Ein Ausflug nach Mailand und der Muskelkater
Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, Herzlich Willkommen zur Sendung „Zukker im Leben“ vom 27. April 2018. Anna und ich sind zusammen nach Mailand gefahren und was uns passiert ist, glauben Sie mir nicht. Ich erzähle es Ihnen heute. Sind Sie schon einmal Modell in einem Malkurs gesessen [1]? Ich habe das zum ersten Mal gemacht und es war sehr aufregend. Wie das war, erfahren Sie ebenfalls heute. Viel Vergnügen!
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Anna und ich haben beschlossen [2], über das Wochenende wegzufahren. Mailand hat Anna vorgeschlagenund ich bin immer für den Süden zu haben [3]. Sie ist sehr begabt [4], im Internet Sparangebote zu finden. Egal ob für den Zug oder für ein Hotel, Anna hat wirklich ein Händchen [5] dafür. Sie hat ein Doppelzimmer reserviert und gesagt, dass die Bewertungen auf TripAdvisor ausgezeichnet seien. Anna und ich sind nicht die einzigen, die auf die Idee gekommen sind, übers Wochenende in den Süden zu fahren. In unserem Wagen sitzt eine Gruppe von älteren Menschen, die sich lautstark [6] unterhalten und Weisswein trinken. Anna sagt zu mir: „Wenn wir schon nicht ausweichen[7] können, fragen wir die jetzt einfach aus [8] und holen uns gute Tipps für Mailand.“ Sie kommt sofort mit zwei älteren Frauen ins Gespräch, die ihr am Schluss einen Zettel geben, auf dem sie alles aufgeschrieben haben, was wir uns anschauen müssen. Ich lache und sage zu Anna:„Diese Tipps reichen für zwei Wochen!“ Als wir ankommen, setzen wir uns in eine Bar und trinken ein Glas Champagner. Das machen wir sonst nie, aber jetzt lassen wir es uns gut gehen [9]. Anna fragt mich: „Willst Du vor dem Essen ins Hotel? Wir haben nicht viel Gepäck. Von mir aus können wir uns auch hier in der Bar frisch machen [10] und nach dem Essen ins Hotel.“ So machen wir das, sage ich und während wir durch die Strassen von Mailand laufen, kommen bei mir Feriengefühle hoch. Kennen Sie das, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer? Wenn man gar nicht sehr weit und lange wegfährt, aber alleine durch den Tapetenwechsel[11] schon das Gefühl bekommt, den Alltag hinter sich zu lassen? Wir essen in einem ausgezeichneten [12] Restaurant. Anna nimmt den Fisch und ich das Fleisch und dazu trinken wir schweren Rotwein. Wir werden müde und haben morgen viel vor in der Stadt, auch wenn es nur ein Bruchteil [13] von dem ist, was uns die zwei Damen im Zug aufgeschrieben haben. Ein Mix von Museum und Shopping. Als wir vor dem Haus stehen mit der Hausnummer des Hotels, bin ich irritiert, es ist ein normales Wohnhaus. Anna ruft die Nummer auf der Buchungsbestätigung an und spricht Englisch, weil sie kein Italienisch kann. Sie fragt drei Mal nach: „Are you sure? Really? OMG!“ Dann setztsie sich auf die Strasse vor dem Haus und zündet sich eine Zigarette an. Ich setze mich neben sie. Wenn Anna so still ist, schämt sie sich meistens. Was los sei, frage ich. Anna sagt: „Nora, ich wurde über den Tisch gezogen [14]. Dieses Hotel gibt es seit drei Jahren nicht mehr. Aber offenbar macht noch jemand Geld damit und ich dummes Huhn bin darauf reingefallen [15].“ Wir streiten kurz, lachen dann und übernachten in einem Billighotel beim Bahnhof.
