung und von Kanzler Scholz.
Es geht noch um die generellen Verteidigungsausgaben.
Bei der Bundeswehr geht es um das 2-Prozent-Ziel.
2 Prozent des BIP
sollen für Verteidigungszwecke genutzt werden.
Das war politisch sehr umstritten,
zwischen und teilweise innerhalb der Parteien.
Jetzt gibt es da einen breiten politischen Konsens,
dass das passieren soll.
Den Konsens gibt es auch in der Bevölkerung.
69 Prozent sagen, der Kurs sei richtig.
19 Prozent halten das für falsch.
Wir haben gefragt:
Hat sich Ihre Meinung dazu in den letzten Tagen geändert?
47 Prozent sagen,
durch den russischen Einmarsch habe sich ihre Meinung geändert.
Für 22 Prozent hat sich nichts geändert.
Wir schauen auf die Parteianhänger.
Die größte Zustimmung für mehr Verteidigungsausgaben
kommt von den Anhängern der Union, der FDP und der SPD.
Auch die Anhänger der Grünen
sind mehrheitlich für mehr Militärausgaben.
Das eine sind die militärischen Konsequenzen,
das andere die wirtschaftlichen.
Die Bundesregierung hat mit ihren Partnern
harte Sanktionen gegen Russland beschlossen.
Gehen die Bürger da mit?
Auch hier kann ich eine eindeutige Antwort geben.
Ja, das tun die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland.
Wir schauen auf einige konkrete Maßnahmen.
Der Ausschluss wichtiger russischer Banken von SWIFT
bekommt mit 82 Prozent ein deutliches Urteil.
Der Stopp des Genehmigungsverfahrens für Nord Stream 2
findet eine deutliche Mehrheit von 67 Prozent richtig.
Die Mehrheit der Deutschen findet es auch richtig,
wenn es Nachteile für Deutschland oder die Deutschen hätte.
Sie sagen, sie unterstützen die Maßnahmen gegen Russland auch dann,
wenn es zu Engpässen bei der Energie kommt.
Das sagen 68 Prozent.
Auch wenn Preise für Energie und Lebenshaltung steigen,
gibt es einen Rückhalt, wenn es Nachteile geben sollte.
Jetzt sage ich was für jede Umfrage Selbstverständliches.
Das sind Meinungsbildungen des politischen Moments.
Stimmungen können sich ändern.
Das gilt umso mehr in so politisch bewegten Zeiten.
Alle Zahlen und Analysen zum DeutschlandTrend
unter tagesschau.de.
Danke, Claudia Müller.
Immer mehr Firmen brechen ihre Beziehungen zu Russland ab
oder legen sie vorerst auf Eis.
Eine Geschäftsverbindung jedoch erweist sich als äußerst stabil:
Die von Altkanzler Gerhard Schröder zu Präsident Putin
und russischen Staatsunternehmen.
Seine Aufsichtsrats- und Lobbyarbeit etwa für Energiekonzern Rosneft
ist seit Jahren umstritten.
Als die Krise zwischen Russland und der Ukraine eskalierte,
hatte er in seiner Partei, der SPD, für Unmut gesorgt:
Er warf der Ukraine Säbelrasseln vor.
Weil er sich nun im Krieg nicht deutlicher von Putin distanziert
und an den Ämtern festhält, warfen seine Büro-Mitarbeiter hin.
Nun scheint für die SPD eine rote Linie erreicht.
Aus Berlin: Moritz Rödle.
Geschenke von Putin für Schröder wurden früher öffentlich zelebriert.
Für den Weihnachtsbaum ...
Die Männerfreundschaft begann zu Schröders Kanzlerzeiten.
Unklar, ob es eine strategische Entscheidung des Kremls war,
Schröder zu umschmeicheln.
Die Freundschaft blieb über die Amtszeit hinaus -
bis in die Gegenwart.
Als Putins Gaslobbyist will er nichts wissen
von russischer Aggression, noch vor wenigen Wochen.
Im Gegenteil.
Kaum ein Tag, an dem kein Politiker aus dem Bundestag, England, Amerika,
welcher Funktion auch immer, eine Drohung an Russland sendet.
Für immer mehr SPD-Mitglieder sind solche Worte schwer erträglich.
Auch für die SPD im Herzen der Hauptstadt.
Auch der Kreisverband Berlin-Mitte fordert Schröder auf,
sich endlich von Putin abzuwenden.
Sonst müsse er die Partei verlassen, freiwillig oder nicht.
Mir ist es wichtig, dass er sich distanziert.
Sollte das nicht passieren,
ist es die letzte Konsequenz, die ich sehe.
Das ist nicht mit den Werten der Sozialdemokratie vereinbar.
Daraus müssen wir die Konsequenzen ziehen.
Für die SPD ist es brisant.
Auch Scholz äußert sich.
Ich finde nicht richtig, dass Schröder die Ämter wahrnimmt.
Er sollte die niederlegen.
Ich weiß nicht, ob es der SPD schadet.
Jeder weiß, dass wir damit nicht einverstanden sind.
