Heiligabend
Der dreiundzwanzigste Dezember ist dieses Jahr der letzte Schultag für Marie und Peter. Dann beginnen ihre Weihnachtsferien. Ferien sind für Schulkinder natürlich immer toll, aber die Weihnachtsferien sind besonders wichtig. Am nächsten Tag ist Heiligabend. Peter und Marie gehen zu ihren Großeltern, um dort die Nacht zu verbringen.
Am Morgen des vierundzwanzigsten Dezembers kann ihre Mutter dann ungestört den Christbaum schmücken und alles für Heiligabend vorbereiten, denn an Heiligabend kommen in Deutschland die Familien zusammen und feiern Weihnachten. Fondue ist für diesen Abend ein traditionelles Essen, es werden Weihnachtslieder gesungen, und die Menschen, allen voran die Kinder, packen ihre Geschenke aus.
Früh morgens geht Lisa Schmidt einkaufen. Sie muss viele Lebensmittel einkaufen, da während der Feiertage alle Geschäfte geschlossen sind. Für die Feiertage kauft sie viele Sachen, die sich die Familie nicht oft leisten kann. Sie ersteht eine Gans, Kartoffeln, Blaukraut, französischen Champagner, und noch vieles mehr. Dann eilt sie nach Hause, da sie heute sehr viel zu tun hat.
Während Lisa beim Einkaufen war, hat ihr Mann schon den Christbaum im Wohnzimmer aufgestellt. Er hat eine große Tanne gekauft, die vom Boden bis zur Decke geht. Geschmückt hat er den Weihnachtsbaum allerdings nicht, da Lisa immer darauf besteht, es selber zu machen.
Als Lisa heimkommt stöhnt sie: „Oh mei, ich habe heute so viel zu tun und jetzt muss ich den Baum auch noch schmücken.“ „Ich würde es ja gerne machen, aber du bestehst immer darauf, es selber zu tun…“ „Ach, am besten du bleibst mir aus dem Weg. Du machst das ja doch nur falsch. Alles muss man selber machen“, sagt Lisa und schüttelt den Kopf.
Erst befestigt sie elektrische Kerzen am Baum, dann schmückt sie ihn mit bunten Kugeln und kleinen Figuren, und zum Schluss befestigt sie oben am Wipfel einen großen Stern. Jetzt ist der Christbaum vollständig geschmückt und sieht wunderschön aus. Zufrieden wirft Lisa einen kurzen Blick auf den Baum, dann eilt sie in die Küche.
Es ist natürlich noch zu früh, das Abendessen vorzubereiten, aber sie will Staubsaugen, da vom Christbaumschmücken viele Nadeln auf dem Boden liegen. Plätzchen hat sie schon vor einiger Zeit gebacken. Sie hat Mehl, Eier und andere Zutaten zusammengemischt. Dann hat sie den Teig glatt gewalzt und mit Formen ausgestochen. Sie hat viele Sterne und Monde ausgestochen. Diese hat sie auf ein Backblech gelegt, das sie in den Ofen geschoben hat. Im Ofen ist es sehr heiß, so dass aus dem Teig Plätzchen gebacken wurden.
Nachdem Lisa staubgesaugt hat, geht sie ins Schlafzimmer und holt die Geschenke aus dem Schrank. Sie hat die Geschenke schon vor einiger Zeit gekauft und jedes Geschenk in hübsches Geschenkpapier gewickelt, das sie mit Tesafilm zugeklebt hat. Jetzt trägt sie die Geschenke ins Wohnzimmer und legt sie unter den Christbaum. Mit den Geschenken auf dem Boden unter dem Weihnachtsbaum sieht alles noch viel schöner aus. Dann wirft sie einen Blick auf die große Wanduhr. Es ist halb drei.
„Nun ja“, sagt sie, „jetzt kann ich mich für eine halbe Stunde ausruhen, aber dann muss ich zurück in die Küche, um das Essen vorzubereiten.“ Heiligabend ist sehr anstrengend für Lisa.
Während Frau Schmidt hart arbeitet, um einen wunderbaren Abend herbeizuzaubern, vergnügen sich Marie und Peter bei ihren Großeltern, Frieda und Wilhelm Schmidt. Drei Tage zuvor war Wintersonnenwende, die Tage sind kurz und es wird schon früh dunkel. Um sechzehn Uhr beginnt die Dämmerung und gegen siebzehn Uhr ist es bereits finster draußen.
