tagesschau 16.08.2021, 12:00 Uhr - Taliban übernehmen die Macht in Afghanistan schneller als erwartet, Ortshelfer
Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit der tagesschau.
Herzlich willkommen zur Live- Untertitelung des NDR (16.08.2021)
Heute im Studio: Susanne Stichler
Guten Tag, willkommen zur tagesschau.
Regierungen in aller Welt
sind überrascht und offenbar unvorbereitet:
Viel schneller als erwartet haben die Taliban die Macht übernommen.
Nach einem Siegeszug durch die Provinzen
kontrollieren sie nun auch die Hauptstadt Kabul.
Der Präsident ist geflohen, die Armee hat kapituliert.
Westliche Staaten versuchen, ihre Bürger und Mitarbeiter
mit Last-Minute-Flügen in Sicherheit zu bringen.
Die Bundeswehr hat Transportmaschinen und Fallschirmjäger geschickt.
Chaotische Szenen am Flughafen von Kabul.
Hunderte versuchen, Afghanistans Hauptstadt zu verlassen.
Laut Augenzeugen starben mindestens fünf Menschen.
Eine Bestätigung gibt es nicht.
Das US-Militär soll in die Luft geschossen haben.
Die Amerikaner sichern Teile des Flughafens.
Der zivile Luftverkehr ist eingestellt.
Gestern Abend hatten die Taliban den Präsidentenpalast gestürmt.
Der gewählte Präsident Ghani war aus dem Land geflohen.
Seinen Platz nehmen die radikalen Islamisten ein.
Die Taliban-Führung rief den Sieg aus.
Der Krieg sei vorbei.
Sie scheinen selbst überrascht von so wenig Gegenwehr.
Wir gratulieren der afghanischen Nation,
insbesondere der Bevölkerung von Kabul und den Mudschaheddin.
Die Art und Weise, wie wir uns durchgesetzt haben,
haben wir nie erwartet.
Mit Hilfe Allahs haben wir den Sieg errungen.
Es gibt nichts Vergleichbares in der Geschichte.
Das Diplomatenviertel von Kabul ist verwaist.
Es soll Plünderungen gegeben haben.
Viele Staaten fliegen Botschaftspersonal
und lokale Mitarbeiter aus, auch Deutschland.
Die Situation ist sehr unübersichtlich.
Die Sicherheit auf den Zufahrtswegen zum Flughafen
und die Situation auf dem Rollfeld.
Sie haben die Meldungen dazu gesehen.
Mein letzter Stand ist,
dass dort derzeit keine Flüge stattfinden können.
Weil sich verzweifelte Menschen auf dem Rollfeld befinden.
Die Angst hält an.
Die Menschen fürchten Gewalt der Islamisten,
wie sie aus einzelnen Landesteilen berichtet wurden.
Oliver Mayer beobachtet die Lage aus dem ARD Studio in Neu-Dehli.
Was hören Sie derzeit aus Kabul,
gerade auch vom Flughafen, wo viele auf ihre Ausreise hoffen?
Die Lage spitzt sich von Stunde zu Stunde zu.
Wir haben es im Beitrag gehört.
Die Menschen stürmen auf das Rollfeld.
Sie wollen irgendwie aus dem Land kommen.
Wir haben eine Militärmaschine gesehen.
Die Menschen versuchen, auf diese Maschine zu steigen.
Die Maschine startet und die Menschen fallen herunter.
Die Situation ist dramatisch.
Die Bilder sind grausam. Es ist einfach nur schlimm.
Die Taliban versprechen Amnestie, versuchen "harmlos" aufzutreten.
Wie ist das einzuschätzen?
Das geht gegen alles, was wir recherchiert haben.
Die Menschen, mit denen wir gesprochen haben,
sagen etwas anderes, besonders die Frauen:
Wenn Taliban an die Macht kommen, dürfen wir nicht alleine raus.
Wir dürfen nicht mehr arbeiten, haben kein Recht mehr auf Bildung.
Besonders die Frauen wird es hart treffen.
Danke, Oliver Meyer.
Mit ihrer Arbeit zum Beispiel als Übersetzer
haben Ortskräfte deutschen Soldaten, Beamten und Organisationen geholfen.
Und riskiert, zur Zielscheibe der Taliban zu werden.
Welche Möglichkeit gibt es noch, ihnen zu helfen?
Darauf antwortet der Vorsitzende
des deutschen Patenschaftsnetzwerks für Ortskräfte nur: "Keine Ahnung."
Marcus Grotian ist verbittert angesichts der dramatischen Lage.
Man hoffe nur noch, dass den Betroffenen nichts passiere.
