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Deutschlandfunk - Interview, Schriftstellerin zu 30 Jahre Einheit: „So lässt sich Realität nicht beschreiben“

Schriftstellerin zu 30 Jahre Einheit: „So lässt sich Realität nicht beschreiben“

Jörg Münchenberg: Es soll ein Fest der Freude, ein Bürgerfest werden. So hat es Daniel Günther, der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, angekündigt. Das Land ist dieses Jahr dran mit der Ausrichtung der Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit. Dabei gibt es weiterhin viel Trennendes zwischen Ost und West. Die Klischees vom Besserwessi und Jammerossi, die sind längst noch nicht überwunden. Trotzdem soll gefeiert werden.

Am Telefon ist jetzt die Schriftstellerin Jana Hensel. Sie hat sich in zahlreichen Artikeln und Büchern mit dem Thema Ostdeutschland befasst. Ihr neuestes Buch heißt dann auch „Wie alles anders bleibt: Geschichten aus Ostdeutschland“. Frau Hensel, einen schönen guten Morgen.

Jana Hensel: Hallo! – Schönen guten Morgen.

Münchenberg: Frau Hensel, was sollte aus Ihrer Sicht dieser Tag der Deutschen Einheit sein? Ein Bürgerfest, Freude über die Einheit, oder doch vielleicht auch Erinnerung, Mahnung, dass es immer noch viel Trennendes zwischen Ost und West gibt?

Hensel: Na ja, er sollte so lebendig und realitätsnah sein wie möglich. Wir begehen ihn eigentlich seit nunmehr fast 30 Jahren wie einen Geburtstag, und da die Ostdeutschen lange außerhalb dieser Feierlichkeiten zum 3. Oktober oder auch zum 9. November es selten in die Medien geschafft haben, fühlte es sich für uns immer ein bisschen so an, als müssten wir das ganze Jahr beziehungsweise unser ganzes Leben lang Geburtstag haben und dauernd in einer ausgelassenen Feierstimmung sein. So beschreibt man Realitäten nicht. So fängt man auch ambivalente und komplexe Realitäten nicht ein. Ich glaube, viele der Ressentiments und vielleicht auch der Wut in manchen Teilen der Gesellschaft hat damit zu tun, dass das eigene Leben derart unterkomplex über viele Jahre dargestellt wurde.

„Man will eine ehrlichere Auseinandersetzung mit diesen deutsch-deutschen Themen“

Münchenberg: Sie haben ja mal, Frau Hensel, gefordert, der Tag der Deutschen Einheit solle abgeschafft werden. Warum?

Hensel: Ja, das war letztes Jahr. – Na ja, wir haben seit 2015 einen sichtbar gewordenen Rechtsruck in Teilen der ostdeutschen Gesellschaft. Wir haben eine AfD in den ostdeutschen Ländern nahezu in Volksparteistärke. Ich schaute mir im vergangenen Jahr das Programm zur deutschen Einheit an – man feierte damals in Berlin – und war, offen gestanden, schockiert über die Inszenierung von guter Laune und habe mich dann ziemlich spontan hingesetzt und habe einen Text geschrieben, schafft diesen Feiertag ab, diese Einheitsfolklore. Interessanterweise – ich war selber überrascht – haben diesen Text unglaublich viele Leute gelesen und ich habe viele Briefe bekommen. Es scheint, vielen in Ost und West ganz ähnlich zu gehen. Man will eine ehrlichere Auseinandersetzung mit diesen deutsch-deutschen Themen.

Münchenberg: Feiertage erfüllen ja auch die Funktion, sich zu erinnern. Hilft da manchmal nicht auch eine gewisse Feierroutine, dass man dieses Positive, die deutsche Wiedervereinigung, doch ein bisschen vergisst über der ganzen Debatte, über das Trennende?

Hensel: Total! Natürlich sind Feiertage Momente des Innehaltens. Ich sagte aber schon: Bis 2015 ist die ostdeutsche Realität medial im Prinzip nur zu Feiertagen vorgekommen. Deswegen war das ein bisschen einseitig.

