Wie gefährlich ist das neue Coronavirus aus China? Wissenschaftlich geprüft
Das neue Coronavirus 2019 sorgt für richtig viel Aufregung. Mittlerweile gibt's sogar schon
verschiedene Verschwörungstheorien dazu, wo das Virus herkommt und ob es vielleicht unter den
Teppich gekehrt wird. Die Frage ist: Wie gefährlich ist das Virus wirklich?
[Intro]
Seit Dezember 2019 gibt es ein neues Coronavirus, was in China viele Menschen betrifft, sodass
sogar ganze Städte unter Quarantäne gestellt wurden und es bestimmt die Nachrichtenlage.
Deswegen ist die große Frage eben: Wie gefährlich ist dieses Virus? Um das aber beurteilen zu
können, gerade in der Situation, die sich täglich zu verändern scheint, da ist es ganz hilfreich,
wenn man ein bisschen wissenschaftliche Hinter- gründe sich anschaut, damit man die Situation
quasi immer wieder auch einordnen kann. Und genau das wollen wir auch hier in diesem Video mit
an die Hand geben. Deswegen wollen wir uns der Frage "Wie gefährlich ist dieses Virus?" von
drei Perspektiven nähern. Also einmal von der biologischen Seite, also mit was für einem Erreger haben wir's hier überhaupt zu tun? Dann von der medizinischen Seitem, also was bedeutet
das jetzt für jeden einzelnen, für die Patienten. Und von der epidemiologischen Seite, also was
Dazu müssen wir uns erst mal fragen: mit was für einem Erreger haben wir's denn hier zu tun?
Das ist nämlich ein Erreger aus der Familie der Coronaviren. Diese Familie von Viren, die heißt
so, weil wenn man die unterm Elektronenmikroskop sich anschaut in 2D, dann sieht man, die haben
so eine Hülle mit wie so kleinen charakteris- tischen Spikes drauf. Und deswegen, das sieht
so ein bisschen aus wie ein Kranz oder eine Krone, dewegen eben lateinisch "corona". Und in der Mitte
in dieser Hülle, da sitzt jetzt quasi das Erbgut, also das Herzstück des Virus, und das ist in dem
Fall ein RNA-Molekül, also ein einzelsträngiges Molekül im Unterschied zur DNA, wie wir die ja
zum Beispiel als Erbgut haben, diesem doppel- strängigen Molekül. Das wird später noch wichtig
sein zu wissen, wenn wir uns die Frage stellen: Wie schnell könnte sich dieses Virus verändern,
wie schnell könnte es mutieren? Diese Coronaviren im Allgemeinen, die sind eigentlich eher bekannt
gewesen als recht harmlose Viren oder also eine recht harmlose Familie von Viren. Die sind
nämlich unter anderem zum Beispiel für die ganz gewöhnliche Erkältung verantwortlich.
Aber deswegen war eben dann auch 2002 die Über- raschung so groß, als Wissenschaftler zum ersten
Mal gesehen haben: Oh je, da gibt's jetzt auch einen Virus aus dieser Familie, der einen
schwerwiegenderen Verlauf hat, sogar auch einen tödlichen Verlauf. Das war nämlich bei SARS der
Fall. SARS steht für Severe Acute Respiratory Syndrome Also eine schwere, akute
Atemwegserkrankung die Frage ist jetzt also: Wo müssen wir jetzt dieses neue Coronavirus
einsortieren? Auf dieser quasi Bandbreite von Coronaviren, die eher eine milde Erkältung
auslösen und solchen schweren Virenerkrankungen, wie bei SARS zum Beispiel. Jetzt ist es
tatsächlich so, dass dieses neue Virus SARS sehr ähnelt, also das Erbgut scheint zu 79% ähnlich
zu sein. Das hängt jetzt aber nicht damit zusammen, dass das irgendwie eine mutierte
Form vom SARS-Virus ist, sondern schlicht und ergreifend damit, dass es eben aus derselben
Familie von diesen Coronaviren stammt. Tatsächlich muss man, wenn man ein Virus betrachtet eines
wissen: Das ist kein Lebewesen im engeren Sinne. Das ist also nichts, was einen eigenen
Stoffwechsel hat. Was so ein Virus aber sehr gut kann, ist sich zu vervielfältigen. Deswegen sagt
man ja auch "etwas geht viral". Dafür braucht es aber eine Wirtszelle. Und was das Virus quasi
macht, ist es kapert so eine Zelle und sorgt dafür, dass das quasi zu so einer Erbgut
produzierenden Maschine wird, sodass diese Zelle für das Virus ganz viele neue Viren produziert.