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Als ich Brigit erzählt habe, dass ich heute Abend Modell sitze in einem Malkurs, wurde sie knallrot und sagte zu mir:„Nora, ich hoffe du bekommst sehr viel Geld dafür. Ich würde mich nicht für weniger als 1000.- in der Stunde vor fremden Menschen ausziehen!“ Ich lache und erkläre Brigit, dass ich nicht als Aktmodell [16] angefragt wurde. Brigitist erleichtert und wünscht mir viel Spass. Alicia, die den spanischen Podcast macht, trifft sich jeden Freitag mit Freunden zum Malen und hat mich gefragt. Es ist eine sehr gemütliche Runde von Menschen und ich fühle mich sofort sehr wohl. Wichtig ist, dass ich mich so hinsetze, dass ich auch eine Stunde so sitzen bleiben kann. Ich habe mir nicht viel überlegt und setze mich sehr gerade hin, überschlage [17] die Beine und falte die Hände. Nach fünfzehn Minuten merke ich, dass mir Muskeln weh tun, von denen ich nicht wusste, dass ich sie habe. Nach einer Pause setze ich mich lockerer hin und fixiere [18] mit den Augen einen Punkt an der Wand vor mir. Aber auch da habe ich nicht überlegt, dass mir sehr schnell der Nacken weh tun wird, so wie ich den Kopf nach oben halte. Irgendwann schläft mir der eine Fuss ein, den ich aber nicht bewegen sollte, falls jemand meine Füsse malen will. Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, wenn sie einmal die Gelegenheit haben, Modell zu sitzen, machen Sie es unbedingt! Es ist eine spezielle Erfahrung, wie man so angeschaut wird. Es ist ja grundsätzlich schon speziell, wenn man von einer Gruppe angeschaut wird, aber es ist eben nicht ein Anschauen, sondern eher prüfende [19] Blicke auf einzelne Körperteile. Es wird sehr genau hingeschaut, damit es auch exakt [20] gezeichnet werden kann. Und ich sage Ihnen, als ich die Bilder danach gesehen habe, war ich tief berührt. Das ist eine sehr schöne und auch emotionale Erfahrung, wenn man auf einem Bild sieht, was ein anderer Mensch in einem sieht. Ich werde jetzt aber erst einmal meinen Muskelaufbau trainieren, bevor ich wieder Modell sitze.
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Ich freue mich sehr, wenn ich Ihnen ausnahmsweise wegen Auffahrt am Montag 14. Mai auf podclub.ch und in der App wieder aus meinem Leben erzählen darf. Ich habe mit meiner Schulklasse einen Tagesausflug gemacht. Das war mir was! Wie es war, erzähle ich Ihnen das nächste Mal sehr gerne. Wenn Sie Ideen haben, worüber ich Ihnen erzählen könnte, schreiben Sie einen Kommentar und schauen Sie doch in der Zwischenzeit bei Instagram unter #PodClubNora und #zukkerimleben vorbei und üben Sie mit dem Vokabeltrainer in unserer App. Auf Wiederhören! Glossaire: Zukker im Leben (D) [1] Modell sitzen: sich von jdm malen oder fotografieren lassen
[2] etwas beschliessen: etwas entscheiden
[3] für etwas zu haben sein: bei einer Sache dabei sein
[4] begabt sein: talentiert sein
[5] ein Händchen für etwas haben: geschickt sein
[6] lautstark: sehr laut
[7] ausweichen: zur Seite gehen
[8] ausfragen: mit Fragen löchern
[9] es sich gut gehen lassen: sich etwas gönnen
[10] sich frisch machen: sich waschen
[11] der Tapetenwechsel: das Gewohnte verlassen
[12] ausgezeichnet: hervorragend
[13] der Bruchteil: ein kleiner Teil von etwas
[14] über den Tisch gezogen werden: hintergangen werden
[15] auf etwas reinfallen: getäuscht werden
[16] das Aktmodell: wenn man nackt abgezeichnet wird
[17] überschlagen: überkreuzen
[18] fixieren: nicht von der Stelle weichen
[19] prüfend: streng
[20] exakt: sehr genau