×

Nous utilisons des cookies pour rendre LingQ meilleur. En visitant le site vous acceptez nos Politique des cookies.


image

2021 Tagesschau, tagesthemen 06.08.2021, 21:45 Uhr - Türkei und Griechenland: Weiter Gefahr durch Waldbrände, Fluthelfer: Freiwilligenein

tagesthemen 06.08.2021, 21:45 Uhr - Türkei und Griechenland: Weiter Gefahr durch Waldbrände, Fluthelfer: Freiwilligenein

Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit den tagesthemen.

Diese Sendung wurde vom NDR live untertitelt (06.08.2021)

Heute im Studio: Ingo Zamperoni

Guten Abend.

"Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll",

sagt ein Feuerwehrmann.

Ihm fällt nur ein Wort ein: Apokalypse.

In der Tat wirken die Bilder aus den Waldbrandgebieten

in der Türkei und Griechenland wie aus einem Endzeit-Albtraum.

Hitze von teils 45 Grad und Trockenheit

haben ideale Bedingungen geschaffen.

Jetzt fressen sich die Flammen auch nahe Athen voran.

Immer wieder bekämpfen Feuerwehren, Armee und Freiwillige

neue Brandherde.

Tausende mussten ihre Häuser verlassen.

Weil jetzt Winde eingesetzt haben,

überspringen Funken und Flammen sogar breite Autobahnen.

Hier verläuft die Grenze.

Es sind wenige Kilometer bis zu Athens Innenstadt.

Bis hierher dürfen wir, weiter nicht, wegen der Feuer.

Die Menschen wurden aufgefordert, ihre Häuser verlassen.

Einige wirken wie gestrandet, wissen nicht, wohin,

wie Assimina Giaki mit ihren Hunden.

Wissen Sie, was aus Ihrem Haus geworden ist?

Ja, es hat ein Teil gebrannt.

Sind Sie in Sorge, was Sie finden, wenn Sie zurückgehen? Natürlich.

Das sind die Mühen des ganzen Lebens.

Ein paar Meter weiter.

Neben der Straße behalten Männer ihre Plantage im Auge.

Das Feuer in der Region Attika war schon gelöscht.

Dann haben Winde es erneut entfacht.

Sie müssten das Gelände verlassen,

aber trauen dem Krisenmanagement nicht.

Die Feuerwehrleute sind nicht da, leider.

Der Staat tat gut daran, Polizisten einzustellen.

Aber sie hätten auch Feuerwehrleute einstellen müssen.

Wie das Leben heute ist, gehören Brände zum Alltag.

Jahr um Jahr mehr.

* Explosionsknall *

Es sind neue Dimensionen.

Zunächst die Hitze,

seit zwei Wochen schon weit über 40 Grad.

Dann die Winde.

Das, wovor der Zivilschutz gewarnt hat, ist eingetreten.

Seit gestern Nachmittag sind viele Feuer hinzugekommen,

an vielen Fronten im Land, wir bekämpfen 56 Brände.

Zurück an die Ausfallstraße kurz vor Athen.

Der Ehemann von Frau Giaki ist beim Haus geblieben.

Sie wartet hier und ruft immer wieder an, wie es ihm geht,

während er das Haus zu schützen versucht.

Warum geht er nicht fort? Warum soll er gehen?

Wenn er gestern nicht dort gewesen wäre,

wer hätte das Feuer gelöscht?

Im Grunde sagt man Ihnen, Sie sollen evakuieren.

Ich, wo soll ich hin? Zur Sozialfürsorge?

Wo soll ich die Hunde hinbringen? Wo soll ich hin, jetzt?

Für morgen sind Winde bis Stärke 6 in Griechenland angekündigt.

Natalie Amiri berichtet aus der Nähe von Athen.

Wie ist die Lage rund um die Hauptstadt?

Wir haben leider keinen Ton aus Athen.

Wir schalten erst mal weiter.

Auch in der Türkei wüten zahllose Waldbrände.

Katharina Willinger in Istanbul, wie ist die Lage?

Von gestern auf heute wurden rund um die Stadt Milas

einige Vororte evakuiert.

Man sieht da auch Bilder in den Medien,

wie Landwirte versuchen, ihr Vieh zu retten.

Manche haben das nicht geschafft.

Wir haben heute in einem Dorf gedreht.

Da stehen Brände womöglich noch bevor.

Die Anwohner sagen, sie schützen sich selbst.

Einige sind in die Wälder hochgefahren, um Brände zu löschen.

Sie sagen, man habe nicht genug Hilfe vom Staat.

Wir haben immer wieder Löschflugzeuge und Helikopter am Himmel gesehen.

Wir waren bis gestern in Antalya unterwegs.

Aber die scheinen nicht zu reichen, um die Brände zu bekämpfen.

In der Türkei sind besonders Touristen-Regionen betroffen.

Wie wirkt sich das aus?

Die Provinz Antalya, da ist das Ganze

im touristischen Bereich wieder etwas zurückgegangen.

Die Brände sind Richtung Norden gewandert.

Am Strand von Antalya kriegt man wenig von den Bränden mit.

Anders ist es in der Provinz Mugla.

Die ist sehr beliebt für Inlandstourismus.

Hier ist es normalerweise im Sommer ausgebucht.

Jetzt gibt es eine Stornierungsrate von 90-100 Prozent.

Die Menschen blicken mit Angst in die Zukunft.

Sie wissen nicht, ob sie Ausfallsentschädigungen bekommen.

Während der Pandemie ging es ihnen zuletzt ohnehin nicht gut.

Die Lage wird jetzt wohl nicht besser werden.

Katharina, vielen Dank.

Wir versuchen es noch einmal mit unserer anderen Schalte.

Natalie Amiri berichtet aus der Nähe von Athen.

Wie ist die Lage rund um die Hauptstadt?

Es brennt nach wie vor.

Man konnte das Feuer nicht unter Kontrolle bringen.

Hinter mir brennt es wieder.

Vor drei Tagen hatte es hier schon gebrannt.

Man dachte, man hätte es unter Kontrolle gehabt.

Alle Feuer hier nehmen eher zu als ab.

Die Winde sind hinzugekommen.

Eigentlich wollte man bis heute Mittag alle Brände im Griff haben.

Man wusste, dass die Winde kommen.

Jetzt ist sie Nacht angebrochen.

Die Löschflieger können nicht weiter ihre Arbeit machen.

Die Menschen werden ihrem Schicksal überlassen.

Man hat sie gewarnt, ihre Häuser zu verlassen.

Aber viele sind in ihren Häusern geblieben.

Sie wollen irgendwas tun.

Sie wollen irgendwie es schaffen, das Haus zu retten.

Sie trauen der Regierung nicht mehr.

Vieles hat nicht geklappt, wie sie es erhofft haben.

Es regt sich Kritik aus der Bevölkerung

an der Brandbekämpfung und an der Regierung.

Was sind die Vorwürfe?

Die Vorwürfe sind,

man habe nicht genug Vorsorge getroffen.

In Griechenland ist es heiß.

Man weiß, dass es Brände gibt.

Die Regierung muss sich darauf vorbereiten.

Es gibt ein Warnsystem,

deswegen gibt es bis jetzt nur zwei Todesfälle.

Aber es kann nicht sein, dass nach dieser Warnung nichts passiert.

Man investiert nicht genug in Ausrüstung, in Feuerwehrleute.

Anstelle dessen hat man Millionen von Euro

in die Polizei gesteckt.

Menschen haben mir gesagt:

"Überall in Athen stehen Polizisten und haben nichts zu tun,

während wir Feuerwehrleute brauchen."

Natalie Amiri, vielen Dank.

Eine andere Naturkatastrophe

hat vor drei Wochen unser Land heimgesucht.

Als Flut und Zerstörung kamen, kam im Kreis Ahrweiler

die Frage nach der Verantwortung der Behörden auf.

Hätten sie Schlimmes verhindern können,

wenn sie früher gewarnt und evakuiert hätten?

Die Staatsanwaltschaft Koblenz ermittelt wegen des Anfangsverdachts

der fahrlässigen Tötung und Körperverletzung durch Unterlassen

gegen den Landrat und ein weiteres Mitglied des Krisenstabes.

Die Aufräumarbeiten in den Flutgebieten gehen weiter.

Angepackt wird nicht nur durch die Einheimischen:

Von weit her kommen Menschen in den Westen der Republik,

um denen zu helfen, die so dringend Hilfe brauchen.

Iris Völlnagel.

Ich brauch nicht eine Dose, sondern drei Paletten.

So viel wie geht, will Marc Grüttner ins Auto packen.

Seit drei Wochen ist er als freiwilliger Helfer im Ahrtal.

Zwei Tage half er, Keller leer zu räumen,

dann fing der Veranstaltungstechniker an, Hilfe zu organisieren.

Sein Ziel: Da hinzufahren, wo wenig Hilfe ankommt.

Es gibt immer noch viele, die sprechen unsere Sprache nicht

und finden den Weg zum Anlaufpunkt nicht.

Die wissen nicht, was ein Infopoint ist

und wie man an Soforthilfe kommt.

Die gilt es zu finden, anzusprechen und zu unterstützen.

Grüttner nimmt uns mit in einen Stadtteil von Bad Neuenahr-Ahrweiler,

der größten Stadt in der Region.

