Faszination Erde: USA | Ganze Folge mit Dirk Steffens | Terra X (1)
Ein Land der grenzenlosen Vielfalt, Weiten und Möglichkeiten.
Doch der Erfolg ist meist hart erkämpft.
Die Naturgewalten des Kontinents fordern die Bewohner heraus.
Der Mensch hat das Land gezähmt
und die Natur in ihre Schranken gewiesen.
So scheint es.
Er beherrscht es von der Ost- bis zur Westküste.
Mit seinen Bauten und Städten hat er sich einen Lebensraum geschaffen,
den allein er kontrolliert und steuert.
The American Way of Life.
Das bedeutet oft nicht kleckern, sondern klotzen.
Große Städte, große Straßen, "große alles".
Genau dadurch entsteht die Illusion,
die Natur hier ließe sich kontrollieren.
Aber das stimmt nicht. Das stimmt nirgendwo in den USA.
Irgendwas ist immer. Willkommen im Land der unbegrenzten Katastrophen. * Musik *
Lange bevor der Mensch den Kontinent erobert,
gibt es einen unangefochtenen Herrscher der Landschaften:
Das Bison.
Weder extreme Hitze noch Kälte können diesen Tieren etwas anhaben.
Selbst im tiefen Winter, bei weniger als minus 30 Grad,
finden sie an den heißen Quellen des Yellow Stone Parks noch Futter.
Viele hundert Kilometer ziehen sie im Rhythmus der Jahreszeiten.
Nur ein Tier kann den Bisons gefährlich werden:
Der Wolf.
* Musik *
Gegen die mächtige Herde haben die Wölfe keine Chance.
Sie haben es auf die schwächsten Tiere, die Kälber, abgesehen.
Die Mutter kämpft um ihr Junges.
Doch gegen die Überzahl der Angreifer scheint sie chancenlos.
* spannungsvolle Musik *
Je länger die Jagd, desto schlechter die Aussichten für die Wölfe.
Sobald das Muttertier und sein Kalb die Deckung des Waldes erreichen,
sind sie gerettet.
Nicht aufgeben, auch eine Überlebensstrategie.
Einst gab es mehr als 30 Millionen Tiere
auf mehr als 2 Millionen Quadratkilometern.
Das mächtigste Landsäugetier des Kontinents.
Trotzdem sind die Bisons fast ausgestorben.
Heute leben sie nur noch an ganz wenigen geschützten Orten.
Die Vernichtung der Bisonherden verlief rasend schnell.
Von 20, 30 Millionen runter auf ein paar Hundert
in nur wenigen Jahrzenten.
Und schuld daran war keine Naturkatastrophe,
sondern eine menschengemachte Katastrophe.
Der weiße Mensch war schuld an dieser Katastrophe.
Jetzt versucht man, an einigen Orten der USA
den Schaden zu reparieren, ein bisschen zumindest.
So wie hier auf Antilope Island.
Statt großer Landschaften ein kleines Refugium.
In Utah, auf einer Insel im Großen Salzsee.
Dort lebt eine der letzten wilden Bisonherden der USA.
Einmal im Jahr wird die Idylle gestört.
Aus den gesamten Vereinigten Staaten versammeln sich hunderte Reiter
mit ihren Pferden auf der Insel.
Manches erinnert an die dunklen Zeiten,
in denen die Bisons fast vernichtet worden wären.
Das Bison ist so schnell und so gnadenlos
bis an den Rand der Ausrottung gejagt worden,
wie kaum ein anderes Tier.
Genau von der Kultur, die heute so unglaublich stolz
auf diese Ikone ist.
Es ist total widersprüchlich, genau deshalb typisch Mensch.
Noch ahnen die Bisons nicht, was ihnen bevorsteht.
Die Cowboys und -girls verteilen sich in Kleingruppen
über die gesamte Insel.
Immer enger zieht sich der Kreis um die Tiere.
Im Gegensatz zu früher tragen die Cowboys keine Waffen.
Ihr Ziel: Alle Bisons der Insel in das große Gatter treiben.
Weil der Mensch alle großen Raubtiere auf Antilope Island
ausgerottet hat, muss er sich jetzt selbst um die Bisons kümmern.