Dabei kann die Zelle sich natürlich nicht mehr um ihren eigenen Stoffwechsel kümmern und das
schädigt sie und führt dann häufig eben auch zum Absterben der Zelle. Wobei dann wieder schön das
Virus frei werden kann und quasi wieder andere Zellen befällt. Wenn das jetzt in der Lunge zum
Beispiel passiert, dann kann das eben diese typischen Symptome, wie eine Entzündung und diese
Atemprobleme auslösen. Die Symptome kommen aber tatsächlich nicht nur durch das Virus, sondern
auch von unserem eigenen Immunsystem. Also natürlich erkennt unser Immunsystem "da ist ein
Erreger, den möchte ich attackieren" und sorgt dann quasi auch für eine Immunantwort.
Und gleich am Anfang werden dafür zum Beispiel auch chemische Botenstoffe eingesetzt, wie
Zytokine, und die machen dann diese typischen ersten Symptome, wie das Fieber und die
Gliederschmerzen. Das heißt aus biologischer Sicht müssen wir eben wissen, dass dieser
Erreger aus einer Familie stammt, die recht harmlose Ausprägungen haben kann, aber eben auch
bis hin zu sehr schweren Erkrankungen, wie es bei SARS der Fall war. Bei diesem Virus jetzt
allerdings kann man sagen, dass es natürlich eine ernst zu nehmende Erkrankung auslöst, aber der
Verlauf trotzdem eher mild zu sein scheint. Auch wenn es zu Todesfällen kommt, aber dazu kommen
wir später auch nochmal. Die Frage aus biolo- gischer Sicht ist aber: Kann sich das verändern?
Also kann dieses Virus jetzt gefährlicher werden, indem es mutiert? Man hört das immer wieder, dass
sich so ein Virus dann eben auch anpassen kann. Die Frage ist also: Wie schnell mutiert es?
Dazu muss man Folgendes sich klarmachen: So eine Mutation ist etwas ganz Normales. Das passiert
einfach immer, wenn ich Erbgut irgendwie kopiere, also abschreibe, dann schleichen sich auch Fehler
ein man kennt das ja auch irgendwie vom Diktat oder von der stillen Post noch viel mehr.
Das passiert einfach. Wenn jetzt diese Fehler dann quasi dazu führen, dass das Virus besser
angepasst ist an seinen Wirt, dann können diese Fehler sich quasi manifestieren und wir haben ein
verändertes Virus, was dann eben möglicherweise auch gefährlicher ist. Was wir bei diesem
speziellen neuen Coronavirus jetzt schon wissen, ist ja zum einen: Es handelt sich um ein Virus
aus der Familie der Coronaviren und das ist deshalb interessant, weil wir es damit eben mit
einem RNA-Virus zu tun haben und so ein RNA-Virus, wenn er sein Erbgut quasi vervielfältigen will,
dann benutzt er dafür ein Enzym, das nennt sich RNA-Polymerase. Das schreibt quasi den Code
nochmal ab. Und das hat eine Fähigkeit nämlich nicht: Das kann nicht sich selbst Korrektur
lesen. Das kann also nicht schauen: "Mhm, was hab' ich da denn eigentlich geschrieben?" und es dann
verbessern. Deswegen schleichen sich hier eher häufiger, etwa alle tausend bis zehntausend
Basenpaare, auch tatsächlich Fehler ein. Das heißt man weiß schon mal: Coronaviren im Allgemeinen
sind eher veränderbar. Und man weiß bei diesem Virus ja auch, dass es sich schon mal einmal
mutiert haben muss, denn was man weiß, ist dass es ja aus der Tierpopulation stammt. Man weiß
noch nicht ganz genau, aus welchem Wirtstier, aber es ist höchst wahrscheinlich in Wuhan
eben auf einem Tiermarkt quasi aus dem Tier in den Menschen übergesprungen So ein Virus muss ja
erstmal in eine Zelle eindringen können. Dafür braucht es quasi einen Schlüssel. Also auf einer
Zelle sind eben Rezeptoren verteilt, die auch andere, zum Beispiel chemische Botenstoffe in die
Zelle aufnehmen können. Und wenn jetzt das Virus da binden kann, hat es damit quasi auch einen
Schlüssel in der Hand, um in die Zelle einzu- dringen. Nur dieses Virus hat da nicht die