Im Auto ist noch Zeit, den Morgenkaffee zu trinken.

Nebenbei checkt er sein Handy, beantwortet Anfragen.

Vor zwei Tagen ereilte ihn von hier ein Hilferuf:

"Wir brauchen Wasser, Dixi-Klo und jemanden, der uns in den Arm nimmt."

Marc Grüttner kam, baute mit anderen Helfern

eine Versorgungsstation für die Nachbarschaft auf.

Wir sind eine Hinterstraße, da ist keiner hinterher,

den man anrufen oder fragen kann: Was ist hier los?

Seit ich den Kontakt gewählt habe, hat sich viel verändert.

Was denn?

Hier ist eine Verpflegungsstation, hier laufen Kinder rum und spielen,

und hier ist jemand, der hinschaut.

Nach und nach kommen Menschen aus ihren Häusern.

Dieser Syrer lebt hier mit seiner Familie.

Zwei Freiwillige kommen, suchen eine Straße.

Marc Grüttner bittet sie, hierzubleiben.

Wenn ihr euch nützlich machen könnt, in dem Karree,

das wäre das Allergünstigste.

Sein nächster Anlaufpunkt von Marc Grüttner:

Das Helferbüro in der Gemeinde Kreuzberg.

Vor zwei Wochen hat er es aufgebaut.

Hier werden sehnlichst die Getränke für die Baggerfahrer erwartet.

Eine Woche haben Timo und seine Freunde mitgeholfen,

haben für die Bewohner Listen mit Ansprechpartnern erstellt.

Die wichtigste Erfahrung ist das Sprechen mit den Anwohnern.

Wenn man eine ganze Woche da ist - irgendwann kennen die einen.

Vor allem: die Dankbarkeit der Anwohner.

Marc Grüttner will bleiben, bis andere sind da sind,

die seinen Koordinationsjob übernehmen.

Wenn ein kleiner Teil Verzweiflung sich in Hoffnung umkehrt,

dann, glaubt er, hat der Einsatz Sinn ergeben.

Spenden für die Flutopfer können Sie bei der Aktion Deutschland Hilft.

Kleine Gebirgsbäche, die zu reißenden Strömen werden:

Das droht Berlin eher nicht, die Stadt ist weitgehend flach.

Aber Starkregen richtet dort regelmäßig Flutschäden an.

Jetzt will Berlin wie ein Schwamm werden,

Wassermassen buchstäblich aufsaugen.

"Schwammstadt" heißt das Konzept.

Wannenförmige Grünflächen, Gründächer oder Teiche

sollen Regenwasser speichern, ehe es versickert oder verdunstet.

Senat und Wasserbetriebe haben 2018 eine Regenwasseragentur gegründet,

die Planer und Bauherren berät.

Über diese Vorreiterrolle berichtet Ole Hilgert.

Auf den ersten Blick sieht es nur schön aus,

das Wasserspiel in einem Berliner Neubaugebiet.

Aber hier fließt Regenwasser,

aufgefangen in Teichen, gereinigt durch Pflanzenbewuchs.

Ein Biotop, das im Sommer das Wohnquartier kühlen soll.

Das Regenwasser wird im Kreislauf geführt,

von einem Becken zum nächsten und zurück.

Über die Wasserspiele wird es mit Sauerstoff angereichert.

So wird das System aufrechterhalten.

Darla Nickel leitet die Berliner Regenwasseragentur.

Sie berät Bauprojekte, Behörden und Architekten

im Auftrag von Stadt und Wasserbetrieben.

Berlin soll zur "Schwammstadt" werden.

Das heißt, der Regen wird dort gespeichert, versickert, verdunstet,

wo er fällt, und nicht erst in Kanalisationssysteme geleitet,

die letztlich in die Gewässer fließen.

Berlin gilt eigentlich als Trockengebiet.

Regenwasser-Management soll v.a. diesen Wassermangel ausgleichen.

Wir müssen den natürlichen Wasserhaushalt wieder stärken,

dass wir mehr Regenwasser haben für die Vegetation.

Und das andere Problem in Berlin

ist eine historisch gewachsene Mischwasserkanalisation.

Die kann nicht in dem Maße wachsen, wie in Berlin gebaut wird.

Das führt nach Starkregen immer öfter zum Kollaps des Abwassersystems

mit Überflutungen ganzer Straßenzüge.

Ein Mittel dagegen sind unterirdische Auffangbecken als Zwischenspeicher.

Das Schwammstadt-Prinzip aber will den Regen ins Stadtklima integrieren,

etwa durch begrünte Dächer wie auf diesem Forschungsgebäude.

So ein Dach hält 50 Prozent des Jahresniederschlages zurück.

Das ist sehr viel.

Wären 50 Prozent der Dächer so ausgestattet,

wäre das kein Tropfen auf den heißen Stein.

Auch auf der Straße soll Regenwasser aufgefangen werden,

ganz unscheinbar, mit Mulden statt Gullys.

Hier kann das Regenwasser von der Straße versickert werden,

gelangt so in den Boden und trägt zur Grundwasserneubildung bei.

Für Neubauprojekte hat Berlin Vorgaben:

Regenwasser muss auf dem Grundstück versickern oder verdunsten -

nur wenig darf in die Kanalisation.

Ein kleiner Schritt auf dem langen Weg zur Schwammstadt.

Wie muss sich die Städte- und Häuserplanung

in Zeiten des Klimawandels anpassen?

Darüber habe ich gesprochen mit der Bauingenieurin Lamia Messari-Becker,

Expertin für nachhaltiges Bauen an der Uni Siegen.

Guten Abend, Frau Messari-Becker. Ich grüße Sie.

Der Regen soll da bleiben, wo er fällt.

Wie revolutionär ist dieser Ansatz der Schwammstadt?

Es ist nicht wirklich revolutionär.

Aber es wird endlich darüber diskutiert,

wie wir gegen drei Phänomene ankämpfen müssen:

Stürme, Starkregen und Hitze.

Die Schwammstadt ist ein Aspekt dessen:

Auf Wasser sensibel zu reagieren, Wasser möglichst lange zu speichern,

bis es in die Kanalisation gegeben wird.

Es geht immer um einen Mix an Maßnahmen am Gebäude,

z.B. aktive Gründächer.

Im Außenraum Mulden, Rückzugsflächen für Wasser.

Auf Stadtebene Kanalisation, Wasserbecken.

Liegt eine Stadt am Wasser,

geht es auch um Deichbau und unterirdische Becken.

Die Anpassung ist die Zukunft.

Was heißt das konkret für Siedlungs- und Städtebau?

Konkret heißt das, dass wir in der Siedlungs- und Baupolitik

viel mehr Flächen- und Wassermanagement betreiben müssen.

Fläche war immer Zankapfel der Stadt- und Raumplanung.

Es geht darum, dass wir Fläche fürs Wohnen,

für erneuerbare Energien und Industrie nutzen müssen.

Fläche als nicht vermehrbare Ressource muss koordiniert werden.

Auch um bei Naturkatastrophen für die Infrastruktur zu sorgen,

die man braucht, um den Schaden zu minimieren.

Fläche muss man zentral koordinieren,

zusammen mit den Kommunen.

Es kann nicht darum gehen,

z.B. in Überschwemmungsgebieten Ausnahmegenehmigungen zu erteilen.

Davon müssen wir wegkommen.

Findet diese Koordination statt, damit Fläche klug genutzt wird?

Oder ist da Luft nach oben?

Da ist Luft nach oben.

Koordinierung findet so gut wie nicht statt.

Wir haben auf der einen Seite Flächenverbrauchs-Reduktionsziele

der Bundesregierung.

Aber auf kommunaler Ebene

erleben wir immer mehr Flächenverbrauch.

Es geht in der Zukunft darum, die Kommunen in die Lage zu versetzen,

Gewerbe- und Industrieflächen so zu entwickeln,

dass sie nicht automatisch in die Außenentwicklung gehen.

Es geht darum, den Bestand klug zu nutzen.

Wir haben in Deutschland ein Baurecht,

aber kaum ein Umbaurecht.

Wir müssen auch in der Wohnfläche Konzepte realisieren,

die Grundrissteilbarkeit und Wohntauschbörsen zulassen.

Angemessene Aufstockungen et cetera.

Damit wir die Fläche für alle möglichen Ziele nutzen können.

Also nicht immer weiter die Städte außen wachsen lassen,

sondern gucken: Wie kann man umbauen?

Aber da wird es weiter Streitigkeiten geben.

Die einen wollen Flächen,

die anderen wollen Flächen öffnen für den Klimaschutz.

Richtig.

Es geht aber am Ende darum, durch Flächeneffizienz

all diese Ziele im Interessenausgleich zu erreichen.

Wir haben zum Beispiel eine Dachfläche nur einmal.

Entweder ist sie für Photovoltaik oder für Gründach oder für beides.

Wir haben in der Landwirtschaft auch Flächenbedarf.

Zugleich haben wir in der Flutkatastrophe gesehen,

wir haben auch Flächenbedarf als Rückzugsraum für Wasser.

Wir brauchen auch mehr Wohnraum.

Aber es geht darum,

das Flächenmanagement zu koordinieren.

Damit wir all diese Ziele im Interessenausgleich

erreichen können.

Ohne weiter zu versiegeln und ohne chaotische Außenentwicklung.

