Hannover wird geschlechtsneutral
Hannover wird geschlechtslos – pardon, geschlechtsneutral.
Während die Stadtverwaltung der niedersächsischen Landeshauptstadt seit Monaten in der sogenannten
Rathaus-Affäre steckt, einem Filz aus Postengeschacher und dubiosen Gehaltszahlungen, macht sich
SPD-Oberbürgermeister Stefan Schostock derzeit vor allem Sorgen um die gendergerechte Sprache
im Rathaus und auf den Ämtern.
Die Stadt hat jetzt einen Flyer zur verbindlich geschlechtergerechten Verwaltungssprache herausgegeben.
Überall dort, wo es möglich ist, sollen geschlechtsumfassende Formulierungen verwendet
werden.
So wird aus dem Antragsteller jetzt die antragstellende Person, aus der Teilnehmerliste die Teilnahmeliste.
Es wird der Lehrer gegen den Lehrenden ausgetauscht und der Wähler gegen den Wählenden.
Wo nicht möglich, etwa bei Ingenieur oder Ingenieurin, soll künftig das Gendersternchen
aushelfen, also der/die Ingenieur*in.
Im Sprachgebrauch soll beim geschriebenen Sternchen dann immer eine Atempause eingelegt
werden, so die offizielle Gebrauchsanleitung.
Das ist vielleicht sogar die beste Empfehlung der gesamten Broschüre: einfach mal tief
durchatmen.
Dabei ist die Sorge des Oberbürgermeister um Gender-Minderheiten – immerhin waren in Hannover
von insgesamt 8600 Neugeborenen im letzten Jahr ganze 3 unbestimmten Geschlechts
- eher ohne ausreichende Grundlage.
Die Frage stellt sich allerdings, ob Schostock beim Versuch, die Sprache zu neutralisieren,
nicht vielleicht auch gleich die Stimmung der Hannoveraner*innen mit neutralisieren
will.
Gegen Schostock, seinen Büroleiter und den Kulturdezernenten der Stadt laufen nach Hausdurchsuchungen
der Staatsanwaltschaft im letzten Sommer Verfahren wegen des Verdachts der Untreue.
Auch verstehen viele Hannoveraner*innen nicht, dass die Stadtverwaltung offensichtlich genug
Zeit hat, unter Einbeziehung des Personalrats, des Referats für Frauen und Gleichstellung,
der Beauftragten für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt sowie des Bereichs Kommunikation,
die deutsche Rechtsschreibung zu revolutionieren, aber bis heute keinen Beauftragten für Digitalisierung
hat.
Allerdings hat Schostock eine wichtige Frage vollkommen vergessen: wie bezeichnet man einen
Oberbürgermeister geschlechtsneutral?
Oberbürger*innenmeister*innen?
oder Oberbürgermeister*ix?
Oder einfach nur Populist?
Mir fallen noch ganz andere Worte ein.