×

Utilizziamo i cookies per contribuire a migliorare LingQ. Visitando il sito, acconsenti alla nostra politica dei cookie.


image

Youtube-Lektionen - April 2020, Warum uns Verschwörungen lieber sind als Zufälle

Warum uns Verschwörungen lieber sind als Zufälle

Es gibt viele Gründe, warum Leute an Verschwörungserzählungen glauben, auch wenn sie keinerlei faktische

Rücklage haben.

Die eine Ursache, den einen Fehler, der dazu führt, gibt es nicht.

Das alles ist ein Zusammenspiel aus mehreren Faktoren, die für jede Person unterschiedlich

stark verantwortlich für den Glauben an diese Erzählungen sind.

Was allerdings auffällt ist, dass es es ziemlich viele wirre Geschichten um die wahren Hintergründe

von den plötzlichen Toden Prominenter, unvorhergesehener Naturkatastophen oder Pandemien gibt und recht

wenige darüber, warum man nach seinem Waschgang immer weniger Socken hat als davor.

– Das klingt erstmal ganz lustig, aber die Beobachtung bleibt. Um fast jedes große geschichtliche Ereignis ranken sich verschiedenste Verschwörungserzählungen.

Und dort fast ausschließlich.

Erzählungen, die sich verhältnismäßig irrelevanten Ereignissen widmen und nicht

in irgendeiner weise mit größeren realen Begebenheiten verknüpft werden, gibt es kaum.

Das ist ja doch recht unlogisch, dass die Hinweise auf eine globale Kontrollmacht nur

dort zu finden sind, wo etwas passiert, das viele bewegt.

Um es etwas sarkastischer auszudrücken: Hätte der Mensch schon zu dem Zeitpunkt gelebt,

als die Dinosaurier durch Meteoritenstürme ausstarben, hätte er dahinter eine Verschwörung

gewittert.

Eine Studie aus 2011 hat beispielsweise gezeigt, dass Leute viel eher an ein politisch motiviertes

Attentat glaubten, wenn ihnen erzählt wurde, dass der Tod eines fiktiven Staatsoberhaupts

zu einem Krieg geführt hat.

Die Kontrollgruppe, der dieselbe Geschichte nur ohne den erwähnten Kriegsbeginn erzählt

wurde, ging jedoch von einem natürlichen Tod des Staatsoberhaupts aus.

Was Studien wie diese zeigen ist, dass Menschen dazu neigen hinter als groß wahrgenommenen

Ereignissen auch große Ursachen zu vermuten.

In der Fachsprache nennt man dieses Phänomen “proportionality bias”.

Ergo: Wenn Prinzessin Diana bei einem Autounfall ums Leben kommt sorgt dass für wild sprießende

Verschwörungserzählungen.

Wenn dasselbe Schicksal den Hausmeister der Gesamtschule Stuckenborstel ereilt, wiederum

nicht.

Die Information, dass hinter einem so gesellschaftlich relevanten Ereignis normales menschliches

Versagen steckt, ist für unser Gehirn nicht befriedigend und es versucht eine ausgleichende

Erklärung zu finden, die dem Momentum des Ereignisses gerecht wird.

Wer dieser Verzerrung nicht nur zum Opfer fällt, sondern sie aktiv zu seiner Überzeugung

macht ist nicht mehr weit davon entfernt, zu glauben, dass Geschichte planbar sei und

es aus welchen Gründen auch immer, ab einer gewissen Relevanz keine Zufälle oder Fehler

mehr geben könne.

Dazu kommt noch, dass wir eher dazu neigen spektakuläreren Erklärungen zu glauben,

wenn wir von dem Ereignis selbst betroffen sind.

Blöderweise hat unser Gehirn auch ungeheuren Respekt vor Kontrollverlust, der besonders

bei Anschlägen, Naturkatastrophen oder ähnlichem in uns hochkommt.

Also eben jenen Ereignissen, die wir mit spektakulären Erklärungen bestücken wollen.

