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2021 from Youtube, "Hartz und herzlich": RTL ZWEI und ein Stadtteil in Rostock | ZAPP | NDR

"Hartz und herzlich": RTL ZWEI und ein Stadtteil in Rostock | ZAPP | NDR

Eine Plattenbausiedlung zwischen Ostsee und der Rostocker Innenstadt.

Mehr als 13.000 Menschen leben hier.

Das ist der Schauplatz der RTL-II-Sendung "Hartz und herzlich"

über den Rostocker Stadtteil Groß Klein.

Welches Bild RTL II von dem Stadtteil zeichnet, zeigt der Einstieg.

* Wer hier lebt, ist oft nicht freiwillig hier gelandet. *

Dieser Block ist wie ein Gefängnis.

Der wird umgangssprachlich Katastrophenblock genannt.

Hier ist Endstation.

Das ist 'n Assi-Block.

Ich frage mich, ob dieses Bild der Realität entspricht.

Ich höre mich auf den Straßen in Groß Klein um.

Haben Sie die gesehen? Ja.

Was halten Sie von der Sendung? Furchtbar.

Warum? Das stellt den Stadtteil nicht dar.

Ist 'ne Überdramatisierung von extremen Fällen.

Hier wohnen auch ganz normale Arbeitnehmer,

die einfach dicht an der Ostsee wohnen möchten.

Du hast 'ne breite Masse an Menschen und nicht nur das,

was auf RTL II dargestellt wird.

Menschen lassen sich leicht beeinflussen.

Dadurch entsteht so 'n Gesamtbild.

Dann hast du deinen Ruf weg.

So ist es für Groß Klein auch.

Dann – welch ein Zufall: Ich kenn Sie aus dem Fernsehen.

Martin Boldt, einer der Protagonisten,

seit der ersten Staffel von RTL II begleitet.

* Martin kümmert sich voller Hingabe um seine an MS erkrankte Freundin.

Dass sie 16 Jahre älter ist, spielt keine Rolle. *

Manja war der Grund, dass ich mich in sie verliebt habe.

Wie sieht er die Sendung heute?

Negativ seh ich es nicht, sonst würde ich es nicht machen.

Ich seh positiv, dass jeder sieht, wie's woanders ist.

Von manchen wirst du hingestellt wie Menschen zweiter Klasse.

Wirst nicht für voll genommen.

Aber den anderen nimmt man voll,

weil er 'n Stockwerk mehr auf seinem Haus hat.

Guter Punkt.

Vielleicht kann ich ihn am nächsten Tag noch einmal besuchen.

In "Hartz und herzlich" wird Groß Klein als Getto präsentiert.

In Abgrenzung zum Nachbarort Warnemünde.

* Jährlich kommen Zehntausende her, um sich an den Stränden zu erholen.

Doch von Urlaubsstimmung kann im Block keine Rede sein.

Hier bestimmen Sorgen, Zerstörung und Arbeitslosigkeit

das Bild des Viertels. *

Ein Bild, das RTL II eifrig nachzeichnet:

Im Mittelpunkt Bewohner,

die fast alle arbeitslos sind und oft gesundheitliche Probleme haben.

Benannt nur mit Vor- oder Spitznamen.

Und die Kamera hält voll drauf.

* Der neue Tag bringt Gutes für Manja.

Das Geld vom Amt wurde überwiesen.

Davon konnte ihre Tochter für sie einkaufen gehen. *

Sperrmüllhaufen, unaufgeräumte Küchen und Dreck

finden sich in vielen Episoden.

Vor allem zur Einführung von Protagonisten -

reingeschnitten als pure Bebilderung.

* Auch die 35-jährige Sandra bezieht seit 18 Jahren Hartz IV.

Sie haben wir schon vor einem Jahr kennengelernt.

Gemeinsam mit Mann Timo und drei ihrer fünf Kinder

lebt sie im achten Stock eines Blocks. *

RTL II schreibt auf unsere Anfrage:

Aber auch sonst passt die Auswahl der Protagonisten und Drehorte

bisher wenig zu dem, was ich hier sehe.

Ich treffe Sabrina Scherer und begleite sie auf dem Weg zur Kita.

Die sechsfache Mutter lebt seit 2008 in Groß Klein.

Ich möchte von ihr wissen,

welche Auswirkungen die Sendung auf ihr Leben hat.

Man mag nicht sagen, dass man aus Groß Klein kommt.

Man sagt dann, man wohnt kurz vor Warnemünde

oder in einem Stadtteil von Rostock.

Man geht damit verhaltener um.

Sie schämt sich für den eigenen Stadtteil – wegen einer TV-Sendung.

Und was ist mit dem Bild von Armut?

