Bevor Josef Stalin berühmt wurde… | KURZBIOGRAPHIE
Unterdrückung, millionenfacher Mord, Terror.
Josef Stalin herrschte 25 Jahre lang eisern über Russland
und gilt als einer der schlimmsten Diktatoren aller Zeiten.
Und das, obwohl er selbst in jungen Jahren
unter einer Herrschaft der totalen Macht litt.
(Stiftkratzen)
Die zwei Männer, die am Galgen auf ihren Tod warten,
scheinen entspannt zu sein.
Locker unterhalten sie sich mit den Schaulustigen.
Bis zu dem Moment, als die Schlingen um ihre Hälse zupacken.
Ihr Todeskampf ist zäh und zieht sich.
Der 13-jährige Iosif und seine Schulfreunde
sind wie versteinert.
Wie die meisten hier finden auch sie die Strafe
für die angeblichen Kuhdiebe überhaupt nicht gerecht.
Doch die eiserne Hand des russischen Zaren
hat wieder zu Unrecht getötet.
Davon sind sie überzeugt.
Dieses Erlebnis, so denken Historiker heute,
prägt die Psyche des späteren Diktators tief.
Für viele der 125 Millionen Einwohner des russischen Riesenreichs
bedeutet die Alleinherrschaft Nikolaus' des II. eine Tortur.
Ein Parlament, geschweige denn eine Demokratie,
gibt es nicht.
Armut, politische Verfolgung, Ausbeutung
und Machtdemonstrationen der Monarchie sind Alltag.
Aber auch Iosifs eigene Brutalität fällt früh auf.
Wenn der Teenager nicht grade als Anführer
seiner gefürchteten Schlägertruppe unterwegs ist,
tritt er bei traditionellen Ringkämpfen gern gegen Ältere an.
Die Schule fällt dem intelligenten Jungen trotzdem leicht.
Er hat ein herausragendes Gedächtnis, ist schriftstellerisch begabt
und singt sogar die Solos im Chor.
Für seine streng christliche Mutter,
die ihr einziges Kind trotz ihrer Prügel nahezu vergöttert,
erfüllt sich wohl ein großer Wunsch,
als er ein Stipendium für das Priesterseminar
in der georgischen Hauptstadt Tiflis bekommt.
Dass der 15-Jährige schon länger nicht mehr an Gott glaubt,
tut dabei nichts zur Sache.
Das Priesterseminar ist seine einzige Chance
auf eine solide Bildung.
Doch der Geist der Unterdrückung herrscht auch hier.
Nichtkirchliche Literatur ist verboten,
Regelbruch wird hart bestraft
und Schüler von den Mönchen als Spitzel gegeneinander eingesetzt.
Iosif lernt so vor allem die Spielregeln
von Überwachung und Dominanz.
Gleichzeitig brodelt es im ganzen Land.
Arbeiter demonstrieren für bessere Arbeitsbedingungen,
die Bauern leiden unter ihrer Armut.
Und die gebildetere Oberschicht
fordert die wirtschaftliche und politische Freiheit für jeden.
Überall entstehen Zellen des Widerstands,
Proteste werden blutig niedergeschlagen.
Auch Iosif und seine Freunde gründen geheime Lesezirkel.
Als er die Thesen von Karl Marx in die Hände bekommt,
soll er tief beeindruckt gewesen sein.
Marx hatte in seinen Theorien des Sozialismus beschrieben,
dass sich die unterdrückte Arbeiterklasse
durch eine Revolution von ihrer Ausbeutung befreien
und selbst die Macht übernehmen kann.
Ohne groß zu zögern
wählt Iosif ein Leben im Untergrund der aufkeimenden Revolution,
die das Zarentum stürzen will.
Noch als 19-Jähriger
tritt er einer verbotener Gruppe georgischer Marxisten bei
und fliegt kurz darauf aus dem Priesterseminar.