Fähigkeit, zuvor sich quasi an einen menschlichen Rezeptor zu binden, das heißt es muss schonmal
einmal zuvor mutiert sein, damit es das eben konnte. Jetzt weiß man, dass es an den
sogenannten ACE-II-Rezeptor bindet, übrigens genauso wie SARS. Jetzt ist die Frage:
Kann es sich noch weiter verändern? Und sich damit quasi besser an den Menschen als den neuen
Wirt anpassen. Prinzipiell ist das bei Viren nämlich möglich. Die können zum Beispiel
replikationsfitter nennt man das werden, das heißt, dass ein Virus, der eine Zelle befällt,
der sorgt ja wieder für die Produktion von neuen Viren, und diese Anzahl an neuen Viren, die aus
einem Virus hervorgehen, die kann sich erhöhen. Oder es effizienter an diesen Rezeptor binden,
das heißt es kann einen noch besseren Schlüssel haben, um in die Zellen einzudringen. Damit wird
dann auch eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung effizienter. Es kann auch sein, dass sich so ein
Virus so verändert, dass es quasi sich besser vor dem Immumsystem der Menschen verstecken kann,
quasi inkognito unterwegs ist, oder dass es weniger angreifbar ist für Medikamente.
So, das wissen wir. Jetzt wollen wir natürlich wissen: Wie ist es bei diesem speziellen
Coronavirus? Und dafür muss man sich das Erbgut dieses Virus anschauen. Deswegen haben
glücklicherweise ja auch die Forschenden schon sehr früh quasi das Erbgut sequenziert, sodass
sie quasi sich von unterschiedlichen Infizierten das Erbgut des Virus anschauen konnten und das
miteinander vergleichen konnten. Und was sie gesehen haben war, dass sich dieses Erbgut sehr
ähnelt. Und das sagt uns zwei Sachen eigentlich. Zum einen: Das Virus muss tatsächlich neu sein.
Das ist höchstwahrscheinlich tatsächlich also im November, Dezember erstmals vom Tier in den
Menschen übergegangen und es nicht schon länger irgendwie inkognito quasi grassiert. Und zum
zweiten: Es hat sich seitdem nicht besonders stark verändert. Es deutet sich momentan an,
dass es tatsächlich wohl so eine Single-Point- Übertragung war, also quasi einmal der Sprung in
den Menschen stattgefunden hat und sich's dann in der Population der Menschen ausgebreitet hat.
Das spricht also für eine eher effiziente Über- tragung von Mensch zu Mensch. Aber man muss
trotzdem jetzt nicht beunruhigt sein, denn tatsächlich kann auch das Gegenteil der Fall sein,
wenn so ein Virus jetzt mutiert oder sich ver- ändert, dann kann es auch harmloser werden.
Wir reden hier schließlich von einer Anpassung an den Menschen als Wirt. Und wenn man das jetzt
mal aus Virussicht sich anschaut, dann ist es gar nicht so wahnsinnig effektiv, wenn jetzt die
Krankheit schwerwiegender wird. Was super sinnvoll ist so gesehen, ist Schnupfen, ist Husten, dann
verbreitet sich das Virus natürlich besser und schneller. Was nicht besonders gut ist oder
effizient für das Virus, ist wenn relativ viele von den Wirten, also uns Menschen, früh aus dem
Verkehr gezogen sind, weil sie flach liegen oder eben sehr viele von den Menschen versterben.
Das ist eigentlich aus Virussicht gar nicht wahnsinnig sinnvoll. Das heißt, wir haben's hier
aus biologischer Sicht mit einem Virus zu tun aus einer Familie der Coronaviren, der bislang
durchaus ernst zu nehmen ist, aber eher mild verläuft und vor dem Forschende eben davon
ausgehen, dass er, wenn er sich verändert, möglicherweise eher einen harmloseren Verlauf
nimmt. Dafür müssen wir uns eigentlich zwei wichtige Fragen stellen. Zum einen: Kann man das
Virus behandeln? Und zum zweiten: Wie tödlich ist das Virus? Kommen wir zum ersten Punkt: Ist die
Krankheit behandelbar? Es gibt leider noch kein wirksames Medikament gegen die Krankheit.