Es ist grausam und furchtbar. Die Nachrichten überschlagen sich.
Alle bitten und flehen um Hilfe und Rettung -
die wir jetzt wohl nicht mehr in Aussicht stellen können.
Wir werden sehen, was noch machbar ist.
Bei über 7000 Ortskräften und Familienangehörigen
werden die geplanten Flüge wohl zu spät kommen und zu wenig sein.
Damit zu Martin Schmidt in Berlin.
Wir haben das Patenschaftsnetzwerk gehört.
Man ist sehr besorgt.
Wie laufen die Anstrengungen, deutsche Bürger,
aber auch Ortskräfte in Sicherheit zu bringen?
Die ersten 40 Botschaftsmitarbeiter sind ausgeflogen worden.
Mit einer amerikanischen Maschine.
Jetzt sind zwei deutsche Flugzeuge unterwegs.
Weitere Mitarbeiter und auch Ortskräfte
sollen nach Usbekistan gebracht werden.
Man spricht von rund 2000.
Wenn man die Schilderungen aus Kabel hört,
ist unklar, ob das noch gelingt.
Es gibt massive Kritik an der Bundesregierung.
Was wird der Regierung vorgeworfen?
Die Opposition ist sich einig,
was das Nichtagieren der Regierung angeht.
Der AfD-Vorsitzende Gauland sagt,
die Evakuierung sei verschlafen worden.
Die FDP sagt, die Regierung habe versagt.
Die Grünen fragen,
warum man vom Vorstoß der Taliban so überrascht worden ist.
Auch viele Regierungsmitglieder fragen sich,
wie die Geheimdienste das so falsch einschätzen konnten.
Auch der amerikanischen Geheimdienst.
Von denen hieß es vergangene Woche noch,
die Taliban bräuchten wahrscheinlich noch 30 Tage, um Kabul einzunehmen.
An dieser Fehleinschätzung lässt sich wohl festmachen,
warum es bislang so wenig Bewegung gab.
Die Frage, wie man mit den Ortskräften umgeht,
beschäftigt uns in Berlin schon seit Monaten.
Fragen von Journalisten und Verbänden
gehen da immer wieder in Richtung der Regierung.
Es war nicht genug Bewegung.
Das zeigt auch ein Lagebericht aus der Botschaft in Kabul.
Der stellvertretende Botschafter beklagt,
dass man auf dringende Appelle erst diese Woche reagiert habe.
Es wird einiges aufzuarbeiten sein.
Danke, Martin Schmidt nach Berlin.
Die Maskenpflicht gilt weiter für alle.
Sonst aber können Geimpfte und Genesene in Baden-Württemberg
seit heute deutlich mehr Freiheiten genießen.
Das Land zieht als bundesweit erstes nicht mehr die Inzidenz
als maßgeblichen Faktor für Beschränkungen heran.
Kontaktbeschränkungen und Regelungen für Privatveranstaltungen und -feiern
werden aufgehoben.
Zudem können Veranstalter die Kapazität ihrer Räume nutzen,
wenn die Besucherzahl unter 5000 bleibt.
Ein lauer Sommerabend im Theaterhaus Stuttgart.
Die Musik trägt die Gäste in eine neue Phase der Pandemie-Politik.
In Baden-Württemberg spielt ab heute die Inzidenz keine große Rolle mehr.
Nur "die drei G".
Wenn die eingehalten werden, finde ich das sinnvoll.
Viele sind geimpft, und das ist Vieles nicht mehr so gefährlich,
drinnen wie draußen.
Bedingung für den Einlass:
Wer nicht geimpft ist oder genesen,
muss einen negativen Schnelltest vorzeigen.
Dem grünen Gesundheitsminister von Baden-Württemberg geht es um eines.
Wer geimpft ist, hat ein unkompliziertes Leben.
Das ist die Botschaft hinter der Botschaft.
Lassen Sie sich impfen und alle Fragen um Tests sind irrelevant.
Im Land löst eine steigende Inzidenz allein keine Beschränkungen mehr aus.
Virologe Martin Stürmer sorgt sich um die Kinder.
Es betrifft auch die Kleinsten.
Da gibt es noch keinen Impfstoff.
Meine Sorge ist,
dass das Infektionsgeschehen außer Kontrolle gerät.
Wenn wir keine Kontrolle mehr haben.
Wie lange die neue Freiheit bleibt, ist offen.
Die Verordnung gilt bis zum 13. September.
Zuletzt gab es viel politischen Druck auf die Ständige Impfkommission.
