Pandemie in Brasilien: Was macht die Virusmutation P.1 so gefährlich?
Januar 2021: In einem überfüllten
Krankenhaus in Manaus wird der Sauerstoff zum Beatmen
von Covid-Patienten knapp.
Angehörige sind verzweifelt.
Wer es sich leisten kann, kauft sich den Sauerstoff privat.
Für Osmar Maghalaes war
kein Krankenhausbett mehr frei.
Also besorgten seine Kinder eine der grünen Flaschen auf
dem Schwarzmarkt.
Pflege, Sauerstoff, Physiotherapie: Alles ist
privat organisiert.
Die zweite Corona-Welle traf Manaus mit Wucht, das
Gesundheitssystem hielt nicht stand.
Eine neue Virusvariante hatte die Lage extrem verschärft.
P.1 heißt die Mutation, die offenbar Ende 2020
erstmals in Manaus auftrat.
Von Brasilien hat sich P.1 inzwischen in mehr als 35
Länder verbreitet.
In Deutschland wurde sie Ende Januar erstmals nachgewiesen.
Es ist kein Zufall, dass sich die brasilianische Mutation
in einem extremen Hotspot wie Manaus durchsetzen konnte.
In Manaus gab es jetzt zwei Faktoren, die dazu beigetragen
haben, dass diese neue Mutante entstanden
ist. Das eine ist, dass es eben sehr, sehr viele
Infektionen gab. Das Virus ist nahezu ungebremst durch die
Gesellschaft gelaufen, deshalb hat sich ein Großteil schon
in der ersten Welle infiziert.
Und mit jeder Infektion besteht eben das Risiko, dass
sich das Virus verändert, weil es sich nur in
einem lebenden Organismus kopieren kann und beim Kopieren
eben die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass sich genetische
Veränderungen einschleichen.
Und das hatte man eben sehr häufig in Manaus.
Und der zweite Faktor ist, dass durch diese hohe
Infektionsrate in der ersten Welle der evolutionäre
Druck auf das Virus groß war, sich
dahingehend zu verändern, dass es aggressiver
wird.
Heute ist P.1 im Bundesstaat Amazonas die dominierende
Virusmutation.
Als Reaktion auf die neue Variante verschärften viele
brasilianische Bundesstaaten die Corona- Einschränkungen.
Das ganze Land verzeichnet steigende Fall- und Totenzahlen.
Insgesamt sind in Brasilien inzwischen mehr als 300.000
Menschen im Zusammenhang mit dem Corona Virus gestorben.
Eine Ursache für den derzeitigen Anstieg ist P.1.
Das Besondere an der P1 Mutante, aber auch an der
britischen Mutante ist, dass die Mutationen im
Spike-Protein haben, also genetische Veränderungen im
Spike-Protein, und mit diesem Protein dockt das Virus an
Körperzellen an und verschafft sich Eintritt.
Und das sind eben auch die Proteine,
auf die die Impfstoffe abzielen und eben
sehr wichtige Proteine.
Man nennt die Schlüsselproteine, und wenn es daran
Veränderungen gibt, dann gibt es auch Veränderungen an der
Art, wie das Virus in den Körper eindringt.
Also, es gibt noch einige Unsicherheiten
mit Blick auf die Besonderheiten von P.1.
zum Beispiel weiß man noch nicht so genau, ob
es zu viel schwereren Krankheitsverläufen oder tödlicheren
Krankheitsverläufen führt.
Was man aber mit hoher Sicherheit sagen kann, ist, dass es
eben sehr viel ansteckender ist als die Ursprungsvariante
des Virus und sehr wahrscheinlich auch nochmal deutlich
ansteckender als die Variante B.1.1.7, die zuerst
in Großbritannien aufgetreten ist und die jetzt in
Deutschland auch schon die Oberhand gewonnen hat.
Die deutschen Gesundheitsämter haben die brasilianische
Variante im Blick.
Derzeit spielt aber die britische Variante B.1.1.7
die Hauptrolle.
Das heißt, wir können davon ausgehen, wenn in 14 Tagen etwa
die Mutation fast alle Wildtyp-, also
Ursprungstymutationen
verdrängt hat, dass wir dann in einen R-wert übergehen von
1,3.
Das würde eine Verdopplung der Fallzahlen im
Abstand von etwa zehn bis 14
Tagen bedeuten.
B117 macht inzwischen rund 71 Prozent
der Positivtests in Deutschland aus, der Wildtyp
rund 27 Prozent, die südafrikanische Variante
ein Prozent und P.1 weniger als ein Prozent.
Die gute Nachricht: Gegen alle Mutationen wirken die
Impfstoffe, wenn auch zum Teil nicht so gut wie gegen den
Wildtyp. Die schlechte Nachricht:.
Also das Virus wird sich in jedem Fall weiter
verändern. Und damit besteht eben auch das Risiko,
dass sich noch weitere Mutationen ausbilden, die sie
noch problematischer machen und eben dazu führen, dass
das Virus möglicherweise dann zu deutlich schwereren
Verläufen führt. Und es könnte eben auch dazu führen,
dass der Impfschutz dann wirklich so unwirksam wird, dass
er uns nicht mehr nutzt. Vielleicht kann man sich das
tatsächlich so ein bisschen vorstellen, als wäre man in
einem Wettlauf mit dem Virus.
Also wenn man schnell genug impft, dann
kann man das Risiko reduzieren.
Aber wenn man natürlich relativ lange braucht, gibt man dem
Virus parallel immer die Möglichkeit, sich so zu verändern,
dass er dann den Impfschutz auch umgehen kann.
In Indien wurde eine weitere Virusvariante entdeckt, die
potenziell gefährlich ist.
Dort ist eine Doppelmutante aufgetaucht, die aus der
Kombination der britischen und der südafrikanischen
Virusvariante besteht.
Das wirksamste Mittel gegen die Mutationen sind niedrige
Fallzahlen. Doch die gibt es derzeit in den wenigsten
Ländern. Auch in Brasilien ist dieses Ziel noch nicht
erreicht.
In einer Klinik in Rio versucht dieser Geiger die Pandemie
und die Gefahr durch Virusmutationen für die
Krankenhausangestellten und Patienten wenigstens für einen
kurzen Moment vergessen zu machen.