Unser Gehirn mag Muster, Durchblick und eine daraus resultierende Planbarkeit für sich

selbst aber die findet man bei solchen Ereignissen häufig nicht.

Also neigt das Gehirn dazu gewisse Informationen zu ignorieren und in dem Ereignis ein Muster

zu deuten, das den Chaos-Faktor ausklammert.

So haben wir ein sortiertes aber nicht mehr wahrheitsgetreues Bild des Ereignisses, dass

zwar angenehmer aber halt auch häufig wirre Scheiße ist.

– Und ich sage es hier erneut, weil jedes Mal, wenn ich über derartige psychologische Fehlschlüsse spreche es mindestens einen Experten gibt, der darüber lacht, wie dumm solche Leute

doch seien und dass man selbst ja immer auf Fakten höre: Nein, dieser Denkfehler ist

kein Anzeichen mangelnder Intelligenz und nein, jemand, der aus seiner eigenen selektiven

Wahrnehmung heraus keinen solchen Fehler bei sich erinnern kann, ist nicht automatisch

ein intelligenterer, besserer Mensch.

An Verschwörungserzählungen zu glauben ist leider auch nicht einfach eine Frage der Bildung,

sondern, wie vielleicht klar geworden ist, ein komplexes Zusammenspiel aus psychologischen

wie gesellschaftlichen Tendenzen, die jeden von uns hin und wieder in diese Denkstrukturen

neigen.

Neben den hier behandelten gibt es noch zahlreiche weitere Phänomene, die in vielen Fällen

Aufschluss über das eigene Denken bieten und zumindest dabei helfen können, sich selbst

dabei zu erwischen, wie man zum Beispiel einer Erklärung nur glauben schenkt, weil sie Kontrolle

vermittelt.

Also, bevor das nächste Mal gesagt wird, eine einzelne Person hätte eine globale Katastrophe

von langer Hand geplant, ist es vielleicht doch sinnvoller daran festzuhalten, dass alle

gerade etwas ahnungslos im Kreis laufen, auch wenns unter Umständen unangenehmer ist.


Warum uns Verschwörungen lieber sind als Zufälle

Es gibt viele Gründe, warum Leute an Verschwörungserzählungen glauben, auch wenn sie keinerlei faktische

Rücklage haben.

Die eine Ursache, den einen Fehler, der dazu führt, gibt es nicht.

Das alles ist ein Zusammenspiel aus mehreren Faktoren, die für jede Person unterschiedlich

stark verantwortlich für den Glauben an diese Erzählungen sind.

Was allerdings auffällt ist, dass es es ziemlich viele wirre Geschichten um die wahren Hintergründe

von den plötzlichen Toden Prominenter, unvorhergesehener Naturkatastophen oder Pandemien gibt und recht

wenige darüber, warum man nach seinem Waschgang immer weniger Socken hat als davor.

– Das klingt erstmal ganz lustig, aber die Beobachtung bleibt. Um fast jedes große geschichtliche Ereignis ranken sich verschiedenste Verschwörungserzählungen.

Und dort fast ausschließlich.

Erzählungen, die sich verhältnismäßig irrelevanten Ereignissen widmen und nicht

in irgendeiner weise mit größeren realen Begebenheiten verknüpft werden, gibt es kaum.

Das ist ja doch recht unlogisch, dass die Hinweise auf eine globale Kontrollmacht nur

dort zu finden sind, wo etwas passiert, das viele bewegt.

Um es etwas sarkastischer auszudrücken: Hätte der Mensch schon zu dem Zeitpunkt gelebt,

als die Dinosaurier durch Meteoritenstürme ausstarben, hätte er dahinter eine Verschwörung

gewittert.

Eine Studie aus 2011 hat beispielsweise gezeigt, dass Leute viel eher an ein politisch motiviertes

Attentat glaubten, wenn ihnen erzählt wurde, dass der Tod eines fiktiven Staatsoberhaupts

zu einem Krieg geführt hat.