Ja, natürlich müssen wir an das Positive erinnern. Aber wissen Sie, wir spielen das eine gegen das andere aus. Es gibt Erfolge und Niederlagen, es gibt Glück und Unglück, und wir müssen ostdeutsche Biografien in einer im Prinzip ganz natürlichen Ambivalenz erzählen und auch in einer Komplexität und nicht immer die Dinge gegeneinander ausspielen. Das heißt: Alle, die nicht mitfeiern wollen, wie Herr Günther sagt, alle, die sich nicht permanent in ausgelassener Feierstimmung zeigen, werden schnell zu Jammerossis gemacht. Das ist auch ein mittlerweile Jahrzehnte altes Klischee. So lässt sich Realität nicht beschreiben. Auch Ostdeutsche müssen ein kritisches Verhältnis zur Gegenwart entwickeln können, müssen Realitäten kritisieren und dürfen nicht immer denunziert werden als Jammerossis, weil sie nicht mitfeiern wollen.

Münchenberg: Aber wird das nicht trotzdem auch gerade am Tag der Deutschen Einheit immer wieder thematisiert, dass man verweist auf die persönlichen Umbrüche, die Brüche in den Biografien gerade in Ostdeutschland?

Hensel: Ja! Aber ich denke, das ist Teil der Einheitsfolklore. Man lobt natürlich die Lebensleistungen der Ostdeutschen, diese ominösen Lebensleistungen. Offen gestanden, ich weiß, ehrlich gesagt, gar nicht, was das sein soll. Wir haben diese großen Unterschiede, diese ökonomischen, sozioökonomischen Unterschiede zwischen beiden Landesteilen. Tun wir was dagegen? Wendet sich die Politik diesem anderen ostdeutschen Raum zu? – Ich habe nicht das Gefühl.

Münchenberg: Auf der anderen Seite: Sie kennen natürlich auch die Argumente. Wir hatten jetzt den Bericht zur deutschen Einheit. Da hieß es ja auch von Seiten der Bundesregierung, die Lage sei viel besser als der Ruf. Es sind Billionen von Euro auch in den Osten geflossen. Das ist die westliche Sicht, weil Sie jetzt gesagt haben, es gibt noch immer eine breite sozioökonomische Spaltung zwischen Ost und West.

Hensel: Ja. Diese Einheitsberichte, offen gestanden, sind auch Teil dieser Einheitsfolklore. Ich glaube nicht, dass man so weitermachen kann wie in den letzten Jahren, dass man auch immer die Ostdeutschen darin bemisst, wie weit sie schon der westdeutschen Realität entgegengekommen sind. Da sind wir, glaube ich, ökonomisch bei irgendwie 70 Prozent des westdeutschen Niveaus angekommen. Da zementieren Sie dauerhaft Hierarchien in Gesellschaften. Das heißt, wir müssen im Prinzip beginnen, ganz anders über Ost und West zu sprechen. Wir müssen diese verschiedenen Realitäten ganz anders benennen, damit die Ostdeutschen nicht immer das Gefühl haben, sie haben es immer noch nicht geschafft, sie sind immer noch nicht ganz wie der Westen geworden. Aber das natürlich, wenn wir uns an Willy Brandt erinnern, es kommt zusammen, was zusammen gehört, war doch, offen gestanden, die Herausforderung aus westdeutscher Perspektive, werdet wie wir, lasst uns zusammenkommen im westdeutsch sein und passt euch an, an unsere Realität, an unsere Werte und an unsere Art zu sprechen und zu denken.

„Es geht um Anerkennung von ostdeutschen Biografien“

Münchenberg: Heute kam der Hinweis vom Bundespräsidenten, man solle nicht diesen ständigen Vergleich anstellen zwischen Ost und West. Und es gibt zum Beispiel auch viele Städte im Westen, die mit massiver Armut zu kämpfen haben. Auch da ist das Gefühl, dass zu sehr auf den Osten geschaut wird und zu wenig auf die Situation im Westen.