Es kann ja nicht sein, dass man außenentwickelt

ohne Infrastruktur, ohne Mobilität.

Da fahren die Leute mit dem Auto in die Stadt.

Es muss alles zusammenpassen, vom Gebäude

übers Außenraumquartier bis hin in Stadt und Landschaften.

Die Flutkatastrophe: Was würden Sie den Menschen dort raten?

Macht es Sinn, die Ortschaften wieder nah am Fluss aufzubauen?

Das ist 'ne sehr sensible Frage.

Wenn wir über Bebauung sprechen, sprechen wir auch über Heimat,

die den Menschen verloren gegangen ist.

Meine Aufgabe als Bauingenieurin ist, darauf hinzuweisen,

dass es jetzt nicht darum geht, eins zu eins wieder aufzubauen.

Es geht nicht um eine Reparatur der Häuser und Straßen.

Es geht um einen Neubeginn.

Das A und O wird sein, dass man Schutzinfrastruktur vorsieht,

dass man Abstände einhält und Rückzugsräume.

Erst wenn das nicht geht,

kann man über andere Platzierungen sprechen.

Wir brauchen jetzt Konzepte von Ingenieurinnen und Ingenieuren.

Die Konzepte gibt es,

aber die müssen jetzt in die Breite gebracht werden.

Das ist mein Appell an die Politik.

Wir haben lange genug über Klimawandel diskutiert.

Jetzt geht es darum, unsere bebaute Umwelt anzupassen.

Die Flutkatastrophe hat uns gezeigt, was es heißt, wenn man nicht

auf solche Katastrophen gut genug vorbereitet ist.

Frau Messari-Becker, vielen Dank.

Ich danke Ihnen.

Wie in Zeiten der Wetterextreme umweltgerecht gebaut werden muss,

dazu hat Paul Pietraß vom MDR diese Meinung:

Es soll wohl klingen wie eine gute Nachricht:

"Das Tempo des Flächen-Neuverbrauchs geht zurück."

So berichtet das Umweltbundesamt im Mai

zur Versieglung unseres Landes für Gebäude und Verkehr.

Die Versiegelung schade dem Boden und begünstige Hochwasser, steht da.

Aber, Moment mal:

Nur das Tempo beim Zuwachs geht zurück?

Nicht die zubetonierte Fläche?

Ja, noch immer baut Deutschland

jeden Tag etwa 50 Hektar wasserdurchlässige Fläche zu.

Die Regierung streitet darüber, ob ihre neuen Baugesetze

den Flächenverbrauch wieder steigern werden.

Das Ziel, zumindest unter 30 Hektar am Tag zu kommen,

musste die Regierung um zehn Jahre verschieben.

Um unsere Städte fit zu machen für Folgen des Klimawandels, bräuchte es:

Weniger versiegelte Böden, nicht mehr.

Unsere Städte müssen schwammiger werden.

Durchlässiger für Wassermassen bei häufiger werdenden Starkregen,

resistenter gegen Hitzewellen.

Nur dann bleiben sie sicher und lebenswert.

Gut, dass erste Städte gegensteuern.

Berlin will Schwammstadt werden.

Für Neubauten gilt jetzt:

Es darf nur so viel Regenwasser in die Kanalisation fließen,

wie es ohne Bebauung gewesen wäre.

Solange das nur für Neubauten gilt,

wird die Schwammstadt ein Schwämmchen bleiben.

Für eine echte Wende zur klimafolgengerechten Stadt

müssten wir an Altbauten ran, an die Parkflächen für unsere Autos.

Noch ist die Lobby des "Weiter so" bei uns allen stärker als Einsicht

und als der Schrecken nach der jeweils letzten Katastrophe.

Diese Wende zu weniger versiegelter Fläche

hat sich die Bundesregierung erst für 2050 vorgenommen.

Wer die jüngsten Schäden gesehen hat, kann wissen: keine gute Nachricht.

Das ist zu spät.

Die Meinung von Paul Pietraß.

Die Zahl der Corona-Infektionen steigt schneller als letzten Sommer.

Weitere Nachrichten mit Thorsten Schröder.

Das RKI weist darauf hin:

Der Anstieg habe trotz Impfungen früher begonnen

und sei stärker als 2020.

Damals stieg die Inzidenz über den ganzen Monat Juli auf 5,1.

2021 erhöhte sie sich im selben Zeitraum auf 17,5.

Betroffen sind vor allem Junge im Alter von 10 bis 34 Jahren.

Das RKI hat 3448 neue Fälle binnen eines Tages erfasst,

fast 1000 mehr als am vorigen Freitag.

Die Sieben-Tage-Inzidenz stieg auf 20,4.

Sie sich innerhalb eines Monats vervierfacht.

Wegen steigender Corona-Zahlen in Frankreich

stuft Deutschland einige Regionen als Hoch-Risikogebiet ein.

Das gilt ab Sonntag für Okzitanien und Provence-Alpes-Cote d'Azur

und für Korsika.

Nicht geimpfte oder genesene Reiserückkehrer

müssen in Deutschland dann in Quarantäne.

Ein Frei-Testen ist frühestens nach fünf Tagen möglich.

Aufgehoben wird diese Regel, auch ab Sonntag, für Menschen,

die aus den Niederlanden nach Deutschland einreisen.

Mit einer Schweigeminute wurde in Hiroshima an die Opfer

des Atombombenabwurfs durch die US-Armee vor 76 Jahren erinnert.

Der Bürgermeister rief dazu auf, den Wandel von atomarer Abschreckung

zum vertrauensbildenden Dialog zu vollziehen.

Wegen Corona fand das Gedenken in kleinem Rahmen statt.

Bei den Olympischen Spielen in Tokio

gab es trotz Bitte aus Hiroshima keine Schweigeminute.

Früh übt sich, wer ein Meister werden will.

Das sagt sich bei den Schwimmern derzeit leichter, als es ist:

Zehntausende Kinder

konnten pandemiebedingt nicht schwimmen lernen.

Die Schwimmbäder waren über Monate geschlossen,

Kurse fielen reihenweise aus.

Um eine Generation Nichtschwimmer zu verhindern,

wird jetzt gegengesteuert.

Auch viele Ehrenamtliche zeigen den Neulingen,

wie man den Kopf über Wasser hält.

Zum Beispiel in Prora auf Rügen,

wo unser Mittendrin-Team dabei sein durfte.

Susann Moll.

Toi, toi, toi, das sieht gut aus!

Zehn Meter tauchen -

für das Schwimmabzeichen in Silber müssen die Kinder das können.

Es muss nicht jeder das Schwimmabzeichen machen.

Aber wenn eine Welle kommt und ich sag zu dem,

"du kannst zur Leine gehen":

Dann will ich mich drauf verlassen können,

das Kind kommt wieder zurück, weil es sich sicher im Wasser bewegt.

Dann ist schon eine Menge getan.

Mehr als 300 Kindern hat er hier auf Rügen bereits beigebracht,

sich sicher im Wasser zu bewegen.

Mike Groß ist seit über zehn Jahren bei der DLRG.

Bevor sie ins tiefe Wasser gehen, müssen die Bewegungen sitzen.

Die Mädchen und Jungen

haben sie am Strand von Prora immer wieder geübt.

Ich hab besseres Schwimmen gelernt, Rückenschwimmen, Hechtsprünge.

Ich nehm Erfahrung im Tauchen mit.

Ich hab die Beinübung und die Armbewegungen gelernt.

Und jetzt kann ich schon so weit richtig gut schwimmen mit Gürtel.

Die Scheu vor dem Wasser verlieren - auch das ist Teil des Kurses.

Claudia Groß unterstützt ihren Mann.

Sie sollen Respekt haben vor dem Wasser,

aber sich wohlfühlen, keine Angst haben.

Wasser trägt mich.

Das ist die Übung fürs Rückenschwimmen:

Dass sie mit totem Mann und Poolnudel

das Gefühl haben, Wasser trägt.

Dann brauch ich nur die Bewegung dazu

und muss keine Angst haben.

Wie bleibt man sicher über Wasser?

Arme lang machen!

Das wollen sie den Kindern beibringen.

Statt in den Urlaub zu fahren, widmen sie sich dieser Aufgabe -

alles ehrenamtlich.

Wir leben an der Küste.

Und wir möchten, dass alle Kinder an der Küste schwimmen können,

weil es so wichtig ist.

Bevor Kinder ertrinken.

Viele Eltern kommen in den Urlaub, ihre Kinder können nicht schwimmen.

Es ist traurig, wenn man in den Nachrichten hört:

Wieder ein Kind ertrunken.

Deshalb ist uns das so wichtig, dass die Kinder hier schwimmen können.

Das Land Mecklenburg-Vorpommern unterstützt das.

Allein der DLRG-Landesverband hat 25.000 Euro bekommen,

damit mehr als 400 Kinder im Sommer schwimmen lernen.

Ein Ausgleich nach der Corona-Zwangspause.

Es geht schwerpunktmäßig darum, dass wir in den letzten zwei Jahren

nur 30 Prozent der Schwimmausbildung haben machen können.

Schwimmbäder waren geschlossen.

So können wir zusätzliche Kurse anbieten,

auch wie hier am Freiwasser.

Aber das ist ein guter und ein schöner Tropfen,

aber aufn heißen Stein.

Solange es die Temperaturen zulassen, können die Kinder in der Ostsee üben.