Der Mensch muss hier die Population der Tiere kontrollieren.
Das hier ist ja eine Insel, der Platz ist begrenzt.
Und das Futter ist begrenzt.
Auf Antilope ist ungefähr Platz für 500 Bisons.
Das hier sind aber 700, 200 zu viel.
So werden morgen ungefähr
200 Tiere aus dieser Herde aussortiert und geschlachtet. Der Tierschützer in mir findet es schrecklich,
dass 200 wunderbare wilde Bisons zur Schlachtbank geführt werden.
Aber der Artenschützer weiß: Das ist manchmal notwendig.
Denn würde man das nicht tun, würde sich diese Herde weiter vermehren.
Die Nahrung würde knapp, Hunger und Krankheiten würden ausbrechen. Dann würden wahrscheinlich viel mehr als 200 Bisons
auf qualvollere Art und Weise sterben.
So eine Entscheidung ist bitter, aber manchmal leider notwendig.
Die Insel ist nur etwa 115 Quadratkilometer groß.
Die Population hier muss für immer gemanagt werden.
Als die Bisons noch über die weiten Prärien zogen,
waren sie wichtige Partner für die Menschen.
Diese folgten den Herden und erhielten so alles,
was sie zum Leben brauchten.
Es war ein Leben im Einklang mit den Bedingungen des Kontinents.
* Musik *
Die Natur lieferte den Bewohnern im gesamten Herzland der USA
einen reich gedeckten Tisch.
Doch der Kontinent zeigt auch andere Seiten.
Lebensfeindliche wie in der Sonora-Wüste im Süden, in Arizona.
Große Tiere wie die Bisons hatten hier noch nie eine Chance.
Es ist eine Landschaft für Spezialisten.
Solch karge Landstriche prägen den gesamten Südwesten der USA.
Und dennoch stoßen Forscher hier auf Spuren,
die amerikanische Ureinwohner schon vor über 1000 Jahren hinterließen.
* Musik *
Dass in so einer kargen Landschaft ein paar kleinere Nomadengruppen
klarkommen, das kann man sich gerade noch so vorstellen.
Aber ein ganzes Volk, das große Städte baut? Bis Mitte des 19. Jahrhunderts war das für die Europäer unvorstellbar. Die Anasazi haben hier im Chaco Canyon schon Hochhäuser gebaut.
Lange bevor die ersten Weißen
überhaupt ihren Fuß auf diesen Kontinent setzten.
Da unten gab es Marktplätze, große Lagerhallen, Tempelanlagen,
Wohnhäuser und Gebäude, die mehr als 20 Meter hoch waren.
In einer Gegend, in der es fast zehn Monate pro Jahr nicht regnet, ist es fast unmöglich, sich dauerhaft niederzulassen.
Die Anasazi haben das trotzdem geschafft.
Und zwar, weil sie die Natur so genau beobachtet haben.
Sie wussten genau, wo man siedeln kann und wo nicht.
Deshalb haben sie ihre Stadt auch genau hierher gebaut,
vor diese Felswand in diesen Canyon.
Denn da oben auf den Hochebenen sammelt sich das Regenwasser.
Das läuft dann über die Felswände runter in den Canyon.
Deshalb lag der Grundwasserspiegel
hier deutlich höher als im gesamten Umland.
Die Anasazi haben das bemerkt und richtig geschlussfolgert:
Hier können wir siedeln, unsere Stadt bauen.
Denn nur hier ist Landwirtschaft möglich.
In der Hoch-Zeit der Kultur
lebten hier schätzungsweise um die 2000 Menschen.
Mit einem ausgeklügelten System aus Dämmen und Kanälen
bewässerten sie die Felder.
Die Anasazi beobachteten ihre Umwelt genau.
Selbst den Lauf der Sterne.
Womöglich haben sie sogar die Supernova aus dem Jahr 1054
in einem Felsbild verewigt.
Wissenschaft und Kunst:
Das sind Zeichen einer hochentwickelten Gesellschaft.
Holz war neben Steinen das wichtigste Baumaterial.
Doch in dieser kargen Gegend gab es nicht genug Bäume.
