heute journal vom 26. Mai 2022 - neue Globalisierung
Diese Untertitel sind live produziert.
Und jetzt, das "heute journal" mit Marietta Slomka und Heinz Wolf.
Guten Abend, im Donbas läuft es nicht gut
für die ukrainischen Truppen.
Umso drängender die Rufe um Hilfe.
Und natürlich richten sich da die Blicke wieder auf Deutschland,
eines der größten Industrieländer,
mit einer der größten Rüstungsindustrien,
eine europäische Großmacht, die besonders enge Beziehungen
zu Russland pflegte.
Das und die von vielen als zögerlich empfundene Reaktion auf den Krieg
hat die deutsche Außenpolitik in eine mißliche Lage gebracht.
In der Ukraine, in Osteuropa, im Baltikum ist inzwischen offen
von Vertrauensverlust die Rede.
Vor dem Hintergrund trat heute der Bundeskanzler in Davos auf.
Anne Gellinek berichtet.
Es ist vielleicht ein Zufall des Kalenders,
aber irgendwie auch symbolisch,
dass der Kanzler als Letzter kommt zum Weltwirtschaftsforum.
Der Ukraine-Krieg hat das Treffen der Elite aus Wirtschaft, Finanzwelt
und Politik fünf Tage lang beherrscht, das Rätselraten
über die Kommunikation der deutschen Regierung zu Waffenlieferungen auch.
Scholz tut so, als gäbe es keine Debatte
über die Verschleppungstaktik der Deutschen, und
arbeitet sich stattdessen an Putin ab.
Deshalb ist unser Ziel ganz klar, Putin darf seinen Krieg
nicht gewinnen und ich bin überzeugt,
er wird ihn nicht gewinnen,
schon jetzt hat er all seine strategischen Ziele verfehlt.
Die Ukrainer dagegen sind mit einer riesigen Delegation
in die Schweizer Berge gereist und bespielen das Davoser Forum virtuos.
Videoschalten mit dem Präsidenten,
die Klitschko-Brüder mit emotionalen Auftritten.
Höhepunkt ist ein Treffen zwischen rund 50 internationalen Firmenchefs
mit ukrainischen Vertretern samt Premier- und Außenminister,
es geht um den Wiederaufbau des Landes.
Außenminister Kuleba sagt, er wolle nicht mehr
über Waffenlieferungen reden, tut es aber natürlich trotzdem.
Wir haben inzwischen verstanden, dass Deutschland
nicht das Land sein wird, das eine Führungsrolle
bei den Waffenlieferungen übernehmen wird,
aber klar ist auch, wenn wir keine schwere Waffen bekommen,
werden wir getötet.
Olaf Scholz versucht bei seinem Auftritt die Aufmerksamkeit
auf das eigentliche Thema zu lenken, die Weltwirtschaft, Lieferketten,
Globalisierung.
Kritik an China wegen der Menschenrechtsverletzungen
an den Uiguren, ja, aber einen Rückbau der Globalisierung
könne es nicht geben.
Um es ganz klar zu sagen: die De-Globalisierung ist ein Holzweg.
Sie wird nicht funktionieren.
Der Appell, europäische Werte künftig über die Profite zu stellen,
verhallt in den Gängen des Davoser Kongresszentrums
weitgehend ungehört.
Ein Firmenchef, dessen Konzern in China viel Geld verdient,
setzt auf das Prinzip Hoffnung.
Handel und Kommunikation und Aktivitäten in den anderen Ländern
führen dazu, dass wir vielleicht ne Chance haben, die anderen Länder
in diese Richtung zu bewegen.
China hat sich schon viel geöffnet, es geht sicher auch in Wellen,
China wird sich wieder öffnen.
Das Wegbrechen alter Gewissheiten hat die Teilnehmer
des Davoser Treffens dieses Jahr nervös gemacht.
Die Weltlage - schwierig wie nie, die zu lösenden Probleme auch.
Der Kanzler kam spät, aber das ist ja vielleicht
nur ein Zufall des Kalenders.
