Deutschland von oben 1945 - 5 Städte | Terra X
Frankfurt am Main, kurz nach Kriegsende.
Düren, in Nordrhein-Westfalen. Nürnberg. Oder der alten Hansestadt Bremen.
Luftaufnahmen der US-Air Force dokumentieren die Zerstörungen.
Deutschland von oben 1945. Wir zeigen Fünf Städte. Wie sah es damals aus? Berlin – die Hauptstadt.
Von hier aus hatte Hitler den Vernichtungskrieg entfesselt, der am Ende auf das eigene Land zurückschlug.
Deutschlandweit haben im Bombenkrieg mindestens eine halbe Million Menschen ihr Leben verloren.
Jede vierte Wohnung ist zerstört, insgesamt 4,8 Millionen. 13 Millionen sind obdachlos geworden.
Wie überall in Deutschland sind auch hier Menschen auf der Suche nach einem Zuhause, das es nicht mehr gibt.
Mehr als eine Milliarde Tonnen Schutt und Gestein hinterlässt der Krieg in Deutschland.
Aufeinandergetürmt ist das ein Berg so hoch wie der Mont Blanc.
Wer soll diese Menge je bewältigen? Und wie lange wird der Wiederaufbau dauern?
Manche Experten schätzen: 50 bis 70 Jahre. Die meisten denken nicht so weit voraus.
Was zählt ist der nächste Tag und ein Dach über dem Kopf.
Jeder hat natürlich erst mal geschaut, ob es nochmal in der alten Wohnung irgendwelche Möglichkeiten gibt, auch wenn die zerstört war.
Das konnte auch in höheren Lagen sein. Im zweiten, dritten Stock, wo die gesamte Fassade weggebrochen war.
Hauptsache, man hatte noch ein intaktes Zimmer.
Berlin Mitte sieht aus wie eine Geisterstadt.
Angesicht dieser Ruinen verliert so mancher jede Zuversicht.
Andere haben dieses Sehen durch die Städte auch als ein großes Erlebnis empfunden.
Mein Stiefvater, der Bildhauer war, der sagte, er hat daraus unendlich viel Inspiration gezogen,
weil man plötzlich... alles wurde, durchsichtig, alles wurde transparent.
In vielen Stadtteilen Berlins sieht man jetzt die sogenannten Trümmerfrauen.
Tatsächlich ist Trümmerräumung in Berlin zunächst Frauensache. Denn Männer fehlen, sind tot, vermisst oder in Gefangenschaft.
Später beseitigen Maschinen und professionelle Baufirmen den Großteil der Schuttberge. Doch ein Anfang ist gemacht.
Es gab ganz viele, für die vor allem das Ende des Bombenkrieges zentral waren, die gesagt haben:
Keine Bomben mehr, das hab ich aus ganz, ganz vielen Zeitzeugenberichten.
Und wo sich dann sogar eine Art Lustigkeit entwickelte, eine Neuanfangsstimmung, wir brechen jetzt auf. Es geht jetzt wieder neu los.
Die Überlebenden dieses Krieges wollen vor allem eins: leben!
Der Mythos der sogenannten „Stunde Null“ - er wird in diesen Tagen geboren. Und bedeutet:
die Vergangenheit hinter sich lassen, nach vorne schauen.
Zwischen Aachen und Köln liegt diese Stadt: Düren.
Im Sommer 1945, als diese Aufnahmen entstehen, wirkt die Stadt, in der einst 46000 Menschen lebten, wie zu Staub zermahlen.
Unvorstellbar! Es war eine Mondlandschaft, die amerikanischen Korrespondenten haben von einer Area of complete destruction gesprochen.
Die Stadt war ausgelöscht.
Es war die am meisten zerstörte Stadt in ganz Europa.
Im November 1944 fliegen britische Bomber verheerende Angriffe auf Dürens Zentrum.
Die Stadt wird evakuiert.
Als im Februar 1945 amerikanische Truppen Düren erreichen, leben nur noch vier Deutsche und 25 Zwangsarbeiter in der Trümmerwüste.
Was soll aus Düren werden?
99 Prozent der Innenstadt sind zerstört. Nur 13 Häuser haben den Bombenkrieg mit geringen Schäden überstanden.
Auch die amerikanischen Besatzer sehen angesichts der Verwüstungen kaum Chancen für einen Wiederaufbau.
