Was passiert, wenn man einen Elefanten von einem Wolkenkratzer wirft?
Fangen wir damit an, dass wir eine Maus, einen Hund und einen Elefanten von einem Wolkenkratzer auf einen Stapel Matratzen werfen. Die Maus knallt auf den Boden, ist kurz etwas benommen, schüttelt sich und geht weiter. Vielleicht ist sie etwas genervt, aber das ist schon alles. Der Hund bricht sich alle Knochen und stirbt auf relativ unspektakuläre Weise. Der Elefant explodiert in einem Schwall aus Blut, Knochen und Gedärmen. Ihm bleibt gar keine Zeit genervt zu sein. Warum überlebt die Maus, während der Elefant und der Hund sterben? Der Grund dafür ist die Größe. Ihr Einfluss auf das Leben wird oft unterschätzt, aber sie ist verantwortlich für unsere Physiologie, unseren Körperbau, unsere Wahrnehmung der Welt und dafür, wie wir leben und sterben. Das liegt daran, dass sich die physikalischen Gesetze für unterschiedliche Größen stark unterscheiden. Leben gibt es in vielen Größenordnungen, von unsichtbaren Bakterien über Ameisen, Mäuse, Hunde, Menschen, Elefanten und Blauwale. Jede dieser Größenordnungen ist eine Welt für sich. Mit eigenen Regeln, Vorteilen und Nachteilen. Wir werden diese verschiedenen Welten in mehreren Videos vorstellen. Nun aber zurück zu unserer Frage: Warum hat die Maus überlebt? Weil die Größe alles verändert. Dieser Grundsatz wird uns im Laufe dieses Videos noch oft begegnen. Zum Beispiel sind sehr kleine Lebewesen quasi immun gegen Stürze aus großer Höhe. Denn je kleiner du bist, desto weniger musst du die Schwerkraft fürchten. Stell dir ein kugelförmiges Tier vor, das so groß ist wie eine Murmel. Es hat drei Eigenschaften: Seine Länge, seine Oberfläche, die von Haut bedeckt ist und sein Volumen, also sein Inneres, Organe, Muskeln, Hoffnungen und Träume. Vergrößern wir unser Tier um das Zehnfache, auf die Dimensionen eines Basketballs, dann wächst der Rest nicht auch um das Zehnfache. Nein, seine Haut wächst um das Hundertfache und sein Volumen sogar um das Tausenfache. Das Volumen ist auch für das Gewicht, oder besser für die Masse unseres Tieres entscheidend. Je größer seine Masse, desto höher seine kinetische Energie bevor es auf dem Boden aufkommt und desto gewaltiger auch der Aufprall. Je mehr Oberfläche es im Verhältnis zu seinem Volumen hat, desto besser wird der Aufprall verteilt und abgeschwächt. Außerdem verringert der Luft- widerstand die Fallgeschwindigkeit. Beim Elefanten haben wir nur sehr wenig Oberfläche im Verhältnis zum Volumen. Es trifft also sehr viel kinetische Energie auf eine sehr kleine Oberfläche. Außerdem gibt es kaum Luft- widerstand um den Fall zu bremsen. Deshalb platzt sein Körper beim Aufprall wie eine reife Tomate und verspritzt Blut und Gedärme. Das andere Extrem sind Insekten. Sie haben eine sehr große Oberfläche im Verhältnis zu ihrer sehr geringen Masse. Man könnte deshalb eine Ameise aus dem Flugzeug werfen ohne sie ernsthaft zu verletzen. Stürze sind zwar in der Welt der kleinen Lebewesen irrelevant, dafür gibt es Kräfte, die für uns harmlos, dort aber extrem gefährlich sind. Wie Oberflächenspannung zum Beispiel. Sie macht Wasser zur potenziell tödlichen Gefahr für Insekten. Wie kommt das? Wasser haftet an sich selbst. Seine Moleküle ziehen aneinander an, das nennt man Kohäsion. Hierdurch entsteht eine Spannung an der Wasseroberfläche, die sich ähnlich verhält wie eine unsichtbare Haut. Für uns Menschen ist dieser Effekt so schwach, dass wir ihn kaum bemerken. Wenn wir nass werden, dann haften ca. 800 Gramm Wasser oder 1% unseres Körpergewichts an uns. Bei einer Maus sind es 3 Gramm, ca. 10% ihres Körpergewichts. Das ist so, als würden an dir 8 volle Wasserflaschen hängen, wenn du aus der Dusche steigst. Und für ein Insekt ist die Oberflächenspannung des Wassers so stark, dass es lebensbedrohlich wird. Hättest du die Größe einer Ameise und würdest einen Wassertropfen berühren, dann wäre das für dich, als würdest du in Kleber fassen. Du hättest keine Chance der Oberflächenspannung zu entkommen. Sie würde dich umschließen und ertränken. Insekten mussten also wasserabweisend werden. Zum einen ist ihr Außenskelett von einer dünnen Wachsschicht bedeckt, wie bei einem Auto. Das hilft schonmal. Denn Wasser kann nicht besonders gut daran haften. Viele Insekten sind außerdem von winzigen Haaren bedeckt. Dadurch wird ihre Oberfläche stark vergrößert und Wassertropfen können vom Außenskelett ferngehalten werden. Außerdem werden sie die Tropfen so leichter wieder los. Sie machen sich die Oberflächenspannung sogar zu Nutze und setzen dafür Nanotechnologie ein. Einige Insekten haben ein extrem dichtes und wasserabweisendes Fell entwickelt. Manche haben sogar mehr als eine Mio Haare pro mm². Wenn diese Insekten unter Wasser tauchen, bleibt Luft in ihrem Fell zurück und bildet eine Barriere. Die Haare sind so fein, dass die Oberflächenspannung des Wassers nicht zerstört wird. Aber damit nicht genug. Wenn der Sauerstoff in der Luftblase weniger wird, diffundiert frischer Sauerstoff aus dem Wasser in die Blase. Gleichzeitig diffundiert CO2 aus der Blase ins Wasser. Das Insekt hat sozusagen dank der Oberflächenspannung immer eine Sauerstoffflasche dabei, die sich selbst wieder auffüllt. Das gleiche Prinzip machen sich übrigens auch Wasserläufer zu Nutze: Winzige Anti-Wasser-Härchen. Mit abnehmender Größer wird alles noch ein bisschen kurioser. Ab einem bestimmten Punkt wird sogar Luft massiver. Zoomen wir mal weiter rein bis zum kleinsten bekannten Insekt, nur halb so groß wie ein Salzkorn und nur 0,15 mm lang: die Zwergwespe. Ihre Welt ist noch eine Stufe bizarrer, als die der anderen Insekten. Für sie ist die Luft fast gallert oder sirupartig. Sich fortzubewegen ist für sie nicht leicht und fliegen ist hier nicht mit elegantem Segeln vergleichbar. Vielmehr greift sie in die Luft und hält sich an ihr fest. Ihre Flügel sehen auch eher wie große, haarige Arme aus und weniger wie Insektenflügel. Sie schwimmt regelrecht durch die Luft wie ein winziger, widerlicher Alien. Von hier an wird es nur noch gruseliger. Uns erwarten noch ein paar sehr faszinierende Welten. Die physikalischen Gegebenheiten auf jedem Größenlevel sind so unterschiedlich, dass sich die Evolution immer wieder neue Lösungen ausdenken musste. Warum gibt es keine Ameisen, die so groß sind wie Pferde? Warum keine Elefanten in Amöbengröße? Das besprechen wir im nächsten Teil.