Am Nachmittag bereiten sich Wilhelm und Frieda auf den Abend vor. Frieda war am Vormittag schon beim Friseur, jetzt zieht sie ein elegantes Abendkleid an und schminkt sich. Wilhelm zieht einen dunkelblauen Anzug an, dazu ein hellblaues Hemd und eine blau-rot gestreifte Krawatte. Wilhelm ist schneller fertig, als Frieda, aber als er aus dem Fenster blickt, sieht er, dass es draußen schon dämmrig wird.
Er öffnet eine Schublade in seinem Schlafzimmer und entnimmt ihr eine elegante Armbanduhr. Sie hat goldene Ziffern und ein braunes Uhrband aus Leder. Er vergleicht die Uhrzeit auf der Armbanduhr mit der auf seinem Wecker: Die Armbanduhr geht vor. Er stellt die Uhr auf die richtige Zeit. Es ist bereits sechzehn Uhr fünfzehn.
„Frieda!“, ruft er laut. „Es ist schon Viertel nach vier. Wir müssen bald weg.“ „Ja, ja, schon recht. Ich bin fast fertig.“ Eine Viertelstunde später verlassen die vier zusammen das Haus und gehen zum Auto von Wilhelm Schmidt.
Normalerweise würde Wilhelm in der Stadt nicht mit dem Auto fahren, da man von seinem Haus gut mit der U-Bahn zum Haus von Leo und Lisa kommt, aber heute nimmt er ausnahmsweise das Auto. Im Kofferraum liegen viele Geschenke. Es wäre zu umständlich und schwer, sie alle zu tragen.
Sie setzen sich alle ins Auto. Dann steckt Wilhelm den Zündschlüssel ins Schloss, lässt den Motor an und fährt los. Erfreulicherweise ist nirgendwo ein Stau und er kann flott fahren. Nach nur fünfunddreißig Minuten kommen sie schon an. Sie steigen aus. Die beiden Kinder hüpfen aufgeregt herum, während Frieda und Wilhelm die Geschenke aus dem Kofferraum holen.
Dann gehen sie zur Haustür, um zu klingeln. Jedoch ehe Peter klingeln kann, öffnet Leo bereits. „Frohe Weihnachten!“
sagt er laut, mit einem breiten Lächeln. „Kommt rein.“ „Frohe Weihnachten!“, antworten alle und betreten das Haus. Leo lenkt seine Kinder ab, so dass Wilhelm und Frieda die Geschenke unbemerkt ins Wohnzimmer bringen können.
Denn obwohl Peter und Marie wissen, dass sie die Geschenke von ihren Eltern und Verwandten bekommen, tun alle noch so, als ob das Christkind die Geschenke brächte. Die Wohnzimmertür ist geschlossen. Die Kinder dürfen erst hineingehen, wenn ein Glöckchen klingelt, um kundzutun, dass das Christkind da war und Geschenke gebracht hat. Es ist eine christliche Tradition, die auch heutzutage von vielen Menschen in Deutschland befolgt wird.
Unterdessen sieht sich Frieda in der Küche um und begutachtet, was Lisa vorbereitet hat. Sie nickt anerkennend. Es ist alles bereit und sieht fabelhaft aus. „Hallo, Mutti!“, sagt Lisa zu ihrer Schwiegermutter, als sie in die Küche kommt. „Frohe Weihnachten!“ „Frohe Weihnachten, Lisa. Du siehst geschafft aus. Lass mich machen und ruh dich etwas aus.“ Lisa lächelt und setzt sich dankbar ins Wohnzimmer. Währenddessen deckt Frieda den Tisch im Esszimmer. Sie bringt Teller und Besteck aus der Küche, ehe sie sich um die Getränke kümmert. Dann bringt sie den Fonduetopf, sowie Fleisch und aufgeschnittenes Baguette. „Das Essen ist angerichtet“, ruft Frieda. „Kommt ihr bitte.“ Das lässt sich niemand zweimal sagen. Froh und glücklich kommen alle ins Esszimmer. „Ach, da schau an“, sagt Wilhelm. „Fondue habe ich immer gerne.“ „Guten Appetit!“, wünscht Lisa allen, sobald sie sitzen. „Ich hoffe es schmeckt euch.“
„Guten Appetit!“, antworten die anderen höflich. Dann fangen sie an zu essen. Eine Weile lang essen und ratschen sie. Heiligabend ist eine wunderbare Zeit und das Abendessen ist der Höhepunkt für die Erwachsenen. Die Kinder dagegen können das Ende des Essens kaum erwarten, denn auf das Essen folgt die Bescherung, d.h. (das heißt) sie können ins Wohnzimmer gehen und ihre Geschenke auspacken.