Die Untersuchung der Jahresringe in den verbauten Stämmen
verriet Forschern die Herkunftsregion der Bäume.
In der direkten Umgebung waren sie schnell verbraucht.
Der Erfolg und das damit verbundene Wachstum forderten ihren Preis.
Die Anasazi mussten die Stämme über 70 Kilometer weit transportieren,
um ihren Bedarf zu decken.
Doch dann die Katastrophe.
Mitte des 12. Jahrhunderts brach eine extreme mehrjährige Dürre
über das Land herein.
Hungersnöte und Kriege waren die Folgen.
Jetzt konnten so viele Menschen nicht mehr versorgt werden.
Die Überlebenden mussten den Canyon verlassen.
Manche Regionen boten den Anasazi länger Zuflucht.
Wie Mesa Verde, 200 Kilometer nördlich vom Chaco Canyon.
Hier haben sie die Häuser direkt in den weichen Fels gebaut. Der Vorteil:
Während der Kriege ließen sie sich besser verteidigen.
Doch die Dürre forderte letztlich auch hier ihren Tribut.
Zurück blieben die steinernen Bauten, von den Anasazi in den Fels gehauen.
Das weiche Gestein prägt noch heute den Südwesten Amerikas.
Die für den "Wilden Westen" charakteristischen Felsformationen
scheinen wie die Werke eines Bildhauers oder Architekten.
Dabei sind sie allein dem Zufall zu verdanken.
Im Vergleich zu dem, was wir so an Bausünden in unsere Städte klotzen, ist das hier natürlich reine Kunst.
Kein Wunder, da hat ja auch kein Mensch dran rumgepfuscht. Das hier ist "made by nature".
Wassergeschmirgelt, windgeblasen, 100 Prozent Natur. Herrlich!
Solche Bögen können entstehen, weil das Sandgestein bei Erdbewegungen
Risse bekommen hat.
Diese Risse werden dann durch Erosion immer breiter und tiefer.
Regen und gefrierende Tropfen im Fels
lassen den Sandstein dann zerbröseln.
Und an einigen Stellen tun sich Löcher auf,
die dann durch die Erosionskräfte immer größer werden.
Es sind genau die Kräfte, die die Bögen einst geschaffen haben,
die sie irgendwann auch wieder zerstören.
Auch Naturbauwerke halten nicht ewig.
Irgendwann kriegt die Erosion alles klein.
Und formt dabei manchmal wirklich eindrucksvolle Landschaften
und bizarre Formationen, so wie das Ding hier.
Unglaublich, dass der Stein noch immer da oben liegt.
Das liegt daran, dass das untere Gestein weicher ist und schneller erodiert, als der harte Stein obendrauf.
Aber irgendwann fällt natürlich auch der. Es weiß nur keiner, wann.
Die Vielfalt der Formen ist atemberaubend.
Diese Steinformation wird "Die Welle" genannt.
Einzig der Wind hat sie modelliert.
* Musik *
Schaut man genauer hin, erkennt man,
wie der Wind dieses "Kunstwerk" erschaffen konnte:
Die Welle ist aus Sand gebaut.
Weite Landstriche hier waren früher eine Sandwüste.
Sie waren Teil einer der gewaltigsten Wüsten, die jemals existierten.
Zu einer Zeit, als Amerika noch nicht geboren war.
Vor 250 Millionen Jahren ist die gesamte Landmasse der Erde
in einem einzigen Kontinent vereint:
Dem Superkontinent Pangäa.
Aus ihm gehen alle heutigen Kontinente hervor.
Im Zentrum erhebt sich ein mächtiger Gebirgszug.
In seinem Regenschatten entstehen große Wüsten.
Unter der Oberfläche Pangäas staut sich die Hitze des Erdinneren.
Die Kräfte zerren an den Landmassen. Der Kontinent zerbricht.
Die Geburtsstunde Nordamerikas.
Tektonische Kräfte treiben die Kontinentalplatten auseinander.
Im Verlauf verändern sich Geografie und Klima stetig.
Der Sand der großen Wüsten Pangäas wandert mit.
Und wird zu den Felsen gepresst,
die heute das Antlitz dieser Region prägen.