So ein Virus ist auch schlechter zu behandeln als ein Bakterium zum Beispiel, oder schlechter
anzugreifen vielmehr. Denn ein Bakterium, das ist ja ein Lebewesen mit einem eigenen Stoffwechsel.
Das heißt, wenn sich jetzt so ein Bakterium vermehren will, dann benutzt das quasi Werkzeuge
dazu und all diese Werkzeuge kann ich versuchen zu attackieren. Nichts anderes macht eigentlich
ein Antibiotikum. Ein Virus aber, der benutzt ja ganz viele von den zellulären Mechanismen von uns,
also seinem Wirt, sprich, der benutzt unsere Werkzeuge, um sich vervielfältigen zu lassen.
Also muss ich quasi immer abwägen, wenn ich ein Medikament entwickeln will: Wo greif ich den Wirt,
also den Mensch an, mit dessen Werkzeugen und wo setzte ich wirklich nur das Virus außer Gefecht?
Es gibt aber tatsächlich Möglichkeiten auch so ein Virus zu beherrschen. Diese Medikamente
nennt man dann "Virustatika". Da gibt's zum Beispiel jetzt hier bei den RNA-Viren eine ganz
gute Option, denn die haben ja ein anderes Erbgut als wir das haben, das sie quasi ja
vervielfältigen müssen, deswegen haben sie eine RNA-Polymerase. Das ist das Enzym, was quasi
nichts anderes macht als genau das Erbmaterial quasi nochmal abzuschreiben. Wir hingegen haben
eine DNA- Polymerase. Deswegen lässt der Virus sich quasi von unseren Zellen seine
RNA-Polymerase herstellen, sodass er quasi dieses Werkzeug dafür zur Hand hat. Und genau da kann
man jetzt angreifen und damit den Virus versuchen einzudämmen. Diese Medikamente gibt's also, nur
jetzt bei diesem ganz speziellen, neuartigen Coronavirus hat man noch kein etabliertes
antivirales Verfahren, also keine Therapie, von der man jetzt schon weiß, dass sie eben so
funktioniert. Es gibt zum Beispiel eine Forscher- gruppe in Bejing. Die versuchen, den Rezeptor
zu blockieren. Also quasi den Schlüssel, das wissen wir ja schon, den das Virus braucht,
um in die menschliche Zelle einzudringen, das ist eben derselbe, den auch SARS verwendet, das heißt
da gibt's schon Forschungen und da ist eben die Hoffnung groß, dass man relativ schnell auch an
Medikamente kommt, die dann wirksam quasi die Therapie unterstützen. Noch besser wäre es ja,
wenn wir einen Impfstoff hätten. Dann könnte man eben alle Menschen davor schützen, dass sie sich
überhaupt erst anstecken. Auch einen solchen Impfstoff gibt es bisher noch nicht, aber auch da
läuft eben die Forschung auf Hochtouren und auch da kann man wieder von Vorerfahrungen mit SARS
und eben mit anderen Viren aus dieser Corona- viren-Familie profitieren. Es gibt tatsächlich
jetzt eine Forschergruppe aus Australien, die konnte jetzt einen Durchbruch erzielen,
nämlich indem sie dieses Virus im Labor nachgebaut hat oder erzeugt hat. Man muss verstehen, das ist
ganz ein wichtiger Schritt, weil es gibt unter- schiedliche Möglichkeiten, wie man so einen
Impfstoff herstellen kann. Eine Option ist ja, dass man einen abgetöteten oder weniger
gefährlichen Virus quasi dem menschlichen Körper präsentiert, sodass der schonmal weiß: "Aha, das
ist also der Erreger. Wenn jetzt der echte lebende Virus kommt, dann hab ich schon mal quasi
die richtigen Waffen parat." Dafür brauch ich natürlich den Virus, also muss den irgendwie
herstellen können. Die zweite Option ist, dass ich einem Tier das Virus spritze,
dessen Immunsystem arbeiten lasse und dann kann ich quasi die Antikörper, die dieses Tier
produziert, die kann ich dann nutzen. Dass man das Virus im Labor jetzt herstellen kann,
ist also ein ganz wichtiger erster Schritt. Und hier läuft also auch die Forschung auf Hochtouren.
