Sendung vom 27.01.2021, 20:00 Uhr - Krisensitzung im Streit um Impfstoff
Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen
mit der tagesschau.
Heute im Studio: Linda Zervakis
Guten Abend,
ich begrüße Sie zur tagesschau.
76 Jahre nach der Befreiung von
Häftlingen des KZs Auschwitz-Birkenau
wurde weltweit
an die Opfer des Holocaust erinnert.
In einer Gedenkstunde des Bundestages
warnten Parlamentspräsident Schäuble
und Rednerinnen vor neuen Formen
von Antisemitismus und Rassismus:
Etwa als Verschwörungsmythen
in der Corona-Pandemie.
Holocaust-Vergleiche von Gegnern der
Corona-Maßnahmen seien inakzeptabel.
Im Zentrum des Gedenkens
stand ein symbolhafter Akt:
Die Fertigstellung der Handschrift
einer restaurierten Thora-Rolle.
Die letzten Buchstaben werden
in eine Thora-Rolle geschrieben,
die heilige Schrift der Juden.
Mit dabei: die höchsten
Repräsentanten Deutschlands.
Eine Art Selbstverpflichtung,
jüdisches Leben hier zu schützen.
In der Gedenkstunde im Bundestag
spricht Charlotte Knobloch
als eine Vertreterin
jüdischen Lebens in Deutschland.
Sie erzählt von ihrer Kindheit
in den 30er-Jahren.
Mit Sorge, aber auch Kampfgeist
spricht sie
über heutigen Antisemitismus.
Ich hatte meine Heimat verloren.
Ich habe für sie gekämpft,
habe sie wiedergewonnen
und werde sie verteidigen.
Ich stehe als stolze Deutsche
vor Ihnen,
obwohl alles dagegen sprach
und noch immer viel dagegen spricht.
Seit 1700 Jahren gibt es
jüdisches Leben in Deutschland.
Heute sprechen Vertreterinnen
unterschiedlicher Generationen.
Jüdin in Deutschland zu sein,
bedeutet, zu verstehen:
Es ist passiert
und kann folglich wieder passieren.
Antisemitismus beginnt nicht da, wo
auf eine Synagoge geschossen wird.
Auch die Schoah
begann nicht mit Gaskammern.
Es beginnt
mit Verschwörungserzählungen.
Der 27. Januar 1945
war ein eisiger Tag.
Der Tag,
an dem die wenigen Überlebenden
aus dem KZ Auschwitz-Birkenau
befreit wurden.
Der Jüdische Weltkongress
gedachte wegen Corona heute virtuell.
Über Video mahnt der Bundespräsident:
Die größte Gefahr für uns alle
geht vom Vergessen aus.
Davon, dass wir uns
nicht mehr daran erinnern,
was wir einander antun,
wenn wir Antisemitismus
und Rassismus dulden.
Seit 25 Jahren ist der 27. Januar
Gedenktag für die Opfer
des Nationalsozialismus.
Ein Krisentreffen in Brüssel
soll Bewegung in den Lieferstreit
zwischen dem Impfstoff-Hersteller
AstraZeneca und der EU bringen.
Aus der EU-Kommission hieß es:
Das Unternehmen habe die moralische
und vertragliche Verantwortung,
vereinbarte Mengen fristgerecht
zur Verfügung zu stellen.
AstraZeneca bestreitet,
sich zur Lieferung
einer konkreten Anzahl von Impfdosen
verpflichtet zu haben.
Der Impfstoff soll am Freitag
die EU-Zulassung bekommen.
Impfstoffe werden dringend gebraucht.
Doch wann und woher
sie geliefert werden:
Darüber ist der Streit
heute eskaliert zwischen der EU
und dem Konzern AstraZeneca.
Von Nebelkerzen und Lügen
war die Rede.
Das Problem:
Niemand weiß, was im Vertrag steht.
Der Vertrag
muss veröffentlicht werden,
sonst erleben wir Dinge wie heute:
Die einen sagen das,
die anderen behaupten das Gegenteil.
Gestritten wird etwa
um das englische Wort "best effort" –
größtmögliche Anstrengung.