Mit der Abspaltung Nordamerikas begann der erste Kampf
um die Herrschaft über den Kontinent.
Auf die Gewinner von damals kann man noch heute treffen, mit etwas Glück.
America first. Das stimmt tatsächlich.
Zumindest wenn man auf alte Knochen steht.
In Amerika wurde nämlich
das erste vollständige Dinosaurierskelett gefunden.
Und bis heute sind die Ausgrabungen hier wirklich ergiebig.
In der Wüste von New Mexiko, da hat die Geologie
den Boden durchgewalkt wie einen Kuchenteig.
Und dabei ist manchmal das Unterstete ganz nach oben geraten.
In diesem Tal liegt jetzt zufällig genau die Bodenschicht
an der Oberfläche, die so 60, 70 Millionen Jahre alt ist.
Und das bedeutet: Wo immer man hier den Spaten ansetzt,
hat man gute Chancen, einen Dinosaurier zu finden.
Damals war die Landschaft von üppigem Grün bedeckt.
Bevölkert von Dinosauriern,
den unangefochtenen Herrschern über die Erde.
Nordamerika war die Heimat der Arten, die heute jedes Kind kennt:
Brontosaurus, Tyrannosaurus und Velociraptor, alles Amerikaner.
Doch dann bereitet ein Asteroideneinschlag
der Millionen Jahre währenden Herrschaft ein jähes Ende.
Wirklich?
Der Asteroid, der auf die Erde eingeschlagen ist,
hatte einen Durchmesser von schätzungsweise zehn Kilometern.
Die Erde hat einen Durchmesser von mehr als 12.000 Kilometern. Und das ist dann doch erstaunlich.
Wie konnte diese Katastrophe so verheerende Folgen haben?
Wieso konnte so ein kleines Ding, wenn es auf so ein großes Ding
trifft, alle Dinosaurier auf dem ganzen Planeten ausrotten?
Die Antwort ist so ähnlich wie beim Todesstern von "Star Wars:
Das Ding war so gut wie unzerstörbar.
Aber es hatte diese eine Schwachstelle.
Die Schwachstelle der Erde befand sich südlich der USA.
Der Asteroid schlug im Norden von Mexikos Halbinsel Yucatán ein.
Hätte er woanders unseren Planeten getroffen,
würden die Dinosaurier womöglich noch heute die Welt bevölkern.
Diese Bohrinsel wurde direkt über dem inneren Kraterrand errichtet.
Hier wollen die Forscher das Rätsel der "globalen Achillesferse" lösen.
Die Bohrkerne geben Aufschluss über die Beschaffenheit des Kraters.
Zunächst müssen die Forscher aber den seither neu gebildeten Meeresboden
über dem Krater durchdringen.
Sie warten auf eindeutige Hinweise, dass sie ihr Ziel erreicht haben.
Graniteinschlüsse, die nur durch den Einschlag entstanden sein können,
sind das erhoffte Zeichen.
In 66 Millionen Jahren haben sich 600 Meter neuer Meeresboden abgelagert.
Der Einschlag hat in nur zehn Minuten
eine 130 Meter dicke Schicht entstehen lassen.
Mit deren Zusammensetzung lässt sich die Katastrophe rekonstruieren.
Der Asteroid schlägt eine Grube von 30 Kilometern Tiefe.
Der gewaltige Rückstoß hebt den Boden 15 Kilometer in die Höhe.
Binnen zehn Minuten fällt alles wieder zusammen,
die Kraterränder türmen sich auf.
Die neugeformten Gesteinsschichten finden sich heute im Bohrkern.
In einem Umkreis von etwa 1500 Kilometern
wurde alles Leben direkt ausgelöscht.
Aber weiter entfernt konnten Dinosaurier die direkten Folgen
des Einschlags überleben.
Die totale Ausrottung muss andere Gründe gehabt haben.
Die Vermutung: Die Verdunklung des Himmels
könnte weiteres Leben zerstört haben.
Neben Asche und Staub ist Schwefel im Verdacht:
Er geht in der höheren Atmosphäre Verbindungen ein,
die das Sonnenlicht abschirmen.
Die Region, in die der Asteroid einschlug,