Anne Gellinek, wie wurde die Rede von Scholz aufgenommen?
Neuigkeiten hatte er ja eher nicht im Gepäck.
Nein, Olaf Scholz hat einen breiten Bogen in seiner Rede geschlagen.
Er hat meiner Einschätzung nach eine Chance vertan,
einem internationalen Publikum
und auch der großen ukrainischen Delegation seine Politik
zu erklären.
Wir haben mit vielen Menschen hier gesprochen
und viele waren sehr erstaunt darüber,
dass so ein großes unwichtiges Land wie Deutschland so vertrocknet
und chaotisch beim Thema Waffenlieferungen kommuniziert. Sie
hatten klare Ansagen heute von Olaf Scholz erwartet.
Die blieb er schuldig.
Er hat das Thema sofort ignoriert.
Er hat gesagt, Deutschland liefere Waffen, auch schweres Gerät.
Er hat gesagt, Deutschland liefere Waffen, auch schweres Gerät.
Auf Deutschland ist verlassen.
Aus Osteuropa bleibt die Kritik laut an Deutschland.
Verteidigungsminister Lettlands sagte kürzlich, im Zuge des Ukraine-Krieges
sei im Baltikum das Vertrauen in Deutschland nahe null gerutscht.
Der Ukrainische Außenminister klang ja eben fast so,
als habe er Deutschland abgeschrieben?
Ja ja und Nein.
Beim Thema Waffenlieferungen ist es so,
dass Deutschland auch auf europäischer Ebene
nicht mehr ernst genommen wird.
Der ukrainische Außenminister sagte, es wird ein gewisses
sportliches Interesse entwickelt, weil er möchte, wie er ausgeht. Bei
einem anderen Thema, was im Vordergrund stand, der Wiederaufbau
der Ukraine, da sind die Deutschen nicht abgeschrieben. Da rechnet man
der Ukraine, da sind die Deutschen nicht abgeschrieben. Da rechnet man
mit der starken deutschen Finanzkraft und
mit deutschen Unternehmen.
Vielen Dank, Anne Gellinek.
Die Ukraine kämpft um ihre Unabhängigkeit, um ihr Überleben.
Mit ihr bangen weiter Länder in der Region, die befürchten,
dass sie die nächsten Opfer sein könnten.
Georgien, Moldau.
Und mit der Ukraine bangt auch die Demokratiebewegung in Belarus.
Von Diktator Lukaschenko wurde sie zwar brutal niedergeschlagen,
aber es gibt sie noch.
Manche Belarussen kämpfen jetzt sogar an der Seite ukrainischer Soldaten.
Und immer noch erheben die drei Frauen,
die zum Gesicht der belarussischen Opposition wurden, ihre Stimme.
Zumindest Swetlana Tichanowskaja und Veronika Zepkalo, die im Exil leben.
Die dritte, Maria Kolesnikowa, sitzt weiter im Gefängnis.
Allen dreien wurde heute der Internationale Karlspreis verliehen.
Jena Kwon berichtet.
#FreeKolesnikowa - ein dringender Appell, sie nicht zu vergessen.
Die einzige Preisträgerin, die heute bei der Verleihung
im Aachener Rathaus, nicht dabei sein kann.
Es ist eine Auszeichnung, die auch im Zeichen des Ukraine-Kriegs steht,
sagt die Oppositionspolitikerin Swetlana Tichanowskaja.
Als der Krieg ausbrach,
hat das vieles für die belarussische Bevölkerung verändert.
auch für unseren Kampf.
Jetzt müssen wir nicht nur gegen die Diktatur, Tyrannei
in unserem Land kämpfen, sondern auch an der Seite der Ukraine.
Wir müssen die Ukraine verteidigen, denn unsere Schicksale
sind miteinander verbunden.
Sie wurden zu den bekanntesten Gesichtern
der belarussischen Massenproteste, forderten Lukaschenko heraus
trotz der staatlichen Willkür im autoritärem Regime.