Dafür braucht es Ehrenamtler wie das Ehepaar Groß.

Diesen Sommer haben sie 100 Kindern auf Rügen das Schwimmen beigebracht.

Die Olympischen Spiele von Tokio neigen sich dem Ende zu.

Auch am drittletzten Tag gab es wieder tolle Momente.

Aber, Andreas Käckell:

Ein Moment hat für Diskussionen gesorgt.

Ja, und beteiligt war die Fünfkämpferin Annika Schleu.

Vor dem Springreiten lag die Berlinerin noch in Führung.

Aber wie üblich in diesem Sport

bekam sie das Pferd einer Konkurrentin zugelost.

Das verweigerte sich.

Und zwar viermal, was zur Disqualifikation führte.

Der Traum von der Medaille war dahin.

So weit, so traurig.

Zu Diskussionen führte das Verhalten der verzweifelten Reiterin,

die mit der Gerte das unwillige Pferd zum Springen bewegen wollte.

Wer diese Bilder sieht, spürt: Hier stimmt was nicht.

Annika Schleu auf dem Weg zu Gold im Modernen Fünfkampf,

nur ihr Pferd Saint Boy ist dagegen.

Weil sich Reiterin und Pferd nicht kennen.

Weil das Pferd verweigert, weil Schleu keine Berufsreiterin ist,

das zugeloste, verunsicherte Pferd laut Reglement aber nehmen muss.

Saint Boy verweigert viermal, der Gold-Traum ist geplatzt.

Man möchte als Zuschauer glauben, dass es immer so ist.

Aber die Erfolge, die wir sonst feiern, sprechen dagegen.

Eigentlich sind wir Deutschen als gute und einfühlsame Reiter bekannt.

Verzweifelt ruft ihre Trainerin:

Hau richtig drauf!

Viele Zuschauer*innen reagieren prompt:

"Pferde hauen – geht gar nicht."

"Athletin und Trainerin gehören disqualifiziert."

Im Modernen Fünfkampf ist Reiten eine von fünf Disziplinen.

Schleu liegt nach Fechten und Schwimmen in Führung.

Im Reitparcours hat sie 20 Minuten, um sich an Saint Boy zu gewöhnen.

Profis haben dafür jahrelang Zeit.

Aber sie muss das Pferd nehmen,

das schon mal verweigert hat, bei einer anderen Reiterin.

Es ist ungehorsam und überfordert.

Es ist es unerträglich, mitanzusehen, wie Schleu die Nerven verliert -

und wie sie das Pferd behandelt.

Die Deutsche Reiterliche Vereinigung spricht

von einer überforderten Reiterin und einem überforderten Pferd.

Der Deutsche Olympische Sportbund plädiert für eine Regeländerung.

Ebenso Isabell Werth, siebenmalige Dressur-Olympiasiegerin:

Kritiker sagen, das Reglement sei eine Zumutung.

Vorschläge gibt es viele:

Sie kann ihr Pferd mitbringen,

oder man streicht das Reiten aus dem Modernen Fünfkampf.

Sportlerin und Pferd können einem leidtun.

Aber diese Bilder braucht kein Mensch.

Werbung für Olympia sind sie sicher nicht.

Damit zu einem, der ein glücklicheres Bild abgab:

Jonathan Hilbert hatten selbst Gehsport-Experten

nicht unter den ersten zehn auf der 50-km-Strecke erwartet.

Aber denkste!

Er gewann Silber und sorgte danach für die nächsten Gänsehaut-Momente.

Erschöpft nach 50 km Gehen im Glutofen Sapporo,

aber überglücklich mit der Deutschlandfahne:

Jonathan Hilbert (26) am Ziel seiner Träume.

Überraschend hat der Erfurter Silber gewonnen.

Hätte das einer vor dem Rennen gesagt,

dem hätt ich - Entschuldigung - 'nen Vogel gezeigt.

Ich hätte den Kopf geschüttelt: "Nie im Leben!"

Aber ich hätt's mitgenommen, klar.

Es ist ein Kampf gegen die Konkurrenz und gegen die Hitze.

Die Geher sind extra um 5.30 Uhr Ortszeit gestartet

und 800 km nach Sapporo geflüchtet, wo es kühler sein soll.

Aber viele müssen aufgeben, manche werden mit dem Rollstuhl abgeholt.

Extreme Bedingungen - auch medizinisch bedenklich.

Wir haben 32 Grad, 55 Prozent Luftfeuchtigkeit.

Das ist eine sehr große Belastung für die Athleten.

Hilbert kämpft erfolgreich gegen alle Widrigkeiten.

Drei Monate hatte er nicht trainiert wegen einer Schambeinentzündung.

Und jetzt holt er Silber - der Dank geht an seine Freundin.

Sie hat mich immer aufgebaut, ist immer an meiner Seite.

Wir haben jeden Tag ... Mir ging's nicht so gut.

Wir haben jeden Tag gefacetimt, drei, vier Stunden.

Sie hat sich Zeit genommen und geschaut, dass es mir gut geht.

Das ist auch für dich, Anna!

Große Emotionen nach einem Wettkampf, bei dem Schweiß floss,

aber auch Tränen des Glücks.

Eine andere Überraschung ist leider ausgeblieben:

Die Tischtennis-Herren

verloren das Finale gegen übermächtige Chinesen mit 0:3.

Auch wenn die Enttäuschung

erst mal tief saß bei Ovtcharov, Boll und Franziska:

Bei der Siegerehrung dürfte die Freude überwogen haben

über die zweite deutsche Tischtennis-Medaille in Tokio.

Es ist die Verneigung vor der Perfektion:

Timo Boll huldigt Ma Long, dem weltbesten Tischtennisspieler.

Mit 40 Jahren versucht Boll,

den chinesischen Künstler herauszufordern.

Das Mannschaftsfinale wird zum Spektakel.

Boll muss gewinnen, sonst ist Gold weg.

Aber Ma Long spielt in einer eigenen Liga.

Was für ein Ballwechsel!

Der Olympiasieger mit dem besseren Ende.

Mit 40 bin ich nicht mehr ganz so geschmeidig.

Im ersten Satz hat der Touch gefehlt.

Da kommt 'ne Menge Qualität.

Er spielt sehr präzise.

Er ist nicht umsonst zweifacher Einzel-Olympiasieger.

Schon beim Auftakt zeigt Ma Long mit seinem Partner,

dass er den Kampf nicht spannend machen will.

Glatter Sieg gegen Boll und Franziska.

Alle Hoffnungen ruhen auf Ovtcharov - ihn fürchten die Chinesen.

In seinem Einzel führt der Bronzemedaillengewinner.

Dann geht ihm die Kraft aus.

Der fünfte Satz geht verloren,

China braucht nur noch einen Sieg zum Gold.

Bei 1:1 hat Timo noch mal mehr Chancen gegen Ma Long.

Es ist schade, ich war dicht dran.

Ein, zwei Sekunden war die Konzentration weg.

Boll gewinnt einen Satz gegen das Genie Ma Long.

Allein das ist ein Erfolg.

Aber dann macht Ma Long Ernst und holt den letzten Punkt zum Gold.

Chinas Team bleibt ungeschlagen.

Aber Silber ist auch schön.

Und für Boll

der erfolgreiche Abschluss seiner sechsten Spiele.

Weniger erfolgreich die Sprintstaffeln:

Das Männerquartett des DLV

erreichte Platz 6 im Finale über 4x100 Meter.

Gold ging an Italien,

das damit die Nachfolge von Jamaika um Superstar Usain Bolt antritt.

Bei den Frauen landete die deutsche Staffel auf Rang 5.

Der Sieg ging an Jamaika.

Wir wissen nicht, wie die Sprinter zu Hause empfangen werden

in den nächsten Tagen.

Aber wir wünschen ihnen eine ähnlich liebevoll gestaltete Rückkehr,

wie sie Mandy hatte:

Das Pferd von Julia Krajewski, Vielseitigkeits-Olympiasiegerin,

durfte im heimischen Warendorf an gleich ans Möhren-Apfel-Büffet.

Und dann war nur noch Wellness nach Pferdeart angesagt.

Aber so was von verdient nach der Supervorstellung!

Ob's für den Rest von uns Wellness-Wetter gibt,

weiß Karsten Schwanke.

Wie sind die Aussichten?

Ich hab zu wenige Möhren und Äpfel gefressen.

Die Aussichten sehen rosig aus für Pflanzen.

Es gibt viel Regen, vor allem im Norden und Süden.

In der Mitte kann es auch mal trocken sein.

Am Sonntag wird es Sonne geben.

Aber wichtig:

Morgen Abend ziehen kräftige Gewitter am Alpenrand entlang.

Es kann Orkanböen geben.

Morgen zwischen 18 und 20 Uhr.

Heute Nacht einzelne Schauer im Norden.

Morgen Vormittag kommen Wolken mit Regen im Südwesten an.

Davor entwickeln sich die Gewitter am Alpenrand.

Im Nordwesten ein bisschen Aprilwetter.

Die Temperaturen:

Am Sonntag im Nordwesten und Süden noch etwas Regen.

Am Montag schon trockener und sonniger.

Nur wenige Schauer im Nordwesten.

Ab Dienstag wird es wärmer.

Vielen Dank, Karsten.

Das waren die tagesthemen.

Hier folgt ein Tatort aus Bremen.