Das Allerwichtigste aber ist zum einen die Menschen zu isolieren, das heißt dass man
einfach die Ausbreitung eindämmt und eben zum anderen die Symptome zu behandeln, weil nämlich
bei gesunden Menschen mit einem gut funktionierenden Immunsystem ist das Immunsystem
eigentlich ausreichend in den meisten Fällen, um das Virus abzuwehren und das Immumsystem kann
man natürlich auch unterstützen. Das geht sehr gut durch Bettruhe, sehr gut durch ausreichend
Flüssigkeit - eigentlich genau das, was Mama uns zu Hause auch empfohlen hätte - und eben in sehr
schweren Fällen auch, dass man über Sauerstoff quasi die Atmung unterstützt dem Menschen.
Das heißt, wir haben hier eigentlich die Möglich- keit bei gesunden, bei jungen Menschen ganz gut
über diese Methoden die Krankheit dann auch zu behandeln. Und das bringt uns aber jetzt zur
zweiten Frage in diesem Abschnitt "Wie gefährlich ist das Virus aus medizinischer Sicht?", nämlich
der Frage: "Wie tödlich ist das Virus?" Und dafür hab ich mir eine Virologin mit an Bord geholt,
nämlich Frau Professor Ulrike Protzer, mit der kann ich jetzt skypen.
[Jasmina] Hallo Frau Protzer! [Frau Protzer] Hallo, ich grüße Sie! [Jasmina] Hi.
[Jasmina] Man kann ja quasi bei jetzt diesem neuen Coronavirus versucht man natürlich
rauszukriegen, wie viele Menschen von den Infizierten jetzt auch wirklich sterben.
Wie geht man denn da jetzt vor? [Frau Protzer] Das ist gar nicht so einfach, wenn so ein
Ausbruch gerade läuft. Wenn ich das rückblickend machen will, wie zum Beispiel für den
SARS-Ausbruch vor 15, 17 Jahren, da ist es einfacher, weil da weiß ich natürlich genau
so viele Patienten waren infiziert und so viele Patienten sind gestorben. Und bei dem SARS
damals war's eine Todesrate von etwa 10%. [Jasmina] Einer von zehn ist dann tatsächlich
auch gestorben von den Infizierten. [Frau Protzer] Einer von zehn ist gestorben. Wenn wir uns das
für das neue Coronavirus angucken, dann ist das sicherlich deutlich geringer. Wir können aber
noch nicht genau sagen, wie hoch es ist, weil erstmal natürlich die Patienten auffallen, die
schwer krank sind, die sterben und die diagnostiziert werden. Erst dann fängt man an
breiter zu gucken und erst dann wird man ein bisschen realistischer mit den Zahlen. Das heißt,
wir haben angefangen mit einer möglichen Todes- rate von irgendwie 5 oder 6%, dann war das letzte
Woche runter auf 3 oder 4%, jetzt sind wir schon runter auf 1,5%. Wir werden sicherlich noch
weiter runtergehen, weil wir einfach breiter diagnostizieren und feststellen, ob die Menschen,
die nicht so schwer erkrankt sind, die gehen gar nicht ins Krankenhaus und lassen sich natürlich
nicht untersuchen. [Jasmina] Es gibt ja Forscher, die gehen von, hab ich gelesen, bis zu 95%
nicht gemeldeter Fälle aus sozusagen, also die eher mild verlaufen, die eher gar nicht so
auffallen. Stimmt das oder weiß man das schon? [Frau Protzer] Ist natürlich immer schwer, von
was auszugehen, was man nicht weiß, also was man nicht kennt, aber es ist sicher eine sehr hohe
Dunkelziffer, weil wir sehen das ja auch an den aktuellen Fällen hier in Deutschland, die
Infektion kann halt relativ milde sein und jemand, der eine milde Erkältungsinfektion hat, der geht
halt nicht unbedingt zum Arzt und sagt: "Könntest du mich bitte hier mal aufs Coronavirus testen?"