Hensel: Ja, diese Verweise auf die strukturschwachen Gegenden in Westdeutschland, auch das finde ich immer wieder ein Argument, was kommt, wenn wir über die Probleme im Osten sprechen wollen. Da wird dann auf die Probleme in westdeutschen Kommunen gelenkt.

Wir müssen über die Probleme sowohl in den westdeutschen Kommunen als in Ostdeutschland sprechen und diese Dinge nicht gegeneinander ausspielen. Wir haben einen ganzen Apparat an dieser Art Verdrängungsargumenten uns über die Jahre erarbeitet und wir merken, wir kommen nicht weiter.

Münchenberg: Mehr Wertschätzung der DDR-Biografien, so habe ich Sie verstanden. Aber ist da auch nicht die Gefahr groß, dass manche jetzt schon wieder in eine DDR-Nostalgie verfallen, dass das Regime jetzt im Rückblick verklärt wird?

Hensel: Ich glaube, es geht nicht um Anerkennung von DDR-Biografien, sondern es geht um Anerkennung von ostdeutschen Biografien. Die Mauer ist vor 30 Jahren gefallen. Das ist beinahe ein halbes Menschenleben. Wir müssen aufhören, immer über die DDR zu sprechen. Ostdeutschland ist ein völlig eigener Sozialisationsraum mit einer Fülle an Erfahrungen, und den gilt es zu betrachten, weil wer die Gegenwart verstehen will, muss in diese 90er-Jahre blicken. Und offen gestanden: Mein Gefühl ist eher, es sehnt sich kaum jemand in die DDR zurück. Aber ganz zufrieden mit dieser Gegenwart sind auch große Teile der Bevölkerung nicht. Ich habe vor ein paar Tagen einen Satz von Lech Walesa gelesen, der gesagt hat, wir wollen den Kommunismus nicht zurück, aber mit dem Kapitalismus sind wir auch nicht zufrieden. Ich glaube, in dieser Situation befinden wir uns im Moment, und darüber sollten wir auch an Tagen wie heute beziehungsweise morgen offen und ehrlich miteinander sprechen.

„Es darf nicht passieren, dass so ein Raum zu großen Teilen deindustrialisiert wird“

Münchenberg: Nun wird auch viel in diesen Tagen über die Aufarbeitung der Treuhand-Tätigkeit diskutiert, die ja viele gerade in Ostdeutschland immer mit einem industriellen Kahlschlag gleichsetzen. Wäre das ein wichtiger Punkt, dass man vielleicht von Regierungsseite das viel stärker fördert und sagt, ja, wir müssen uns diesem Thema noch mal stellen?

Hensel: Das denke ich auf jeden Fall. Wir müssen uns diesen Themen stellen. Einerseits müssen wir sie aufarbeiten. Mein Gefühl ist, das tun vor allem junge Ostdeutsche. Junge ostdeutsche Wissenschaftler befassen sich mit diesen 90er-Jahren auch in einer Art von sie suchen ihre eigene Geschichte, ihre eigene Perspektive auf das, was damals passiert ist. Aber wir müssen vor allem lernen, in der Analyse der Vergangenheit vor allem für die Gegenwart lernen, das darf uns nicht noch mal passieren. Es darf nicht passieren, dass so ein Raum zu großen Teilen deindustrialisiert wird. Wir müssen uns vor allem fragen, was machen wir mit diesem Ostdeutschland in den nächsten Jahrzehnten. Wir können es im Prinzip nicht einfach weiter verwalten, so wie wir es gemacht haben, weil wir sehen, das zeigt uns der Rechtsruck, es kann im Prinzip nicht wirklich so weitergehen wie bisher. Wir müssen uns etwas neues überlegen.

Münchenberg: Aber was wäre da konkret Ihr Vorschlag?