Wir sind morgen wieder da.

Bis dahin tschüss, und bleiben Sie zuversichtlich!

Copyright Untertitel: NDR 2021


tagesthemen 06.08.2021, 21:45 Uhr - Türkei und Griechenland: Weiter Gefahr durch Waldbrände, Fluthelfer: Freiwilligenein

Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit den tagesthemen.

Diese Sendung wurde vom NDR live untertitelt (06.08.2021)

Heute im Studio: Ingo Zamperoni

Guten Abend.

"Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll",

sagt ein Feuerwehrmann.

Ihm fällt nur ein Wort ein: Apokalypse.

In der Tat wirken die Bilder aus den Waldbrandgebieten

in der Türkei und Griechenland wie aus einem Endzeit-Albtraum.

Hitze von teils 45 Grad und Trockenheit

haben ideale Bedingungen geschaffen.

Jetzt fressen sich die Flammen auch nahe Athen voran.

Immer wieder bekämpfen Feuerwehren, Armee und Freiwillige

neue Brandherde.

Tausende mussten ihre Häuser verlassen.

Weil jetzt Winde eingesetzt haben,

überspringen Funken und Flammen sogar breite Autobahnen.

Hier verläuft die Grenze.

Es sind wenige Kilometer bis zu Athens Innenstadt.

Bis hierher dürfen wir, weiter nicht, wegen der Feuer.

Die Menschen wurden aufgefordert, ihre Häuser verlassen.

Einige wirken wie gestrandet, wissen nicht, wohin,

wie Assimina Giaki mit ihren Hunden.

Wissen Sie, was aus Ihrem Haus geworden ist?

Ja, es hat ein Teil gebrannt.

Sind Sie in Sorge, was Sie finden, wenn Sie zurückgehen? Natürlich.

Das sind die Mühen des ganzen Lebens.

Ein paar Meter weiter.

Neben der Straße behalten Männer ihre Plantage im Auge.

Das Feuer in der Region Attika war schon gelöscht.

Dann haben Winde es erneut entfacht.

Sie müssten das Gelände verlassen,

aber trauen dem Krisenmanagement nicht.

Die Feuerwehrleute sind nicht da, leider.

Der Staat tat gut daran, Polizisten einzustellen.

Aber sie hätten auch Feuerwehrleute einstellen müssen.

Wie das Leben heute ist, gehören Brände zum Alltag.

Jahr um Jahr mehr.

* Explosionsknall *

Es sind neue Dimensionen.

Zunächst die Hitze,

seit zwei Wochen schon weit über 40 Grad.

Dann die Winde.

Das, wovor der Zivilschutz gewarnt hat, ist eingetreten.

Seit gestern Nachmittag sind viele Feuer hinzugekommen,

an vielen Fronten im Land, wir bekämpfen 56 Brände.

Zurück an die Ausfallstraße kurz vor Athen.

Der Ehemann von Frau Giaki ist beim Haus geblieben.

Sie wartet hier und ruft immer wieder an, wie es ihm geht,

während er das Haus zu schützen versucht.

Warum geht er nicht fort? Warum soll er gehen?

Wenn er gestern nicht dort gewesen wäre,

wer hätte das Feuer gelöscht?

Im Grunde sagt man Ihnen, Sie sollen evakuieren.

Ich, wo soll ich hin? Zur Sozialfürsorge?

Wo soll ich die Hunde hinbringen? Wo soll ich hin, jetzt?

Für morgen sind Winde bis Stärke 6 in Griechenland angekündigt.

Natalie Amiri berichtet aus der Nähe von Athen.

Wie ist die Lage rund um die Hauptstadt?

Wir haben leider keinen Ton aus Athen.

Wir schalten erst mal weiter.

Auch in der Türkei wüten zahllose Waldbrände.

Katharina Willinger in Istanbul, wie ist die Lage?

Von gestern auf heute wurden rund um die Stadt Milas

einige Vororte evakuiert.

Man sieht da auch Bilder in den Medien,

wie Landwirte versuchen, ihr Vieh zu retten.

Manche haben das nicht geschafft.

Wir haben heute in einem Dorf gedreht.

Da stehen Brände womöglich noch bevor.

Die Anwohner sagen, sie schützen sich selbst.

Einige sind in die Wälder hochgefahren, um Brände zu löschen.

Sie sagen, man habe nicht genug Hilfe vom Staat.

Wir haben immer wieder Löschflugzeuge und Helikopter am Himmel gesehen.

Wir waren bis gestern in Antalya unterwegs.

Aber die scheinen nicht zu reichen, um die Brände zu bekämpfen.

In der Türkei sind besonders Touristen-Regionen betroffen.

Wie wirkt sich das aus?

Die Provinz Antalya, da ist das Ganze

im touristischen Bereich wieder etwas zurückgegangen.

Die Brände sind Richtung Norden gewandert.

Am Strand von Antalya kriegt man wenig von den Bränden mit.

Anders ist es in der Provinz Mugla.

Die ist sehr beliebt für Inlandstourismus.

Hier ist es normalerweise im Sommer ausgebucht.

Jetzt gibt es eine Stornierungsrate von 90-100 Prozent.

Die Menschen blicken mit Angst in die Zukunft.

Sie wissen nicht, ob sie Ausfallsentschädigungen bekommen.

Während der Pandemie ging es ihnen zuletzt ohnehin nicht gut.

Die Lage wird jetzt wohl nicht besser werden.

Katharina, vielen Dank.

Wir versuchen es noch einmal mit unserer anderen Schalte.

Natalie Amiri berichtet aus der Nähe von Athen.

Wie ist die Lage rund um die Hauptstadt?

Es brennt nach wie vor.

Man konnte das Feuer nicht unter Kontrolle bringen.

Hinter mir brennt es wieder.

Vor drei Tagen hatte es hier schon gebrannt.

Man dachte, man hätte es unter Kontrolle gehabt.

Alle Feuer hier nehmen eher zu als ab.

Die Winde sind hinzugekommen.

Eigentlich wollte man bis heute Mittag alle Brände im Griff haben.

Man wusste, dass die Winde kommen.

Jetzt ist sie Nacht angebrochen.

Die Löschflieger können nicht weiter ihre Arbeit machen.

Die Menschen werden ihrem Schicksal überlassen.

Man hat sie gewarnt, ihre Häuser zu verlassen.

Aber viele sind in ihren Häusern geblieben.

Sie wollen irgendwas tun.

Sie wollen irgendwie es schaffen, das Haus zu retten.

Sie trauen der Regierung nicht mehr.

Vieles hat nicht geklappt, wie sie es erhofft haben.

Es regt sich Kritik aus der Bevölkerung

an der Brandbekämpfung und an der Regierung.

Was sind die Vorwürfe?

Die Vorwürfe sind,

man habe nicht genug Vorsorge getroffen.

In Griechenland ist es heiß.

Man weiß, dass es Brände gibt.

Die Regierung muss sich darauf vorbereiten.

Es gibt ein Warnsystem,

deswegen gibt es bis jetzt nur zwei Todesfälle.

Aber es kann nicht sein, dass nach dieser Warnung nichts passiert.

Man investiert nicht genug in Ausrüstung, in Feuerwehrleute.

Anstelle dessen hat man Millionen von Euro

in die Polizei gesteckt.

Menschen haben mir gesagt:

"Überall in Athen stehen Polizisten und haben nichts zu tun,

während wir Feuerwehrleute brauchen."

Natalie Amiri, vielen Dank.

Eine andere Naturkatastrophe

hat vor drei Wochen unser Land heimgesucht.

Als Flut und Zerstörung kamen, kam im Kreis Ahrweiler

die Frage nach der Verantwortung der Behörden auf.

Hätten sie Schlimmes verhindern können,

wenn sie früher gewarnt und evakuiert hätten?

Die Staatsanwaltschaft Koblenz ermittelt wegen des Anfangsverdachts

der fahrlässigen Tötung und Körperverletzung durch Unterlassen

gegen den Landrat und ein weiteres Mitglied des Krisenstabes.

Die Aufräumarbeiten in den Flutgebieten gehen weiter.

Angepackt wird nicht nur durch die Einheimischen:

Von weit her kommen Menschen in den Westen der Republik,

um denen zu helfen, die so dringend Hilfe brauchen.

Iris Völlnagel.

Ich brauch nicht eine Dose, sondern drei Paletten.

So viel wie geht, will Marc Grüttner ins Auto packen.

Seit drei Wochen ist er als freiwilliger Helfer im Ahrtal.

Zwei Tage half er, Keller leer zu räumen,

dann fing der Veranstaltungstechniker an, Hilfe zu organisieren.

Sein Ziel: Da hinzufahren, wo wenig Hilfe ankommt.

Es gibt immer noch viele, die sprechen unsere Sprache nicht

und finden den Weg zum Anlaufpunkt nicht.

Die wissen nicht, was ein Infopoint ist

und wie man an Soforthilfe kommt.

Die gilt es zu finden, anzusprechen und zu unterstützen.

Grüttner nimmt uns mit in einen Stadtteil von Bad Neuenahr-Ahrweiler,

der größten Stadt in der Region.

Im Auto ist noch Zeit, den Morgenkaffee zu trinken.

Nebenbei checkt er sein Handy, beantwortet Anfragen.