Die Kontrollgruppe, der dieselbe Geschichte nur ohne den erwähnten Kriegsbeginn erzählt

wurde, ging jedoch von einem natürlichen Tod des Staatsoberhaupts aus.

Was Studien wie diese zeigen ist, dass Menschen dazu neigen hinter als groß wahrgenommenen

Ereignissen auch große Ursachen zu vermuten.

In der Fachsprache nennt man dieses Phänomen “proportionality bias”.

Ergo: Wenn Prinzessin Diana bei einem Autounfall ums Leben kommt sorgt dass für wild sprießende

Verschwörungserzählungen.

Wenn dasselbe Schicksal den Hausmeister der Gesamtschule Stuckenborstel ereilt, wiederum

nicht.

Die Information, dass hinter einem so gesellschaftlich relevanten Ereignis normales menschliches

Versagen steckt, ist für unser Gehirn nicht befriedigend und es versucht eine ausgleichende

Erklärung zu finden, die dem Momentum des Ereignisses gerecht wird.

Wer dieser Verzerrung nicht nur zum Opfer fällt, sondern sie aktiv zu seiner Überzeugung

macht ist nicht mehr weit davon entfernt, zu glauben, dass Geschichte planbar sei und

es aus welchen Gründen auch immer, ab einer gewissen Relevanz keine Zufälle oder Fehler

mehr geben könne.

Dazu kommt noch, dass wir eher dazu neigen spektakuläreren Erklärungen zu glauben,

wenn wir von dem Ereignis selbst betroffen sind.

Blöderweise hat unser Gehirn auch ungeheuren Respekt vor Kontrollverlust, der besonders

bei Anschlägen, Naturkatastrophen oder ähnlichem in uns hochkommt.

Also eben jenen Ereignissen, die wir mit spektakulären Erklärungen bestücken wollen.

Unser Gehirn mag Muster, Durchblick und eine daraus resultierende Planbarkeit für sich

selbst aber die findet man bei solchen Ereignissen häufig nicht.

Also neigt das Gehirn dazu gewisse Informationen zu ignorieren und in dem Ereignis ein Muster

zu deuten, das den Chaos-Faktor ausklammert.

So haben wir ein sortiertes aber nicht mehr wahrheitsgetreues Bild des Ereignisses, dass

zwar angenehmer aber halt auch häufig wirre Scheiße ist.

– Und ich sage es hier erneut, weil jedes Mal, wenn ich über derartige psychologische Fehlschlüsse spreche es mindestens einen Experten gibt, der darüber lacht, wie dumm solche Leute

doch seien und dass man selbst ja immer auf Fakten höre: Nein, dieser Denkfehler ist

kein Anzeichen mangelnder Intelligenz und nein, jemand, der aus seiner eigenen selektiven

Wahrnehmung heraus keinen solchen Fehler bei sich erinnern kann, ist nicht automatisch

ein intelligenterer, besserer Mensch.

An Verschwörungserzählungen zu glauben ist leider auch nicht einfach eine Frage der Bildung,

sondern, wie vielleicht klar geworden ist, ein komplexes Zusammenspiel aus psychologischen

wie gesellschaftlichen Tendenzen, die jeden von uns hin und wieder in diese Denkstrukturen

neigen.

Neben den hier behandelten gibt es noch zahlreiche weitere Phänomene, die in vielen Fällen

Aufschluss über das eigene Denken bieten und zumindest dabei helfen können, sich selbst

dabei zu erwischen, wie man zum Beispiel einer Erklärung nur glauben schenkt, weil sie Kontrolle

vermittelt.

Also, bevor das nächste Mal gesagt wird, eine einzelne Person hätte eine globale Katastrophe

von langer Hand geplant, ist es vielleicht doch sinnvoller daran festzuhalten, dass alle

gerade etwas ahnungslos im Kreis laufen, auch wenns unter Umständen unangenehmer ist.