Der einzige öffentliche Vertrag
der EU
ist der
mit der deutschen Firma Curevac.
Da kommt der Begriff
immer wieder vor.
Auf solche Klauseln beruft sich
der Chef von AstraZeneca
angesichts der Lieferprobleme.
Doch die EU besteht auf Lieferungen –
und verweist auf den Vertrag:
Darin würden ausdrücklich
vier Werke von AstraZeneca genannt.
Zwei, in denen die Produktion
schon gut läuft,
befinden sich in Großbritannien.
Zwei, bei denen es Probleme gibt,
in der EU.
Die Gesundheitskommissarin
pochte darauf:
Die EU habe den Vertrag
mit dem Konzern abgeschlossen –
nicht mit einzelnen Werken.
Es gibt keine Hierarchie
zwischen den Fabriken.
Die Werke in Großbritannien
sind Teil des Vertrages.
Deshalb müssen sie liefern.
Momentan sitzen sie wieder zusammen,
um eine Lösung zu finden.
Vieles ist unklar –
nur eins ist sicher:
AstraZeneca kann nicht
so viel liefern wie versprochen.
Ein Verteilungskampf zwischen
Großbritannien und der EU
wäre politisch heikel.
Der Konzern
ließ bisher nicht durchblicken,
dass er vorhat, Großbritannien
Lieferungen zu kürzen.
Innenminister Seehofers Vorstoß
zu weiteren Reise-Einschränkungen
hat eine kontroverse Diskussion
ausgelöst.
Er sprach sich für ein Zurückfahren
des Flugverkehrs gegen Null aus,
um die Ausbreitung
von Corona-Mutanten zu begrenzen.
Opposition und Wirtschaft
kritisierten die Idee.
Zuspruch kam von Intensiv-Medizinern.
Aus der Bundesregierung hieß es,
man wolle die weitere
europäische Entwicklung abwarten.
Dem Robert Koch-Institut wurden
13.202 Neuinfektionen gemeldet,
knapp 3000 weniger
als vor einer Woche.
Außerdem registrierte das RKI
982 weitere Todesfälle.
Die Beamten
sollen noch genauer hinschauen.
Verschärfte Kontrollen
am Flughafen Frankfurt.
Touristen aus Risikogebieten
könnten hochansteckende Mutationen
einschleppen.
Das fürchtet die Bundesregierung.
Es muss das Nötigste getan werden,
das verhindert,
dass dieses Virus
weiter eingetragen wird.
Der Bundesinnenminister
will den Flugverkehr ausdünnen,
mehr Grenzkontrollen einführen.
Der parlamentarische Geschäftsführer
der SPD hätte gern ein Konzept.
Zunächst muss der Innenminister
Möglichkeiten auf den Tisch legen,
worüber er nachdenkt.
Das hat er dem Bundestag gegenüber
bisher nicht getan.
Außerdem will die Regierung
mit europäischen Partnern reden.
Die Reiseverschärfungen
waren auch Thema im Parlament.
Die FDP hält das für Symbolpolitik.
Man müsse mehr testen
und besser kontrollieren.
Reiseverbote zu fordern,
den Flugverkehr einzustellen:
Das ist ein Doktern an Symptomen.
Die Kritik an der Corona-Strategie
eint die Opposition.
Der Wirtschaftsflügel der Union
hat noch Wünsche:
Die Sorge vor Mutationen
dürfe nicht über allem stehen.
Die Sorge ist berechtigt,
will ich nicht kleinreden.
Aber wir müssen der Wirtschaft
eine Perspektive geben:
Dass sie weiß, unter welchen
Bedingungen sie öffnen kann.
Schleswig-Holstein will Kitas
und Schulen wieder öffnen -
wenn die Pandemie es zulässt.
Andere halten das für verfrüht.
Keiner kann heute sagen,
was im Mai, Juni und Juli
geöffnet oder geschlossen wird.
In Baden-Württemberg wurden acht
Fälle von Mutationen festgestellt.
Betroffen auch ein Kindergarten
in Freiburg.
Die Landesregierung
verschob ihre Pläne,
Kitas und Grundschulen
wieder zu öffnen.