Wie lange kann die SPD Konsequenzen meiden?
Darüber hat heute der Parteivorstand beraten.
Ergebnis:
Keine Sanktionen, aber eine letzte Warnung an den Altkanzler.
Herr Schröder steht auf der Gehaltsliste eines Aggressors.
Er ist Gaslobbyist.
Mit einer SPD-Mitgliedschaft ist das für mich unvereinbar.
Es ist an ihm, die Entscheidung zu treffen.
Andernfalls müssen andere andere Entscheidungen treffen.
Das hieße dann:
Partei-Ausschlussverfahren für den Altkanzler.
Das würde wohl Jahre dauern - mit unsicherem Ausgang.
Schneller könnte eine andere Maßnahme wirken.
Nach seinen Mitarbeitern
könnte demnächst das ganze Büro im Bundestag weg sein.
Bei der SPD-Basis wünschen sich das viele.
Wir wollen ihm per Bundestagsbeschluss
die Amtsausstattung entziehen.
Ihm soll sein Büro im Bundestag entzogen werden.
Wir wollen nicht,
dass ihm per Steuerzahler noch ein Büro gegeben ist.
In den nächsten Tagen muss Schröder sich entscheiden.
Mit wem will er künftig Schlitten fahren?
Mit Putin oder mit der SPD?
Die Causa Altkanzler Gerhard Schröder:
Dazu hat die Leiterin unseres ARD-Hauptstadtstudios diese Meinung.
Borussia Dortmund hat sich getraut, wovor die SPD noch zurückschreckt.
Der Fußballbundesligist entzog Schröder die Ehrenmitgliedschaft.
Immer mehr Unternehmen beenden ihre Zusammenarbeit.
Der Bund der Steuerzahler fordert,
dem Altkanzler die Finanzierung seines Büros zu entziehen.
Alle errichten eine Brandmauer zum unbekehrbaren Putin-Freund,
der nach acht Tagen Krieg und Leid kein kritisches Wort sagen mag.
Sein dröhnendes Schweigen ist zur Belastung geworden -
für seine Partei und Deutschland.
Wer vom SPD-Vorstand einen klaren Schnitt erwartet hatte,
wurde enttäuscht.
Ja, Schröder ist isoliert.
Selbst sein Bürochef und sein Fahrer verweigern ihm die Zusammenarbeit.
Doch die Parteichefs setzen auf ein halbherziges Ultimatum -
ohne zu sagen, was folgt, sollte Schröder bockig bleiben.
Für die Wahlkämpfer ist es bitter,
dass der Befreiungsschlag noch auf sich warten lässt.
In drei Wochen sind im Saarland Landtagswahlen.
Ein Altkanzler, der den Steuerzahler viel kostet,
während er sich die Taschen mit russischen Rubeln füllt:
Der ist ein Klotz am Bein.
Kein Wunder, dass Spitzenkandidatin Rehlinger klarstellt,
für Schröder könne es nur Putin ODER die SPD geben.
Wenn es die SPD ernst meint mit der Zeitenwende,
muss sie Schröder vor die Wahl stellen.
Entweder er gibt sofort die Posten bei Gazprom und Rosneft zurück
und spendet seine fetten Bezüge - etwa für ukrainische Kriegsopfer.
Oder sie lässt seine Mitgliedschaft ruhen,
statt auf ein langwieriges Parteiausschlussverfahren zu warten.
Die Möglichkeit gibt es, der Knüppel liegt bereit.
Und die Sozialdemokraten
hätten eine weitere heilige Kuh geschlachtet.
Die Meinung von Tina Hassel.
Zum Ende der Sendung hat Claudia einen Lichtblick für uns.
Das Wochenende wird sehr sonnig.
Man sollte sich ein windgeschütztes Plätzchen suchen.
Es wird morgen viel Sonne geben.
Am Samstag im Südwesten sind das zehn Stunden.
Über dem Osten und Südosten hängen dann noch Wolken.
Dort gibt es Hochnebel.
Deshalb gibt es nur 2-4 Stunden Sonne.
Auch am Sonntag gibt es viel Sonnenschein im Südwesten.
Im Nordosten gibt es weiter Hochnebel.
In der Nacht gibt es dort Nebel und Hochnebel.
Die gab es schon am Tag.
In der Nacht kommen sie Richtung Süden voran.
Morgen gibt es viel Sonne.
Im Westen bekommt der Nebel Lücken.
In der Nacht folgende Temperaturen.
Die nächsten Tage gibt es viel Sonne.
Es gibt auch Hochnebel.
In den frostigen Nächten gehen die Temperaturen runter.
Vom Wetter: für die meisten im Westen Sonne.
Vielen Dank, Claudia.
Das waren die tagesthemen von heute.
Hier geht es weiter mit extra 3.
Das nachtmagazin gegen 0.35 Uhr
fasst die aktuellen Entwicklungen noch einmal zusammen.
Wir sind morgen wieder da.
Bis dahin. Tschüss.
Und trotz allem: Bleiben Sie zuversichtlich.
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