Ein amerikanischer Hauptmann hat als erste Reaktion auf den Anblick der Stadt gesagt,
das hat keinen Zweck mehr, die Dürener gehen hin und bauen am besten ihre Stadt zwei, drei Kilometer nördlich von hier auf.
Doch schon bald kehren viele Dürener zurück in ihre zerstörte Heimat.
Im Zentrum steht eine Kirche, geweiht der Heiligen Anna.
Sie ist seit jeher das Herz der Stadt.
Auf ihren Trümmern feiern die Dürener singend und betend Fronleichnam. Als Zeichen der Hoffnung.
Doch was bringt die Menschen zurück in diese Ruinen?
Heimatverbundenheit und der unbändige Wille, Düren wieder auferstehen zu lassen. Anders ist es nicht zu erklären.
Es ist gewissermaßen eine Abstimmung mit den Händen gewesen. Indem man nämlich dort,
wo der alte Grund und Boden gewesen war, anfing, die Trümmer zu beseitigen.
Man hat einfach versucht, jeden Tag zu leben und zu überleben. Aber man wollte es eben in der alten Heimat, in der alten Stadt.
Ende 45 leben wieder 30 000 Menschen in Düren. In den Trümmern sehen sich viele als Opfer.
Auch in Nürnberg, einst Stadt der Nazi-Reichsparteitage und Rassengesetze.
Kaputt! Einfach alles kaputt! Und Schutt und Schrott, man durfte auch nicht an den größeren Häusern oder Kirchen vorbeigehen,
weil immer Angst war, da bricht noch was runter.
Man musste also immer auf vorgegebenen Pfaden laufen, damit man nicht noch von irgendwas erschlagen wird.
Ein schwerer Luftangriff im Januar 1945 hat die Altstadt von Nürnberg in Schutt und Asche gelegt.
Nach dem Kriegsende fallen keine Bomben mehr, doch das Leben bleibt schwierig.
Die Nahrungsmittellage verschlechtert sich sogar. Und vor den Wasserstellen bilden sich lange Schlangen.
Man hat eigentlich gar nicht mehr das Gefühl gehabt, dass das noch lebendige Gesellschaft sein kann.
Jeder hat nur noch zur Not noch gelebt, irgendwie alles Not, Not. Notunterkunft, Notstand, Not, Not.
Die vielen Rüstungsbetriebe machen Nürnberg zu einem wichtigen Angriffsziel für die alliierten Bomberverbände.
Doch die „Stadt der Reichsparteitage“ hat für Hitlers Gegner auch symbolische Bedeutung.
Am 20. April 1945 wird Nürnberg von den Amerikanern eingenommen.
Manche Nürnberger empfinden die Nachkriegszeit zunächst nicht als Befreiung.
Es ist eine gesetzlose Zeit. Vielerorts gilt das Recht des Stärkeren.
Geklaut und zum Teil geraubt. Denn wenn wir Kinder anstanden, und die Amerikaner so ein bißchen verteilt, chocolate, chocolate, gum, dann standen...,
die haben ja nur bis zu zehn Jahre alte Kinder genommen, und die großen Kinder, die standen hinten um die Ecke und haben gewartet,
bis die Kleinen vorbeikam und haben ihnen manchmal die Hälfte abgenommen, auch die Erwachsenen, wo irgendwo was war, wurde geklaut.
Auch in der Domstadt Köln ist im Zentrum so gut wie kein Haus mehr bewohnbar.
Dennoch liegt Köln, gemessen am Anteil des zerstörten Wohnraums, „nur“ auf Platz 12 der deutschen Städte, mit rund 70 Prozent Zerstörung.
Nach dem Ende der Kampfhandlungen drehen Kameraleute des „Special Film Projects“ der US Air Force zum ersten Mal auch am Boden.
Von einst 770 000 Einwohnern leben in Köln bei Kriegsende nur noch rund 40 000 in der Stadt.
Diese Aufnahmen entstehen am Kölner Rudolfplatz. US-Offiziere nehmen mit der deutschen Zivilbevölkerung Kontakt auf.