Wir wissen das auch von der echten Grippe: Auch da, obwohl wir ein sehr gutes Meldesystem haben,
unterschätzen wir die Zahlen deutlich. [Jasmina] Das heißt, das ist ja eigentlich was Gutes.
Also es klingt erstmal schlimm, so oh Gott, 95% möglicherweise sind unentdeckt, dabei ist das ja
eher dann sozusagen so, dass es darauf hindeutet, dass ein noch geringerer Anteil der Infizierten
tatsächlich stirbt oder schlimme Schäden erleidet. [Frau Protzer] Ganz genau so ist es.
[Jasmina] Wenn man das jetzt im Vergleich zu SARS oder zur normalen, ich sag mal saisonalen, Grippe
sieht, diese Todesrate, wie verhält sich da der neuartige Coronavirus? [Frau Protzer] Im Moment
sind wir noch ein bisschen höher als die "normale" Grippe. Meine Voraussage wäre aber, wir werden
ziemlich da enden, wo wir mit der normalen Grippe auch enden, also für mich ist das so eine neue
Grippewelle, die im Prinzip über uns rollt. Dummerweise rollt sie gerade zusätzlich mit der
eh bestehenden Grippewelle, aber die Zahlen sind natürlich noch mal deutlich unterschiedlich.
Wenn man sich die Zahlen von letzter Woche anguckt, dann hatten wir bisher schon 32 000
Grippefälle in Deutschland, so etwa. Wir haben jetzt 4 Coronafälle - das ist einfach viel, viel
viel seltener. [Jasmina] Das heißt, im Prinzip ist die saisonale Grippe als eine größere Gefahr
einzuschätzen. Sie ist nur nicht so neu und des- wegen fällt sie uns nicht so schwer ins Gewicht
von der Angst her? [Frau Protzer] Ja, sie ist sicherlich nicht so neu, deswegen nicht so
spektakulär, aber sie ist schon eine erhebliche Krankheitsbedrohung, gar keine Frage. Was halt so
ein bisschen das Ganze schwierig macht, ist: Bei der Grippe haben wir die Erfahrung. Das kommt
jedes Jahr wieder. Da haben wir einfach viele Jahre Erfahrungen gesammelt, wie das geht und wir
haben auch mit neuen Grippeviren Erfahrung. Das haben wir halt mit diesem neuen Coronavirus noch
nicht. Und zu diesem "Spektakulären", dass etwas Neues ausgebrochen ist, kommt schon eine
Unsicherheit von jedem, der das Ganze handhabt, mit, dass er halt nicht ganz genau weiß,
wie entwickelt sich das. Die Erfahrung fehlt uns da einfach.
Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass es sich in der Bevölkerung rasant ausbreitet? Das ist
nämlich eine zweite sehr wichtige Größe, wenn man sich jetzt überlegen will, wie gefährlich dieses
Virus ist und wie viele Menschen am Ende dann auch sterben können. Was weiß man denn da oder
was vermutet man da bei dem neuartigen Corona- virus? [Frau Protzer] Erst hat man ja angenommen,
dass das nur vom Tier auf den Menschen geht, dann hat man doch einigermaßen schnell festgestellt,
auch in China, das geht von Mensch zu Mensch weiter und das ist, glaub ich, inzwischen
überhaupt keine Frage mehr. Wir sehen das auch an den Fällen hier in Deutschland, wo ja eine Dame,
die aus China hierher kam, die sich offensichtlich bei ihren Eltern aus Wuhan angesteckt hat, dann
hier Mitarbeiter an der Firma angesteckt hat, mit denen sie Kontakt hatte, also das sind ganz
sichere Mensch-zu-Mensch-Übertragungen. Wie effizient das dann geht, da gehen die Zahlen
im Moment wirklich total auseinander. Von Angaben von ein Infizierter kann nur einen anstecken oder
1,5 bis ein Infizierter kann 5 weitere Menschen anstecken. Und deswegen ist ja die große Frage:
Wie kann man das jetzt eindämmen? Wenn man gar nichts machen würde, keine Isolationsmaßnahmen
ergreifen würde, dann würde das wahrscheinlich einfach einmal durch die Weltbevölkerung
durchziehen. [Jasmina] Das Besondere bei diesem neuartigen Coronavirus ist jetzt aber, dass auch
Menschen, die noch gar keine Symptome zeigen, schon andere Menschen infizieren können.