Hensel: Ich glaube, wir brauchen auch einen neuen politischen Blick auf Ostdeutschland. Wir müssen uns fragen, wie können wir jene Gegenwart, die durch den Transformationsprozess entstanden ist, eine Gegenwart, die weitgehend deindustrialisiert ist, wo junge Generationen über Jahrzehnte das Land verlassen haben, wo der ländliche Raum massiv überaltert ist, wo wir eine zu großen Teilen westdeutsch besetzte Elite haben, nicht nur gesamtdeutsch, sondern auch in den fünf neuen Ländern, da wo die Ostdeutschen die Mehrheit der Bevölkerung stellen – wir müssen uns fragen, wie können wir diese Realität neu gestalten und wie können wir das, was der Transformationsprozess geschaffen hat, vielleicht doch noch mal korrigieren.

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Schriftstellerin zu 30 Jahre Einheit: „So lässt sich Realität nicht beschreiben“ Writer on 30 years of unity: "That's not how reality can be described" Escritor sobre 30 años de unidad: "Esa no es forma de describir la realidad" Schrijver over 30 jaar eenheid: "Dat is geen manier om de werkelijkheid te beschrijven" Escritor sobre 30 anos de unidade: "Isto não é forma de descrever a realidade". Писатель о 30 годах единства: "Это не способ описать реальность". 30 yıllık birlik üzerine bir yazar: "Gerçeklik bu şekilde tanımlanamaz"

Jörg Münchenberg: Es soll ein Fest der Freude, ein Bürgerfest werden. Jörg Münchenberg: It should be a festival of joy, a public festival. So hat es Daniel Günther, der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, angekündigt. This is what Daniel Günther, Prime Minister of Schleswig-Holstein, announced. Das Land ist dieses Jahr dran mit der Ausrichtung der Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit. This year it is the country's turn to host the celebrations for the Day of German Unity. Dabei gibt es weiterhin viel Trennendes zwischen Ost und West. There are still many divisions between East and West. Die Klischees vom Besserwessi und Jammerossi, die sind längst noch nicht überwunden. |||||whining east German|||||| The clichés of better things and whiners are far from over. Trotzdem soll gefeiert werden. Nevertheless, it should be celebrated.

Am Telefon ist jetzt die Schriftstellerin Jana Hensel. The writer Jana Hensel is now on the phone. Sie hat sich in zahlreichen Artikeln und Büchern mit dem Thema Ostdeutschland befasst. She has dealt with the subject of East Germany in numerous articles and books. Ihr neuestes Buch heißt dann auch „Wie alles anders bleibt: Geschichten aus Ostdeutschland“. Her latest book is then also called “How everything stays different: Stories from East Germany”. 她的最新著作也叫做“一切如何保持差異:東德的故事”。 Frau Hensel, einen schönen guten Morgen. Ms. Hensel, good morning.

Jana Hensel: Hallo! – Schönen guten Morgen. - Good Morning.

Münchenberg: Frau Hensel, was sollte aus Ihrer Sicht dieser Tag der Deutschen Einheit sein? Münchenberg: Ms. Hensel, what do you think this Day of German Unity should be? Ein Bürgerfest, Freude über die Einheit, oder doch vielleicht auch Erinnerung, Mahnung, dass es immer noch viel Trennendes zwischen Ost und West gibt? A civic festival, joy at unity, or maybe a reminder, a reminder that there are still many things that separate East and West?