Für die Wirtschaft
wird der Weg aus der Corona-Krise
wohl schwieriger als angenommen.
Die Bundesregierung schraubte deshalb
ihre Konjunkturprognose herunter -
von 4,4 % im Herbst auf jetzt 3 %.
Bei der Vorlage seines Jahresberichts
sagte Wirtschaftsminister Altmaier,
der Aufschwung falle
weniger dynamisch aus als erhofft.
Die Wirtschaftsleistung
werde im ersten Quartal
deutlich beeinträchtigt.
Deutschen Ermittlern gelang
mit Kollegen aus sieben Ländern
ein Schlag gegen
die organisierte Cyber-Kriminalität.
Sie zerschlugen die Infrastruktur
der als besonders gefährlich
geltenden Schadsoftware "Emotet".
Weltweit
wurden Hunderte Server beschlagnahmt.
Mit Emotet hatten Kriminelle
private Online-Konten geknackt
und u.a. von Unternehmen Lösegeld
für blockierte Daten erpresst.
Über Stunden waren die Patientendaten
im Krankenhaus Nürnberg-Fürth
nicht abzurufen.
Die Notfallversorgung
wurde eingestellt,
Operationen abgesagt.
Das Klinikum war Opfer von Emotet,
einer gefährlichen Schadsoftware.
Wir schätzen die Zahl
der betroffenen Computerendgeräte
auf 160.000.
40.000 haben wir schon umgeleitet.
Die Maßnahmen sind also
noch nicht abgeschlossen.
Das sogenannte Botnetz
ist hochintelligent.
Es verbreitet sich über E-Mails,
kopiert Adressen
und imitiert sogar den Schreibstil.
Über Anhänge der gefälschten E-Mails
infiziert es andere Rechner,
die die Schadsoftware verbreiten.
Über den Server
eines Tatverdächtigen in der Ukraine
konnten die Ermittler
die Kontrolle über Emotet erlangen.
Sie programmierten
die Kommunikation um
und machten das Programm unbrauchbar.
Diese Schadsoftware
war besonders gefährlich,
weil sie sich sehr schnell
und sehr gut verbreitet hat.
Und sie wurde
als eine Art Türöffner genutzt
und hat Systeme infiziert.
Andere Kriminelle
konnten diese geöffnete Tür nutzen,
um ihre anderen Schadsoftwaren
nachladen zu lassen.
So kaperten Kriminelle die Daten
von Zehntausenden Privatpersonen,
Unternehmen und Behörden
und erpressten sie.
Weltweit wird der Schaden
auf 2,1 Mrd. Euro geschätzt.
Bakterien sind Menschen
in vielem voraus,
wohl auch bei der Kommunikation.
Sie können sich verständigen
und arbeiten im Team.
Das fanden die beiden Mikrobiologen
Bassler und Silverman heraus.
Dafür werden sie ausgezeichnet
mit dem mit 120.000 Euro dotierten
Paul Ehrlich- und
Ludwig Darmstaedter-Preis.
Den Austausch zwischen Bakterien
zu unterbinden,
bietet neue Ansätze
im Kampf gegen Krankheiten.
Mehr als
eine Milliarde Bakterien gibt es.
Wie sie krank machen können,
haben die Paul-Ehrlich-Preisträger
2020 entschlüsselt:
Bonnie Bassler und Michael Silverman.
Wie können Bakterien
diese Kraft haben?
Wir konnten zeigen:
Bakterien kommunizieren.
Sie zählen einander.
Wenn sie eine entscheidende Größe
erreicht haben, merken sie:
Wenn wir etwas gleichzeitig tun,
sind Dinge möglich,
die sie allein niemals hinbekämen.
Bakterien
kommunizieren über Botenstoffe.
So erkennen sie,
ob ihre Zahl groß genug ist,
um einen Krankheitsprozess
zu starten.
Gelingt es,
diese Kommunikation zu stören,
könnten Erkrankungen
verhindert werden.
Hier zu sehen:
ein und dasselbe Bakterium.
Einmal mit entwickelten Giftstoffen.