Vor zwei Tagen ereilte ihn von hier ein Hilferuf:

"Wir brauchen Wasser, Dixi-Klo und jemanden, der uns in den Arm nimmt."

Marc Grüttner kam, baute mit anderen Helfern

eine Versorgungsstation für die Nachbarschaft auf.

Wir sind eine Hinterstraße, da ist keiner hinterher,

den man anrufen oder fragen kann: Was ist hier los?

Seit ich den Kontakt gewählt habe, hat sich viel verändert.

Was denn?

Hier ist eine Verpflegungsstation, hier laufen Kinder rum und spielen,

und hier ist jemand, der hinschaut.

Nach und nach kommen Menschen aus ihren Häusern.

Dieser Syrer lebt hier mit seiner Familie.

Zwei Freiwillige kommen, suchen eine Straße.

Marc Grüttner bittet sie, hierzubleiben.

Wenn ihr euch nützlich machen könnt, in dem Karree,

das wäre das Allergünstigste.

Sein nächster Anlaufpunkt von Marc Grüttner:

Das Helferbüro in der Gemeinde Kreuzberg.

Vor zwei Wochen hat er es aufgebaut.

Hier werden sehnlichst die Getränke für die Baggerfahrer erwartet.

Eine Woche haben Timo und seine Freunde mitgeholfen,

haben für die Bewohner Listen mit Ansprechpartnern erstellt.

Die wichtigste Erfahrung ist das Sprechen mit den Anwohnern.

Wenn man eine ganze Woche da ist - irgendwann kennen die einen.

Vor allem: die Dankbarkeit der Anwohner.

Marc Grüttner will bleiben, bis andere sind da sind,

die seinen Koordinationsjob übernehmen.

Wenn ein kleiner Teil Verzweiflung sich in Hoffnung umkehrt,

dann, glaubt er, hat der Einsatz Sinn ergeben.

Spenden für die Flutopfer können Sie bei der Aktion Deutschland Hilft.

Kleine Gebirgsbäche, die zu reißenden Strömen werden:

Das droht Berlin eher nicht, die Stadt ist weitgehend flach.

Aber Starkregen richtet dort regelmäßig Flutschäden an.

Jetzt will Berlin wie ein Schwamm werden,

Wassermassen buchstäblich aufsaugen.

"Schwammstadt" heißt das Konzept.

Wannenförmige Grünflächen, Gründächer oder Teiche

sollen Regenwasser speichern, ehe es versickert oder verdunstet.

Senat und Wasserbetriebe haben 2018 eine Regenwasseragentur gegründet,

die Planer und Bauherren berät.

Über diese Vorreiterrolle berichtet Ole Hilgert.

Auf den ersten Blick sieht es nur schön aus,

das Wasserspiel in einem Berliner Neubaugebiet.

Aber hier fließt Regenwasser,

aufgefangen in Teichen, gereinigt durch Pflanzenbewuchs.

Ein Biotop, das im Sommer das Wohnquartier kühlen soll.

Das Regenwasser wird im Kreislauf geführt,

von einem Becken zum nächsten und zurück.

Über die Wasserspiele wird es mit Sauerstoff angereichert.

So wird das System aufrechterhalten.

Darla Nickel leitet die Berliner Regenwasseragentur.

Sie berät Bauprojekte, Behörden und Architekten

im Auftrag von Stadt und Wasserbetrieben.

Berlin soll zur "Schwammstadt" werden.

Das heißt, der Regen wird dort gespeichert, versickert, verdunstet,

wo er fällt, und nicht erst in Kanalisationssysteme geleitet,

die letztlich in die Gewässer fließen.

Berlin gilt eigentlich als Trockengebiet.

Regenwasser-Management soll v.a. diesen Wassermangel ausgleichen.

Wir müssen den natürlichen Wasserhaushalt wieder stärken,

dass wir mehr Regenwasser haben für die Vegetation.

Und das andere Problem in Berlin

ist eine historisch gewachsene Mischwasserkanalisation.

Die kann nicht in dem Maße wachsen, wie in Berlin gebaut wird.

Das führt nach Starkregen immer öfter zum Kollaps des Abwassersystems

mit Überflutungen ganzer Straßenzüge.

Ein Mittel dagegen sind unterirdische Auffangbecken als Zwischenspeicher.

Das Schwammstadt-Prinzip aber will den Regen ins Stadtklima integrieren,

etwa durch begrünte Dächer wie auf diesem Forschungsgebäude.

So ein Dach hält 50 Prozent des Jahresniederschlages zurück.

Das ist sehr viel.

Wären 50 Prozent der Dächer so ausgestattet,

wäre das kein Tropfen auf den heißen Stein.

Auch auf der Straße soll Regenwasser aufgefangen werden,

ganz unscheinbar, mit Mulden statt Gullys.

Hier kann das Regenwasser von der Straße versickert werden,

gelangt so in den Boden und trägt zur Grundwasserneubildung bei.

Für Neubauprojekte hat Berlin Vorgaben:

Regenwasser muss auf dem Grundstück versickern oder verdunsten -

nur wenig darf in die Kanalisation.

Ein kleiner Schritt auf dem langen Weg zur Schwammstadt.

Wie muss sich die Städte- und Häuserplanung

in Zeiten des Klimawandels anpassen?

Darüber habe ich gesprochen mit der Bauingenieurin Lamia Messari-Becker,

Expertin für nachhaltiges Bauen an der Uni Siegen.

Guten Abend, Frau Messari-Becker. Ich grüße Sie.

Der Regen soll da bleiben, wo er fällt.

Wie revolutionär ist dieser Ansatz der Schwammstadt?

Es ist nicht wirklich revolutionär.

Aber es wird endlich darüber diskutiert,

wie wir gegen drei Phänomene ankämpfen müssen:

Stürme, Starkregen und Hitze.

Die Schwammstadt ist ein Aspekt dessen:

Auf Wasser sensibel zu reagieren, Wasser möglichst lange zu speichern,

bis es in die Kanalisation gegeben wird.

Es geht immer um einen Mix an Maßnahmen am Gebäude,

z.B. aktive Gründächer.

Im Außenraum Mulden, Rückzugsflächen für Wasser.

Auf Stadtebene Kanalisation, Wasserbecken.

Liegt eine Stadt am Wasser,

geht es auch um Deichbau und unterirdische Becken.

Die Anpassung ist die Zukunft.

Was heißt das konkret für Siedlungs- und Städtebau?

Konkret heißt das, dass wir in der Siedlungs- und Baupolitik

viel mehr Flächen- und Wassermanagement betreiben müssen.

Fläche war immer Zankapfel der Stadt- und Raumplanung.

Es geht darum, dass wir Fläche fürs Wohnen,

für erneuerbare Energien und Industrie nutzen müssen.

Fläche als nicht vermehrbare Ressource muss koordiniert werden.

Auch um bei Naturkatastrophen für die Infrastruktur zu sorgen,

die man braucht, um den Schaden zu minimieren.

Fläche muss man zentral koordinieren,

zusammen mit den Kommunen.

Es kann nicht darum gehen,

z.B. in Überschwemmungsgebieten Ausnahmegenehmigungen zu erteilen.

Davon müssen wir wegkommen.

Findet diese Koordination statt, damit Fläche klug genutzt wird?

Oder ist da Luft nach oben?

Da ist Luft nach oben.

Koordinierung findet so gut wie nicht statt.

Wir haben auf der einen Seite Flächenverbrauchs-Reduktionsziele

der Bundesregierung.

Aber auf kommunaler Ebene

erleben wir immer mehr Flächenverbrauch.

Es geht in der Zukunft darum, die Kommunen in die Lage zu versetzen,

Gewerbe- und Industrieflächen so zu entwickeln,

dass sie nicht automatisch in die Außenentwicklung gehen.

Es geht darum, den Bestand klug zu nutzen.

Wir haben in Deutschland ein Baurecht,

aber kaum ein Umbaurecht.

Wir müssen auch in der Wohnfläche Konzepte realisieren,

die Grundrissteilbarkeit und Wohntauschbörsen zulassen.

Angemessene Aufstockungen et cetera.

Damit wir die Fläche für alle möglichen Ziele nutzen können.

Also nicht immer weiter die Städte außen wachsen lassen,

sondern gucken: Wie kann man umbauen?

Aber da wird es weiter Streitigkeiten geben.

Die einen wollen Flächen,

die anderen wollen Flächen öffnen für den Klimaschutz.

Richtig.

Es geht aber am Ende darum, durch Flächeneffizienz

all diese Ziele im Interessenausgleich zu erreichen.

Wir haben zum Beispiel eine Dachfläche nur einmal.

Entweder ist sie für Photovoltaik oder für Gründach oder für beides.

Wir haben in der Landwirtschaft auch Flächenbedarf.

Zugleich haben wir in der Flutkatastrophe gesehen,

wir haben auch Flächenbedarf als Rückzugsraum für Wasser.

Wir brauchen auch mehr Wohnraum.

Aber es geht darum,

das Flächenmanagement zu koordinieren.

Damit wir all diese Ziele im Interessenausgleich

erreichen können.

Ohne weiter zu versiegeln und ohne chaotische Außenentwicklung.

Es kann ja nicht sein, dass man außenentwickelt

ohne Infrastruktur, ohne Mobilität.

Da fahren die Leute mit dem Auto in die Stadt.