Endlich ist das Essen zu Ende. Lisa verlässt diskret den Raum, und kurze Zeit später hören alle ein kleines Glöckchen klingeln. Erfreut springen die Kinder auf und laufen zum Wohnzimmer, gefolgt von den Erwachsenen. Die Tür zum Wohnzimmer ist bereits auf und ihre Mutter erwartet die aufgeregten Kinder mit einem Lächeln. Doch noch können die Kinder sich nicht auf ihre Geschenke stürzen.
Zuerst versammelt sich die ganze Familie vor dem Christbaum. Als nächstes spielt Leo ein Weihnachtslied auf dem CD-Spieler und alle singen mit. Dieses Jahr singen sie ‚Stille Nacht, heilige Nacht‘, eines der beliebtesten Weihnachtslieder. Nach dem Lied wünschen sich alle nochmals gegenseitig ‚Frohe Weihnachten‘ und dann ist es endlich so weit für alle: Sie dürfen ihre Geschenke auspacken.
Peter ist schneller als alle anderen. Er reißt schnell das bunte Papier von einem seiner Geschenke. Es ist ein Buch: ‚Ein Kampf um Rom‘ von Felix Dahn. Peter ist begeistert. Er hatte sich das Buch schon lange gewünscht. Auch Marie freut sich, als sie ihr erstes Geschenk ausgepackt hat. Sie hat von ihrer Tante Gudrun ein Schmuckkästchen geschenkt bekommen.
Das Kästchen ist aus Holz, mit einem hübschen Bild auf dem Deckel. Was Marie am meisten entzückt, ist eine keltische Bronzespange im Kästchen. Marie probiert die Spange an und betrachtet sich im kleinen Spiegel im Inneren des Schmuckkästchens. Sie ist begeistert, wie wunderhübsch sie mit der keltischen Spange aussieht.
Und so geht es weiter. Alle packen ihre Geschenke aus und freuen sich. Etwas später liegt ein großer Haufen zerrissenen Geschenkpapiers auf dem Boden und dazu jede Menge Geschenke.
Lisa holt Dosen voller Plätzchen aus der Vorratskammer und legt verschieden Plätzchen auf zwei Teller. Sie stellt diese dann ins Wohnzimmer. Feierliche Weihnachtsmusik klingt durch den Raum, auf dem Tisch stehen brennende Kerzen, die ihr warmes Licht ausstrahlen, und jetzt nehmen sie alle von den Plätzchen und sprechen über ihre Geschenke.
Der Christbaum strahlt in aller Herrlichkeit durch den Raum. Es ist ein wunderbares Weihnachtsfest, genau so wie Weihnachten sein sollte. Dann öffnet Leo die Flasche Champagner, die Lisa am Morgen gekauft hat. Er füllt die Sektgläser und die vier Erwachsenen prosten sich zu. „Fröhliche Weihnachten!“ sagt Leo, dann stoßen sie an.
„Champagner zu Weihnachten“, sagt Wilhelm, „das ist ja ganz was besonderes. Das gab es bisher nicht.“ „Ach, du weißt, dass ich den gerne trinke und Silvester allein reicht mir nicht, also was soll‘s…“, sagt Leo. Es ist ein fabelhafter Abend. Die beiden Kinder sind noch lange mit ihren Geschenken beschäftigt, während die Erwachsenen ratschen, lachen und trinken. Nur Wilhelm trinkt nicht viel, denn er muss mit dem Auto wieder nach Hause fahren.
Es ist spät nachts, als sich Frieda und Wilhelm verabschieden. Die Kinder können da kaum noch ihre Augen offenhalten, aber sie wollen trotzdem noch nicht ins Bett gehen. „Nun ab ins Bett!“, ruft Lisa lachend. „Eure Geschenke werden morgen auch noch da sein.“ „Gute Nacht, Mama!“, sagen die Kinder.