Hensel: Na ja, er sollte so lebendig und realitätsnah sein wie möglich. Hensel: Well, it should be as lively and realistic as possible. 亨塞爾:嗯,它應該盡可能生動有趣。 Wir begehen ihn eigentlich seit nunmehr fast 30 Jahren wie einen Geburtstag, und da die Ostdeutschen lange außerhalb dieser Feierlichkeiten zum 3. |feiern|||||||||||||||||| We have actually been celebrating it like a birthday for almost 30 years now, and since the East Germans have been away from these celebrations for the third 我們慶祝生日已經將近30年了,因為東德人早已不在這些慶祝活動中參加第三次 Oktober oder auch zum 9. November es selten in die Medien geschafft haben, fühlte es sich für uns immer ein bisschen so an, als müssten wir das ganze Jahr beziehungsweise unser ganzes Leben lang Geburtstag haben und dauernd in einer ausgelassenen Feierstimmung sein. |||||||||||||||||||||||||||||||||||ausgelassene Feierstimmung|| 十一月很少進入媒體,它總是讓我們感到有些猶豫,好像我們必須整年或整個生日都是生日,並且總是心情舒暢。 So beschreibt man Realitäten nicht. 這不是您描述現實的方式。 So fängt man auch ambivalente und komplexe Realitäten nicht ein. 這樣,您就不會陷入矛盾和復雜的現實。 Ich glaube, viele der Ressentiments und vielleicht auch der Wut in manchen Teilen der Gesellschaft hat damit zu tun, dass das eigene Leben derart unterkomplex über viele Jahre dargestellt wurde. 我認為,社會上許多地方的許多怨恨和憤怒,都與這樣一個事實有關,即多年來,人們以如此復雜的方式展現了自己的生活。

„Man will eine ehrlichere Auseinandersetzung mit diesen deutsch-deutschen Themen“

Münchenberg: Sie haben ja mal, Frau Hensel, gefordert, der Tag der Deutschen Einheit solle abgeschafft werden. Warum?

Hensel: Ja, das war letztes Jahr. – Na ja, wir haben seit 2015 einen sichtbar gewordenen Rechtsruck in Teilen der ostdeutschen Gesellschaft. Wir haben eine AfD in den ostdeutschen Ländern nahezu in Volksparteistärke. 我們在德國東部的國家/地區擁有一項類似於一般政黨規模的AfD。 Ich schaute mir im vergangenen Jahr das Programm zur deutschen Einheit an – man feierte damals in Berlin – und war, offen gestanden, schockiert über die Inszenierung von guter Laune und habe mich dann ziemlich spontan hingesetzt und habe einen Text geschrieben, schafft diesen Feiertag ab, diese Einheitsfolklore. 去年,我看了德國人團結計劃-當時人們在柏林慶祝-坦率地說,我對良好的氣氛感到震驚,然後很自然地坐下來寫了一段文字,在這個假期中廢除了,這種統一的民俗。 Interessanterweise – ich war selber überrascht – haben diesen Text unglaublich viele Leute gelesen und ich habe viele Briefe bekommen. Es scheint, vielen in Ost und West ganz ähnlich zu gehen. 它似乎與東西方的許多人非常相似。 Man will eine ehrlichere Auseinandersetzung mit diesen deutsch-deutschen Themen.

Münchenberg: Feiertage erfüllen ja auch die Funktion, sich zu erinnern. Münchenberg:假期還具有記憶功能。 Hilft da manchmal nicht auch eine gewisse Feierroutine, dass man dieses Positive, die deutsche Wiedervereinigung, doch ein bisschen vergisst über der ganzen Debatte, über das Trennende? |||||||celebration routine||||||||||||||||||Trennende 某種慶祝活動有時不是有助於忘記這一積極的東西,即德國統一,而是關於整個辯論的一些內容,關於它的區別是什麼?

Hensel: Total! Natürlich sind Feiertage Momente des Innehaltens. |||||Innehaltens Ich sagte aber schon: Bis 2015 ist die ostdeutsche Realität medial im Prinzip nur zu Feiertagen vorgekommen. 但是我已經說過:直到2015年,東德的現實只出現在公共假期的媒體上。 Deswegen war das ein bisschen einseitig.