Es muss alles zusammenpassen, vom Gebäude

übers Außenraumquartier bis hin in Stadt und Landschaften.

Die Flutkatastrophe: Was würden Sie den Menschen dort raten?

Macht es Sinn, die Ortschaften wieder nah am Fluss aufzubauen?

Das ist 'ne sehr sensible Frage.

Wenn wir über Bebauung sprechen, sprechen wir auch über Heimat,

die den Menschen verloren gegangen ist.

Meine Aufgabe als Bauingenieurin ist, darauf hinzuweisen,

dass es jetzt nicht darum geht, eins zu eins wieder aufzubauen.

Es geht nicht um eine Reparatur der Häuser und Straßen.

Es geht um einen Neubeginn.

Das A und O wird sein, dass man Schutzinfrastruktur vorsieht,

dass man Abstände einhält und Rückzugsräume.

Erst wenn das nicht geht,

kann man über andere Platzierungen sprechen.

Wir brauchen jetzt Konzepte von Ingenieurinnen und Ingenieuren.

Die Konzepte gibt es,

aber die müssen jetzt in die Breite gebracht werden.

Das ist mein Appell an die Politik.

Wir haben lange genug über Klimawandel diskutiert.

Jetzt geht es darum, unsere bebaute Umwelt anzupassen.

Die Flutkatastrophe hat uns gezeigt, was es heißt, wenn man nicht

auf solche Katastrophen gut genug vorbereitet ist.

Frau Messari-Becker, vielen Dank.

Ich danke Ihnen.

Wie in Zeiten der Wetterextreme umweltgerecht gebaut werden muss,

dazu hat Paul Pietraß vom MDR diese Meinung:

Es soll wohl klingen wie eine gute Nachricht:

"Das Tempo des Flächen-Neuverbrauchs geht zurück."

So berichtet das Umweltbundesamt im Mai

zur Versieglung unseres Landes für Gebäude und Verkehr.

Die Versiegelung schade dem Boden und begünstige Hochwasser, steht da.

Aber, Moment mal:

Nur das Tempo beim Zuwachs geht zurück?

Nicht die zubetonierte Fläche?

Ja, noch immer baut Deutschland

jeden Tag etwa 50 Hektar wasserdurchlässige Fläche zu.

Die Regierung streitet darüber, ob ihre neuen Baugesetze

den Flächenverbrauch wieder steigern werden.

Das Ziel, zumindest unter 30 Hektar am Tag zu kommen,

musste die Regierung um zehn Jahre verschieben.

Um unsere Städte fit zu machen für Folgen des Klimawandels, bräuchte es:

Weniger versiegelte Böden, nicht mehr.

Unsere Städte müssen schwammiger werden.

Durchlässiger für Wassermassen bei häufiger werdenden Starkregen,

resistenter gegen Hitzewellen.

Nur dann bleiben sie sicher und lebenswert.

Gut, dass erste Städte gegensteuern.

Berlin will Schwammstadt werden.

Für Neubauten gilt jetzt:

Es darf nur so viel Regenwasser in die Kanalisation fließen,

wie es ohne Bebauung gewesen wäre.

Solange das nur für Neubauten gilt,

wird die Schwammstadt ein Schwämmchen bleiben.

Für eine echte Wende zur klimafolgengerechten Stadt

müssten wir an Altbauten ran, an die Parkflächen für unsere Autos.

Noch ist die Lobby des "Weiter so" bei uns allen stärker als Einsicht

und als der Schrecken nach der jeweils letzten Katastrophe.

Diese Wende zu weniger versiegelter Fläche

hat sich die Bundesregierung erst für 2050 vorgenommen.

Wer die jüngsten Schäden gesehen hat, kann wissen: keine gute Nachricht.

Das ist zu spät.

Die Meinung von Paul Pietraß.

Die Zahl der Corona-Infektionen steigt schneller als letzten Sommer.

Weitere Nachrichten mit Thorsten Schröder.

Das RKI weist darauf hin:

Der Anstieg habe trotz Impfungen früher begonnen

und sei stärker als 2020.

Damals stieg die Inzidenz über den ganzen Monat Juli auf 5,1.

2021 erhöhte sie sich im selben Zeitraum auf 17,5.

Betroffen sind vor allem Junge im Alter von 10 bis 34 Jahren.

Das RKI hat 3448 neue Fälle binnen eines Tages erfasst,

fast 1000 mehr als am vorigen Freitag.

Die Sieben-Tage-Inzidenz stieg auf 20,4.

Sie sich innerhalb eines Monats vervierfacht.

Wegen steigender Corona-Zahlen in Frankreich

stuft Deutschland einige Regionen als Hoch-Risikogebiet ein.

Das gilt ab Sonntag für Okzitanien und Provence-Alpes-Cote d'Azur

und für Korsika.

Nicht geimpfte oder genesene Reiserückkehrer

müssen in Deutschland dann in Quarantäne.

Ein Frei-Testen ist frühestens nach fünf Tagen möglich.

Aufgehoben wird diese Regel, auch ab Sonntag, für Menschen,

die aus den Niederlanden nach Deutschland einreisen.

Mit einer Schweigeminute wurde in Hiroshima an die Opfer

des Atombombenabwurfs durch die US-Armee vor 76 Jahren erinnert.

Der Bürgermeister rief dazu auf, den Wandel von atomarer Abschreckung

zum vertrauensbildenden Dialog zu vollziehen.

Wegen Corona fand das Gedenken in kleinem Rahmen statt.

Bei den Olympischen Spielen in Tokio

gab es trotz Bitte aus Hiroshima keine Schweigeminute.

Früh übt sich, wer ein Meister werden will.

Das sagt sich bei den Schwimmern derzeit leichter, als es ist:

Zehntausende Kinder

konnten pandemiebedingt nicht schwimmen lernen.

Die Schwimmbäder waren über Monate geschlossen,

Kurse fielen reihenweise aus.

Um eine Generation Nichtschwimmer zu verhindern,

wird jetzt gegengesteuert.

Auch viele Ehrenamtliche zeigen den Neulingen,

wie man den Kopf über Wasser hält.

Zum Beispiel in Prora auf Rügen,

wo unser Mittendrin-Team dabei sein durfte.

Susann Moll.

Toi, toi, toi, das sieht gut aus!

Zehn Meter tauchen -

für das Schwimmabzeichen in Silber müssen die Kinder das können.

Es muss nicht jeder das Schwimmabzeichen machen.

Aber wenn eine Welle kommt und ich sag zu dem,

"du kannst zur Leine gehen":

Dann will ich mich drauf verlassen können,

das Kind kommt wieder zurück, weil es sich sicher im Wasser bewegt.

Dann ist schon eine Menge getan.

Mehr als 300 Kindern hat er hier auf Rügen bereits beigebracht,

sich sicher im Wasser zu bewegen.

Mike Groß ist seit über zehn Jahren bei der DLRG.

Bevor sie ins tiefe Wasser gehen, müssen die Bewegungen sitzen.

Die Mädchen und Jungen

haben sie am Strand von Prora immer wieder geübt.

Ich hab besseres Schwimmen gelernt, Rückenschwimmen, Hechtsprünge.

Ich nehm Erfahrung im Tauchen mit.

Ich hab die Beinübung und die Armbewegungen gelernt.

Und jetzt kann ich schon so weit richtig gut schwimmen mit Gürtel.

Die Scheu vor dem Wasser verlieren - auch das ist Teil des Kurses.

Claudia Groß unterstützt ihren Mann.

Sie sollen Respekt haben vor dem Wasser,

aber sich wohlfühlen, keine Angst haben.

Wasser trägt mich.

Das ist die Übung fürs Rückenschwimmen:

Dass sie mit totem Mann und Poolnudel

das Gefühl haben, Wasser trägt.

Dann brauch ich nur die Bewegung dazu

und muss keine Angst haben.

Wie bleibt man sicher über Wasser?

Arme lang machen!

Das wollen sie den Kindern beibringen.

Statt in den Urlaub zu fahren, widmen sie sich dieser Aufgabe -

alles ehrenamtlich.

Wir leben an der Küste.

Und wir möchten, dass alle Kinder an der Küste schwimmen können,

weil es so wichtig ist.

Bevor Kinder ertrinken.

Viele Eltern kommen in den Urlaub, ihre Kinder können nicht schwimmen.

Es ist traurig, wenn man in den Nachrichten hört:

Wieder ein Kind ertrunken.

Deshalb ist uns das so wichtig, dass die Kinder hier schwimmen können.

Das Land Mecklenburg-Vorpommern unterstützt das.

Allein der DLRG-Landesverband hat 25.000 Euro bekommen,

damit mehr als 400 Kinder im Sommer schwimmen lernen.

Ein Ausgleich nach der Corona-Zwangspause.

Es geht schwerpunktmäßig darum, dass wir in den letzten zwei Jahren

nur 30 Prozent der Schwimmausbildung haben machen können.

Schwimmbäder waren geschlossen.

So können wir zusätzliche Kurse anbieten,

auch wie hier am Freiwasser.

Aber das ist ein guter und ein schöner Tropfen,

aber aufn heißen Stein.

Solange es die Temperaturen zulassen, können die Kinder in der Ostsee üben.

Dafür braucht es Ehrenamtler wie das Ehepaar Groß.

Diesen Sommer haben sie 100 Kindern auf Rügen das Schwimmen beigebracht.