Ist das so, wie RTL II es darstellt?

In der Kita treffe ich Anja Hagenau und Katrin Hameister.

Sie arbeiten dort

und kennen viele Familien aus ärmeren Haushalten in Groß Klein.

Bei uns ist es so, was das Thema Armut angeht,

das sind nicht immer die Hartz-IV-Familien.

Das sind auch arbeitende Familien,

die durch diese geringen Einkommen auch in die Bredouille kommen.

Sie sind in der Pflege unterwegs, in der Hotellerie, Gastronomie.

Das sind nicht die bestbezahlten Berufe.

Einige Familien haben zwei, drei Jobs,

haben trotzdem Bildung und Teilhabe.

Sie versuchen, über die Runden zu kommen,

aber sie sind unheimlich engagiert.

So ein Engagement möchte ich mir anschauen.

Im Börgerhus, dem Stadtteil- und Begegnungszentrum der AWO.

Am Info-Punkt arbeitet die Rentnerin Ursula Birkner.

In der DDR war sie Betriebswirtin.

Nach der Wende war sie alleinerziehend,

hatte verschiedene Jobs, war auch arbeitslos.

Wie so viele im Stadtteil muss auch sie mit ihrem Geld gut haushalten.

Dass die Gehälter so klein sind in Mecklenburg-Vorpommern.

Dementsprechend sieht auch meine Rente aus.

Aber: Ich lebe.

Engagement und Lebenswillen bei einkommensschwachen Menschen –

das habe ich in den RTL-II-Folgen kaum gesehen.

Ebenso wenig wie das Dorf Groß Klein, das neben den Hochhäusern liegt.

Hier gibt es statt Plattenbauten Hühner und Einfamilienhäuser.

Und hier befindet sich auch die evangelische Ufer-Gemeinde

von Pastor Jörg Utpatel.

Von ihm höre ich auch positive Töne.

Was ich positiv gesehen habe, war:

Etliche Leute haben dort mal Aufmerksamkeit bekommen

und haben auch Wertschätzung erlebt.

Sie durften erzählen und zeigen, etwas von ihrem Leben.

Das hat einigen von denen, die da vorkamen, auch gut getan,

dass sie mal wahrgenommen wurden.

Diesen Punkt stellt auch RTL II heraus.

Das hatte mir Martin Boldt, der Protagonist,

so ähnlich auch schon erzählt.

Ich darf ihn heute besuchen.

Er ist noch immer mit seiner Verlobten zusammen.

* Der Geldmangel am Ende des Monats zwingt zum Verzicht.

Bei Zigaretten und Lebensmitteln schmerzt es die beiden am meisten. *

'ne Zeitlang geht das ohne Zigaretten.

Ganz ohne sterbe ich ja den Heldentod.

Geld ist keine Motivation dafür, dass sie mitmachen.

Boldt zeigt uns ein Schreiben der Produktionsfirma.

Eine Aufwandsentschädigung gibt es nicht.

Und an der Aussage des Pastors scheint etwas dran zu sein.

Es gibt Leute, die hetzen und sind negativ.

Es gibt aber auch Leute, die wollen ein Selfie machen.

Das passiert mir einmal am Tag.

Oder geh mit Alex, der auch mitmacht, spätabends zu ihm.

Dann treffen wir einen, der ausm Netto kam, hat sich Bier geholt.

Der wollte mit uns ein Bier trinken.

Da haben wir dann nachts 'n Bier getrunken mit 'nem Wildfremden.

Auch so was gibt es.

Aber Leute, denen die Sendung nicht gefällt,

sollen den Fernseher ausmachen.

Klare Worte.

Er wirkt auf mich wie jemand, der mit sich im Reinen ist.

Zum Abschied hat mich Frau Birkner in ihre Wohnung eingeladen.

Sie hat mir von ihrem Balkon erzählt,

von dem aus sie einen weiten Blick auf ihren Stadtteil hat.

Die Sendung "Hartz und herzlich" möchte sie nicht mehr gucken.

Ich habe hier in Groß Klein viele Menschen getroffen,

die die Sendung kritisch sehen.

Sie finden, dass ein falsches Bild von ihrem Stadtteil gezeichnet wird.

Über Armut und Klassenunterschiede zu berichten, ist wichtig.

"Hartz und herzlich" will vor allem unterhalten.

Und die Sendung gibt auch Menschen eine Stimme,

die sonst eher wenig gehört werden.

Andererseits zeichnet es auch ein klischeebeladenes Bild von Armut

und von dem Stadtteil Groß Klein.