Tichanowskaja, die als Siegerin der umstrittenen Wahl 2020 hervorging,
lebt im Exil, genauso wie ihre Freundin Veronica Zerkalo.
Maria Kolesnikowa hingegen blieb
und wurde zu elf Jahren Lagerhaft verurteilt.
Aus dem Gefängnis in Minsk sendet sie Herzen,
bis heute ihr Markenzeichen.
Beim Karlspreis in Aachen wird sie von ihrer Schwester vertreten.
Ich weiß, dass es für meine Schwester
nicht einfach ist im Gefängnis.
Seit fast 20 Monaten ist sie dort.
Aber sie bleibt stark.
Auch der Vater, Alexander Kolesnikow, ist stolz auf Masha,
wie er seine Tochter nennt.
Sein letzter Besuch im Gefängnis liegt schon Monate zurück
und erinnert ihn daran, wie sehr er seine Tochter vermisst.
Es war schön die Anwesenheit des anderen zu spüren.
Am meisten berührt hat mich ein Kuss durch die Scheiben hindurch
Die nicht zustande gekommene Umarmung fühle ich bis heute.
Briefe sind das einzige Kommunikationsmittel,
das uns geblieben ist.
Eine unglaubliche Geschichte, die über die Grenzen von Belarus hinaus
die Menschen inspiriert.
Außenministerin Annalena Baerbock hält heute in Aachen die Laudation,
würdigt den Mut der drei Frauen.
Euer Mut lässt sich nicht wegsperren
Die Idee der Freiheit kann man nicht ins Exil vertreiben.
Drei belarussische Frauen als Vorbild für viele Menschen,
die heute ein Zeichen setzen, für Frieden in Europa.
Und die Nachrichten beginnen jetzt
mit dem Kriegsgeschehen in der Ukraine.
Russische Truppen haben nach ukrainischen Angaben
mehr als 40 Städte im Donbass angegriffen und
bedrohen damit den letzten großen Fluchtweg für die Zivilbevölkerung
aus dem Osten der Ukraine.
Der ukrainische Präsident Selenskyj erklärte, die russischen Soldaten
seien den eigenen Truppen in einigen Teilen des Ostens
"zahlenmäßig weit überlegen".
Im Gebiet Luhansk sind Siewierodonezk und Lysytschansk offenbar
die letzten großen Städte,
die noch von ukrainischen Truppen gehalten werden.
Die US-Regierung will nach den Worten von Außenminister Blinken
trotz Putins Krieg in der Ukraine auch weiterhin
auf die größte langfristige Herausforderung
für die internationale Ordnung konzentriert bleiben - und
die gehe von der Volksrepublik China aus.
In einer Grundsatzrede zur China-Politik sagte Blinken,
China habe sowohl die Absicht, die internationale Ordnung umzugestalten
und zunehmend auch die wirtschaftliche, diplomatische,
militärische und technologische Macht, um dies zu tun.
Blinken versicherte gleichzeitig,
die USA seien nicht auf einen Konflikt aus.
Das polnische Parlament hat die Abschaffung
der umstrittenen Disziplinarkammer am Obersten Gerichtshof beschlossen.
Die EU-Kommission hatte die Disziplinarkammer als Gefahr
für die Unabhängigkeit der Richter gewertet und die Auflösung gefordert.
Die Parlamentsentscheidung dürfte dann auch Thema sein
beim für kommende Woche geplanten Polen Besuch
von Kommissionspräsidenten von der Leyen.
In Berlin hat ein zweitägiges Treffen der Energie-, Umwelt- und
Klimaminister der G-7 Staaten begonnen.
Deutschland hat derzeit den G-7 Vorsitz.
Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Habeck
warnte davor, Klima- und Energiekrise gegeneinander auszuspielen.
Vielmehr müssten sie gemeinsam gelöst werden.
Und Umweltministerin Lemke sagte, es gebe weder Zeit noch Ressourcen
die Krisen nacheinander zu lösen.