Die Olympischen Spiele von Tokio neigen sich dem Ende zu.

Auch am drittletzten Tag gab es wieder tolle Momente.

Aber, Andreas Käckell:

Ein Moment hat für Diskussionen gesorgt.

Ja, und beteiligt war die Fünfkämpferin Annika Schleu.

Vor dem Springreiten lag die Berlinerin noch in Führung.

Aber wie üblich in diesem Sport

bekam sie das Pferd einer Konkurrentin zugelost.

Das verweigerte sich.

Und zwar viermal, was zur Disqualifikation führte.

Der Traum von der Medaille war dahin.

So weit, so traurig.

Zu Diskussionen führte das Verhalten der verzweifelten Reiterin,

die mit der Gerte das unwillige Pferd zum Springen bewegen wollte.

Wer diese Bilder sieht, spürt: Hier stimmt was nicht.

Annika Schleu auf dem Weg zu Gold im Modernen Fünfkampf,

nur ihr Pferd Saint Boy ist dagegen.

Weil sich Reiterin und Pferd nicht kennen.

Weil das Pferd verweigert, weil Schleu keine Berufsreiterin ist,

das zugeloste, verunsicherte Pferd laut Reglement aber nehmen muss.

Saint Boy verweigert viermal, der Gold-Traum ist geplatzt.

Man möchte als Zuschauer glauben, dass es immer so ist.

Aber die Erfolge, die wir sonst feiern, sprechen dagegen.

Eigentlich sind wir Deutschen als gute und einfühlsame Reiter bekannt.

Verzweifelt ruft ihre Trainerin:

Hau richtig drauf!

Viele Zuschauer*innen reagieren prompt:

"Pferde hauen – geht gar nicht."

"Athletin und Trainerin gehören disqualifiziert."

Im Modernen Fünfkampf ist Reiten eine von fünf Disziplinen.

Schleu liegt nach Fechten und Schwimmen in Führung.

Im Reitparcours hat sie 20 Minuten, um sich an Saint Boy zu gewöhnen.

Profis haben dafür jahrelang Zeit.

Aber sie muss das Pferd nehmen,

das schon mal verweigert hat, bei einer anderen Reiterin.

Es ist ungehorsam und überfordert.

Es ist es unerträglich, mitanzusehen, wie Schleu die Nerven verliert -

und wie sie das Pferd behandelt.

Die Deutsche Reiterliche Vereinigung spricht

von einer überforderten Reiterin und einem überforderten Pferd.

Der Deutsche Olympische Sportbund plädiert für eine Regeländerung.

Ebenso Isabell Werth, siebenmalige Dressur-Olympiasiegerin:

Kritiker sagen, das Reglement sei eine Zumutung.

Vorschläge gibt es viele:

Sie kann ihr Pferd mitbringen,

oder man streicht das Reiten aus dem Modernen Fünfkampf.

Sportlerin und Pferd können einem leidtun.

Aber diese Bilder braucht kein Mensch.

Werbung für Olympia sind sie sicher nicht.

Damit zu einem, der ein glücklicheres Bild abgab:

Jonathan Hilbert hatten selbst Gehsport-Experten

nicht unter den ersten zehn auf der 50-km-Strecke erwartet.

Aber denkste!

Er gewann Silber und sorgte danach für die nächsten Gänsehaut-Momente.

Erschöpft nach 50 km Gehen im Glutofen Sapporo,

aber überglücklich mit der Deutschlandfahne:

Jonathan Hilbert (26) am Ziel seiner Träume.

Überraschend hat der Erfurter Silber gewonnen.

Hätte das einer vor dem Rennen gesagt,

dem hätt ich - Entschuldigung - 'nen Vogel gezeigt.

Ich hätte den Kopf geschüttelt: "Nie im Leben!"

Aber ich hätt's mitgenommen, klar.

Es ist ein Kampf gegen die Konkurrenz und gegen die Hitze.

Die Geher sind extra um 5.30 Uhr Ortszeit gestartet

und 800 km nach Sapporo geflüchtet, wo es kühler sein soll.

Aber viele müssen aufgeben, manche werden mit dem Rollstuhl abgeholt.

Extreme Bedingungen - auch medizinisch bedenklich.

Wir haben 32 Grad, 55 Prozent Luftfeuchtigkeit.

Das ist eine sehr große Belastung für die Athleten.

Hilbert kämpft erfolgreich gegen alle Widrigkeiten.

Drei Monate hatte er nicht trainiert wegen einer Schambeinentzündung.

Und jetzt holt er Silber - der Dank geht an seine Freundin.

Sie hat mich immer aufgebaut, ist immer an meiner Seite.

Wir haben jeden Tag ... Mir ging's nicht so gut.

Wir haben jeden Tag gefacetimt, drei, vier Stunden.

Sie hat sich Zeit genommen und geschaut, dass es mir gut geht.

Das ist auch für dich, Anna!

Große Emotionen nach einem Wettkampf, bei dem Schweiß floss,

aber auch Tränen des Glücks.

Eine andere Überraschung ist leider ausgeblieben:

Die Tischtennis-Herren

verloren das Finale gegen übermächtige Chinesen mit 0:3.

Auch wenn die Enttäuschung

erst mal tief saß bei Ovtcharov, Boll und Franziska:

Bei der Siegerehrung dürfte die Freude überwogen haben

über die zweite deutsche Tischtennis-Medaille in Tokio.

Es ist die Verneigung vor der Perfektion:

Timo Boll huldigt Ma Long, dem weltbesten Tischtennisspieler.

Mit 40 Jahren versucht Boll,

den chinesischen Künstler herauszufordern.

Das Mannschaftsfinale wird zum Spektakel.

Boll muss gewinnen, sonst ist Gold weg.

Aber Ma Long spielt in einer eigenen Liga.

Was für ein Ballwechsel!

Der Olympiasieger mit dem besseren Ende.

Mit 40 bin ich nicht mehr ganz so geschmeidig.

Im ersten Satz hat der Touch gefehlt.

Da kommt 'ne Menge Qualität.

Er spielt sehr präzise.

Er ist nicht umsonst zweifacher Einzel-Olympiasieger.

Schon beim Auftakt zeigt Ma Long mit seinem Partner,

dass er den Kampf nicht spannend machen will.

Glatter Sieg gegen Boll und Franziska.

Alle Hoffnungen ruhen auf Ovtcharov - ihn fürchten die Chinesen.

In seinem Einzel führt der Bronzemedaillengewinner.

Dann geht ihm die Kraft aus.

Der fünfte Satz geht verloren,

China braucht nur noch einen Sieg zum Gold.

Bei 1:1 hat Timo noch mal mehr Chancen gegen Ma Long.

Es ist schade, ich war dicht dran.

Ein, zwei Sekunden war die Konzentration weg.

Boll gewinnt einen Satz gegen das Genie Ma Long.

Allein das ist ein Erfolg.

Aber dann macht Ma Long Ernst und holt den letzten Punkt zum Gold.

Chinas Team bleibt ungeschlagen.

Aber Silber ist auch schön.

Und für Boll

der erfolgreiche Abschluss seiner sechsten Spiele.

Weniger erfolgreich die Sprintstaffeln:

Das Männerquartett des DLV

erreichte Platz 6 im Finale über 4x100 Meter.

Gold ging an Italien,

das damit die Nachfolge von Jamaika um Superstar Usain Bolt antritt.

Bei den Frauen landete die deutsche Staffel auf Rang 5.

Der Sieg ging an Jamaika.

Wir wissen nicht, wie die Sprinter zu Hause empfangen werden

in den nächsten Tagen.

Aber wir wünschen ihnen eine ähnlich liebevoll gestaltete Rückkehr,

wie sie Mandy hatte:

Das Pferd von Julia Krajewski, Vielseitigkeits-Olympiasiegerin,

durfte im heimischen Warendorf an gleich ans Möhren-Apfel-Büffet.

Und dann war nur noch Wellness nach Pferdeart angesagt.

Aber so was von verdient nach der Supervorstellung!

Ob's für den Rest von uns Wellness-Wetter gibt,

weiß Karsten Schwanke.

Wie sind die Aussichten?

Ich hab zu wenige Möhren und Äpfel gefressen.

Die Aussichten sehen rosig aus für Pflanzen.

Es gibt viel Regen, vor allem im Norden und Süden.

In der Mitte kann es auch mal trocken sein.

Am Sonntag wird es Sonne geben.

Aber wichtig:

Morgen Abend ziehen kräftige Gewitter am Alpenrand entlang.

Es kann Orkanböen geben.

Morgen zwischen 18 und 20 Uhr.

Heute Nacht einzelne Schauer im Norden.

Morgen Vormittag kommen Wolken mit Regen im Südwesten an.

Davor entwickeln sich die Gewitter am Alpenrand.

Im Nordwesten ein bisschen Aprilwetter.

Die Temperaturen:

Am Sonntag im Nordwesten und Süden noch etwas Regen.

Am Montag schon trockener und sonniger.

Nur wenige Schauer im Nordwesten.

Ab Dienstag wird es wärmer.

Vielen Dank, Karsten.

Das waren die tagesthemen.

Hier folgt ein Tatort aus Bremen.

Wir sind morgen wieder da.

Bis dahin tschüss, und bleiben Sie zuversichtlich!

Copyright Untertitel: NDR 2021