Hier dagegen
ist die Kommunikation gestört.
Die Bakterien bleiben harmlos.
Bislang werden Bakterien
mit Antibiotika bekämpft.
Doch es entstehen Resistenzen -
was Ärzte besorgt.
Umso bedeutender nun
die preisgekrönte Forschung.
Es könnte heißen:
Weniger Antibiotika-Einsatz,
sodass die Probleme
mit multiresistenten Bakterien
reduziert werden.
Und Bakterien könnten nicht mehr
so schnell resistent werden.
In fünf bis sechs Jahren könnte es
entsprechende Medikamente geben,
schätzen Forschende.
Bei der 9. Auflage
der Solo-Weltumseglung Vendee Globe
wird heute Nacht
die Entscheidung erwartet.
Als Erster soll der Franzose
Charlie Dalin das Ziel erreichen.
Der Deutsche Boris Herrmann
hat wegen einer Zeitgutschrift
noch Chancen auf einen Sieg.
Die Regatta startete am 8. November
im französischen Les Sables d'Olonne.
Es ging durch den Atlantik,
vorbei am Kap der Guten Hoffnung,
durch den Indischen Ozean
und den Südpazifik.
Nach der Umrundung von Kap Horn
nahmen die Segler wieder Kurs
auf Les Sables d'Olonne.
Bis zur Ankunft
im Zielhafen Les Sables d'Olonne
hat Boris Herrmann
noch 140 Seemeilen vor sich.
Last day of the vendee globe!
Am letzten Tag der Vendee Globe
habe er guten Wind.
Auf dem Wasser Rock'n'Roll
und Herausforderungen.
Schon fast am Ende der Reise
ist der Führende des Feldes:
Der Franzose Charlie Dalin.
Er wird demnächst wohl als Erstes
das Ziel erreichen.
Die Grußbotschaft am Strand
steht bereits.
Gesamtsieger
wird er wohl trotzdem nicht.
Herrmann ist aktuell Dritter.
Er kann sich weiter Chancen
auf eine Topplatzierung ausrechnen:
Er bekommt nach Zieleinfahrt
eine Zeitgutschrift von sechs Stunden
für die Rettungsaktion
eines schiffbrüchigen Konkurrenten.
Ende November sank das Schiff
von Kevin Escoffier.
Herrmann und weitere halfen
bei der Suche.
Auch Yannick Bestaven.
Ihm werden im Ziel sogar zehn Stunden
und fünfzehn Minuten gutgeschrieben.
Es läuft auf ein Duell zwischen
Bestaven und Herrmann hinaus.
Der lädt seine Batterien
noch mal auf mit einem Müsli.
Die endgültige Entscheidung bei der
härtesten Einhand-Regatta der Welt
fällt wohl erst heute Nacht.
Die Lottozahlen:
Die Wettervorhersage für morgen,
Donnerstag, den 28. Januar:
Von Südwesten bringt ein Tief
mildere Luft und kräftigen Regen.
Dazu Tauwetter -
es bestehen Unwetterwarnungen.
In der Osthälfte
schneit es nachts gebietsweise,
in Südostbayern auch stärker.
Später von Südwesten Regen.
Morgen im Nordosten
meist freundlich und trocken.
Im Westen und Südwesten
Regen mit Hochwassergefahr.
Dazu sehr windig.
Richtung Osten teils noch Schnee.
In der Westhälfte heute Nacht
meist frostfrei, sonst Minusgrade.
Morgen im östlichen Bergland
leichter Frost.
An Rhein und Mosel
zweistellige Plusgrade.
Am Freitag im Nordosten freundlich,
sonst ergiebiger Regen.
Am Wochenende
geht der Regen in Schnee über.
Im Norden bleibt es freundlicher.
Caren Miosga hat um 22.15 Uhr
diese Tagesthemen für Sie:
Holocaust-Gedenken -
Wie wird jüdisches Leben
wieder präsenter?
Interview
mit der Publizistin Marina Weisband
Und: Zoff um Corona-Impfstoff -
Setzt sich die EU
bei AstraZeneca durch?
Ihnen noch einen schönen Abend.
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