Ja, natürlich müssen wir an das Positive erinnern. Aber wissen Sie, wir spielen das eine gegen das andere aus. Es gibt Erfolge und Niederlagen, es gibt Glück und Unglück, und wir müssen ostdeutsche Biografien in einer im Prinzip ganz natürlichen Ambivalenz erzählen und auch in einer Komplexität und nicht immer die Dinge gegeneinander ausspielen. 有成功和失敗,有運氣和不幸,我們必須以一種基本自然的矛盾和復雜性來告訴東德傳記,而並非總是相互抵消。 Das heißt: Alle, die nicht mitfeiern wollen, wie Herr Günther sagt, alle, die sich nicht permanent in ausgelassener Feierstimmung zeigen, werden schnell zu Jammerossis gemacht. 這意味著:正如根瑟先生所說,任何不想慶祝的人,每個不以旺盛的派對情緒露面的人都會很快變成Jammerossis。 Das ist auch ein mittlerweile Jahrzehnte altes Klischee. So lässt sich Realität nicht beschreiben. 這不是描述現實的方式。 Auch Ostdeutsche müssen ein kritisches Verhältnis zur Gegenwart entwickeln können, müssen Realitäten kritisieren und dürfen nicht immer denunziert werden als Jammerossis, weil sie nicht mitfeiern wollen. 東德人也必須能夠與當下發展起關鍵的關係,批評現實,並且決不能總是因為不願慶祝而被人們譴責為Jammerossis。

Münchenberg: Aber wird das nicht trotzdem auch gerade am Tag der Deutschen Einheit immer wieder thematisiert, dass man verweist auf die persönlichen Umbrüche, die Brüche in den Biografien gerade in Ostdeutschland? Münchenberg:但這不是特別是在德國統一日的討論話題,是指個人動盪,傳記的中斷,尤其是在德國東部嗎?

Hensel: Ja! Aber ich denke, das ist Teil der Einheitsfolklore. 但是我認為這是統一民俗的一部分。 Man lobt natürlich die Lebensleistungen der Ostdeutschen, diese ominösen Lebensleistungen. |||||||||Lebensleistungen 人們自然地讚揚東德人的生活成就,這些不祥的生活成就。 Offen gestanden, ich weiß, ehrlich gesagt, gar nicht, was das sein soll. Wir haben diese großen Unterschiede, diese ökonomischen, sozioökonomischen Unterschiede zwischen beiden Landesteilen. Tun wir was dagegen? Wendet sich die Politik diesem anderen ostdeutschen Raum zu? 政治正在轉向這個東德地區嗎? – Ich habe nicht das Gefühl.

Münchenberg: Auf der anderen Seite: Sie kennen natürlich auch die Argumente. Wir hatten jetzt den Bericht zur deutschen Einheit. Da hieß es ja auch von Seiten der Bundesregierung, die Lage sei viel besser als der Ruf. 聯邦政府還說,情況比聲譽好得多。 Es sind Billionen von Euro auch in den Osten geflossen. 數以百萬計的歐元也湧入了東方。 Das ist die westliche Sicht, weil Sie jetzt gesagt haben, es gibt noch immer eine breite sozioökonomische Spaltung zwischen Ost und West. 那就是西方的觀點,因為您現在已經說過,東西方之間仍然存在著廣泛的社會經濟鴻溝。