Viele sagen: „Wir haben nichts Unrechtes getan“. Nationalsozialist will keiner gewesen sein.
Wie soll es weitergehen mit diesen Deutschen? Nicht nur ihre Städte liegen am Boden, auch die Wirtschaft. Wie sollen all die Menschen künftig versorgt werden?
Als dann die Bomben nicht mehr fielen, gab es große Erleichterung.
Aber es blieb natürlich diese schwierige Situation und vor allem die Nahrungssituation verstärkte sich,
verschlimmerte sich noch nach dem Krieg, weil jetzt nicht mehr irgendwelche Lieferungen aus irgendwelchen besetzten Gebieten oder aus irgendwelchen anderen Kontingenten kamen,
sondern die Deutschen wirklich zurückgeworfen wurden auf das, was es gab vor Ort und teilweise mit tausend Kalorien am Tag auskommen mussten.
Es vergehen zweieinhalb Jahre, bis sich Ende 1947 die Lage zu verbessern beginnt, viele Firmen wieder produzieren und die Menschen wieder Mut schöpfen.
Anflug auf Frankfurt am Main, Sommer `45
Wie in vielen anderen deutschen Städten hat der Bombenkrieg auch hier schwere Schäden hinterlassen.
Goethes Geburtsstadt, Stadt der Kaiserkrönungen – ein Meer aus Trümmern.
Frankfurt war im Herz getroffen, weil die große historische Altstadt restlos untergegangen ist.
Was den Grad der Zerstörung angeht, lag Frankfurt im Mittelfeld der deutschen Großstädte.
Das heißt, Städte wie Köln und Kassel waren noch stärker zerstört. Hingegen war Leipzig und München, die waren nicht ganz so hart getroffen.
Während in anderen Städten bereits fleißig Trümmer geräumt werden, geschieht in Frankfurt erstmal nichts.
Tatsächlich ist in Frankfurt, und das ist etwas Außergewöhnliches, der erste Schritt die Planung, also ein Konzept zu entwickeln und nicht sofort loszulegen.
Statt bei der Trümmerräumung auf Handarbeit zu setzen, gehen die Frankfurter andere Wege. Nicht allen gefällt das.
Man hielt in Frankfurt die Idee, Leute in die Ruinen zu schicken zum Räumen einerseits für ineffizient, zum anderen auch für gefährlich.
Tatsächlich gab es dann nach einer Weile Druck aus der Gesellschaft, dass es hieß, in Frankfurt geht's ja nicht voran,
in anderen Städten sieht man, da passiert was, da stehen die Leute in den Trümmern und machen was.
Deshalb wurde dann der freiwillige Bürgereinsatz zur Enttrümmerung Frankfurts durch Walter Kolb, den Oberbürgermeister, initiiert.
Er selbst hat zusammen mit dem Magistrat und den Stadtverordneten auch den ersten Einsatz übernommen.
Dem folgten dann Belegschaften von Betrieben und aus Ämtern.
Aber tatsächlich ist es so, dass nur wenige tausend Kubikmeter Trümmer auf dem Weg geräumt worden sind.
Es hat sich tatsächlich gezeigt, auf dem Weg kommt man nicht wirklich voran.
Riesige Bagger und schweres Gerät übernehmen die Aufräumarbeiten.
14 Millionen Tonnen Trümmer liegen in Frankfurt. Bei ihrer Verwendung lässt sich die Stadt etwas einfallen.
In den meisten Großstädten wurde der Feinschutt nicht verwertet. Das heißt, er wurde einfach auf Deponien geschüttet.
In Frankfurt war das Ziel, eine möglichst hundertprozentige Recyclingquote zu erreichen.
Aus dem Feinschutt wird in einer großindustriellen Anlage ein wertvoller Rohstoff gewonnen – der Sinterbims. Aus ihm entstehen neue Baustoffe.
Direkt vor Ort, ohne Transportwege, große Mengen von Baumaterial zur Verfügung zu haben,
war für den Wiederaufbau Frankfurts ein großer Vorteil, den andere Städte so nicht hatten.
Aus der zerstörten Stadt entsteht buchstäblich das neue Frankfurt.
Es ist der erste Grundstein für den späteren Wohlstand der Wirtschaftsmetropole am Main. Aus Trümmern zu Rekorden.
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