Die Baustelle und die Liebesschlösser
Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, Herzlich willkommen zur Sendung „Zukker im Leben“ vom 15. Februar2019. Ich habe die letzte Woche auf einer Baustelle gewohnt. Jetzt denken Sie sicher, aber sie ist doch erst gerade umgezogen. Genau, aber leider wurde das Parkett [1] neu gemacht. Wie das war, erzähle ich Ihnenheute. Oh und dann war ja gestern Valentinstag. Ich finde diesen Tag ja jedes Jahr komisch. Was ich dieses Mal ausgeheckt [2] habe, erfahren Sie ebenfalls heute. Viel Vergnügen!
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Als ich vor Weihnachten in die neue Wohnung gezogen bin, habe ich vergessen oder vielleicht eher verdrängt, dass mein Parkett in der Wohnung Ende Januar abgeschliffen [3] und neu versiegelt [4] werden soll. Ende Januar war für mich damals so weit weg, dass ich mir dachte, ich habe Superkräfte, das ist alles ein Kinderspiel [5], schliesslich bin ich gerade in meine Traumwohnung eingezogen. Es war dann schneller Anfang Februar als ich dachte, und mich Herr Jäger anrief: „Grüezi, Frau Zukker. Ich rufe an, wegen dem Parkett. Also am Montagmorgen um 7:00 Uhr komme ich vorbei, dann sollten alle Möbel und Sachen im Wohnzimmer sein.“ „Oh! Ja! Gut, gar kein Problem!“ „Und am Dienstagabend müssen alle Möbel und Sachen ins Schlafzimmer, damit ich im Wohnzimmer arbeiten kann.“ „Jawoll, ja. Gar kein Problem. Super, dann habe ich ja am Dienstagabend einen neuen Boden.“ „Nein, nein. Es muss ja alles trocknen. Am Donnerstagabend können Sie dann wieder alles dort hintun, wo es hingehört.“ „Wunderbar, dann bis am Montagmorgen.“ Nach dem Telefon musste ich sehr kurzfristig [6] wieder Freunde fragen, ob sie mir helfen könnten alle meine Bücher wieder einzupacken und meine Möbel zu verschieben. Ich darf ja immer noch nichts Schweres tragen oder verschieben. Zum Glück hatten zwei Freunde Zeit und am Sonntagabend habe ich dann bereits auf dem Sofa zwischen allen Möbeln geschlafen und mich gefühlt, als lebe ich auf dem Campingplatz. Am Montagmorgen um zehn vor sieben klingelte es an der Türe und Herr Jäger stand mit seinen Maschinen in meiner Wohnung. So früh am morgen hasse ich es, wenn jemand früher kommt, als verabredet. Herr Jäger ist einer dieser Menschen, die am frühen morgen schon vor Energie strotzen [7]. „Guten Morgen! Machen Sie mir einen Kaffee? Das wäre super lieb.“ Ähmklar, ich mache ihm einen Kaffee, während er im Schlafzimmer die Maschine anwirft [8]. Dann ist es wieder still und ich höre ihn lachen und mit jemandem reden. Ich klopfe an die Türe und sehe, dass sein Telefon auf dem Fensterbrett steht und darauf eine Frau am Strand. Herr Jäger bedankt sich für den Kaffee, den ich ihm in der Tasse hinstrecke und sagt dann zur Frau im Telefon: „Schau Schatz, das ist die Frau Zukker. Bei ihr arbeite ich diese Woche.“ Ich fühle mich wie in einer schlechten Soap [9] und als wäre es das normalste in der Welt, winke ich ganz freundlich ins Telefon von Herrn Jäger. Die fremde Frau im Bikini trinkt mit dem Strohhalm [10] aus einer Kokosnuss und dann bricht die Verbindung ab. Ich gehe ins Bad und putze mir die Zähne, dann packe ich meinen Rucksack, verabschiede mich und er sagt: „Frau Zukker, ich bin eben ganz frisch verliebt. Und jetzt ist meine Freundin in den Ferien unter Palmen am Strand und wir telefonieren einfach alle drei Stunden via Whatsapp. Könnte ich vielleicht noch ihr Wlan Passwort haben, dann ist die Verbindung einfach besser.“ Ich bin so perplex [11], wie frech der Mann ist, dass ich ihm mein Passwort aufschreibe. Um 7:15 Uhr stehe ich vor meiner Wohnung auf der Strasse und denke, das kann doch alles nicht wahr sein, das wird mir wieder niemand glauben.