Eine Meldung vom Sport:
Die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft
ist bei der Weltmeisterschaft in Helsinki im Viertelfinale
am Team Tschechiens gescheitert.
Die Mannschaft von Bundestrainer Toni Söderholm verlor mit 1:4.
Jetzt die Wetteraussichten für die kommenden Tage.
Morgen erwartet uns windiges, teils stürmisches Wetter
mit einzelnen Gewittern im Norden und Schauern im Osten.
Sonst bleibt es trocken bei 16 bis 23 Grad.
In den nächsten Tagen ist es überwiegend kühl mit Schauern,
dabei ist es im Süden meist trocken.
12 bis 21 Grad.
Wenn die Party tanztechnisch nicht so richtig in Schwung kommt:
ABBA geht immer.
Also, zumindest ab meiner Generation aufwärts.
Aber Achtung: Bevor sich die Millenials jetzt
milde lächelnd abwenden - diese vier ehrwürdigen Senioren
haben gerade so ziemlich das futuristischste Live-Ding
auf die Bühne gebracht, das man sich vorstellen kann.
Eine digitale Zeitreise zurück in die 70er, mit ABBA-taren.
So richtig vorstellen kann man es sich ja nicht,
aber Andreas Stamm zeigt uns wie das aussieht.
In London ist heute Premiere.
Das schwedische Königspaar im Londoner Eastend –
da kündigt sich Großes an.
Es ist fantastisch, so viele Generationen, jeder liebt ABBA.
Auch die wartenden Fans aus aller Welt wollen die Band.
Werden erhört – erstmals seit Jahrzenten
zeigt sich das Quartett vereint.
Für eine Zeitreise in die eigene Vergangenheit.
Wir sind glücklich, wieder zusammen zu sein, zusammen zu arbeiten.
Wie nach Hause kommen.
Auf dem Weg hierher im Auto, da fühlte es sich an,
als ob wir wieder auf ein Konzert gehen.
Ich bin sehr nervös.
Gleichzeitig sehr aufgeregt.
Und ich habe es noch nicht sehen können.
Zu sehen – eine musikalische Widerauferstehung.
* "SOS" von Abba *
Das erste Konzert seit 40 Jahren.
Die Original-Stimmen.
Ihre Bewegungen.
Alles ABBA.
Alles nur Licht.
Die Helden der 70er-Popmusik konserviert als Hologramme.
Es kreiert die Illusion eines realen Konzerts.
Ich habe bei den Proben Menschen gesehen,
die das völlig gekauft haben.
Die mit den Hologramen eine Abmachung getroffen haben, ja,
ja, ich will glauben, dass Abba wirklich hier sind.
Für die eineinhalbstündige Show.
Was real ist und was nicht verschwimmt völlig.
Ein fast 1000-köpfiges Team hat in fünf Jahren
die Abbatare auferstehen lassen.
Eine digitale Projektion der Band von 1979.
Mit 160 Kameras wurden die Konzertsongs
mit den Originalen wochenlang gefilmt.
Danach digitalisiert, verjüngt, zu einer Show verschmolzen.
Um ein Gefühl zurückzubringen.
400 Millionen verkaufte Alben.
* "Super Trouper" von Abba *
Vier gut gelaunte Schweden aus dem Pop-Olymp.
Bis zum Ende in Tränen Anfang der 80er.
Band aus.
Ehe aus – die beiden Paare lassen sich scheiden.
Privat war es das.
Musikalisch gelingt im vergangenen Herbst
mit dem Album Voyage das Comeback.
Selbst touren wollen sie nie wieder.
Dafür kann die gesamte Halle ab- und andernorts wieder aufgebaut werden.
Sollte die Für-Immer-Jung-Show in London ein Kassenschlager werden.
"Thank you for the music" ist da natürlich der Satz, der fallen muss.
Von uns wars das schon für heute, weiter gehts bei Markus Lanz.
HW: Die nächste "heute Xpress" dann gegen Mitternacht.
Bis morgen, auf Wiedersehen.