Und das gibt einem natürlich ein bisschen so ein beunruhigendes Gefühl und vor allem macht es
eine Sache kompliziert, die eigentlich total wichtig ist, nämlich das sogenannte case tracing.
Man versucht nämlich immer quasi zu ermitteln, wer hat jetzt wen angesteckt, damit man die
Menschen eben auch frühzeitig aus dem Verkehr ziehen kann, isolieren kann, sodass die nicht
noch weitere, andere Menschen anstecken. Trotzdem muss man deswegen jetzt nicht in Panik verfallen,
sondern man kann einfach von SARS lernen. Bei SARS war es nämlich so, dass es zu einer
ähnlichen Zeit, wie jetzt auch dieses neuartige Coronavirus, aufgetreten ist, zu einer ähnlichen
Jahreszeit, so im November rum, und dann aber schon im April des darauffolgenden Jahres,
also 2003, gingen die Fallzahlen extrem zurück und ein halbes Jahr nachdem es zum ersten Mal
aufgetreten ist, hatte sich das Ganze tatsächlich totgelaufen. Was war denn da so erfolgreich
damals? [Frau Protzer] Also man hat damals schon auch natürlich angefangen, als man es wirklich
korrekt eingeschätzt hat, konsequente Isolations- maßnahmen zu machen, aber ein Faktor, den man
nicht ganz unterschätzen darf, diese Erkältungs- viren, auch die Grippe kommt ja nicht umsonst
immer in den Wintermonaten. Da ist es für die Viren einfach leichter, weil wir Menschen enger
bei einander sind, weil's draußen kühler ist, feuchter ist, wenig Sonnenschein - das sind
alles Faktoren, die die Viren schädigen. Also so ein Virus trocknet im Prinzip aus und so ein
Virusgenom wird durch die Sonne schlicht und einfach kaputt gemacht. Deswegen, wir haben
gerade mit Kollegen auch aus Wuhan nochmal tele- foniert, die sagen sie warten nur drauf, dass es
jetzt wärmer wird, weil dann wird's sicher schnell besser. Und ich glaube, diese Einschätzung ist
auch nicht so verkehrt, denn das wissen wir auch von der Grippewelle jedes Jahr: Sobald es wärmer
wird und die Temperaturen hoch gehen und die Sonne zunimmt, dann ist auch die Grippewelle
zu Ende. [Jasmina] Na dann warten wir auf den Frühling. Danke Ihnen, Frau Professor Protzer!
[Frau Protzer] Gerne! [Jasmina] Tatsächlich muss man jetzt nicht in Panik verfallen, sondern
sollte die Sache weiter beobachten, wie sie sich entwickelt. Dafür verlinke ich euch übrigens mal
unten die Seite vom Robert-Koch-Institut. Da könnt ihr euch quasi immer auf dem Laufenden
halten. Aber eins sollte man nicht machen, nämlich irgendwelchen Verschwörungstheorien
anhängen. Die sagen ja zum einen, das könnte sich hier um irgendein Supervirus handeln. Das ist
aber nicht der Fall. Also die Forschenden, die gehen eher davon aus, dass sich das Ganze
irgendwo von der Gefährlichkeit her zwischen einer Erkältung und einer saisonalen Grippe am
Ende einordnen wird. Das heißt, da sollte man nicht zu große Angst haben. Und zum zweiten
behaupten die Verschwörungstheorien ja, dass das Ganze unter den Teppich gekehrt wird, aber auch
stimmt wirklich überhaupt nicht, sondern im Gegenteil: Man sieht hier ein Beispiel dafür,
wie gut die Wissenschaftswelt zusammenarbeitet, wie schnell Informationen über das Virus
öffentlich gemacht werden, sodass wirklich alle Forschungsteams auf der Welt gemeinsam daran
arbeiten, dass wir das Virus gut bekämpfen können. Und wenn ihr euch schützen wollt vor den Viren,
die euch mit einiger Wahrscheinlichkeit diesen Winter noch begegnen werden, dann lasst euch
Grippeschutz impfen.