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Der 14. Februar, der Valentinstag, ist der Tag der Liebe. Dann sollen Männer ihren Frauen Rosen nach Hause bringen, Frauen könnten ihre Männer zum Essen ausführen [12] und grundsätzlich sollte man an diesem Tag im Februar sehr romantisch und harmonisch [13] miteinander sein. Naja, das ist ja immer etwas gefährlich, weil an solchen speziellen Tage, wie Weihnachten, Geburtstag oder eben der Valentinstag die Erwartungen hoch sind und dann meistens etwas schief [14] geht. Kennen Sie den Brauch [15] der Liebesschlösser? Das ist offenbar Kult [16]. Diese Liebesschlösser sehen nicht anders aus, als ein normales Vorhängeschloss, mit dem man auch den Keller abschliessen kann. Diese Schlösser sind ein Symbol [17] für die ewige Liebe von verliebten Menschen. Auf den Schlössern sieht man manchmal ein Herz eingraviert [18] oder die Initialen [19] der Verliebtenoder ein Datum für das erste Date oder den Hochzeitstag. In Paris, der Stadt der Liebe, haben sehr viele Liebespaare ein Schloss an eine Brücke gehängt. Jetzt gibt es seit vier Jahren aber Schilder an den Geländern [20], die das den Verliebten verbieten. Auf den Schildernsteht: „Unsere Brücke hält eurer Liebe nicht stand [21]“ oder „Keine Vorhängeschlösser, Paris dankt euch.“ Ja, Sie vermuten schon richtig,liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, man hat Angst, dass die Brücken das Gewicht der vielen Schlösser nicht aushält. Auf der Ponts des Arts wurden schon 45 Tonnen Schlösser wieder entfernt. 45 Tonnen, stellen Sie sich das einmal vor! Soviel Liebe von Menschen aus der ganzen Welt, Wahnsinn! Aber offenbar sind eben schon Teile des Geländers dieser Brücke unter der Last von fast einer Million Schlösser eingebrochen. Paris will natürlich die Hauptstadt der Liebe bleiben, aber die Stadt muss natürlich auch sicher bleiben. Jedenfalls bin ich dann gestern, zusammen mit Anna, losgezogen. Wir haben uns zehn solche Schlösser gekauft und darauf mit einem wasserfesten Stift Sätze geschrieben wie: „Seid ihr euch sicher?“, „Auch andere Mütter haben hübsche Söhne“ oder „Muss es denn immer gleich die grosse Liebe sein?“ und dann haben wir an Brücken in Zürich diese Schlösser aufgehängt. Das klingt nach einer lustigen Aktion, ganz richtig, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, nur leider ging es genau eineStunde und es hielt ein Polizeiauto neben uns. Der Polizist stieg aus und fragte, was wir machen. Anna sagte: „Wir sind im Auftrag [22] der Liebe unterwegs!“ Ich habe mit den Augen geklimpert und lieb geschaut. Der Polizist sagte dann: „Nehmen Sie die Schlösser sofort wieder weg. Das ist Sachbeschädigung [23].“ Wir haben sehr gelacht und ihm alle Schlösser, die wir noch hatten, geschenkt, weil wir dachten, vielleicht ist er ganz einsam und muss arbeiten, während alle seine Kollegen Rosen und feines Essen bekommen.
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Ich freue mich sehr, wenn ich Ihnen am 1. März auf podclub.ch und in der App wieder aus meinem Leben erzählen darf. Dann werde ich Ihnen erzählen, was ich gerade für einen neuen Job habe. Der ist sehr chaotisch, aber auch spannend. Schauen Sie doch in der Zwischenzeit bei Instagram vorbei und üben Sie mit dem Vokabeltrainer in unsererApp. Auf Wiederhören! Glossaire: Zukker im Leben (D) [1] das Parkett: Boden aus Holz
[2] etwas aushecken: sich etwas ausdenken
[3] abschleifen: Schichten abtragen, abfräsen
[4] versiegeln: wasserfest verschliessens
[5] das Kinderspiel: eine Leichtigkeit
[6] kurzfristig: sehr spontan
[7] von etwas strotzen: etwas in grosser Menge haben, Energie zum Beispiel
[8] etwas anwerfen: in Betrieb setzen
[9] die Soap: die Serie
[10] der Strohhalm: ein Röhrchen
[11] perplex sein: nicht verstehen
[12] jemanden ausführen: jemanden einladen
[13] harmonisch: sehr gute positive Stimmung
[14] schief gehen: nicht funktionieren
[15] der Brauch: die Tradition
[16] der Kult: ein Trend
[17] das Symbol: ein Zeichen mit besonderer Bedeutungs
[18] eingraviert: eingeschliffen
[19] die Initialen: die ersten Buchstaben von Vor- oder Nachname
[20] das Geländer: an der Seite von Brücken oder Treppen, um sich gut zu halten
[21] nicht standhalten: etwas nicht aushalten können
[22] der Auftrag: die Aufgabe
[23] die Sachbeschädigung: etwas kaputt machen