Hensel: Ja. Diese Einheitsberichte, offen gestanden, sind auch Teil dieser Einheitsfolklore. Ich glaube nicht, dass man so weitermachen kann wie in den letzten Jahren, dass man auch immer die Ostdeutschen darin bemisst, wie weit sie schon der westdeutschen Realität entgegengekommen sind. ||||||||||||||||||||bewertet||||||||entgegengekommen sind| 我認為您無法像過去幾年那樣繼續前進,您總是用東德人達到西德現實的距離來衡量他們。 Da sind wir, glaube ich, ökonomisch bei irgendwie 70 Prozent des westdeutschen Niveaus angekommen. Da zementieren Sie dauerhaft Hierarchien in Gesellschaften. 您會永久鞏固社會中的等級制度。 Das heißt, wir müssen im Prinzip beginnen, ganz anders über Ost und West zu sprechen. Wir müssen diese verschiedenen Realitäten ganz anders benennen, damit die Ostdeutschen nicht immer das Gefühl haben, sie haben es immer noch nicht geschafft, sie sind immer noch nicht ganz wie der Westen geworden. 我們必須以非常不同的方式來命名這些不同的現實,以使東德人不會總是感覺自己仍然沒有做到,還沒有變得完全像西方。 Aber das natürlich, wenn wir uns an Willy Brandt erinnern, es kommt zusammen, was zusammen gehört, war doch, offen gestanden, die Herausforderung aus westdeutscher Perspektive, werdet wie wir, lasst uns zusammenkommen im westdeutsch sein und passt euch an, an unsere Realität, an unsere Werte und an unsere Art zu sprechen und zu denken. 但是,當然,如果我們還記得威利·勃蘭特(Willy Brandt)在一起的話,那麼坦白說,在一起的東西就是西德人的挑戰,就像我們一樣,讓我們在西德人聚在一起並適應我們的現實說我們的價值觀以及我們的說話和思考方式。

„Es geht um Anerkennung von ostdeutschen Biografien“

Münchenberg: Heute kam der Hinweis vom Bundespräsidenten, man solle nicht diesen ständigen Vergleich anstellen zwischen Ost und West. Und es gibt zum Beispiel auch viele Städte im Westen, die mit massiver Armut zu kämpfen haben. Auch da ist das Gefühl, dass zu sehr auf den Osten geschaut wird und zu wenig auf die Situation im Westen. 也有一種感覺,人們在東方看太多了,而在西方看得太少了。

Hensel: Ja, diese Verweise auf die strukturschwachen Gegenden in Westdeutschland, auch das finde ich immer wieder ein Argument, was kommt, wenn wir über die Probleme im Osten sprechen wollen. 亨塞爾:是的,這些提到西德的結構薄弱的地區,我總是發現,當我們要談論東方的問題時會發生什麼。 Da wird dann auf die Probleme in westdeutschen Kommunen gelenkt. 然後指出了西德市政當局的問題。

Wir müssen über die Probleme sowohl in den westdeutschen Kommunen als in Ostdeutschland sprechen und diese Dinge nicht gegeneinander ausspielen. 我們必須談論西德市政當局和東德的問題,而不是相互抵消。 Wir haben einen ganzen Apparat an dieser Art Verdrängungsargumenten uns über die Jahre erarbeitet und wir merken, wir kommen nicht weiter. 多年來,我們已經開發出了這種位移論證的整體裝置,並且我們意識到我們沒有取得任何進展。

Münchenberg: Mehr Wertschätzung der DDR-Biografien, so habe ich Sie verstanden. Münchenberg:對GDR傳記的更多了解,這就是我對您的了解。 Aber ist da auch nicht die Gefahr groß, dass manche jetzt schon wieder in eine DDR-Nostalgie verfallen, dass das Regime jetzt im Rückblick verklärt wird? ||||||||||||||||||||||||verklärt wird| 但是,難道不是有些人現在會退回到東德懷舊之情,回想起來現在該政權會得到榮耀嗎?

Hensel: Ich glaube, es geht nicht um Anerkennung von DDR-Biografien, sondern es geht um Anerkennung von ostdeutschen Biografien. Die Mauer ist vor 30 Jahren gefallen. Das ist beinahe ein halbes Menschenleben. Wir müssen aufhören, immer über die DDR zu sprechen. Ostdeutschland ist ein völlig eigener Sozialisationsraum mit einer Fülle an Erfahrungen, und den gilt es zu betrachten, weil wer die Gegenwart verstehen will, muss in diese 90er-Jahre blicken. 東德是一個完全獨立的社會化領域,擁有豐富的經驗,這是必須考慮的,因為如果您想了解現在,就必須回顧1990年代。 Und offen gestanden: Mein Gefühl ist eher, es sehnt sich kaum jemand in die DDR zurück. 坦率地說:我的感覺是,幾乎沒有人渴望回到GDR。 Aber ganz zufrieden mit dieser Gegenwart sind auch große Teile der Bevölkerung nicht. 但是,大部分人口對此目前並不完全滿意。 Ich habe vor ein paar Tagen einen Satz von Lech Walesa gelesen, der gesagt hat, wir wollen den Kommunismus nicht zurück, aber mit dem Kapitalismus sind wir auch nicht zufrieden. Ich glaube, in dieser Situation befinden wir uns im Moment, und darüber sollten wir auch an Tagen wie heute beziehungsweise morgen offen und ehrlich miteinander sprechen.