"Koba", wie er sich nun in Anlehnung an eine Robin-Hood-Figur nennt,
beginnt mit seinen Freunden Arbeiterstreiks anzufachen
und Kundgebungen zu organisieren.
Doch was so wirkt, als wolle er helfen,
macht Koba wohl eher aus eigenem Rachebedürfnis am Zarentum.
Er hält die Arbeiterschicht für unfähig
und glaubt nur an eine gebildete Elite,
bis sich selbst an der Spitze der Revolution.
Bis heute diskutieren Historiker noch darüber,
was ihn dazu motiviert und was ihn am Ende zum Diktator gemacht hat.
In jedem Fall aber nutzte er die politischen Unruhen
für seine Ziele.
So kommen übrigens viele Diktatoren an die Macht.
Fest steht, dass die Geheimpolizei des Zaren
schnell ein Auge auf ihn hat.
Koba muss abtauchen und lebt selten länger als zwei Tage am selben Ort,
während er für die Bolschewiken eine Art Schutzgeldmafia aufbaut.
Die radikale Untergrundgruppe, zu der er nun gehört,
will die Arbeiterrevolution anführen, mit allen Mitteln.
Und dafür braucht sie Geld.
Erpressung, Banküberfälle, Mord und Brandstiftung.
Als Chefgeldeintreiber hält Koba bald alle Fäden in der Hand
und organisiert die Verbrechen aus dem Hintergrund.
Aktiv daran beteiligt ist er wohl nie.
Es wird immer klarer, dass der 27-Jährige
ein skrupelloser Radikaler ist, sagen Journalisten.
Und das gefällt vor allem einem: Lenin.
Der studierte Jurist und Berufsrevolutionär
toleriert Gewalt.
Denn als Anführer der Bolschewiki, die sich nun als Partei organisieren,
wäre Lenin auch bereit, einen Bürgerkrieg zu führen.
In seinen Augen ist der junge Georgier
genau der richtige Mann dafür: Ein Mann der Taten.
Lenin soll Kobas wichtigster Wegbereiter
an die Spitze der Bolschewiken werden.
Während immer mehr Parteigenossen
gegen die Brutalität des Georgiers sind,
setzt Lenin seinen Willen dennoch durch
und lässt ihn gezielt in das höchste Gremium aufsteigen.
Damit ist Koba von der Kriminalität auf der Straße
bis in das Machtzentrum der verbotenen Partei vorgedrungen.
Das scheint ihn zu beflügeln.
Schließlich hält er sich nun immer mehr für einen Krieger
und sieht die Zeit gekommen, um sich einen neunen Namen zu geben:
Stalin - Mann aus Stahl.
Grade einmal anderthalb Jahre ist Stalin
von seinem 30. bis zu seinem 40. Lebensjahr
auf freiem Fuß.
Den Rest verbringt er im Gefängnis oder in der Verbannung.
Von seinen sieben Verurteilungen
sind die vier Jahre kurz vor dem Polarkreis
wohl die härtesten.
Bis zu minus 60 Grad, Nächte, die kaum zum Tag werden,
und eine unendliche Einsamkeit.
Einzig die Ureinwohner leisten ihm manchmal Gesellschaft.
Von ihnen lernt er das Überleben in dieser unwirklichen Umgebung.
Als beim Eisfischen einer von ihnen ertrinkt, sagen sie:
Eine prägende Erfahrung für den fast 40-Jährigen.
Als man Stalin aus den Tiefen der sibirischen Verbannung entlässt,
wird er seinem Namen mehr als gerecht.
Aus dem begabten Jungen aus Gori ist endgültig
ein emotional verhärteter, skrupelloser Verbrecher geworden,
den die Wogen der russischen Revolution
noch bis an die Spitze der Macht tragen werden.
(Aufgewühlte Musik)
Wenn du mehr über die politischen Hintergründe
dieser Zeit erfahren möchtest, dann klick hier.
Und eine weitere spannende Biografie ist hier ebenfalls verlinkt.
Bis zur nächsten Lebensgeschichte.
"Der Biograph".