"Hartz und herzlich": RTL ZWEI und ein Stadtteil in Rostock | ZAPP | NDR "Hartz und herzlich": RTL ZWEI and a district in Rostock | ZAPP | NDR "Hartz und herzlich": RTL ZWEI y un barrio de Rostock | ZAPP | NDR "Hartz und herzlich": RTL ZWEI en een wijk in Rostock | ZAPP | NDR "Hartz und herzlich": RTL ZWEI e um bairro em Rostock | ZAPP | NDR

Eine Plattenbausiedlung zwischen Ostsee und der Rostocker Innenstadt.

Mehr als 13.000 Menschen leben hier.

Das ist der Schauplatz der RTL-II-Sendung "Hartz und herzlich"

über den Rostocker Stadtteil Groß Klein.

Welches Bild RTL II von dem Stadtteil zeichnet, zeigt der Einstieg.

* Wer hier lebt, ist oft nicht freiwillig hier gelandet. *

Dieser Block ist wie ein Gefängnis.

Der wird umgangssprachlich Katastrophenblock genannt.

Hier ist Endstation.

Das ist 'n Assi-Block.

Ich frage mich, ob dieses Bild der Realität entspricht.

Ich höre mich auf den Straßen in Groß Klein um.

Haben Sie die gesehen? Ja.

Was halten Sie von der Sendung? Furchtbar.

Warum? Das stellt den Stadtteil nicht dar.

Ist 'ne Überdramatisierung von extremen Fällen.

Hier wohnen auch ganz normale Arbeitnehmer,

die einfach dicht an der Ostsee wohnen möchten.

Du hast 'ne breite Masse an Menschen und nicht nur das,

was auf RTL II dargestellt wird.

Menschen lassen sich leicht beeinflussen.

Dadurch entsteht so 'n Gesamtbild.

Dann hast du deinen Ruf weg.

So ist es für Groß Klein auch.

Dann – welch ein Zufall: Ich kenn Sie aus dem Fernsehen.

Martin Boldt, einer der Protagonisten,

seit der ersten Staffel von RTL II begleitet.

* Martin kümmert sich voller Hingabe um seine an MS erkrankte Freundin.

Dass sie 16 Jahre älter ist, spielt keine Rolle. *

Manja war der Grund, dass ich mich in sie verliebt habe.

Wie sieht er die Sendung heute?

Negativ seh ich es nicht, sonst würde ich es nicht machen.

Ich seh positiv, dass jeder sieht, wie's woanders ist.

Von manchen wirst du hingestellt wie Menschen zweiter Klasse.

Wirst nicht für voll genommen.

Aber den anderen nimmt man voll,

weil er 'n Stockwerk mehr auf seinem Haus hat.

Guter Punkt.

Vielleicht kann ich ihn am nächsten Tag noch einmal besuchen.

In "Hartz und herzlich" wird Groß Klein als Getto präsentiert.

In Abgrenzung zum Nachbarort Warnemünde.

* Jährlich kommen Zehntausende her, um sich an den Stränden zu erholen.

Doch von Urlaubsstimmung kann im Block keine Rede sein.

Hier bestimmen Sorgen, Zerstörung und Arbeitslosigkeit

das Bild des Viertels. *

Ein Bild, das RTL II eifrig nachzeichnet:

Im Mittelpunkt Bewohner,

die fast alle arbeitslos sind und oft gesundheitliche Probleme haben.

Benannt nur mit Vor- oder Spitznamen.

Und die Kamera hält voll drauf.

* Der neue Tag bringt Gutes für Manja.

Das Geld vom Amt wurde überwiesen.

Davon konnte ihre Tochter für sie einkaufen gehen. *

Sperrmüllhaufen, unaufgeräumte Küchen und Dreck

finden sich in vielen Episoden.

Vor allem zur Einführung von Protagonisten -

reingeschnitten als pure Bebilderung.

* Auch die 35-jährige Sandra bezieht seit 18 Jahren Hartz IV.

Sie haben wir schon vor einem Jahr kennengelernt.

Gemeinsam mit Mann Timo und drei ihrer fünf Kinder

lebt sie im achten Stock eines Blocks. *

RTL II schreibt auf unsere Anfrage:

Aber auch sonst passt die Auswahl der Protagonisten und Drehorte

bisher wenig zu dem, was ich hier sehe.

Ich treffe Sabrina Scherer und begleite sie auf dem Weg zur Kita.

Die sechsfache Mutter lebt seit 2008 in Groß Klein.

Ich möchte von ihr wissen,

welche Auswirkungen die Sendung auf ihr Leben hat.

Man mag nicht sagen, dass man aus Groß Klein kommt.

Man sagt dann, man wohnt kurz vor Warnemünde

oder in einem Stadtteil von Rostock.

Man geht damit verhaltener um.