„Es darf nicht passieren, dass so ein Raum zu großen Teilen deindustrialisiert wird“ “這樣的空間絕不可能被工業化”

Münchenberg: Nun wird auch viel in diesen Tagen über die Aufarbeitung der Treuhand-Tätigkeit diskutiert, die ja viele gerade in Ostdeutschland immer mit einem industriellen Kahlschlag gleichsetzen. ||||||||||||Treuhandanstalt|||||||||||||industriellen Kahlschlag|vergleichen Münchenberg:如今,關於開展信託活動的討論也很多,尤其是在東德,許多信託活動總是等同於工業活動。 Wäre das ein wichtiger Punkt, dass man vielleicht von Regierungsseite das viel stärker fördert und sagt, ja, wir müssen uns diesem Thema noch mal stellen? 重要的一點是政府可能會進一步推廣它,並說,是的,我們必須再次面對這個問題?

Hensel: Das denke ich auf jeden Fall. 亨塞爾:我絕對是這樣。 Wir müssen uns diesen Themen stellen. Einerseits müssen wir sie aufarbeiten. Mein Gefühl ist, das tun vor allem junge Ostdeutsche. 我的感覺是主要由年輕的東德人來做。 Junge ostdeutsche Wissenschaftler befassen sich mit diesen 90er-Jahren auch in einer Art von sie suchen ihre eigene Geschichte, ihre eigene Perspektive auf das, was damals passiert ist. 東德的年輕科學家們也在以某種方式尋找這90年代的歷史,他們在尋找自己的歷史,對當時發生的事情的看法。 Aber wir müssen vor allem lernen, in der Analyse der Vergangenheit vor allem für die Gegenwart lernen, das darf uns nicht noch mal passieren. 但是最重要的是,我們必須學會,尤其是在對過去的分析中,這絕不會再次發生。 Es darf nicht passieren, dass so ein Raum zu großen Teilen deindustrialisiert wird. Wir müssen uns vor allem fragen, was machen wir mit diesem Ostdeutschland in den nächsten Jahrzehnten. Wir können es im Prinzip nicht einfach weiter verwalten, so wie wir es gemacht haben, weil wir sehen, das zeigt uns der Rechtsruck, es kann im Prinzip nicht wirklich so weitergehen wie bisher. Wir müssen uns etwas neues überlegen.

Münchenberg: Aber was wäre da konkret Ihr Vorschlag?

Hensel: Ich glaube, wir brauchen auch einen neuen politischen Blick auf Ostdeutschland. 漢塞爾:我認為我們還需要關於東德的新政治觀點。 Wir müssen uns fragen, wie können wir jene Gegenwart, die durch den Transformationsprozess entstanden ist, eine Gegenwart, die weitgehend deindustrialisiert ist, wo junge Generationen über Jahrzehnte das Land verlassen haben, wo der ländliche Raum massiv überaltert ist, wo wir eine zu großen Teilen westdeutsch besetzte Elite haben, nicht nur gesamtdeutsch, sondern auch in den fünf neuen Ländern, da wo die Ostdeutschen die Mehrheit der Bevölkerung stellen – wir müssen uns fragen, wie können wir diese Realität neu gestalten und wie können wir das, was der Transformationsprozess geschaffen hat, vielleicht doch noch mal korrigieren. |||||||||||||||||||||||||||||||||||überaltert ist||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||