Doch die blieb bei ihrer Haltung:
Es gebe noch zu wenig wissenschaftliche Studien,
um eine Impfung für 12- bis 17- Jährige uneingeschränkt zu empfehlen.
Jetzt hat die Stiko ihre Empfehlung angepasst.
Demnach sollte sich auch diese Altersgruppe immunisieren lassen.
Anja Martini, unsere Wissenschaftsredakteurin:
Wie begründet die Stiko diese Impfempfehlung?
Die Stiko hat auf alle Daten und Zahlen gesehen.
In den anderen Ländern werden Kinder schon geimpft.
Kanada, die USA, Israel sind dabei.
Die haben geguckt, wie die Kinder damit klar gekommen sind.
Die Zahlen aus den USA sind so:
Weniger als ein Prozent brauchten eine medizinische Behandlung.
Das waren die Zahlen, die die Stiko mit einbezogen hat.
Deswegen hat sie gesagt, wir sind jetzt sicher:
Der Impfstoff ist für Kinder in Ordnung.
Die Stiko sagt auch:
Kinder, Jugendliche, die sich nicht impfen lassen,
dürfen nicht vom sozialen Leben ausgeschlossen werden.
Das sind die Studien auf der psychologischen Seite.
Die Kinder waren lange zu Hause.
Für die Kinder war das ein schwieriges Jahr.
Die Stiko hat gesagt, es kann nicht sein, dass die Kinder weiterleiden.
Das ist ein wichtiger Aspekt.
Der Lockdown hat Folgen für die Kinder
Danke, Anja Martini.
Vor 14 Monaten übernahm der Bund Aktien-Anteile von Lufthansa,
um den Konzern vor dem Absturz in der Pandemie zu bewahren.
Jetzt trennt sich der Bund von einem ersten Aktienpaket.
Samir Ibrahim in Frankfurt:
Was bedeutet das für die Lufthansa-Aktie?
Heute sinkt sie erst mal um 4 Prozent.
So eine Ankündigung hat Wirkung.
Das macht sie von einem hohen Niveau.
Der Staat wird mit der Aktie viel Geld verdienen.
Er hat die Aktie im Sommer gekauft.
Er hat weniger bezahlt, als sie heute wert ist.
Wenn der Bund die Aktien abstößt, macht er einen guten Schnitt.
Er wird das schrittweise tun.
Der Markt heute unter Druck:
Das ist kein Beinbruch.
Danke, Samir Ibrahim nach Frankfurt.
Tag zwei nach dem Erdbeben in Haiti -
noch immer steigt die Zahl der Todesopfer.
1297 wurden laut Zivilschutz inzwischen gezählt.
Nach und nach gelingt es Helfern, sich durch die Trümmer zu arbeiten.
Immer wieder stoßen sie auf Verschüttete,
für die jede Hilfe zu spät kommt.
Noch immer werden Tote aus zerstörten Häusern geborgen.
Geschockt schauen Anwohner auf das Ausmaß der Katastrophe.
Das Erdbeben mit einer Stärke von 7,2
traf v.a. die südliche Halbinsel schwer.
Die Infrastruktur ist zusammengebrochen.
Kirchen, Schulen, Krankenhäuser sind zerstört.
Laut Behörde haben 30.000 Menschen das Zuhause verloren.
Wir brauchen dringend Zelte.
Die Antwort auf die Katastrophe
muss sich nach unseren Bedürfnissen richten.
Wir sind nicht darauf vorbereitet, damit umzugehen.
Das ganze Wohngebiet ist zerstört.
So viele Menschen sind tot.
Wir wissen nicht, wie viele.
Wir haben ein Kind hergebracht, wir hoffen, es überlebt.
Hilfsorganisationen beklagen, die Krankenhäuser seien überlastet.
Es fehle an Medikamenten und sauberem Wasser.
Viele Kliniken könnten keine Verletzten mehr aufnehmen.
Gestern kamen so viele.
Wir haben nicht genug Personal.
Die Leute, die hier arbeiten, sind bis morgens um 6 Uhr geblieben.
Es sind nicht genügend.
Die Lage droht sich zu verschärfen.
Für heute Abend ist Tropensturm "Grace" angekündigt.
Das könnte die Arbeiten erschweren.
Das Erdbeben trifft Tahiti in einer wirtschaftlichen Krise.
Für die Menschen ein Alptraum, den sie zum zweiten Mal erleben.
Die Wetteraussichten:
Heute wechselhaft und windig mit Regen, Schauern und Gewittern,
dazu Sturmböen.
Im Südosten lokale Unwetter.
Das war es für den Augenblick.
Wir melden uns wieder um 14 Uhr.
Bis später.
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