Sie schämt sich für den eigenen Stadtteil – wegen einer TV-Sendung.

Und was ist mit dem Bild von Armut?

Ist das so, wie RTL II es darstellt?

In der Kita treffe ich Anja Hagenau und Katrin Hameister.

Sie arbeiten dort

und kennen viele Familien aus ärmeren Haushalten in Groß Klein.

Bei uns ist es so, was das Thema Armut angeht,

das sind nicht immer die Hartz-IV-Familien.

Das sind auch arbeitende Familien,

die durch diese geringen Einkommen auch in die Bredouille kommen.

Sie sind in der Pflege unterwegs, in der Hotellerie, Gastronomie.

Das sind nicht die bestbezahlten Berufe.

Einige Familien haben zwei, drei Jobs,

haben trotzdem Bildung und Teilhabe.

Sie versuchen, über die Runden zu kommen,

aber sie sind unheimlich engagiert.

So ein Engagement möchte ich mir anschauen.

Im Börgerhus, dem Stadtteil- und Begegnungszentrum der AWO.

Am Info-Punkt arbeitet die Rentnerin Ursula Birkner.

In der DDR war sie Betriebswirtin.

Nach der Wende war sie alleinerziehend,

hatte verschiedene Jobs, war auch arbeitslos.

Wie so viele im Stadtteil muss auch sie mit ihrem Geld gut haushalten.

Dass die Gehälter so klein sind in Mecklenburg-Vorpommern.

Dementsprechend sieht auch meine Rente aus.

Aber: Ich lebe.

Engagement und Lebenswillen bei einkommensschwachen Menschen –

das habe ich in den RTL-II-Folgen kaum gesehen.

Ebenso wenig wie das Dorf Groß Klein, das neben den Hochhäusern liegt.

Hier gibt es statt Plattenbauten Hühner und Einfamilienhäuser.

Und hier befindet sich auch die evangelische Ufer-Gemeinde

von Pastor Jörg Utpatel.

Von ihm höre ich auch positive Töne.

Was ich positiv gesehen habe, war:

Etliche Leute haben dort mal Aufmerksamkeit bekommen

und haben auch Wertschätzung erlebt.

Sie durften erzählen und zeigen, etwas von ihrem Leben.

Das hat einigen von denen, die da vorkamen, auch gut getan,

dass sie mal wahrgenommen wurden.

Diesen Punkt stellt auch RTL II heraus.

Das hatte mir Martin Boldt, der Protagonist,

so ähnlich auch schon erzählt.

Ich darf ihn heute besuchen.

Er ist noch immer mit seiner Verlobten zusammen.

* Der Geldmangel am Ende des Monats zwingt zum Verzicht.

Bei Zigaretten und Lebensmitteln schmerzt es die beiden am meisten. *

'ne Zeitlang geht das ohne Zigaretten.

Ganz ohne sterbe ich ja den Heldentod.

Geld ist keine Motivation dafür, dass sie mitmachen.

Boldt zeigt uns ein Schreiben der Produktionsfirma.

Eine Aufwandsentschädigung gibt es nicht.

Und an der Aussage des Pastors scheint etwas dran zu sein.

Es gibt Leute, die hetzen und sind negativ.

Es gibt aber auch Leute, die wollen ein Selfie machen.

Das passiert mir einmal am Tag.

Oder geh mit Alex, der auch mitmacht, spätabends zu ihm.

Dann treffen wir einen, der ausm Netto kam, hat sich Bier geholt.

Der wollte mit uns ein Bier trinken.

Da haben wir dann nachts 'n Bier getrunken mit 'nem Wildfremden.

Auch so was gibt es.

Aber Leute, denen die Sendung nicht gefällt,

sollen den Fernseher ausmachen.

Klare Worte.

Er wirkt auf mich wie jemand, der mit sich im Reinen ist.

Zum Abschied hat mich Frau Birkner in ihre Wohnung eingeladen.

Sie hat mir von ihrem Balkon erzählt,

von dem aus sie einen weiten Blick auf ihren Stadtteil hat.

Die Sendung "Hartz und herzlich" möchte sie nicht mehr gucken.

Ich habe hier in Groß Klein viele Menschen getroffen,

die die Sendung kritisch sehen.

Sie finden, dass ein falsches Bild von ihrem Stadtteil gezeichnet wird.

Über Armut und Klassenunterschiede zu berichten, ist wichtig.

"Hartz und herzlich" will vor allem unterhalten.

Und die Sendung gibt auch Menschen eine Stimme,

die sonst eher wenig gehört werden.

Andererseits zeichnet es auch ein klischeebeladenes Bild von Armut

und von dem Stadtteil Groß Klein.